Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 24. Oktober 2011
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 34/11
(BGH: Beschluss v. 24.10.2011, Az.: AnwZ (Brfg) 34/11)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 24. Oktober 2011 abgelehnt, den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg anzunehmen. Der Kläger muss nun die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen. Der Streitwert des Verfahrens wurde auf 50.000 Euro festgesetzt.
Der Kläger wurde im Jahr 1994 als Rechtsanwalt zugelassen. Die Zulassung wurde jedoch im September 2010 aufgrund von Vermögensverfall widerrufen. Der Kläger hat gegen den Widerruf geklagt, war jedoch erfolglos. Nun möchte der Kläger die Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs zulassen.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist nach § 112e BRAO und § 124a Abs. 4 VwGO zulässig. Allerdings wurde der Antrag abgelehnt, da nach der Begründung des Antrags keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen. Der Anwaltsgerichtshof hatte den Vermögensverfall des Klägers aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bejaht, die darauf hindeuteten, dass der Kläger in finanziellen Schwierigkeiten war.
Der Kläger bestreitet die Richtigkeit dieser Feststellung und behauptet, dass er Ratenzahlungsvereinbarungen mit seinen Gläubigern getroffen habe. Allerdings hat er nicht nachgewiesen, dass er diese Vereinbarungen tatsächlich eingehalten hat und dass alle Forderungen gegen ihn beglichen wurden. Für die Beurteilung des Widerrufs der Zulassung ist allein der Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerspruchsverfahrens oder der Ausspruch der Widerrufsverfügung maßgeblich. Spätere Entwicklungen können nur in einem Wiederzulassungsverfahren berücksichtigt werden.
Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, da die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage bereits geklärt ist. Ein Anwalt befindet sich nicht im Vermögensverfall, wenn er nachweist, dass er alle gegen ihn gerichteten Forderungen innerhalb eines absehbaren Zeitraums begleichen kann. Im vorliegenden Fall hat der Kläger jedoch keine ausreichenden Nachweise erbracht.
Schließlich ergibt sich auch aus der Begründung des Zulassungsantrags kein Verfahrensfehler, der die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beeinflusst. Der Kläger hat nicht detailliert dargelegt, welche Beweise das Gericht hätte erheben müssen und wie diese die Entscheidung möglicherweise beeinflusst hätten.
Die Kostenentscheidung und die Streitwertfestsetzung basieren auf den entsprechenden gesetzlichen Regelungen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 24.10.2011, Az: AnwZ (Brfg) 34/11
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 9. April 2011 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist seit dem 30. August 1994 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 8. September 2010 widerrief die Beklagte die Zulassung wegen Vermögensverfalls. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 29. November 2010 zurück. Die Klage gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs. 1 II.
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch nach der Begründung des Zulassungsantrags nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfGE 110, 77, 83; BVerfG, NVwZ 2000, 1163, 1164; NVwZ-RR 2008, 1; NJW 2009, 3642; vgl. ferner BVerwG, NVwZ-RR 2004, 542 f.; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 112e BRAO Rn. 77).
b) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
aa) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Anwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 2 14. April 2007 - AnwZ (B) 6/06, Rn. 5 m.w.N.). Von diesen Grundsätzen ist der Anwaltsgerichtshof ausgegangen. Er hat den Vermögensverfall des Klägers wegen verschiedener ausgebrachter Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bejaht, die belegten, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides selbst geringfügige Verbindlichkeiten nicht habe erfüllen können.
bb) Der Kläger bezweifelt die Richtigkeit dieses Subsumtionsschlusses. Er behauptet Ratenzahlungsvereinbarungen mit den Gläubigern und verweist insbesondere auf ein Schreiben des zuständigen Gerichtsvollziehers vom 15. April 2011 und einen gerichtlichen Vergleich vom 19. Mai 2011. Dieser Vortrag ist jedoch unerheblich. Der Kläger hat nicht dargetan, dass er Ratenzahlungsvereinbarungen hinsichtlich aller gegen ihn gerichteten Forderungen geschlossen und die vereinbarten Raten regelmäßig beglichen hat. Die vorgelegten Belege betreffen zudem nicht den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Rechtsanwaltszulassung ist nach der mit Wirkung vom 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerspruchsverfahrens oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen. Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, z.V.b. in BGHZ).
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmte Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; BVerfG, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709).
b) Der Kläger hält die Frage für klärungsbedürftig, "inwieweit durch eine geregelte Schuldenbereinigung, insbesondere durch Ratenzahlungen, eine etwa bestehende gesetzliche Vermutung oder Annahme eines Vermögensverfalls widerlegt werden kann". Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch längst geklärt. Ein Anwalt, der darlegt und beweist, dass er sämtliche gegen ihn gerichtete Forderungen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums begleichen kann, befindet sich nicht im Vermögensverfall. Für den vorliegenden Fall ist die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage zudem nicht entscheidungserheblich. Der Anwaltsgerichtshof hat Ratenzahlungsvereinbarungen nicht allgemein für unerheblich gehalten, sondern im hier fraglichen Einzelfall für nicht hinreichend konkret dargelegt und nicht belegt.
3. Der Begründung des Zulassungsantrags lässt sich schließlich kein Verfahrensfehler entnehmen, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen könnte (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
a) Bei der Rüge, dass das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) durch mangelnde Sachaufklärung verletzt worden sei, ist darzulegen, welche Umstände das Gericht hätte aufklären müssen, welche Beweismittel dafür geeignet gewesen wären und welches Ergebnis die Beweisaufnahmen voraussichtlich 9 erbracht hätten. Hat die Partei selbst keinen entsprechenden Beweisantrag (§ 86 Abs. 2 VwGO) gestellt, ist weiter zu begründen, warum diese Beweismittel sich dem Gericht hätten aufdrängen müssen. Schließlich ist darzulegen, inwiefern die Beweiserhebung unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts zu einer für die Partei günstigeren Entscheidung hätte führen können.
b) Der Kläger beanstandet, dass der Anwaltsgerichtshof ihn "nicht oder nicht ausreichend zu den Ratenvereinbarungen mit den Gläubigern angehört" habe, die er, der Kläger, "im Termin zur mündlichen Verhandlung weiter vortragen und durch Belege untermauern" habe wollen. Einzelheiten hierzu hat er jedoch auch in der Begründung seines Zulassungsantrags nicht vorgetragen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Tolksdorf Lohmann Fetzer Hauger Quaas Vorinstanz:
AGH Stuttgart, Entscheidung vom 09.04.2011 - AGH 1/11 (II) - 14
BGH:
Beschluss v. 24.10.2011
Az: AnwZ (Brfg) 34/11
Link zum Urteil:
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