Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 14. November 2007
Aktenzeichen: L 10 KA 24/07

(LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 14.11.2007, Az.: L 10 KA 24/07)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Sozialgericht Nordrhein-Westfalen hat in einem Urteil entschieden, dass dem Kläger Kosten in Höhe von 109,62 EUR erstattet werden müssen. Hintergrund des Verfahrens sind drei Widerspruchsverfahren gegen Honorarkürzungen, die der Prüfungsausschuss gegen den Kläger als Vertragsarzt festgelegt hatte. Der Kläger hatte in einem Verfahren selbst Widerspruch eingelegt, in den anderen beiden Verfahren wurde der Widerspruch durch seine Prozessbevollmächtigten eingelegt. Der Beklagte hatte zunächst die Erstattung der Kosten zugesagt, diese dann aber in einem Kostenfestsetzungsbeschluss auf einen geringeren Betrag festgesetzt. Das Klageverfahren vor dem Sozialgericht führte dazu, dass das Gericht feststellte, dass dem Kläger eine höhere Erstattung zusteht. Der Beklagte legte daraufhin Berufung ein. Das Berufungsgericht folgte jedoch dem Urteil des Sozialgerichts, dass dem Kläger die höhere Erstattung zusteht. Die Revision wurde nicht zugelassen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 14.11.2007, Az: L 10 KA 24/07


Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.03.2007 abgeändert. Die Klage wird hinsichtlich der Kostenerstattung in den gegen die Bescheide vom 28.04.2004 (Quartal IV/2003) und 25.04.2005 (Quartal IV/2004) geführten Widerspruchsverfahren abgewiesen. Hinsichtlich der Kostenerstattung in dem gegen den Bescheid vom 25.10.2004 (Quartal II/2004) geführten Widerspruchsverfahren wird die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte insgesamt weitere 109,62 EUR an den Kläger zu erstatten hat. Von den Kosten in erster Instanz tragen der Kläger 88 % und der Beklagte 12 %. Von den Kosten in zweiter Instanz tragen der Kläger 51 % und der Beklagte 49 %. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, in welcher Höhe dem Kläger in drei Widerspruchsverfahren entstandene Kosten zu erstatten sind.

Der Kläger ist Vertragsarzt mit Sitz in L. Mit Bescheiden vom 28.04.2004 (Quartal 4/2003), 25.10.2004 (Quartal 2/2004) und 25.04.2005 (Quartal 4/2004) setzte der Prüfungsausschuss gegen ihn Honorarkürzungen im Wege der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) fest.

Gegen die Bescheide vom 28.04.2004 und 25.10.2004 legte der Kläger jeweils selber Widerspruch ein; gegen den Bescheid vom 25.04.2005 wurde Widerspruch durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers eingelegt. Diese begründeten sodann den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 25.10.2004 (Schriftsätze vom 14.01.2005 und 20.06.2005). Diese Begründung machten sie sich auch in den Widerspruchsverfahren hinsichtlich der Bescheide vom 25.04.2005 und vom 28.04.2004 durch Bezugnahme zu Eigen.

Nach Rücknahme der den Bescheiden vom 28.04.2004, 25.10.2004 und 25.04.2005 zugrundeliegenden Prüfanträge erklärte der Beklagte diese Bescheide für gegenstandslos und das Beschwerdeverfahren für erledigt.

Mit Bescheid vom 27.03.2006 (Sitzung vom 15.03.2006) entschied der Beklagte, dass dem Kläger die notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung in den jeweiligen Widerspruchsverfahren erstattet werden. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts erklärte er - im Hinblick auf die Schwierigkeit des Rechts der Wirtschaftlichkeitsprüfung - für erforderlich; den Gegenstandswert setzte er hinsichtlich des Quartals 4/2003 (Bescheid vom 28.04.2004) mit 3.882,95 EUR, hinsichtlich des Quartals 2/2004 (Bescheid vom 25.10.2004) mit 2.884,63 EUR und hinsichtlich des Quartals 4/2004 (Bescheid vom 25.04.2005) mit 3.928,49 EUR fest.

Der Kläger machte mit Kostennote seiner Bevollmächtigten vom 03.05.2006 zu erstattende Kosten in Höhe von insgesamt 2.038,70 EUR geltend. In Ansatz gebracht wurde darin für jedes Widerspruchsverfahren eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 Vergütungsverzeichnis (VV) Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) mit 2,5fachen Satz (zuzüglich jeweils Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG i.H.v. 20,00 EUR und 16% Umsatzsteuer).

Der Beklagte setzte die zu erstattenden Kosten mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.05.2006 auf insgesamt 1.093,53 EUR fest. Er legte dabei jeweils eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG mit 1,3fachen Satz mit der Begründung fest, dass die Tätigkeit des Rechtsbeistandes nicht als umfangreich oder schwierig zu werten sei.

Mit am 12.06.2006 erhobener Klage hat der Kläger vorgetragen, der Ansatz der 2,5fachen Geschäftsgebühr sei gerechtfertigt, weil es sich um ein Widerspruchsverfahren mit umfangreicher Begründung und damit einhergehend detaillierter Auseinandersetzung und rechtlicher Würdigung der hieraus folgenden Konsequenzen gehandelt habe. Der Sachverhalt sei komplex und umfangreich gewesen, die Rechtsproblematik schwierig. Bei Vertragsarztrechtsangelegenheiten sei gerade wegen der Schwierigkeit der Materie die Ausschöpfung des Gebührenrahmens nach oben gerechtfertigt. Im Übrigen sei sein Bevollmächtigter Spezialist auf dem Gebiet des Vertragsarztrechts.

Der Kläger hat beantragt,

den Kostenfestsetzungsbeschluss des Beklagten vom 18.05.2006 dahingehend abzuändern, dass die festgesetzte Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV, § 2 Abs. 2, 13, 14 RVG alte Fassung von 1,3 auf 2,5 angehoben und weitere 945,17 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrages gegen den Beklagten festgesetzt werden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass der Ansatz der Höchstgebühr in offensichtlicher Weise unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG sei. Die Überschreitung des 1,3fachen Gebührensatzes sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Tätigkeit des Bevollmächtigten umfangreich oder schwierig gewesen sei. Beides sei aber nicht der Fall. Inhaltlich dezidierte Ausführungen seien zum Quartal 2/2004 erfolgt, im Übrigen sei auf diese Ausführungen verwiesen worden.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat den Beklagten unter Abänderung des Beschlusses vom 18.05.2006 verurteilt, für das Quartal 2/2004 eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV mit 1,8fachem Satz und im Übrigen für die Quartale 4/2003 und 4/2004 eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV mit 1,5fachem Satz anzusetzen und damit weitere 223,30 EUR festzusetzen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen; die Berufung hat es zugelassen (Urteil vom 28.03.2007). Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, dass sowohl nach Schwierigkeit als auch Umfang der anwaltlichen Tätigkeit für das Vorverfahren hinsichtlich des Quartals 2/2004 eine Geschäftsgebühr mit 1,8fachen Satz anzusetzen sei, da eine umfassende Auseinandersetzung mit der Rechtsmaterie stattgefunden habe. Da in den beiden weiteren Widerspruchsverfahren lediglich Bezugnahmen erfolgt seien, werde der Ansatz der 1,5fachen Gebühr für ausreichend erachtet.

Gegen das am 16.05.2007 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung vom 30.05.2007.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.03.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die vom SG zugelassene und auch ansonsten zulässige Berufung des Beklagten ist zum Teil begründet.

Der Beklagte ist durch das Urteil des SG hinsichtlich der die Quartale 4/2003 und 4/2004 betreffenden Verfahren beschwert, denn insoweit hat der Kläger keinen Anspruch auf eine höhere als die von dem Beklagten bereits mit Beschlusss vom 18.05.2006 festgesetzte Kostenerstattung. Hinsichtlich des Quartals 2/2004 ist die Berufung zurückzuweisen, denn das Urteil des SG ist nicht zu Lasten des Beklagten unrichtig.

Rechtsgrundlage der Erstattungsforderung des Klägers ist § 63 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), der auch auf Entscheidungen im Vertragsarztrecht anwendbar ist (Bundessozialgericht - BSG -, SozR 1300 § 63 Nr. 4). Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Ergänzend bestimmt § 63 Abs. 3 SGB X, dass die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen festsetzt. Hat ein Ausschuss oder Beirat die Kostenentscheidung getroffen, obliegt die Kostenfestsetzung der Behörde, bei der der Ausschuss gebildet ist (§ 63 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB X). Im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung liegt die Zuständigkeit für die Kostenfestsetzung bei dem Beschwerdeausschuss als derjenigen Behörde, die nach einem erfolgreichen Widerspruchsverfahren die Kostenentscheidung zu treffen hat. Die Ausnahmeregelung des § 63 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB X greift nicht ein, weil die Gremien der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung im Sinne dieser Vorschrift keine bei den Kassenärztlichen Vereinigungen gebildete Ausschüsse sind (BSG vom 09.09.1998 - B 6 KA 80/97 R - in SozR 3-1300 § 63 Nr. 12). Dies hat letztlich auch zur Folge, dass ein Vorverfahren gegen die vom Beschwerdeausschuss zu treffende Kostenfestsetzungsentscheidung nicht stattfindet (BSG vom 09.09.1998, a.a.O.) und dass der Kläger dementsprechend in zulässiger Weise ohne Vorverfahren direkt Klage vor dem SG erhoben hat.

Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren sind nur erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war (§ 63 Abs. 2 SGB X). Diese Voraussetzung ist erfüllt, da der Beklagte dies mit Bescheid vom 27.03.2006 unangefochten festgestellt hat.

Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts für die Tätigkeit im Vorverfahren, die grundsätzlich erstattungsfähig sind, ergeben sich aus den Bestimmungen des anwaltlichen Gebührenrechts (vgl. von Wulffen/Roos, SGB X, 5. Aufl. 2005, § 63 RdNr. 29). Maßgeblich sind die Regelungen des am 01.07.2004 inkraftgetretenen RVG (Art. 8 Satz 1 i.V.m Art. 6 Nr. 4 und Art. 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 05.05.2004, BGBl I 718), da der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit nach dem 01.07.2004 (Vollmacht vom 26.04.2005) erteilt wurde (§ 61 Abs. 1 RVG).

Bei Wertgebühren i.S.d. § 2 Abs. 1 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu diesem Gesetz (§ 2 Abs. 2 RVG). Die Nr. 2400 VV RVG, die die Geschäftsgebühr für die Vertretung durch einen Anwalt im Verwaltungsverfahren (ohne nachfolgendes Gerichtsverfahren) regelt, gibt einen Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 vor.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt insoweit der Rechtsanwalt die (Rahmen-)Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit, sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisses des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Dabei kann allerdings nach der amtlichen Anmerkung zu Nr. 2400 VV eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Dabei legt der Begriff "oder" nahe, dass die Voraussetzungen "umfangreich" und "schwierig" nicht kumulativ vorliegen müssen, sondern es ausreicht, dass sie alternativ gegeben sind, also die Tätigkeit entweder umfangreich oder schwierig war (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2006 - L 5 KA 5567/05 -).

Die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr ist verbindlich, wenn sie billigem Ermessen entspricht. Ob dies der Fall ist, unterliegt der Wertung. Billiges Ermessen ist nicht positiv zu bestimmen, sondern lässt sich nur negativ abgrenzen, indem ausgehend von einer konkreten Bestimmung der Gebühr festgestellt wird, dass diese außerhalb des Bereichs liegt, der vom billigen Ermessen abgedeckt ist. Maßgebend können nur die Umstände des Einzelfalls sein. Dabei ist zu beachten, dass das grundsätzliche Gebührenbestimmungsrecht des Anwalts nicht dadurch praktisch ausgehöhlt werden darf, dass eine Gebührenbemessung schon dann als unbillig korrigiert wird, wenn sie lediglich "gut bemessen" ist. Jede Ermessensausübung bewegt sich innerhalb eines durch die Umstände bestimmten Rahmens und eine Ermessensausübung ist auch dann noch billig, wenn sie an den oberen Rand des durch die Umstände bestimmten Rahmens geht. Erst dann, wenn dieser obere Rand überschritten wird, ist die Gebühr unbillig. Dann ist erst für das Gericht der Weg frei, das anwaltliche Ermessen durch eigenes Ermessen zu ersetzen (vgl. insgesamt Gerold-Schmidt, BRAGO, 12. Auflage, § 12 RdNrn. 4 bis 6 mit weiteren Hinweisen).

Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Korrektur nicht auf grobe Unbilligkeit beschränkt ist, sonst hätte der Gesetzgeber sich des Begriffs der offenbaren Unbilligkeit, wie sie z.B. in § 319 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch formuliert ist, bedient. Unbilligkeit kann dann vorliegen, wenn der Rechtsanwalt einen auf der Hand liegenden Faktor überhaupt nicht beachtet oder einen offensichtlich völlig abwegigen Faktor zum Maßstab gemacht hat. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen wobei Dritter u.a. auch die Staatskasse ist, muss ausdrücklich festgestellt werden, dass die bestimmte Gebühr unbillig hoch ist. Zweifel gehen zu Lasten des Dritten. Im Allgemeinen werden Abweichungen von bis zu 20% noch als verbindlich angesehen (BSG, Urteil vom 26.02.1992 - 9a RVs 3/90 -; Beschluss des Senats vom 16.08.2006 - L 10 B 7/06 SB -; Gerold-Schmidt § 12 a.a.O. RdNr. 6a).

Zu berücksichtigen ist im konkreten Fall zudem, dass drei Widerspruchsverfahren vorliegen und dass der Beklagte dementsprechend drei Entscheidungen getroffen hat. Dies hat seinen Ausdruck auch darin gefunden, dass drei Entscheidungsaussprüche, nämlich für jedes Widerspruchsverfahren gesondert, vorliegen. Das bedeutet, dass für jedes einzelne Verfahren die Billigkeit der von dem Rechtsanwalt bestimmten Gebühr nach dem o.a. Maßstäben gesondert zu prüfen ist.

Von diesen Grundsätzen ausgehend kommt hinsichtlich der Verfahren über die Bescheide vom 28.04.2004 und 25.04.2005 der Ansatz einer Gebühr nach Nr. 2400 VV RVG mit einem über dem von dem Beklagten bereits angesetzten 1,3fachen Satz liegenden Satz nicht in Betracht. Dem von den Prozessbevollmächtigten des Klägers gewählten Ansatz des 2,5fachen Satzes steht ebenso wie dem vom SG bevorzugten Ansatz des 1,5fachen Satzes die amtlichen Anmerkung zur Nr. 2400 VV RVG entgegen, nach der eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Beides ist hier nicht der Fall; die anwaltliche Tätigkeit beschränkte sich nämlich insoweit auf die bloße Bezugnahme auf das Vorbringen zu dem Bescheid vom 25.10.2004. Die Tätigkeit war insoweit weder umfangreich oder schwierig; sie beschränkte sich auf die einfache Subsumtion, dass der gleiche Sachverhalt mit entsprechend identischen rechtlichen Konsequenzen vorliege. Der Ansatz eines Satzes von mehr als 1,3 ist damit unbillig und nicht gerechtfertigt.

Hinsichtlich des Bescheides vom 25.10.2004 sind die Voraussetzungen der amtlichen Anmerkung zur Nr. 2400 VV RVG hingegen erfüllt. Die anwaltliche Tätigkeit ist insoweit sowohl als umfangreich, insbesondere aber als schwierig zu bewerten.

Bei dieser Bewertung kommt es allerdings - wie sich schon aus dem Wortlaut der Nr. 2400 VV RVG ergibt - nicht auf die individuellen Fähigkeiten des eingeschalteten Rechtsanwalts an (vgl. dazu auch im Einzelnen Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 13.12.2006 - L 5 KA 5567/05 -). Ebenso ist nicht entscheidend welcher Rechtsmaterie der Streitgegenstand zuzuordnen ist. Wenn auch vertreten wird, dass "Probleme des Kassenarztrechts" "als schwierige Rechtsmaterien" einzustufen seien (vgl. Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 13.12.2006, a.a.O., zur Sonderbedarfszulassung von Kindern- und Jugendlichenpsychotherapeuten), existiert kein gefestigter Rechtsgrundsatz, dass Angelegenheiten des Vertragsarztrechts regelhaft mit der Folge als schwierig einzustufen sind, dass stets ein höherer bzw. der höchste Gebührensatz nach Nr. 2400 VV RVG in Ansatz zu bringen ist. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, gibt es auch im Vertragsarztrecht Rechtsbereiche von unterschiedlicher Schwierigkeit. Entscheidend ist - wie bereits ausgeführt - regelmäßig die Beurteilung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im Einzelfall.

Der Umfang ist vorliegend zumindest als eine über dem Durchschnitt liegende Leistung zu werten. Dabei ist nicht nur auf das ca. 4,5 Seiten umfassende schriftliche Vorbringen abzustellen, sondern es ist auch zu berücksichtigen, dass zur Erfassung des Sachverhalts Besprechungen bzw. Rücksprachen mit dem Kläger erforderlich waren. Der Schwerpunkt liegt hier jedoch weit überwiegend bei der Schwierigkeit der anwaltlichen Leistung, zu der der Beklagte bereits selber in seiner Entscheidung vom 27.03.2006 ausgeführt hat, dass diese als schwierig einzustufen sei. Dem ist zumindest im hier zu entscheidenden Rechtsstreit zuzustimmen: Um in Verfahren, die die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Leistungserbringung zum Gegenstand haben, eine zuverlässige Beurteilung der Rechtslage vornehmen zu können, muss der Rechtsanwalt umfassende Kenntnis von den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V haben oder sich diese zumindest erarbeiten. Er muss sich dazu insbesondere in die umfangreiche Rechtsprechung einlesen bzw. diese verfolgen und die dort aufgestellten Rechtssätze auf den konkreten Fall anwenden. Dies setzt wiederum eine eingehende Kenntnis u.a. von dem Leistungsspektrum des Klägers und der Vergleichsgruppe voraus und erfordert in der fallbezogenen Umsetzung tiefgehendes Verständnis über die relevanten Zusammenhänge. All dies ist auch in dem Vorbringen im Widerspruchsverfahren zum Ausdruck gekommen, so dass mit dem SG der Ansatz einer Geschäftsgebühr mit dem 1,8fachen Satz gerechtfertigt ist. Nicht mehr Streitgegenstand ist der Ansatz eines höheren Satzes; dennoch ist insoweit anzumerken, dass auch der Senat dafür keine Rechtfertigung sieht, dies z.B. vor dem Hintergrund, dass einige Gesichtspunkte der zu behandelnden Problematik bereits von dem Kläger selber in seinen Widersprüchen aufgezeigt worden sind.

Der Senat war im Übrigen nicht gemäß § 14 Abs. 2 RVG gehalten, ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer einzuholen. Denn eine solche Verpflichtung besteht nur in den Fällen, in denen die Gebühr zwischen Rechtsanwalt und Mandanten streitig ist, es sich also um einen echten Honorarstreit handelt (Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 19.10.2004 - VII B 1/04 - zu § 12 Abs. 2 BRAGO, RVGreport 2006, 20-21; Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 17.08.2005 - 6 C 13/04 - zu § 12 Abs. 2 BRAGO, RVGreport 2006, 21-22; LSG NRW, Urteil vom 29.01.2007 - L 1 AL 54/06 - ).

Für das Quartal 2/2004 ergibt sich damit ein Erstattungsanspruch des Klägers i.H.v. 109,62 EUR (1,8 Geschäftsgebühr i.H.v. 340,20 EUR, Pauschale i.H.v. 20,00 EUR, Umsatzsteuer i.H. v. 57,63 EUR = 417,83 EUR./. anerkannter Betrag i.H.v. 308,21 EUR).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).






LSG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 14.11.2007
Az: L 10 KA 24/07


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