Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 19. Mai 2006
Aktenzeichen: 25 U 28/05

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 19.05.2006, Az.: 25 U 28/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Parteien streiten darüber, welche Rechte die erloschene Gesellschaft A aus einem Verschmelzungsvertrag mit der Beklagten geltend machen kann. Es geht um die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, eine Geschäftsstelle in O1 weiterhin in dem bisherigen Umfang geöffnet zu halten. Die A wurde im Jahr 1981 mit der Beklagten verschmolzen. Im Verschmelzungsvertrag wurde vereinbart, dass die Betreuung der Mitglieder der A in ihrer bisherigen Geschäftsstelle in O1 gewährleistet bleibt. Die Klägerseite, die als besonderer Vertreter der A agiert, verlangt nun, dass die Beklagte die Geschäftsstelle in O1 in dem bisherigen Umfang geöffnet hält. Die Beklagte hingegen argumentiert, dass aus dem Vertrag kein Anspruch auf Beibehaltung der Geschäftsstelle abgeleitet werden könne und dass die Filiale wirtschaftlich nicht mehr tragbar sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, jedoch hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in der Berufung des Klägers festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Geschäftsstelle in O1 weiterhin geöffnet zu halten. Die Beklagte wehrt sich gegen diese Entscheidung und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Sie argumentiert, dass die Regelungen im Verschmelzungsvertrag nach der Verschmelzung grundsätzlich zur Disposition des übernehmenden Rechtsträgers stehen und dass die Filiale unwirtschaftlich sei. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Geschäftsstelle in O1 weiterhin geöffnet zu halten, da sie die vereinbarten vertraglichen Verpflichtungen nicht eingehalten hat. Das Urteil ist rechtskräftig und die Beklagte muss die Geschäftsstelle in O1 wie gefordert geöffnet halten.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 19.05.2006, Az: 25 U 28/05


Zur Frage, welche Rechte die erloschene Gesellschaft aus einem Verschmelzungsvertrag geltend machen kann

Tenor

[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.]

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche der im Jahre 1981 mit der Beklagten verschmolzenen A auf Fortführung einer Geschäftsstelle der Beklagten im Ortsteil O1 der Stadt O2, in dem ca. 600 Einwohner leben.

Die A wurde aufgrund Verschmelzungsvertrages vom 26.2./12.3.1981 mit der Beklagten verschmolzen. Die Verschmelzung wurde durch Eintragung in den Registerakten der beteiligten Genossenschaften vollzogen.

Im Verschmelzungsvertrag regelten die Vertragsparteien unter § 5:

"Die vereinigte Genossenschaft wird dafür Sorge tragen, dass nach der durchgeführten Verschmelzung die Betreuung der Mitglieder der A sowohl im Geld- und Kredit- als auch im Warengeschäft in ihren bisherigen Geschäfts- und Lagerräumen, O1, €...€, in vollem Umfang gewährleistet wird.

Im einzelnen werden folgende Vereinbarungen getroffen:

a) Die Geschäftsstelle O1 bleibt von Montag € Freitag € außer Mittwoch Nachmittag € und am Sonnabend Vormittag wie bisher geöffnet. ..."

sowie in § 6:

"Die in § 5 getroffenen Vereinbarungen können € nach erfolgter Fusion € nur mit Zustimmung des Aufsichtsratsmitgliedes und der Vertreter sowie der Ersatzvertreter aus dem Bereich der ehemaligen B geändert werden."

1987 wurden mit Zustimmung der Vertreter und Ersatzvertreter aus dem Bereich der Klägerin die Öffnungszeiten und die Personalausstattung der Geschäftsstelle in O1 neu geregelt. Dem Aufsichtsrat gehörte damals und durchgehend bis heute kein Mitglied aus dem Bereich der Klägerin an.

Seit 1987 bis 2002 war die Geschäftsstelle mit einem Bediensteten besetzt montags von 8.30 Uhr bis 12.00 Uhr, dienstags von 14.00 bis 17.00 Uhr, donnerstags von 14.00 bis 18.00 Uhr und freitags von 8.30 bis 12.00 Uhr geöffnet.

Vor Juni 2002 beschlossen Aufsichtsrat und Vorstand der Beklagten, die Geschäftsstelle in O1 mit Wirkung zum 30.6.2002 zu schließen.

Der Kläger erhob daraufhin, ohne gem. § 26 UmwG zum besonderen Vertreter bestellt worden zu sein, im eigenen Namen Klage vor dem Landgericht Kassel (9 O 1076/02) mit dem Ziel, die Beklagte zu verurteilen, die Geschäftsstelle in O1 im bisherigen Umfang geöffnet zu halten. Die Klage wurde im Berufungsrechtszug durch Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 18.2.2003 (14 U 154/02) rechtskräftig abgewiesen mit der Begründung, dem Kläger fehle die Aktivlegitimation zur Verfolgung der Ansprüche der A.

Das Amtsgericht O2 bestellte mit Beschluss vom 11.4.2003 den Kläger auf dessen Antrag zum besonderen Vertreter der durch die Verschmelzung untergegangenen B zur Geltendmachung von Ansprüchen nach § 25 Abs. 2 UmwG.

Mit der im August 2003 eingereichten Klage erstrebt der Kläger im Namen der A, dass die Geschäftsstelle in O2-O1 in dem bis zur Schließung üblichen Umfang weiterhin geöffnet bleibe. Dass dies von der Beklagten geschuldet sei, ergebe sich aus §§ 5 und 6 des Verschmelzungsvertrages.

Die Klägerseite hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihre Geschäftsstelle im Ortsteil O1 der Stadt O2 weiterhin wie folgt geöffnet zu halten:

montags von 8:30 bis 12:00 Uhrdienstags von 14:00 bis 17:00 Uhrdonnerstags von 14:00 bis 18:00 Uhrund freitags von 8:30 bis 12:00 Uhr.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, aus dem Vertrag lasse sich schon kein Anspruch auf Beibehaltung der Zweigstelle herleiten. Jedenfalls sei ein solcher Anspruch aufgrund wirksamer Satzungsänderung hinfällig geworden. Schließlich beschränkten §§ 25 Abs. 2, 26 UmwG die Ansprüche der untergegangenen Genossenschaft auf Schadensersatz oder andere geldwerte Leistungen.

Einer Mitwirkung eines Aufsichtsratsmitgliedes oder der Vertreter aus O1 habe es infolge eines Beschlusses der Vertreterversammlung vom 21.8.1990 nicht bedurft, weil dort einstimmig beschlossen worden sei, dass zur Schließung von Zweigstellen der übereinstimmende Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat genüge. Die Vertreter aus O1 hätten seinerzeit dieser Regelung zugestimmt. Überdies müsse aufgrund der Verpflichtung des Vorstandes zur wirtschaftlich sinnvollen Leitung der Genossenschaft und wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Genossen eine Regelung im Verschmelzungsvertrag über die Aufrechterhaltung von Geschäftsstellen disponibel sein. Die Geschäftsstelle in O1 sei völlig unrentabel und wirtschaftlich nicht mehr tragbar gewesen und habe daher geschlossen werden müssen. Angesichts der Schnelllebigkeit der Zeit und der sich ständig ändernden Marktbedingungen sei ohnehin allenfalls von einem Selbstbindungseffekt der auf freiwilliger Grundlage erfolgten Zusage, die Geschäftsstelle geöffnet zu halten, von 5 Jahren auszugehen. Jedenfalls heute sei die Geschäftsgrundlage für diese Regelung weggefallen.

Das Landgericht € Kammer für Handelssachen - hat die Klage mit Urteil vom 30.9.2004 abgewiesen. Zwar sei die Klage zulässig, jedoch in der Sache unbegründet, weil der Beschluss der Beklagten über die Schließung der Zweigstelle wirksam sei. Zusatzvereinbarungen wie die in §§ 5 und 6 des Verschmelzungsvertrages stünden nach der Verschmelzung grundsätzlich zur Disposition des übernehmenden Rechtsträgers. Nur ausnahmsweise, soweit der Verschmelzungsvertrag Ansprüche zugunsten einzelner Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers oder Dritter begründe, bestünden diese fort. Ein solcher Fall liege aber nicht vor.

Überdies sei von Klägerseite nicht wirksam bestritten worden, dass in der Vertreterversammlung vom 21.8.1990 mit Zustimmung der aus O1 entsandten Vertreter (einstimmig) beschlossen wurde, dass Vorstand und Aufsichtsrat über die Errichtung und Schließung von Zweigstellen zu entscheiden haben. Dieses Verfahren sei für die Schließung der Zweigstelle in O1 eingehalten worden. Überdies unterliege die Entscheidung eine als unwirtschaftlich empfundene Filiale zu schließen, der freien unternehmerischen Entscheidung des übernehmenden Rechtsträgers. Nach dem Vortrag der Beklagten ergebe sich, dass die Filiale unwirtschaftlich gewesen sei.

Gegen diese ihm am 19.1.2005 zugestellte Entscheidung hat der Kläger mit einem am 15.2.2005 eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Er verfolgt sein erstinstanzliches Ziel unverändert weiter.

Er hält das angegriffene Urteil sowohl in verfahrensrechtlicher wie materiell-rechtlicher Hinsicht für fehlerhaft. Unzutreffend sei insbesondere die Rechtsauffassung, dass es sich bei den Regelungen der §§ 5 und 6 des Verschmelzungsvertrages um Zusatzvereinbarungen handele, die nach der Verschmelzung zur Disposition des Übernehmenden stünden. Vielmehr handele es sich um schuldrechtliche Vereinbarungen, die auch nach vollzogener Verschmelzung einzuhalten seien.

Zu Unrecht habe das Landgericht die Behauptung, am 21.8.1990 sei es zu einem einstimmigen Beschluss gekommen, wonach Vorstand und Aufsichtsrat über die Schließung von Geschäftsstellen zu entscheiden hätten, mit der Begründung als unstreitig angesehen, der Kläger habe im Vorprozess 14 U 154/02 den entsprechenden Vortrag der Beklagten nicht bestritten. Überdies enthalte der Beschluss vom 21.8.1990 auch inhaltlich keine Aufhebung oder Abänderung des Verschmelzungsvertrages.

Der Kläger beantragt zuletzt,

das am 30.9.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Kassel, Aktenzeichen 11 O 4288/03, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, eine Geschäftsstelle im Ortsteil O1 der Stadt O2 weiterhin wie folgt geöffnet zu halten:

montags von 8.30 bis 12.00 Uhrdienstags von 14.00 bis 17.00 Uhrdonnerstags von 14.00 bis 18.00 Uhrund freitags von 8.30 bis 12.00 Uhr.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und sie regt an, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Bei den Regelungen in §§ 5 und 6 des Verschmelzungsvertrages handele es sich um fakultative Regelungen, die keine unbegrenzte Geltung hätten. So könnten gerade Geschäftsstellen, deren Aufrechterhaltung vereinbart worden sei, geschlossen werden, wenn sie sich als unwirtschaftlich erwiesen. Dem übernehmenden Rechtsträger stehe ohne weiteres das Recht zu, auf Veränderungen des Marktes für Bank- und Finanzdienstleistungen zu reagieren. In den Jahren nach der Fusion bis zur Schließung habe sich die Bilanzsumme der Geschäftsstelle lediglich vom Index 100 auf 216 erhöht, während die Bank insgesamt auf den Index 377 gestiegen sei. Die Geschäftsstelle in O1 habe damit nicht mehr dem Erfordernis der Zeit entsprochen. Ein "ansprechendes" und bedarfsgerechtes Finanzdienstleistungsangebot habe sich dort nicht mehr "darstellen" lassen (Beweis: Sachverständigengutachten). Die Kundenfrequenz sei kontinuierlich gesunken. Die Zahl der Kassenposten für die Inanspruchnahme der Bargeldversorgung habe stetig abgenommen (Beweis: Zeugnis des Mitarbeiters der Beklagten, der in der Zweigstelle vor der Schließung arbeitete). Das der Geschäftsstelle zugeordnete Geschäftsvolumen habe zuletzt nur bei 0,76% des Gesamtgeschäftsvolumens und damit unterhalb der vom Vorstand formulierten Grenze von 1,5% gelegen.

Für die Behauptung, die Geschäftsstelle sei nicht unwirtschaftlich gewesen, sei der Kläger darlegungs- und beweisbelastet. Solcher Vortrag fehle indes.

Eine unbegrenzte Bindung, die Zweigstelle aufrechtzuerhalten stelle überdies eine sittenwidrige Vereinbarung dar. Allenfalls ein Zeitraum von 20 Jahren werde in der Rechtsprechung für Dauerschuldverhältnisse akzeptiert.

Letztlich komme es allerdings auf all dies nicht an, weil durch die Änderung der Satzung in § 23 lit. h) mit den Stimmen der aus O1 entsandten Mitglieder die Entscheidungskompetenz für die Schließung auch der Geschäftsstelle in O1 auf Vorstand und Aufsichtsrat übergegangen sei. Inzident liege in diesem Satzungsänderungsbeschluss auch die Aufhebung der zugunsten der A getroffenen Regelung in § 5 des Verschmelzungsvertrages. Zumindest verstoße es gegen Treu und Glauben, wenn sich der Kläger darauf berufen sollte, die zur Zeit der Vertreterversammlung im Jahre 1990 entsandten Mitglieder aus O1 seien zur Änderung des Verschmelzungsvertrags nicht bevollmächtigt gewesen.

Die Beklagte meint, die Revision sei zuzulassen, weil die Frage der Bindungswirkung von schuldrechtlichen Vereinbarungen in einem Verschmelzungsvertrag bzw. deren Dauer von grundsätzlicher Bedeutung und bislang höchstrichterlich nicht entschieden sei.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der gesetzlichen Frist mit Begründung versehen.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat als Partei kraft Amtes für die verschmolzene A Anspruch aus §§ 5f. des Verschmelzungsvertrages in Verbindung mit § 93p Abs. 1 GenG i.d. Fassung der Genossenschaftsgesetznovelle 1973 (im folgenden GenG a.F.) analog und § 349 Abs. 2 AktG in der bis zum Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 28.10.1994 (BGBl. I 3210) geltenden Fassung (AktG a.F.) auf Aufrechterhaltung einer Geschäftsstelle in O1 in dem tenorierten Umfang.

Durch den Beschluss des Amtsgerichts O2 vom 11.4.2003 ist der Kläger Vertreter der A geworden, was ihm im Prozess die Position einer Partei kraft Amtes verschafft (vgl. Kübler in Semler/Stengel, Umwandlungsgesetz, 2003, § 26 Rn. 9). Der besondere Vertreter gem. § 26 UmwG tritt im Prozess damit an die Stelle der durch Verschmelzung untergegangenen Genossenschaft und verfolgt deren Rechte im eigenen Namen. Unbeschadet der abweichenden Angabe im Rubrum war daher durchgehend der Kläger in seiner Eigenschaft als besonderer Vertreter klagende Partei. Dies war durch Rubrumberichtigung nunmehr auch förmlich kenntlich zu machen.

Dem besonderen Vertreter nach § 26 UmwG obliegt die Durchsetzung der in § 25 Abs. 1 und 2 UmwG geregelten Ansprüche. Insoweit ist er prozessual Prozessführungsbefugt und materiell-rechtlich aktivlegitimiert (vgl. Kübler aaO Rn. 3).

Es ist unschädlich, dass zur Zeit des Vollzuges der Verschmelzung § 26 UmwG noch nicht existierte und gem. § 318 UmwG für Umwandlungen, die vor dem 1.1.1995 eingeleitet wurden, altes Recht anzuwenden ist. §§ 93a ff. GenG a.F. enthielten keine Bestimmungen darüber, wer die Rechte der verschmolzenen Genossenschaft nach Vollzug der Verschmelzung geltend zu machen befugt war. Weil die Bestimmungen der §§ 93a ff. GenG a.F. indes denen des Aktienrechts nachgebildet waren, ist es gerechtfertigt, Lücken der genossenschaftsrechtlichen Regelungen durch entsprechende Anwendung der aktienrechtlichen Bestimmungen zu schließen. Diese enthielten im Jahre 1981 in § 350 Abs. 1 AktG a.F. eine § 26 UmwG entsprechende Regelung (für die Anwendung von § 350 Abs. 1 AktG analog: Meyer/Meulenbergh/Beuthien, GenG 12. Aufl., 1983, § 93c Rn. 10; a.A. Schaffland in Lang/Weidmüller, GenG 32. Aufl. 1988, § 93p Rn. 10), so dass eine auf § 26 UmwG gestützte Ernennung zum besonderen Vertreter in Altfällen ohne weiteres als Ernennung im Sinne von § 350 Abs. 1 AktG a.F. auszulegen ist.

Die Regelungen des Genossenschaftsrechts waren auch hinsichtlich der Frage, welche Rechte die erloschene Gesellschaft aus dem Verschmelzungsvertrag geltend machen kann, lückenhaft. Nach dem Wortlaut des § 93p GenG a.F. war eine Anfechtung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts vorgesehen. Indes war auch insoweit bereits 1981 anerkannt, dass der Grundsatz "pacta sunt servanda" und das Prinzip, dass niemand rechtlos gestellt werden soll, wenn es um die Wahrung seiner Rechte geht, es erforderten, auch im Bereich der genossenschaftlichen Verschmelzung über den Wortlaut von § 93p GenG hinaus eine Erfüllungsklage zuzulassen, sei es nach § 93p GenG a.F. analog, sei es nach § 349 Abs. 2 AktG a.F. analog (vgl. Schaffland a.a.O. Rn. 10; Meyer/Meulenbergh/Beuthien, a.a.O., Rn. 10).

Diese Grundsätze führen dazu, dass die untergegangene Gesellschaft € entgegen der Ansicht der Beklagten € in den Fällen der Missachtung vertraglicher Verpflichtungen nicht auf Schadensersatz oder andere geldwerte Leistungen beschränkt ist, sondern auch für Ansprüche auf Erfüllung bestimmter sich aus dem Verschmelzungsvertrag ergebender Verpflichtungen entsprechend den genannten Vorschriften des vormaligen Genossenschafts- und Aktienrechts als fortbestehend fingiert wird. Für das geltende Recht wird eine solche Auffassung, dass lediglich Schadensersatz verlangt werden könne, € soweit ersichtlich € in Rechtsprechung und Schrifttum von niemandem vertreten (im Gegenteil: ausdrücklich erwähnt bei Beuthien, GenG, 14. Aufl., §§ 2ff. UmwG, Rn. 102; vorausgesetzt auch bei Kübler in Semler/Stengel, UmwG, § 25 Rn. 26). Auch zu § 349 AktG a.F. wurde das nicht vertreten, vielmehr wurden als Beispiel für die Ansprüche des Übertragenden gegen den Übernehmenden aus dem Verschmelzungsvertrag u.a. gerade solche auf Erfüllung einer im Verschmelzungsvertrag geregelten Verpflichtung des Übernehmers, den übernommenen Betrieb nicht stillzulegen, genannt (vgl. Schilling, Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1975, § 349, Anm. 17 a.E.).

Nichts für die Beklagte Günstiges ergibt sich daraus, dass es sich bei Regelungen über die Aufrechterhaltung des Betriebes des übernommenen Rechtsträgers oder - wie hier € einer Filiale nicht um zwingende Regelungen handelt, die zum notwendigen Inhalt eines Verschmelzungsvertrages gehören. Auch solche Regelungen können Erfüllungsansprüche auslösen. Es ist anerkannt, dass der Verschmelzungsvertrag sich nicht auf solche Kernregelungen beschränken muß, die notwendig sind, um eine Verschmelzung überhaupt wirksam zu regeln, sondern auch sog. fakultative Vereinbarungen enthalten darf. Dazu werden gerade auch Abreden über die Geschäftspolitik der übernehmenden Genossenschaft im allgemeinen und hinsichtlich der Niederlassungen und Geschäftsstellen im Besonderen gerechnet (vgl. Scholderer in Semler/Stengel, UmwG, § 80 Rn. 70f.). Damit unterscheiden sich die fakultativen Regelungen nicht von anderen vertraglichen Abmachungen, über deren Inhalt die jeweiligen Vertragsparteien frei bestimmen können. Die Freiheit der Parteien des Verschmelzungsvertrages, solche Regelungen in den Vertrag aufzunehmen, besagt zur rechtlichen Verbindlichkeit folglich nichts. Diese ist vielmehr nach allgemeinen Regeln durch Auslegung zu ermitteln.

Die Auslegung kann hier bzgl. §§ 5 und 6 des Verschmelzungsvertrages nicht zugunsten der Beklagten ausfallen. Die Bestimmung des § 5 des Verschmelzungsvertrages ist keine im Belieben der Beklagten stehende Freigiebigkeit, sondern vertragliche Verpflichtung gegenüber der Klägerin, deren Erfüllung nach dem Vertrag der Kläger für die untergegangene B verlangen kann.

Die Regelung in § 5 beginnt zwar noch mit einer nicht zwingend auf dauerhafte Bindung hindeutenden Absichtserklärung (... €wird dafür Sorge tragen€ ...). Indes wird etwaigen Fehlinterpretationen im Sinne einer Unverbindlichkeit nachfolgend eindeutig der Boden entzogen. Es ist mit der Zusage einer freiwilligen, zur beliebigen Disposition der Beklagten stehenden Leistung nicht in Einklang zu bringen, wenn man bestimmte Verhaltensweisen, die der Übernehmer einhalten soll, mit dem Wort "Vereinbarungen" einleitet und dann diese Vereinbarungen auch noch qualifiziert sichert, wie dies in § 6 geschehen ist. Wenn die Beklagte nach dem Willen der Vertragsschließenden berechtigt gewesen sein sollte, nach Gutdünken von den Vereinbarungen in § 5 abzuweichen, ergäbe die Regelung in § 6 keinen Sinn. Die Beklagte hat die Regelung zumindest in der 80er Jahren des letzten Jahrhunderts auch genauso verstanden. Denn sonst hätte sie bei der Änderung der Öffnungszeiten im Jahre 1987 nicht eben dieses in § 6 des Verschmelzungsvertrages vorgesehene Verfahren beachtet.

Dieses Verfahren hat die Beklagte für die beanstandete Schließung im Jahre 2002 nicht eingehalten, so dass die Schließung vertragswidrig erfolgte.

Der Einhaltung dieses in § 6 des Verschmelzungsvertrages vorgesehenen Weges war die Beklagte nicht durch den Beschluss vom 21.8.1990 enthoben.

Weder die Verpflichtung in § 5 des Verschmelzungsvertrages noch die verfahrensrechtliche Sicherung durch § 6 des Verschmelzungsvertrages wurden durch den Beschluss vom 21.8.1990 berührt. Dieser Beschluss befasst sich überhaupt nicht mit vergangenen oder gegenwärtigen schuldrechtlichen Verbindlichkeiten der Beklagten gegenüber Dritten, sondern bezieht sich € nach den erstmals im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen - ausschließlich auf Fragen der Satzungsänderung. Anlass für die vielfältigen Satzungsänderungen mit dem Beschluss vom 21.8.1990 war das Bedürfnis, die Satzung der Beklagten an die seit 1973 gewonnenen Erfahrungen mit der €...€-Mustersatzung, an der sich die Beklagte offenbar orientiert hatte, anzupassen (vgl. Anlage 4 zur Berufungserwiderung, Bl. 208). Nirgends wird ein Zusammenhang zum Verschmelzungsvertrag auch nur angedeutet. Damit bestätigt sich die bereits dem Beschluss des Senates vom 8.8.2005 (Bl. 165 ff. d.A.) zugrunde gelegte Auffassung, dass ein Bewusstsein derjenigen, die damals über die Satzungsänderungen abgestimmt haben, überhaupt etwas zu solchen schuldrechtlichen Vereinbarungen zu regeln, fehlte. Das verwundert nicht, weil ein Beschluss über eine Satzungsänderung schon formal der falsche Weg gewesen wäre, eine Vereinbarung nach § 6 des Verschmelzungsvertrages herbeizuführen. Von einer § 6 des Verschmelzungsvertrages entsprechenden vertragsartigen Vereinbarung zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern einerseits und den Ersatzvertretern aus dem Bereich der ehemaligen B andererseits kann keine Rede sein. Die über die Satzungsänderung Abstimmenden, die nicht mit dem in § 6 des Verschmelzungsvertrages bezeichneten Personenkreis identisch sind, standen sich gar nicht wie Verhandlungspartner, die sich über die Abänderung vertraglicher Vereinbarungen auseinandersetzen, gegenüber, sondern waren schlicht als Teil des zur Willensbildung und Entscheidung berufenen obersten Organs der Beklagten zu Erklärungen für diese berufen.

Der Verschmelzungsvertrag bleibt deshalb hinsichtlich der Filiale in O1 ohne weiteres eine Sonderregel zu der Befugnis von Vorstand und Aufsichtsrat zur Filialschließung. Deren Beschlüsse sind hinsichtlich der Filiale notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Schließung.

Selbst wenn Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund eines Beschlusses vom 21.8.1990 fortan ohne Befassung der Vollversammlung über die Schließung von Geschäftsstellen befinden durften, entband das hinsichtlich der Geschäftsstelle in O1 also nicht davon, die anderweitig geregelten Mitwirkungsbefugnisse zu beachten. Dies hat die Beklagte nicht getan.

Der Senat vermag sich den genossenschaftlichen Bedenken der Beklagten gegen den Fortbestand der Verpflichtung des § 5 des Verschmelzungsvertrages nicht anzuschließen.

Die Verpflichtung des Vorstandes zu wirtschaftlichem Handeln gilt nur im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Bindungen der Genossenschaft. Wenn und soweit § 5 des Verschmelzungsvertrages der Beklagten ein bestimmtes Verhalten abverlangt, ist dies selbst dann geschuldet, wenn es unwirtschaftlich erscheint. Die Verpflichtung gegenüber der Klägerin unterscheidet sich insoweit nicht von anderen vertraglichen Verpflichtungen, welche die Beklagte gegenüber Dritten eingeht.

Nichts anderes gilt für den Grundsatz der Gleichbehandlung. § 5 des Verschmelzungsvertrages enthält nicht eine Regelung, die eine Ungleichbehandlung von Genossen zur Folge hätte. Die vertragliche Verpflichtung der übernehmenden Genossenschaft, eine Filiale der übertragenden Genossenschaft aufrechtzuerhalten, verschafft den Mitgliedern, die aus dem Bereich der übertragenden Genossenschaft stammen, keine Sonderrechte. Allenfalls erhalten sie durch die Aufrechterhaltung einer Filiale reflexartig eine Verbesserung ihrer Lebensqualität. Eine eigene geschützte Rechtsposition wird ihnen hinsichtlich der Filialnutzung durch den Vertrag nicht verschafft, und umgekehrt werden die übrigen Mitglieder der Genossenschaft nicht von der Nutzung ausgeschlossen.

Die Regelung in § 5 des Verschmelzungsvertrages ist auch nicht gem. § 138 BGB nichtig. Insoweit fehlt schon nachvollziehbarer Vortrag der Beklagten, um eine sittenwidrige Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit schlüssig zu begründen. Wenn die Filiale in O1 nur einen Anteil von 0,76% am Gesamtgeschäftsvolumen der Beklagten € Bilanzsumme im Jahre 2001: 815 Millionen € - hat und die Beklagte 150.000 € aufwenden müsste, um die Geschäftsstelle in O1 "in technischer Hinsicht zeitgemäß" auszustatten, bleibt rätselhaft, inwieweit ein Zwang, die Filiale aufrechtzuerhalten, mehr als nur äußerst geringfügige Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten haben könne. Von einer sittenwidrigen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit im Sinne einer Knebelung kann um so weniger die Rede sein, als auch das für Knebelungsfälle typische Gefälle zwischen wirtschaftlich starker Position des Knebelnden und der schwachen Position des Geknebelten jedenfalls nicht zu Lasten der Beklagten besteht.

§ 5 des Verschmelzungsvertrages ist auch nicht infolge Zeitablaufs obsolet. Eine Befristung enthält § 5 des Verschmelzungsvertrages weder ausdrücklich noch stillschweigend. Einen allgemeinen Grundsatz, dass Vertragspartner sich nicht unbefristet binden dürften, gibt es nicht. Außerhalb des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen können, soweit nicht ausnahmsweise besondere gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen, ohne Verstoß gegen die guten Sitten auch Verpflichtungen begründet werden, die ohne zeitliche Begrenzung gelten sollen. Selbst wenn vertraglich darüber hinaus auch die allgemeinen Regeln über die Beendigung solcher Dauerverpflichtungen aus wichtigem Grund ab bedungen worden wären, ließe sich lediglich die Nichtigkeit dieser Regelung erwägen. Der Fortbestand der Verpflichtung würde davon nicht berührt. Eine solche, Veränderungen ausschließende Regelung enthält der Verschmelzungsvertrag freilich nicht einmal. Im Gegenteil haben sich die Parteien des Verschmelzungsvertrages bereits durch das Verfahren nach § 6 einen Weg eröffnet, notwendig erscheinende Veränderungen konsensual herbeizuführen. Entzieht sich einer der zur Änderung der Regelung Berufenen wider Treu und Glauben einem Abänderungsbegehren, dann mag das Anlass sein, die fehlende Zustimmung dieses Teils gerichtlich ersetzen zu lassen, berechtigt aber nicht zur einseitigen und eigenmächtigen Veränderung der Verhältnisse, wie dies die Beklagte für richtig zu halten scheint.

Der Einwand der Treuwidrigkeit kann freilich auch einwendungsweise dem Erfüllungsbegehren entgegengehalten werden. Indes lässt sich dem Vortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nichts Ausreichendes entnehmen, um den Vorwurf der Treuwidrigkeit zu begründen.

Nicht genügend ist es insbesondere, auf die Verpflichtung des Vorstandes zu einer wirtschaftlich sinnvollen Leitung der Genossenschaft oder genossenschaftliche Verbundenheit und Förderungspflichten zu verweisen. Wenn durch die Verpflichtung in § 5 des Verschmelzungsvertrages überhaupt jemals diese Prinzipien berührt wurden, so kann, wenn € wie vorliegend - im Verschmelzungsvertrag in zulässiger Weise Rahmenbedingungen für die Leitung der Genossenschaft und die Geschäftspolitik der übernehmenden Genossenschaft gesetzt wurden, Änderungsbedarf, dem sich der Vertragspartner redlicherweise nicht verschließen darf, nicht allein mit eben diesen Einflüssen begründet werden. Dies wäre widersprüchliches Verhalten der übernehmenden Genossenschaft.

Erst das Hinzutreten weiterer Umstände, die es für den Übernehmer untragbar machen, an der bisherigen Regelung festzuhalten, kann es im äußersten Fall treuwidrig sein, weiterhin Erfüllung zu verlangen. Solche Umstände sind weder in nachvollziehbarer Weise vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Insbesondere kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf eine Veränderung der Geschäftsgrundlage berufen. Das Risiko, dass sich die Rentabilität der Geschäftsstelle verändern könnte, muß bereits 1981 jedem wirtschaftlich Denkenden vor Augen gestanden haben. Das Fehlen einer daran anknüpfenden Begrenzung der Verpflichtung des § 5 des Verschmelzungsvertrages deutet daher nicht auf eine Situation hin, die von anderen Umständen ausging, als sie im Jahre 2002 herrschten. Vielmehr lässt sich eine solche Regelung nur so verstehen, dass der Übernehmende mit der Verpflichtung auch das Risiko auf sich nehmen wollte, die Geschäftsstelle wirtschaftlich zu führen. Das schließt es grundsätzlich aus, insoweit später mit Erfolg eine Veränderung der Geschäftsgrundlage geltend zu machen.

Dass das Begehren, die Geschäftsstelle in O1 aufrechtzuerhalten, aus anderen Gründen treuwidrig sein könnte, ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht.

Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, nicht sie habe zur Unwirtschaftlichkeit, sondern die Klägerseite habe zu fortbestehender Rentabilität vorzutragen, stützt sie diese Ansicht zu Unrecht auf § 34 GenG. Diese Vorschrift regelt ausschließlich die Haftung der Organe der Genossenschaft. Darum geht es im Streit der Parteien jedoch nicht, sondern um die allgemeine Frage, wer die Behauptungslast für die Voraussetzungen hat, unter denen das Verhalten des Prozessgegners sich als treuwidrig darstellen kann. Dies ist nach allgemeiner und zutreffender Auffassung die Partei, die sich auf § 242 BGB berufen will.

Ungeachtet der mit dem Beschluss des Senats vom 8.8.2005 und der im Termin am 10.3.2006 erteilten Hinweise stellt die Beklagte nach wie vor nicht einmal die Veränderung der Wirtschaftlichkeit der Filiale hinreichend dar. Der nachdrücklichen Aufforderung im Termin, ihren bis dahin unzureichenden Vortrag zu präzisieren und verständlich zu machen, hat sie sich explizit verschlossen.

Aus der unterschiedlichen prozentualen Entwicklung der Bilanzsummen der Geschäftsstelle und der Beklagten insgesamt lässt sich bei einer durchschnittlichen jährlichen Steigerung der Bilanzsumme der Filiale um fast 6 Prozentpunkte (gegenüber fast 14 der Bank insgesamt) nicht auf Unwirtschaftlichkeit der Filiale schließen, sondern bestenfalls um geringere Profitabilität. Die nicht mit objektiven Merkmalen unterfütterte "Grenze" von 1,5% des Gesamtgeschäftsvolumens, die vom Vorstand formuliert wurde, ist kein geeignetes Kriterium, um die Rentabilität der Filiale zu beurteilen. Die Ableitung des Schließungsbedarfs aus dem Anteil am Gesamtgeschäftsvolumen im Verhältnis zu einer Grenzwertzahl bleibt willkürlich, solange es keinen zwingenden Grund gibt, gerade diesen Grenzwert festzulegen (1,5%). Außerdem fehlt jede Darstellung der Entwicklung des Anteils seit der Verschmelzung. Insbesondere wenn der Anteil von vornherein in der Nähe oder gar unterhalb des genannten Wertes gelegen haben sollte, könnte auf ein geringfügiges weiteres Absinken kein Anpassungsanspruch oder gegenüber dem Erfüllungsanspruch nicht der Einwand der Treuwidrigkeit gestützt werden.

Anstelle konkreten Vortrages zur Lage in den Jahren 1981 und 1987 im Vergleich zu heute begnügt sich die Beklagte mit wertenden Betrachtungen wie derjenigen, ein ansprechendes und bedarfsgerechtes Finanzdienstleistungsangebot habe sich in O1 nicht darstellen lassen. Das ist kein einer Beweisaufnahme zugänglicher Tatsachenvortrag. Ähnlich verhält es sich mit dem Vortrag, die Kundenfrequenz sei "kontinuierlich" gesunken bzw. die Zahl der Kassenvorgänge habe "stetig" abgenommen. Prüfbaren Inhalt, der auf unzumutbar mangelhafte Rentabilität der Filiale schließen lassen könnte, hat dieses Vorbringen der Beklagte nicht.

Die wenigen von der Beklagten benannten tatsächlichen Anknüpfungspunkte sind im übrigen so geartet, dass man daraus kein schlüssiges Bild von den Verhältnissen der Filiale in O1 gewinnen oder gar erkennen kann, dass sich die Lage gegenüber dem Zeitpunkt der Fusion derart verschlechtert hätte, dass ein Festhalten an § 5 lit. a) des Verschmelzungsvertrages in dem seit 1987 geltenden Umfang unzumutbar wäre. So ist nicht sinnvoll, für die Frage der Wirtschaftlichkeit Kassenbarumsätze zahlenmäßig mit Geldautomatenumsätzen zu vergleichen. Es ergibt für die Frage der Unzumutbarkeit auch keinen Sinn, die kleine Filiale in O1 einer der größten - nämlich der in O3 - gegenüberzustellen.

Vermag die Beklagte dem aus § 5 des Verschmelzungsvertrages folgenden Anspruch auf Aufrechterhaltung der Filiale in O1 durchgreifende Einwendungen nicht entgegenzusetzen, war der Klage in vollem Umfang stattzugeben. Den Umfang der von der Beklagten geschuldeten Leistung hat der Kläger zutreffend dahingehend eingeschränkt, zu welchen Zeiten die Filiale aufgrund der Vereinbarungen aus dem Jahre 1987 geöffnet war. Eine weitergehende Konkretisierung der Ausgestaltung des Geschäftsbetriebes ergibt sich aus dem Verschmelzungsvertrag nicht und konnte deswegen auch nicht in das Klagebegehren einfließen. Ob der von der Beklagten wiederzueröffnende Filialbetrieb den Mindestanforderungen und Mindesterwartungen genügt, die an einen Betrieb einer genossenschaftlichen Bankfiliale zu stellen sind, kann € sofern darüber Streit entstehen sollte € letztlich nur im Vollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO geklärt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch wirft sie Fragen auf, die zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Ausschlaggebend für die Beurteilung sind nicht klärungsbedürftige Rechtsfragen grundsätzlicher Art, sondern es geht lediglich um die Auslegung einer vertraglichen Bestimmung im Einzelfall. Eine darüber hinausreichende Bedeutung des Streitfalles oder eine entscheidungserhebliche Abweichung von obergerichtlicher oder höchstrichterlicher Rechtsprechung ist nicht ersichtlich, ebenso wenig, dass die Streitsache im Interesse der Allgemeinheit Anlass zur Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze geben könnte. Abweichungen des Senates von höchstrichterlicher oder anderweitiger obergerichtlicher Rechtsprechung werden von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 19.05.2006
Az: 25 U 28/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/dc162726d8d9/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_19-Mai-2006_Az_25-U-28-05




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