Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg:
Beschluss vom 4. September 2012
Aktenzeichen: OVG 11 L 14.12

(OVG Berlin-Brandenburg: Beschluss v. 04.09.2012, Az.: OVG 11 L 14.12)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in einem Beschluss vom 4. September 2012 den Streitwert in einem Verfahren festgesetzt. Das Verwaltungsgericht Potsdam hatte den Streitwert zunächst auf 969.750 EUR festgesetzt. Auf die Streitwertbeschwerde des Beklagten wurde der Streitwert auf 484.875 EUR reduziert. Die Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen haben daraufhin Streitwertbeschwerde eingelegt und die Erhöhung des Streitwerts auf 3.879.000 EUR beantragt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Streitwertbeschwerde nur teilweise für begründet erklärt und den Streitwert wieder auf 969.750 EUR festgesetzt. Es hat dabei festgestellt, dass der Verwaltungsgerichtshof Rheinland-Pfalz und das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in ähnlichen Fällen den Streitwert auf 2,5% der Herstellungskosten festgesetzt haben. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg schließt sich dieser Auffassung an. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Der Beschluss ist endgültig und kann nicht angefochten werden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OVG Berlin-Brandenburg: Beschluss v. 04.09.2012, Az: OVG 11 L 14.12


Tenor

Die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 25. Januar 2012 wird geändert und der Streitwert wiederum - wie im vorangegangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. November 2011 - auf 969.750 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen begehren mit ihrer im eigenen Namen eingelegten Streitwertbeschwerde sinngemäß eine Erhöhung des Streitwertes auf 3.879.000 EUR, hilfsweise auf 1.939.500 EUR.

Das Verwaltungsgericht Potsdam hatte den Streitwert im Klageverfahren der Klägerin auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer im Jahre 2003 beantragten Genehmigung nach dem BImSchG für eine Windfarm mit 19 Windkraftanlagen (WKA) in T... durch Beschluss vom 11. November 2011 - unter Auferlegung der Kosten auf den Beklagten mit Ausnahme jener der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen habe, und Einstellung des Verfahrens - ursprünglich auf 969.750 EUR, d.h. 2,5 % der Herstellungskosten, festgesetzt, nachdem die (Haupt)Beteiligten den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung im Anschluss an die Aufhebung des ablehnenden Bescheides übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Zur Begründung hatte es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Neubescheidung ihres Genehmigungsantrags gegenüber dem Beklagten zu. Dessen Ablehnung unter Verweis auf entgegenstehende Festsetzungen im Regionalplan Havelland-Fläming € Sachlicher Teilplan €Windenergienutzung€ sei nach dessen kurz zuvor erfolgter Aufhebung im Normkontrollverfahren rechtswidrig gewesen.

Auf die Streitwertbeschwerde des Beklagten vom 25. November 2011 mit dem Begehren, den Streitwert in geringerer Höhe festzusetzen - wegen der in der mündlichen Verhandlung nur möglichen Verpflichtung zur Neubescheidung könne im Hinblick auf II. Nr. 1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (nachfolgend: Streitwertkatalog) allenfalls ein Streitwert in halber Höhe gerechtfertigt sein -, hat das Verwaltungsgericht Potsdam seine Streitwertfestsetzung durch Beschluss vom 25. Januar 2012 dahingehend reduziert, dass es den Streitwert nunmehr auf 484.875 EUR festsetzte. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar habe die Klägerin unter dem 5. Mai 2006 ursprünglich schriftsätzlich die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung der WKA beantragt gehabt, jedoch habe sie dieses Begehren in der mündlichen Verhandlung nicht mehr weiterverfolgt, sondern ihr Begehren auf eine (Neu)-Bescheidung beschränkt. Auch wenn eine diesbezügliche Protokollierung wegen der zwischenzeitlichen Bescheidaufhebung und übereinstimmender Erledigungserklärung nicht mehr erfolgt sei, erscheine es sachgerecht, die maßgebliche Bedeutung der Sache für die Klägerin mit der Hälfte des Wertes der entsprechenden Verpflichtungsklage zu bemessen. Entgegen der Annahme der Klägerin sei hierfür auch nicht auf einen Wert von 10 % der Herstellungskosten (II. Nr. 9.1.8 des Streitwertkatalogs), sondern - wie bereits im Beschluss vom 11. November zugrunde gelegt - in Anlehnung an II. Nr. 19.1.1 Streitwertkatalog auf einen Wert von 2,5 % der Herstellungskosten abzustellen gewesen. Insoweit folge man entsprechenden Beschlüssen des OVG NRW und Rheinland-Pfalz aus jüngster Zeit. Der vom Senat in einem Beschluss vom 18. Oktober 2007 zu OVG 11 L 42.07 und zuvor auch von €weiteren Obergerichten€ vertretenen abweichenden Auffassung könne man sich nicht anschließen, da ein hinreichender Grund für eine unterschiedliche Streitwertfestsetzung bezogen auf immissionsrechtliche Genehmigungen für WKA und solche für sonstige Vorhaben nicht ersichtlich sei. Auch würde dies insbesondere für Großvorhaben zu unangemessen hohen Streitwerten führen, was den Zugang zu den Verwaltungsgerichten unvertretbar erschweren könne.

II.

Die am 29. Februar 2012 von den Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen im eigenen Namen erhobene Streitwertbeschwerde, die sich angesichts des Antrags auf Erhöhung des Streitwerts auf 3.879.000 EUR, hilfsweise 1.939.500 EUR, nicht nur gegen die Herabsetzung des Streitwerts von 969.750 EUR auf 484.875 EUR im Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 25. Januar 2012 richten kann, sondern auch gegen die ursprüngliche Festsetzung durch dessen Beschluss vom 11. November 2011 gerichtet sein muss, ist zulässig. Insbesondere ist sie gemäß § 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG innerhalb von sechs Monaten nach Erledigung der Hauptsache erhoben worden, da die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Hauptbeteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 9. November 2011 abgegeben worden waren. Bedenken bestehen auch nicht im Hinblick auf das Vorbringen des Beklagten mit Schriftsatz vom 29. März 2012, es sei denkbar, dass zwischen der Beigeladenen und ihren Verfahrensbevollmächtigten, d.h. den Beschwerdeführern, eine Honorarvereinbarung bestehe, die die Höhe des anwaltlichen Vergütungsanspruchs begrenze. In diesem Fall würde die Streitwertfestsetzung für die Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen keine Beschwer begründen können. Dafür gibt es indes keinerlei konkreten Anhaltspunkte, zumal eine Honorarvereinbarung, die den gesetzlichen Vergütungsanspruch der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen - diese sind im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch aufgetreten - einzuschränken vermag, wäre gem. § 49 b Abs. 1 BRAO i. V. m. § 4 RVG im gerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht unzulässig.

Die Streitwertbeschwerde ist jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Zu Recht beanstanden die Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen allerdings, das Verwaltungsgericht habe den Streitwert nicht durch Beschluss vom 25. Januar 2012 mit der Begründung herabsetzen dürfen, die Klägerin habe das mit der Klage geltend gemachte Begehren auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der immissionsrechtlichen Genehmigungen in der mündlichen Verhandlung nicht mehr weiterverfolgt, sondern ihr Begehren, was allerdings wegen der zwischenzeitlichen Bescheidaufhebung und übereinstimmenden Erledigungs-erklärung nicht mehr protokolliert worden sei, auf eine (Neu-)Bescheidung beschränkt. Zum einen sei diese Annahme unzutreffend, zum anderen könne sich das Antragsbegehren nicht nach dem bloßen €Eindruck des Gerichts oder anderer Prozessbeteiligter€ beurteilen, sondern nur anhand der schriftsätzlich gestellten oder protokollierten Anträge. Die Klägerin habe jedoch zu keinem Zeitpunkt, d.h. auch nicht in der mündlichen Verhandlung, einen anderen Sachantrag gestellt als den Verpflichtungsantrag, wie er mit dem Klagebegründungsschriftsatz vom 5. Mai 2006 geltend gemacht worden sei.

Dahingestellt bleiben kann vorliegend, inwieweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung tatsächlich zu erkennen gegeben hat, angesichts fehlender Spruchreife der Streitsache im Falle notwendiger gerichtlicher Sachentscheidung sinnvollerweise nur noch eine Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung anzustreben bzw. ihren angekündigten Sachantrag für diesen Fall umzustellen. Denn zu einer solchen Sachentscheidung und vorheriger Stellung von Sachanträgen der Beteiligten ist es wegen der Aufhebung des ablehnenden Bescheids und des Widerspruchsbescheids durch den Beklagten und die anschließenden übereinstimmenden Erledigungserklärungen im Verlaufe der mündlichen Verhandlung, d.h. wegen anderweitiger Erledigung ohne Sachentscheidung des Gerichts, unstreitig nicht gekommen. Dann aber ist das Klageziel schon aus Gründen notwendiger prozessualer Klarheit aus dem bisherigen klägerischen Begehren, d.h insbesondere auch den angekündigten Anträgen, zu bestimmen. Dass die Klage der Klägerin nach dem im Schriftsatz vom 5. Mai 2006 angekündigten Antrag und den Ausführungen zur Begründung jedenfalls bis zur Erörterung der - durch die Aufhebung des Regionalplans Havelland-Fläming, Sachlicher Teilplan €Windenergienutzung€ eingetretenen - veränderten rechtlichen Situation und der sich daraus ergebenden Folgen in der mündlichen Verhandlung auf die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der abgelehnten immissionsrechtlichen Genehmigung gerichtet war, ist unstrittig. Will das Gericht in einer solchen Situation berücksichtigen, dass die Klägerin ihr bisheriges Verpflichtungsbegehren nicht mehr weiterverfolgt, obwohl ihr das möglich ist, und sich stattdessen mit der bloßen Aufhebung der Ablehnungsentscheidung durch den Beklagten sowie dessen Zusage zur Neubescheidung zufrieden gibt, kann es das nur im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung tun, indem sie der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der sogenannten verdeckten Klagerücknahme einen Teil der Verfahrenskosten auferlegt. Das hat das Verwaltungsgericht jedoch gerade nicht getan, die Verfahrenskosten vielmehr in vollem Umfang dem Beklagten auferlegt. Diese Kostenentscheidung ist nicht im Nachhinein mittelbar dadurch zu korrigieren, dass stattdessen der Streitwert mit der Begründung herabgesetzt wird, die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, im Falle einer Sachentscheidung nur noch einen (Neu-)Bescheidungsantrag stellen zu wollen.

Soweit die Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen darüber hinaus geltend machen, der Streitwert für die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der beantragten immissionsrechtlichen Genehmigungen für die 19 Windkraftanlagen sei nicht mit 2,5 % der Herstellungskosten zu bemessen, wie das Verwaltungsgericht unter Berufung auf II. Nr. 19.1.1 des Streitwertkatalogs meine, sondern auf 10 % der Herstellungskosten, da diese Genehmigung u.a. auch die Baugenehmigung beinhalte, für die der Streitwert nach II. Nr. 9.1.8 des Streitwertkatalogs in dieser Höhe geregelt sei, hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Zwar trifft die Annahme der Beschwerde zu, dass die immissionsrechtliche Genehmigung gemäß § 13 BImSchG andere die Anlage betreffende öffentlich-rechtliche Genehmigungen - u.a. auch die Baugenehmigung - einschließt. Andererseits gilt das, wie das OVG NRW im Beschluss vom 5. Oktober 2010 zum Geschäftszeichen 8 E 1157/10 (juris Rz. 15) zutreffend ausführt, nicht nur für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von Windkraftanlagen, sondern auch für entsprechende Genehmigungen sonstiger Vorhaben, ohne dass hinreichende Gründe für eine entsprechende Differenzierung ersichtlich sind. Das gebietet eine einheitliche Handhabung der Streitwertfestsetzung auf 2,5 % der Herstellungskosten für alle immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen entsprechend II. Nr. 19.1.1 des Streitwertkatalogs (OVG NRW, a.a.O., Rz. 10 ff.; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. November 2011 - 1 E 11244/11 -, juris Rz. 4 betr. einen immissionsrechtlichen Vorbescheid). An seiner früheren, im Beschluss vom 18. Oktober 2007 zum Geschäftszeichen OVG 11 S 42.07 vertretenen abweichenden Auffassung hält der Senat im Hinblick hierauf nicht mehr fest.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).






OVG Berlin-Brandenburg:
Beschluss v. 04.09.2012
Az: OVG 11 L 14.12


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