Finanzgericht München:
Urteil vom 5. Mai 2014
Aktenzeichen: 7 K 1340/12
(FG München: Urteil v. 05.05.2014, Az.: 7 K 1340/12)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Finanzgericht München hat in einem Urteil entschieden, dass die Klage abgewiesen wird und die Kläger die Kosten des Verfahrens tragen müssen. In dem Streit ging es um die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes nach §17 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG).
Die Kläger waren verheiratet und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie waren Aktionäre an der Firma € Aktiengesellschaft (A-AG). Die A-AG wurde als GmbH gegründet und später in eine AG umgewandelt. Die Kläger und die A-AG gerieten in finanzielle Schwierigkeiten und die A-AG wurde insolvent. Der vorläufige Insolvenzverwalter stellte fest, dass die A-AG keine Umsätze erzielte und keine Fortführungsaussichten bestehen. Das Aktivvermögen der A-AG wurde mit einem erinnerungswert von 1 DM bewertet. Die Verbindlichkeiten der A-AG betrugen ca. 20 Mio. DM. Das Insolvenzverfahren wurde eröffnet und später mangels Masse wieder eingestellt. Die A-AG wurde schließlich gelöscht.
Die Kläger ermittelten ihre Veräußerungsverluste nach §17 Abs. 4 EStG und beantragten die Berücksichtigung dieser Verluste in ihren Einkommensteuerbescheiden. Das Finanzamt lehnte dies ab und setzte die Einkommensteuer fest. Die Kläger legten Einspruch ein, der abgelehnt wurde. Daraufhin erhoben sie Klage.
Das Gericht entschied, dass das Finanzamt zu Recht den Verlust aus der Auflösung der A-AG nicht im Streitjahr berücksichtigt hat. Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung eines Auflösungsverlusts waren nicht erfüllt. Die Kläger konnten bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr mit Zuteilungen oder Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen rechnen, da die Verbindlichkeiten der A-AG das Aktivvermögen überstiegen. Die Kläger konnten keine objektiven Anhaltspunkte für eine Vermögenslosigkeit der A-AG darlegen. Zudem konnten sie keine weiteren wesentlichen Aufwendungen auf Seiten des Gesellschafters nachweisen. Die Kosten des Verfahrens wurden den Klägern auferlegt.
Das Urteil ist rechtskräftig und kann nicht mehr angefochten werden.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
FG München: Urteil v. 05.05.2014, Az: 7 K 1340/12
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG).
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr getrennt zur Einkommensteuer veranlagt. Sie waren als Aktionäre an der Firma € Aktiengesellschaft (nachfolgend: A-AG) beteiligt. Die A-AG wurde zunächst als GmbH mit notarieller Urkunde vom 23. März 2000 gegründet. Ihr Stammkapital betrug 30.000 €. Es handelte sich um ein sogenanntes Startup-Unternehmen. Das Geschäftsmodell sah vor, Technologien für € zu entwickeln, zur Marktreife zu bringen und zu vermarkten. Nach diversen Kapitalerhöhungen und der Umwandlung in eine AG betrug das Grundkapital 4,5 Mio. €. Der Kläger hielt 204.500 Aktien und die Klägerin 154.500, der Kläger war zugleich einer von drei Vorständen. Durch Beschluss des Amtsgerichts München € Insolvenzgericht € vom .. August 2001 wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Rechtsanwalt B wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und mit der Erstellung eines Gutachtens zur Vorbereitung der Entscheidung des Gerichts über die Eröffnung des Verfahrens beauftragt. Nach seinen Feststellungen erzielte die A-AG zu keinem Zeitpunkt Umsätze. Der Verlust zum Bilanzstichtag 31.12.2000 betrug 1.036.462 €, zum Stichtag 30.06.2001 belief er sich nach einem Zwischenabschluss auf 1.859.933 €. Im November 2001 war die A-AG zahlungsunfähig. Sie hatte bereits vor mehreren Monaten ihre Zahlungen weitgehend eingestellt und erhielt keine Kredite mehr, da keine Sicherheiten gestellt werden konnten. Die immateriellen Vermögenswerte wurden von Fremdfirmen für sich beansprucht. Die Gespräche mit Übernahmeinteressenten verliefen ohne Ergebnisse, im November 2001 waren nach Einschätzung des B keine Interessenten mehr vorhanden. Der vorläufige Insolvenzverwalter kam zu der Auffassung, es bestünden keine Fortführungsaussichten. Das Geschäftsmodell sei nie umgesetzt worden, für einen neuen Businessplan wären finanzielle Mittel in einer Größenordnung von 100 Mio. DM erforderlich, die die AG nicht aufbringen könne. B bewertete das Aktivvermögen mit geschätzt rund 50.000 DM, wobei er die immateriellen Vermögenswerte nur mit einem Erinnerungswert von 1 DM ansetzte. Zwar sei davon auszugehen, dass der AG ein Miturheberrecht an der Client-Software für das Endgerät .. der Firma C zustünde. Dieses Recht würde von der Firma C jedoch energisch bestritten. Zudem sei die Verwertbarkeit etwaiger Miturheberrechte völlig ungewiss, da sie nur dann einen Vermögenswert hätten, wenn das Produkt fortgeführt werde. Die Verbindlichkeiten der AG betrugen ca. 20 Mio. DM. Da das Aktivvermögen die voraussichtlichen Verfahrenskosten von ca. 48.000 DM überstieg, regte B an, das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten des B und seinen im gleichen Dokument enthaltenen Bericht über die vorläufige Insolvenzverwaltung vom 7. November 2001 Bezug genommen. Mit Beschluss vom € November 2001 eröffnete das Amtsgericht München € Insolvenzgericht € das Insolvenzverfahren und bestellte B zum Insolvenzverwalter. Mit einem weiteren Beschluss vom € Juni 2008 stellte es das Insolvenzverfahren mangels einer die Kosten deckenden Masse gemäß § 207 Insolvenzordnung (InsO) wieder ein. Die A-AG wurde wegen Vermögenslosigkeit am ... Oktober 2008 gemäß § 141a Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) von Amts wegen gelöscht.
Die Kläger ermittelten ihre Veräußerungsverluste nach § 17 Abs. 4 EStG wie folgt:
KlägerKlägerinAnschaffungskosten GmbH4.500 €4.500 €Anschaffungskosten AG200.000 €150.000 €gesamt204.500 €154.500 €In den Einkommensteuerbescheiden für 2008 vom 19. September 2011 berücksichtige der Beklagte (Finanzamt) die beantragten Verluste nicht. Es vertrat die Auffassung, die Verluste hätten bereits im Jahr 2001 angesetzt werden müssen. Für den Kläger wurde die Einkommensteuer auf .. € und für die Klägerin auf .. € festgesetzt. Die beantragten gesonderten Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31.12.2008 lehnte das Finanzamt mit Bescheiden vom 27. Januar 2012 ab. Die Kläger legten gegen alle Bescheide fristgemäß Einsprüche ein. Mit zwei Einspruchsentscheidungen vom 27. März 2012 wies das Finanzamt diese als unbegründet zurück. Dagegen richten sich die Klagen, die mit Beschluss vom 15. Juni 2012 gemäß § 73 Abs. 1 FGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind.
Zur Begründung tragen die Kläger im Wesentlichen vor:Der Bundesfinanzhof (BFH) vertrete in seiner ständigen Rechtsprechung die Auffassung, dass Verluste aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften durch Insolvenz erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden könnten. Nur in Ausnahmefällen sei der Verlust aus der Beteiligung bereits in dem Jahr anzusetzen, in dem feststehe, dass mit keiner Änderung des Verlusts mehr zu rechnen sei. Als Grund erkenne der BFH beispielsweise an, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden oder dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Auflösung vermögenslos gewesen sei. Beide Kriterien seien im Fall der A-AG nicht erfüllt. Das Insolvenzverfahren sei eröffnet und erst im Jahr 2008 abgeschlossen worden. Die Familie der Kläger habe dem Insolvenzverwalter zur Überbrückung der Vermögenslosigkeit ein Darlehen in Höhe von 30.000 € gewährt, das erst 2008 zurückgezahlt worden sei. Aus der Veräußerung von Betriebsvermögen seien noch Einnahmen zugeflossen. Der Kläger selbst habe in Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter Gespräche mit Kaufinteressenten der A-AG bzw. von Assets der A-AG geführt. Es werde insbesondere auf die Gespräche mit der Firma € verwiesen, die erst im April 2002 ohne Ergebnis abgebrochen worden seien. Mit der Firma € sei bis zum Dezember 2001 verhandelt worden. Danach habe es zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Kläger keinen weiteren Informationsaustausch gegeben. Da die Altgesellschafter im Insolvenzverfahren weder einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Insolvenzverwalter besäßen noch zur Gläubigerversammlung zugelassen seien, wäre es dem Kläger nicht möglich gewesen, den Stand des Verfahrens zu beurteilen. Da bei Stellung des Insolvenzantrags für den Kläger kein Grund bestand, der die ausnahmsweise Geltendmachung der Auflösungsverluste gerechtfertigt hätte, sei davon auszugehen, dass der Abschluss des Insolvenzverfahrens der richtige Zeitpunkt zur Geltendmachung des Verlusts sei. Selbst wenn es in einem anderen Jahr einen richtigen Zeitpunkt gegeben haben sollte, beispielsweise 2002, so wäre dieser jedenfalls für den Kläger nicht erkennbar gewesen. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2001 sei es für den Kläger offensichtlich gewesen, dass noch erhebliches verwertbares Vermögen in der Gesellschaft vorhanden gewesen sei, das zu einem (teilweisen) Rückfluss der geleisteten Einlagen hätte führen sollen. Ansonsten hätte man aus dem Aktionärskreis sicherlich nicht dem Insolvenzverwalter 30.000 € darlehensweise zur Verfügung gestellt, damit dieser das Insolvenzverfahren weiterführen und die vorhandenen Vermögenswerte realisieren konnte. Der Kläger sei auch davon ausgegangen, dass der Insolvenzverwalter gegenüber den ehemaligen Partnern der A-AG Ansprüche geltend machen und auch durchsetzen werde. Dazu zählten die Verwertung von ca. 150 hochwertigen Endgeräten und des Betriebsvermögens (Büroeinrichtungen, EDV). Schließlich hätten auch Schadensersatzansprüche gegen die Firma C wegen der Verletzung von deren vertraglichen Verpflichtungen bestanden. Mit C sei ein Kooperationsvertrag abgeschlossen worden. C habe ihre Vertragspflichten verletzt, indem sie bereits zwei Wochen nach der Insolvenz der A-AG auf der Funkausstellung IFA aufgetreten sei und mit einem Konkurrenzunternehmen das mit der A-AG entwickelte Endgerät vermarktet habe. Gleichzeitig habe die mit der C bestehende BGB-Gesellschaft eine Haftungsgemeinschaft begründet, die für C eine Übernahme von Forderungen gegen die A-AG hätte bedeuten können. Ein weiterer Kooperationsvertrag über die Entwicklung der Betriebssoftware habe mit einer anderen Tochter von C, nämlich der Firma D bestanden. Von diesem Vertrag sei D kurz vor der Anmeldung der Insolvenz zurück getreten. Der A-AG hätten hieraus nach Ansicht des Klägers Ansprüche auf Rückflüsse von bereits geleisteten Zahlungen zugestanden.
Hätten die Kläger versucht, den Verlust in einem früheren Jahr steuerlich geltend zu machen, so wäre dies von der Finanzverwaltung zu Recht mit dem Hinweis auf das noch nicht abgeschlossene Insolvenzverfahren und der damit verbundenen Unkenntnis der Höhe des anzusetzenden Verlustes abgelehnt worden.
Die Kläger beantragen,die Einkommensteuerbescheide vom 19. September 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. März 2012 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer für den Kläger und die Klägerin auf jeweils 0 € festgesetzt wird sowie das Finanzamt zu verpflichten, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27. März 2012 verbleibende Verlustvorträge zur Einkommensteuer für den Kläger in Höhe von € € und für die Klägerin in Höhe von € € gesondert festzustellen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt,die Klage abzuweisen.
Zur Begründung beruft es sich auf seine Einspruchsentscheidung.
Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Einspruchsentscheidung, die eingereichten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2014 Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zu Recht den Verlust aus der Auflösung der Kapitalgesellschaft nicht im Streitjahr berücksichtigt.
1. Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft zu mindestens 1 Prozent beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. November 2001 VIII R 36/00, BStBl 2002, 731 m.w.N.). Die A-AG wurde am 15. November 2001 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 262 Abs. 1 Nr. 3 Aktiengesetz (AktG) aufgelöst. Die Kläger haben die im Streitfall demnach maßgebliche Schwelle von 45.000 Aktien jeder für sich überschritten.
2. Die weiteren Voraussetzungen für die Entstehung eines Auflösungsverlustes im Sinne von § 17 EStG lagen im Streitjahr nicht vor.
a) Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes ist, dass der wesentlich beteiligte Gesellschafter nicht mehr mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen rechnen konnte und dass feststand, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende Veräußerungs- oder Aufgabekosten anfallen werden (BFH-Urteile vom 10. November 1998 VIII R 6/96, BStBl II 1999, 348 und vom 27. November 2001 VIII R 36/00, BStBl II 2002, 731). Dies lässt sich im Fall der Auflösung der Kapitalgesellschaft mit anschließender Liquidation regelmäßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation beurteilen (BFH-Urteile vom 12. Dezember 2000 VIII R 52/93, BStBl II 2001, 286; vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761 und in BStBl II 2002, 731). Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt, in dem der Veräußerungs- bzw. Auflösungsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits festgestellten Verlustes nicht mehr zu rechnen ist (BFH-Urteile vom 25. Januar 2000 VIII R 63/98, BStBl II 2000, 343; in BFH/NV 2001, 761). Das ist z.B. dann der Fall, wenn aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz des Konkursverwalters (§§ 123, 124 KO) oder einer Zwischenrechnungslegung (§ 132 Abs. 2 KO) mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheint (BFH in BFH/NV 2001, 761; Urt. vom 25. März 2003 VIII R 24/02, BFH/NV 2003, 1305). Der BFH stellt dabei maßgeblich darauf ab, dass das Fehlen von Aktiva, die auch für eine Verteilung unter den Gesellschaftern ausreichen würden, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen muss (BFH-Urt. vom 21. Januar 2004 VIII R 2/02, BStBl II 2004, 551, unter II.3.c dd der Gründe). Erforderlich hierfür sind unstreitige greifbare Anhaltspunkte für eine etwaige Vermögenslosigkeit (BFH-Urt. vom 21.01.2004 VIII R 2/02, BStBl II 2004, 551). Diese Rechtsprechung verfolgt den Zweck, den Zeitpunkt des Entstehens eines Auflösungsverlusts aus Gründen der Rechtssicherheit an objektivierbare Kriterien zu knüpfen, wie sie der Abschluss der Liquidation oder die Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse darstellen. Hinzukommen muss, dass auf der Ebene des Gesellschafters keine weiteren wesentlichen Aufwendungen zu erwarten sind (BFH-Beschlüsse vom 22. November 2005 VIII B 308/04, BFH/NV 2006, 539 und vom 10. Februar 2009 IX B 196/08, BFH/NV 2009, 761; BFH-Urteile vom 1. März 2005 VIII R 46/03, BFH/NV 2005, 2172 und vom 28. Oktober 2008 IX R 100/07, BFH/NV 2009, 561).
b) Bei Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze auf den Streitfall ist der Ansatz der von den Klägern erlittenen Auflösungsverluste im Streitjahr nicht möglich. Die Höhe des Auflösungsverlusts der Kläger stand bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2001 und spätestens im Jahr 2002 fest, es handelt sich lediglich um ihre Anschaffungskosten. Die Kläger konnten bereits ab diesem Zeitpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr mit Zuteilungen oder Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen rechnen, da die vorrangig zu bedienenden Verbindlichkeiten der A-AG deren Aktivvermögen zu Liquidationswerten um ein Vielfaches überstiegen. Dies ist durch das Gutachten und den Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 7. November 2001 nachgewiesen. Bei Verfahrenseröffnung beliefen sich die Schulden der A-AG auf rund 20 Mio. DM. Dem stand kein Aktivvermögen im nennenswerten Umfang gegenüber. Das bewegliche Anlagevermögen einschließlich der Endgeräte und der Büroeinrichtung hatte einen Wert von lediglich ca. 10.000 DM. Immaterielle Wirtschaftsgüter in einem Wert von mehreren Mio. DM waren ebenfalls nicht vorhanden. Die A-AG hatte geplant, ein neues Gerät zum Zwecke € zu entwickeln. Zwar wurden insoweit Programmierarbeiten geleistet und auch Hardware entwickelt. Die Entwicklungen gelangten jedoch nicht zur Marktreife und hatten deshalb keinen greifbaren Vermögenswert. Zudem standen etwaige Urheberrechte der A-AG nicht allein zu, sondern wurden auch von C beansprucht. Ein Verkauf des Unternehmens als Ganzes oder von einzelnen Wirtschaftsgütern zu einem Preis, der der Höhe der Verbindlichkeiten entsprochen hätte, war bei dieser Ausgangslage nicht realistisch. Nach Einschätzung des Insolvenzverwalters wäre für die Fortführung des Unternehmens ein Businessplan in einer Größenordnung von 100 Mio. DM notwendig gewesen. Er beurteilte deshalb bereits im November 2001 die Fortführungsaussichten als illusorisch. Diese Einschätzung beruhte auf den objektiven Tatsachen. Im weiteren Verlauf bestätigte sich auch, dass kein Käufer für das gesamte Unternehmen oder einzelne Komponenten gefunden werden konnte. Auch der Kläger bestätigte in der mündlichen Verhandlung, dass spätestens im März 2002 feststand, dass kein Investor mehr gefunden werden konnte. Soweit der Kläger vorbringt, dass dennoch immaterielle Vermögenswerte in einem Umfang, die die Verbindlichkeiten überstiegen, vorhanden gewesen wären, kann dem nicht gefolgt werden. Für seine subjektive Einschätzung hat er keine objektive Grundlage dargelegt und glaubhaft gemacht. Als ehemaliger Vorstand der A-AG verfügt er über die notwendigen Kenntnisse der tatsächlichen Verhältnisse. Die im Klageverfahren noch geltend gemachten zivilrechtlichen Ansprüche gegen die C oder die D führen zu keiner anderen Beurteilung. Die Darstellung der potentiellen Ansprüche ist unsubstantiiert. Ein Schadensersatzanspruch aus der Vermarktung eines gemeinsam entwickelten Endgeräts durch die C würde voraussetzen, dass die A-AG bereits über ein marktfähiges Produkt verfügte. Dafür gibt es keine nachprüfbaren Anhaltspunkte. Erst recht fehlt es hinsichtlich der angeblichen Ansprüche auf Rückzahlung von bereits geleisteten Zahlungen an die D an jeglicher Konkretisierung.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.
FG München:
Urteil v. 05.05.2014
Az: 7 K 1340/12
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