Oberlandesgericht München:
Urteil vom 7. Mai 2008
Aktenzeichen: 7 U 5618/07
(OLG München: Urteil v. 07.05.2008, Az.: 7 U 5618/07)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht München hat in seiner Entscheidung vom 7. Mai 2008 (Aktenzeichen 7 U 5618/07) die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 23.8.2007, Az.: 5 HKO 10734/07, zurückgewiesen. Das Gericht entschied, dass der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 11.5.2007, mit dem dem Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2006 die Entlastung erteilt wurde, nicht anfechtbar ist. Der Kläger hatte den Beschluss angefochten und geltend gemacht, dass der Aufsichtsrat die Vorstandsvergütung in einer gegen das Aktiengesetz verstoßenden Weise festgesetzt habe. Das Gericht stellte fest, dass die Festsetzung der Vergütung nicht in jedem Punkt den gesetzlichen Anforderungen entsprach, jedoch kein schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoß vorliegt. Es wurde eine Gefahr für eine nicht marktgerechte Preisgestaltung bei Geschäften mit anderen Konzerngesellschaften und der Muttergesellschaft festgestellt, jedoch konnte der Kläger nicht hinreichend darlegen, dass sich diese Gefahr tatsächlich verwirklicht hat. Das Gericht wies zudem die Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit des Beschlusses ab. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden zwischen dem Kläger und der Nebenintervenientin zu gleichen Teilen getragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG München: Urteil v. 07.05.2008, Az: 7 U 5618/07
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 23.8.2007, Az.: 5 HKO 10734/07, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger und die Nebenintervenientin tragen die Kosten des Berufungsverfahrens zu gleichen Teilen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger sowie die Nebenintervenientin können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Beschlusses der Hauptversammlung der Beklagten vom 11.5.2007 zu Tagesordnungspunkt 4, mit welchem dem Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2006 die Entlastung erteilt worden ist. Der Kläger hat diesen angefochten mit der Begründung, der Aufsichtsrat habe die Vorstandsvergütung in einer gegen das Aktiengesetz verstoßenden Weise festgesetzt und ferner seine Berichtspflichten verletzt.
Die Beklagte ist ein regionaler Energiedienstleister in B., an der ohne Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag die R... Energy AG, eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der R... AG, die die Aktien über zwei Konzerntöchter hält, mit 89,87 % beteiligt ist. Weitere 6,74 % der Aktien der Beklagten befinden sich im Besitz der öffentlichen Hand. Der verbleibende Streubesitz beläuft sich auf 3,39 %, von denen der Kläger und die Nebenintervenientin Aktien halten.
Dem neun Mitglieder zählenden Aufsichtsrat der Beklagten gehörten im Jahr 2006 insgesamt 6 Personen an, die für die R... Energy AG als Vorstände (U. und Z.), als Aufsichtsrat (S.) oder in sonstiger gehobener Funktion (E., Dr. N. und Dr. R.) tätig waren.
Der Aktienkurs der Beklagten ist vom 31.12.2002 bis 11.6.2007 um 52 % angestiegen, während sich der Börsenkurs der R... AG in dieser Zeit um 238 % erhöht hat.
Die Beklagte hatte im Geschäftsjahr 2006 bei Umsatzerlösen von 924.781.000 EUR einen Materialaufwand von 567.621.000 EUR. Die von der Beklagten von der R... AG und anderen Konzerngesellschaften bezogenen Lieferungen und Leistungen betrugen im Geschäftsjahr 2005 249.430.000 EUR und im Geschäftsjahr 2006 293.593.000 EUR. Der Jahresüberschuss für 2006 betrug 66.900.000 EUR.
An Dividenden schüttete die Beklagte pro Aktie in 2003 14,10 EUR, in 2004 15,-- EUR, in 2005 15,-- EUR zuzüglich 2,-- EUR je Aktie und in 2006 15,-- EUR aus. Die Gewinnrücklagen des R...-Konzerns stiegen von 308.640.000,-- EUR zum 1.1.2005 auf 423.343.000,-- EUR im Jahr 2006.
Der Aufsichtsrat der Beklagten hat die Vergütung der Vorstandsmitglieder für das Geschäftsjahr 2006 mit folgenden Beträgen festgesetzt:
1. Kurzfristige Vergütungen U.K.: Feste Vergütung199.000,-- EUR Variable Vergütung121.000,-- EUR Sach- und sonstige Bezüge 20.000,-- EUR Mandatseinkünfte 43.000,-- EUR Gesamtbetrag383.000,-- EUR P. W.: Feste Vergütung199.000,-- EUR Variable Vergütung132.000,-- EUR Sach- und sonstige Bezüge19.000,-- EUR Mandatseinkünfte 45.000,-- EUR Gesamt395.000,-- EUR2. Langfristige Vergütung in Ausübung der in 2004 gewährten Wertsteigerungsrechteim Rahmen des Long Term Incentive Plan (LTIP): U. K.399.000,-- EUR P. W.399.000,-- EUR Zusätzlich als variable Vergütungskomponente mit langfristiger Anreizwirkungim Rahmen des Long Term Incentive Plan Beat (Tranche 2006): U. K.6.293 Aktien Zeitwert 110.000,-- EUR P. W.6.293 Aktien Zeitwert 110.000,-- EURDer Geschäftsbericht weist zur Erläuterung der langfristigen Vergütungen folgende Angaben auf:
Das Programm Beat hat zum 1. Januar 2005 den Long Term Incentive Plan 2002 (LTIP) abgelöst und honoriert den nachhaltigen Beitrag der Führungskräfte zum Erfolg des Unternehmens. Der Erfolg des Unternehmens wird dabei anhand des Total Shareholder Return (TSR) gemessen - also der Entwicklung des Aktienkurses sowie reinvestierter Dividenden - und mit der Entwicklung des TSR anderer Unternehmen im Dow-Jones-STOXX-Utilities-Index verglichen. Hierdurch wird der nachhaltige Erfolg von R... im Vergleich zu anderen Wettbewerbern honoriert. Im Rahmen des Beat erhalten die teilnahmeberechtigten Führungskräfte jährlich bedingte Zuteilungen von Performance Shares. Ein Performance Share umfasst das bedingte Recht, nach einer dreijährigen Wartezeit eine Barauszahlung zu erhalten. Sofern nach Ablauf der Wartezeit die Outperformance unterhalb 25 % der Vergleichsunternehmen des Dow-Jones-STOXX-Utilities-Index liegt - gemessen an deren Indexgewicht zum Zeitpunkt der Auflegung des Programms - erfolgt keine Auszahlung. Die Höhe der Auszahlung am Ende der Wartezeit wird auf Basis des durchschnittlichen R...-Aktienkurses an den letzten 20 Börsenhandelstagen vor Programmablauf, der Anzahl der bedingt zugeteilten Performance Shares sowie des Auszahlungsfaktors berechnet. Zur Bestimmung des Auszahlungsfaktors wird die Gewichtung des TSR von R... im Vergleich zu den wichtigsten europäischen Versorgungsunternehmen im Dow-Jones-STOXX-Utilities-Index ermittelt. Dabei kommt es nicht nur darauf an, welche Position R... in diesem Vergleich erreicht, sondern auch darauf, welche Position die übrigen Unternehmen einnehmen. Der Auszahlungsbetrag ist bei der Tranche 2005 auf das Dreifache und bei der Tranche 2006 auf das Zweifache bzw. bei den Vorstandsmitgliedern auf das Eineinhalbfache des Zuteilungswertes der Performance Shares begrenzt. Kommt es während der Wartezeit zu einem Wechsel der Unternehmenskontrolle, wird eine Entschädigungszahlung in Höhe des Produkts aus dem im Rahmen der Übernahme für die R...-Aktien gezahlten Preis und der endgültigen Anzahl der Performance Shares gewährt. Letztere wird den Planbedingungen entsprechend auf den Zeitpunkt der Abgabe des Übernahmeangebots ermittelt. Im Falle einer Fusion mit einer anderen Gesellschaft errechnet sich die Entschädigung aus dem Erfahrungswert der Performance Shares zum Zeitpunkt der Fusion multipliziert mit der zeitanteiligen Anzahl der Performance Shares, die dem Verhältnis zwischen der gesamten Wartezeit und der Wartezeit bis zur Fusion entspricht.
Insgesamt erhielt der Vorstand für das Geschäftsjahr 2006 kurzfristige Vergütungsbestandteile in Höhe von 778 Tsd. EUR . Außerdem wurden langfristige Vergütungsbestandteile im Rahmen des Beat (Tranche 2006) mit einem Ausgabezeitwert in Höhe von 220 Tsd. EUR zugeteilt. Die Gesamtvergütung für das Geschäftsjahr 2006 beträgt demnach 998 Tsd. EUR. Dieser Betrag enthält nicht die im laufenden Geschäftsjahr ausgezahlten Wertsteigerungsrechte aus der Zuteilung des Jahres 2004 in Höhe von 798 Tsd. EUR.
Der Geschäftsbericht 2006 (Anlage K 3) enthielt den Bericht des Aufsichtsrates, in dem über die Zusammenarbeit zwischen dem Aufsichtsrat und dem Vorstand, den Schwerpunkten der Aufsichtsratssitzungen vom 7.2.2006, 9.5.2006, 21.9.2006 und 7.12.2006 sowie den zwei Sitzungen des Prüfungsausschusses, dem Inhalt und der Abgabe der Entsprechenserklärung 2006 zum Deutschen Corporate Governance Kodex sowie über die Jahresabschlussprüfung 2006 berichtet wurde. Zu den Einzelheiten wird auf Anlage K 3 verwiesen.
Am 11.5.2007 fand die Hauptversammlung der Beklagten statt, in der unter Tagesordnungspunkt (TOP) 4 die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates mit 3.423.641 Ja-Stimmen und 17.286 Nein-Stimmen der 3.440.937 abstimmungsberechtigten Stimmen beschlossen worden ist. Der durch Rechtsanwalt H.G. vertretene Kläger hat nach Verkündung des Beschlussergebnisses Widerspruch zur Niederschrift des Notars eingelegt (Anlage B 21 Seite 34).
Der Kläger hat den Beschluss der Hauptversammlung zu TOP 4 angefochten und geltend gemacht, dass die Festsetzung der Vergütung des Vorstands wegen des am Aktienkurs der Konzernobergesellschaft orientierten Aktienoptionsprogrammes die Interessen der Gesellschaft verletze und gegen § 87 Abs. 1 AktG verstoße. Für ein derartiges Aktienoptionsprogramm sei auch der Beschluss der Hauptversammlung notwendig, der fehle. Ferner genüge der Bericht des Aufsichtsrats nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil dieser lediglich formelhafte Klauseln enthalte und insbesondere keine Angaben zur Überprüfung des Überwachungssystems nach § 91 Abs. 2 AktG enthalte.
Das Landgericht hat die im Hauptantrag erhobene Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses zu TOP 4 als unbegründet angesehen und ausgeführt, dass ein Entlastungsbeschluss dann anfechtbar sei, wenn Gegenstand der Entlastung ein Verhalten sei, das eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstelle. Ein schwerwiegender Pflichtenverstoß sei jedoch auch bei Annahme der Unzulässigkeit einer Vorstandsvergütung in Form des vom Aufsichtsrat gebilligten Aktienoptionsprogrammes als Vergütungsbestandteil zu verneinen. Die nach § 87 Abs. 1 AktG festzulegende Vergütung des Vorstandes müsse in einem angemessenen Verhältnis zu dessen Aufgaben und der Lage der Gesellschaft stehen. Variable Vergütungsbestandteile, die sich am Erfolg des Unternehmens orientierten, seien nicht unzulässig, was insbesondere der Wertung des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG zu entnehmen sei. Der Aufsichtsrat habe bei der Festsetzung der einzelnen Bestandteile einen weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum. Zwar werde in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten, die am Börsenkurs der Muttergesellschaft orientierte Aktienoption sei unzulässig wegen eines dauerhaften Interessenwiderstreits. Demgegenüber werde in der Literatur (vgl. Habersack in: Festschrift für Thomas Raiser, 2005, Seite 111, 120 ff.; Martens in: Festschrift für Peter Ulmer, 2003, Seite 399, 416 ff.; Krieger in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, Aktiengesellschaft, 3. Aufl., § 63 Rn. 39) auch die Ansicht vertreten, die Teilnahme an einem derart ausgestalteten Aktienoptionsprogramm verstoße nicht gegen gesetzliche Vorgaben im Hinblick auf die Zulässigkeit des faktischen Konzerns und dem in § 311 Abs. 2 AktG vorgesehenen Nachteilsausgleich, hinter dem die allgemeinen Haftungstatbestände der § 117 AktG bzw. §§ 93, 116 AktG zurücktreten. Im Hinblick auf die vorgenannte gut begründete Literaturauffassung und das Fehlen ober- oder höchstrichterlicher Rechtsprechung zu diesem Problemkreis stelle die Festsetzung der (Gesamt-) Vergütungsregelung, die auch am Erfolg der Beklagten ausgerichtete Bestandteile in Form einer Tantiemeregelung enthalte, nicht als schwerwiegende Pflichtverletzung der Mitglieder des Aufsichtsrates dar.
Ein schwerwiegender Pflichtenverstoß des Aufsichtsrates ergebe sich auch nicht aus der fehlenden Beteiligung der Hauptversammlung an der Vergütungsfestsetzung. Eine Abweichung von der grundsätzlich gemäß § 87 Abs. 1 AktG vom Aufsichtsrat vorzunehmenden Festlegung der Vergütung des Vorstandes lasse sich nicht aus einer analogen Anwendung des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG ableiten, weil insoweit eine Regelungslücke nicht vorliege, da lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch des Vorstands auf Zahlung begründet werde, dessen Umfang sich am Börsenkurs der Muttergesellschaft orientiere, und hierdurch ein direkter Einfluss auf die Kapitalstruktur der Gesellschaft und die Zusammensetzung des Aktionärskreises nicht ausgeübt werde.
Der Entlastungsbeschluss sei auch nicht mit der Begründung anfechtbar, der Bericht des Aufsichtsrates genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Dieser müsse neben der Zahl der Sitzungen auch Angaben über die Häufigkeit der Prüfung, ihren Gegenstand und ihre Methoden enthalten. Diesen Anforderungen werde der Bericht des Aufsichtsrates gerecht.
Die hilfsweise erhobene Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Entlastungsbeschlusses sei unbegründet, weil der Kläger das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen nicht dargetan habe. Das gleiche gelte für die äußerst hilfsweise erhobene Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses.
Gegen das landgerichtliche Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Die Nebenintervenientin des Klägers unterstützt diesen auch in der Berufungsinstanz.
Der Kläger trägt vor, der für die Bemessung der Vergütung des Vorstands vom Aufsichtsrat gewählte Maßstab verstoße gegen die §§ 84, 87 und 311 AktG, denn das Handeln des Aufsichtsrates habe sich ausschließlich am Unternehmenswohl zu orientieren, wie es der 3. Strafsenat in seiner Entscheidung vom 21.12.2005 (BGH AG 2006, 110, (111)) festgestellt habe. Das vom Aufsichtsrat der Beklagten festgelegte Aktienoptionsprogramm, ausgerichtet am Börsenkurs der Konzernmuttergesellschaft, orientiere sich gerade nicht ausschließlich am Interesse des eigenen Unternehmens. Die Beklagte beziehe 64 % ihres Stroms von der Muttergesellschaft, so dass die Gefahr bestehe, dass der Vorstand der Beklagten Zurückhaltung bei Preisverhandlungen mit der Muttergesellschaft bzw. anderen Konzerngesellschaften übe im Hinblick auf die am Erfolg der Muttergesellschaft orientierte variable Vergütung. Es fehle darüber hinaus die Zustimmung der Hauptversammlung zur Festsetzung der Vergütung des Vorstands. Der Aufsichtsrat habe ferner gegen § 171 Abs. 2 Abs. 1 und 2 AktG verstoßen, da dessen Bericht keine Angaben über Einsichtnahmen in Bücher und Schriften sowie über die Häufigkeit der Prüfung, den konkreten Prüfungsgegenstand und die Prüfungsmethoden enthalte, was angesichts des bei der Tochtergesellschaft L. Verteilernetz GmbH eingetretenen Verlusts im Geschäftsjahr 2006 in Höhe von 61,1 Mio. EUR angezeigt gewesen wäre.
Die Nebenintervenientin trägt vor, die festgesetzte Vorstandsvergütung enthalte mehr als 60 % variable Vergütung. Die Beklagte sei nur faktisch aber nicht rechtlich Teil des R... AG-Konzerns, da weder ein Beherrschungs- noch ein Gewinnabführungsvertrag geschlossen worden sei. Die Vergütungsregelung sei missbräuchlich, weil sie einen Anreiz für eine organpflichtwidrige Interessenverquickung setze. Im Übrigen missachte sie die Regelungen in Ziffer 4 des Deutschen Corporate Governance Kodex.
Der Kläger stellt folgende Anträge:
I. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 23.8.2007 - Az.: 5 HKO 10734/07 - wird der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 11.5.2007 gemäß Tagesordnungspunkt 4 gefasste Beschluss mit folgendem Inhalt für nichtig erklärt: €Dem Aufsichtsrat wird für das Geschäftsjahr 2006 Entlastung erteilt.€
II. Hilfsweise:
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 23.8.2007 - Az.: 5 HKO 10734/07 - wird festgestellt, dass der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 11.5.2007 gemäß Tagesordnungspunkt 4 gefasste Beschluss mit dem unter vorstehender Ziffer I. aufgeführten Inhalt nichtig ist.
III. Äußerst hilfsweise:
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 23.8.2007 - Az.: 5 HKO 10734/07 - wird festgestellt, dass der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 11.5.2007 gemäß Tagesordnungspunkt 4 gefasste Beschluss mit dem unter vorstehender Ziffer I. aufgeführten Inhalt unwirksam ist.
Die Nebenintervenientin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 23.8.2007 - Az.: 5 HKO 10734/07 - den in der Hauptversammlung der Beklagten vom 11.5.2007 zu Punkt 4 der Tagesordnung gefassten Beschluss betreffend die Entlastung des Aufsichtsrats der Beklagten für das Geschäftsjahr 2006 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, es liege keine zur Anfechtung des Entlastungsbeschlusses berechtigende eindeutig schwerwiegende Pflichtverletzung des Aufsichtsrates vor. Das Vergütungssystem nach dem Optionsprogramm LTIP sei durch externe Rechtsanwälte geprüft worden, ohne dass sich Beanstandungen ergeben hätten. Bei der Festsetzung der einzelnen Vergütungsbestandteile habe der Aufsichtsrat ein weites unternehmerisches Ermessen, das sich sowohl auf die mit einer bestimmten Vergütungsform verfolgten Ziele als auch auf die Höhe der Vergütung beziehe. Die festgesetzte Vergütungsregelung sei rechtmäßig. Der faktische Konzern sei rechtlich zulässig, wobei die Vermögensinteressen der Minderheitenaktionäre durch das Schutzsystem der §§ 311 ff. AktG gesichert werden, insbesondere durch den Nachteilsausgleich nach § 311 Abs. 2 AktG. Die Orientierung einer variablen Vorstandsvergütung am Aktienkurs der Konzernobergesellschaft sei zulässig. Die allgemeinen Haftungstatbestände des herrschenden Unternehmens aus § 117 AktG sowie die Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat gemäß den §§ 93, 116 AktG hätten gegenüber dem Nachteilsausgleich nach § 311 Abs. 2 AktG zurückzutreten. Der im faktischen Konzern ohnehin bestehende Interessenkonflikt wäre durch die Gewährung einer am Aktienkurs der Konzernobergesellschaft orientierten variablen Vergütungskomponente kaum merklich verstärkt, zumal die betroffenen Vorstandsmitglieder zusätzlich eine erhebliche Tantieme erhalten, die sich allein am Erfolg der Beklagten orientiert. Die Vorstandsmitglieder seien auch nicht unmittelbar in der Lage, bei dem Optionsprogramm Beat die Vergütung zu beeinflussen, weil die Zusatzvergütung nur bei einer Outperformance von mindestens 25 % der Vergleichsunternehmen des Dow-Jones-STOXX-Utilities-Index (gemessen an deren Indexgewicht) gewährt werde. Eine Gefährdung der Interessen der Beklagten bei dem Bezug des Strombedarfs über verbundene Unternehmen, der im Jahr 2006 64 % des Strombedarfs betragen habe, wovon 7 % auf den Pflichtbezug nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) entfallen sei, bestehe nicht. Die Beklagte hole vor dem Strombezug jeweils mehrere Vergleichsangebote ein, wobei von der R... Energy AG Strom nur dann bezogen werde, wenn die Konditionen mindestens dem besten Vergleichsangebot entsprächen. Die eingeschaltete Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe für das abgelaufene Geschäftsjahr 2006 bestätigt, dass insbesondere auch bei der Strombeschaffung von Verbundunternehmen die Gegenleistung der Beklagten nicht unangemessen hoch gewesen sei. Eine einseitige Förderung der Interessen der R... AG werde auch dadurch verhindert, dass sich die variable Vergütung zu 70 % aus einer Unternehmenstantieme, orientiert am Kurs der Muttergesellschaft, und zu 30 % aus der vom einzelnen Vorstandsmitglied viel leichter zu beeinflussenden variablen Vergütung der Beklagten, der Tantieme, zusammensetzt.
Die unter dem Optionsprogramm LTIP gewährten Wertsteigerungsrechte in Höhe von 399.000,-- EUR pro Vorstand seien bereits im Geschäftsjahr 2004 gewährt worden und hätten ein im Jahre 2006 nicht mehr entziehbares Recht der Vorstandsmitglieder auf diese Zahlungen begründet. Die Höhe dieser im Geschäftsjahr 2006 erfolgten Zahlungen beruhe auf eine im Zeitpunkt der Zuteilung im Jahre 2004 nicht vorher gesehenen außerordentlich guten Kursentwicklung der Aktie der R... AG. Die Höhe der Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder sei angemessen.
Der Bericht des Aufsichtsrats der Beklagten habe den Anforderungen des § 171 Abs. 2 AktG entsprochen. Eine gesteigerte Berichtspflicht habe mangels wirtschaftlicher Krise trotz des Verlusts der Tochtergesellschaft L. Verteilnetz GmbH von 61,1 Mio. EUR nicht bestanden.
Ergänzend wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
I. Die im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage ist unbegründet
Der Beschluss über die Entlastung des Aufsichtsrats ist dann anfechtbar, wenn Gegenstand der Entlastung ein Verhalten des Aufsichtsrats ist, dass eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß beinhaltet (vgl. BGH NJW 2003, 1032, 1033). Nach der vom Senat zu berücksichtigenden Sach- und Rechtslage liegt in der konkreten Festsetzung der Vergütung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat kein schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoß.
1. Der Kläger hat zwar einen Gesetzesverstoß des Aufsichtsrats dargetan. Denn die vom Aufsichtsrat festgesetzte Vergütung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2006 entspricht nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen des § 87 Abs. 1 AktG.
41a) Nach § 87 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds (Gehalt, Gewinnbeteiligung, Aufwandsentschädigung, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art) dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen. Die gesetzlich normierten, kumulativ vom Aufsichtsrat zu beachtenden gesetzlichen Parameter stellen kein abschließendes Prüfungsmuster dar. Die Angemessenheitsprüfung des Aufsichtsrats darf zusätzlich eine Vielzahl angebots- und nachfrageorientierter, materieller Kriterien, das Kriterium der Üblichkeit der Vergütung für vergleichbare Funktionen sowie das Kriterium des optimierten Leistungsanreizes und Steuerungseffektes berücksichtigen (vgl. Schmidt-Lutter-Seibt, AktG, 2008, § 87, Rdnr. 5). Allerdings haben diese zusätzlich anzuwendenden Kriterien den Vorrang der gesetzlich in § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG normierten Parameter zu berücksichtigen. Insbesondere steht § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG der Anwendung von Vergütungskriterien entgegen, die geeignet sind, die gesetzlichen Vorgaben für die Bemessung der Bezüge zu beeinträchtigen oder zu gefährden.
42Die Anknüpfung an die Lage der Gesellschaft in § 87 Abs. 1 AktG verbietet z. B. eine Vergütungsregelung, bei der der Vorstand davon profitieren würde, die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft zu verschlechtern. Ebenso muss eine Festsetzung der Vergütung, durch die auch nur der Anreiz geschaffen werden könnte, dass der Vorstand gegen die Interessen der Gesellschaft handelt oder die Belange der Gesellschaft gesellschaftsfremden Interessen unterordnet, grundsätzlich als unzulässig angesehen werden. Eine Vergütungsregelung, die prinzipiell geeignet ist, Entscheidungen zu honorieren, die den Interessen der Gesellschaft zuwiderlaufen, wird in der Regel die Lage der Gesellschaft nicht wie von § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG gefordert angemessen berücksichtigen.
b) Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ist die vom Aufsichtsrat beschlossene Vorstandsvergütung mit § 87 Abs. 1 AktG nicht in Übereinstimmung zu bringen.
aa) In der Vergütung für Vorstand K. für das Geschäftsjahr 2006 von insgesamt 892.000,-- EUR sind neben der festen Vergütung, Sach- und sonstigen Bezügen und Mandatseinkünften von insgesamt 262.000 EUR variable, am Erfolg der Beklagten orientierte Vergütungen (Tantiemen) von 121.000,-- EUR und zusätzlich langfristige Vergütungen von 399.000,-- EUR im Rahmen des LTIP und von weiteren 110.000,-- EUR im Rahmen des LTIP-Beat (Tranche 2006) enthalten, wobei die beiden letztgenannten Vergütungen sich am Aktienkurs der R... AG, der Konzern-Muttergesellschaft, orientieren. In gleicher Weise ist die Vergütung für Vorstand W. mit einem Gesamtbetrag von 904.000 EUR festgesetzt worden, bei dem als Abweichung lediglich die Summe aus fester Vergütung, Sach- und sonstigen Bezügen und Mandatseinkünften mit insgesamt 263.000 EUR und die am Erfolg der Beklagten orientierte Vergütung (Tantieme) mit 132.000 EUR angegeben ist.
bb) Diese Vergütungsstruktur begründet die Gefahr, dass der Vorstand sich im Hinblick auf die eigene Vergütung bei seinen Unternehmensentscheidungen nicht vorrangig am Wohl der eigenen Gesellschaft, sondern am Wohl der Muttergesellschaft orientiert. Der variable Teil der Vergütung macht ca. 70 % der Gesamtvergütung aus. Von dem variablen Teil der Vergütung von K. in Höhe von 630.000 EUR und von W. in Höhe von 641.000,-- EUR hängen die aus den LTIP und LTIP-Beat-Progammen hergeleiteten Vergütungsbestandteile von 509.000 EUR, entsprechend ca. 80 % der variablen Vergütung, vom Kurs der Konzern-Muttergesellschaft ab. Diese Abhängigkeit des überwiegenden Teils der im Jahre 2006 gewährten Vergütung von dem Kurs der Muttergesellschaft birgt die Gefahr in sich, dass die Vorstände bei Unternehmensentscheidungen die Lage der eigenen Gesellschaft nicht als vorrangiges Ziel berücksichtigen.
cc) Die Gefahr einer nicht unerheblichen Verschlechterung der Lage der Beklagten ist im vorliegenden Fall grundsätzlich gegeben. Denn die Beklagte bezog im Jahr 2006 bei einem Gesamtmaterialaufwand von 567.621.000 EUR von der Muttergesellschaft oder anderen Konzerngesellschaften Lieferungen und Leistungen mit einem Gesamtpreis von 293.593.000 EUR bei Umsatzerlösen für 2006 von insgesamt 924.781.000 EUR. Es besteht sonach nicht fernliegend die Gefahr, dass beim Bezug von Lieferungen und Leistungen innerhalb des Konzerns die Anstrengungen der für das operative Geschäft zuständigen Vorstände, optimal günstige Preise zu erlangen, nicht in dem nach § 93 Abs. 1 AktG gebotenen Maß vorgenommen werden, wenn die eigene variable Vergütung zu 80 % vom Erfolg der Muttergesellschaft abhängig ist. Eine solche Vergütungsstruktur bedingt die Gefahr, dass nicht marktgerechte Preise bei Geschäften mit anderen Konzerngesellschaften und der Muttergesellschaft vereinbart werden und danach deren Betriebsergebnis zulasten der eigenen Gesellschaft verbessert wird. Die Entwicklung des Aktienkurses der Beklagten mit einem Anstieg in der Zeit vom 31.12.2002 bis 11.6.2007 um 52 % und desjenigen der R... AG mit einem Anstieg um 238 % in dieser Zeit spricht dafür, dass nach der Bewertung der Anleger die Wertentwicklung bei der Muttergesellschaft deutlich günstiger eingeschätzt wird als diejenige der Beklagten. Der Umstand, dass die Gewinnrücklagen der R... AG im Jahr 2006 von 308.640.000 EUR auf 423.343.000 EUR angestiegen sind, ist ein Indiz dafür, dass der Kursanstieg der Aktie der Muttergesellschaft zum Teil auf der Erhöhung des Unternehmenswertes der Muttergesellschaft beruht.
dd) Der Einwand, dass die mit der Beklagten getätigten Geschäfte nur einen kleinen Teil des Umsatzes der Muttergesellschaft ausmachen, greift nicht durch, weil es im Rahmen der Beurteilung der Geeignetheit, eine nicht nur unerhebliche Verschlechterung der Lage der Gesellschaft nach § 87 Abs. 1 AktG herbeizuführen, maßgeblich auf die Lage der Beklagten und nicht auf die Lage der Muttergesellschaft ankommt. Etwaige Veränderungen des konzernbezogenen Aufwands der Beklagten für Lieferungen und Leistungen mit einem Volumen von 293.593.000 EUR sind bei einem Umsatz von ca. 1 Milliarde EUR geeignet, den mit ca. 67 Mio. EUR erwirtschafteten Jahresüberschuss in erheblicher Weise zu verändern.
ee) Die Behauptung der Beklagten, die von ihr von der R... Energy AG bezogenen 57 % ihres Strombedarfs (ohne Berücksichtigung der nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz entfallenden Lieferungen von 7 % zu Festpreisen) seien zu Marktpreisen bezogen worden, die Beklagte habe vor dem Strombezug jeweils mehrere Vergleichsangebote eingeholt, der Strom werde von der R... Energy AG nur dann bezogen, wenn die Konditionen mindestens dem besten Vergleichsangebot entsprechen, führt zu keiner anderen Beurteilung, da das Verbot der getroffenen Vergütungsregelung auf die mögliche Gefährdung der Lage der Gesellschaft abstellt. Dass tatsächlich ein Schaden bei der Gesellschaft eingetreten ist, ist nicht erforderlich. Im Übrigen genügt insoweit dieser Vortrag der Beklagten zu jeweils genau marktgerechten Preisen beim Bezug von Konzerngesellschaften nicht den Anforderungen an einen substanziierten Vortrag, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat. Insoweit genügt auch die allgemeine Aussage, dass der Abschlussprüfer die Marktangemessenheit der Strombezugspreise geprüft und bestätigt habe, nicht.
ff) Der im vorliegenden faktischen Konzern in § 311 Abs. 2 Satz 1 AktG vorgesehene Nachteilsausgleich genügt nicht, um die vorgefundene Vergütungsvereinbarung zu rechtfertigen. Schon eine Durchsetzung dieses Anspruchs durch den für das operative Geschäft zuständigen Vorstand, der gerade auch für etwaige Nachteile verantwortlich wäre, erscheint wenig wahrscheinlich. Daneben bestehen erhebliche Beweisschwierigkeiten im Hinblick auf die Feststellung überhöhter Preise im Einzelfall bei nur geringfügiger Überhöhung unter Berücksichtigung weiterer zu beachtender Entscheidungsfaktoren, wie z. B. die Zuverlässigkeit des Lieferanten.
gg) Eine Rechtfertigung für die Zulässigkeit nicht marktkonformer Preise zur Stärkung der Muttergesellschaft und anderer Konzerngesellschaften in einem faktischen Konzern ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Zwar besteht ein Interesse sowohl für die Muttergesellschaft als auch für die übrigen Konzerngesellschaften an einem hohen Aktienkurs der Muttergesellschaft, um mögliche feindliche Übernahmen zu verhindern oder zu erschweren, da diese in besonderem Maße die Gefahr der unerwünschten Umstrukturierung - häufig verbunden mit dem Verlust von Arbeitsplätzen - und auch der Aushöhlung des Unternehmens begründen. Dies rechtfertigt jedoch nicht, in einem faktischen Konzern mit einer Minderheitenbeteiligung von 10,13 % den Anreiz dafür zu schaffen, dass die Erträge der Muttergesellschaft oder anderer Konzerngesellschaften auf Kosten der Beklagten durch nicht marktkonforme Preise bestimmt werden. Dies würde die Gefahr einer faktischen Aushöhlung des Unternehmenswertes der Beklagten begründen und könnte den grundgesetzlichen Eigentumsschutz der Minderheitenaktionäre nach Art. 14 Abs. 1 GG berühren. Das Aktienrecht stellt zum Ausgleich der Interessen des Mehrheitsaktionärs und der Minderheitenaktionäre in den Vorschriften über den Vertragskonzern nach den §§ 291 ff AktG und - für den Fall dass der Mehrheitsaktionär 95 % der Aktien der Gesellschaft hält - nach den §§ 327a ff. AktG Regelungen zur Verfügung, die die Rechte der Minderheitengesellschafter berücksichtigen.
Nach alledem hält es der Senat für gegeben, dass die vom Aufsichtsrat beschlossene Vergütungsregelung nicht mit § 87 Abs. 1 AktG vereinbar ist.
522. Die festgestellte Unvereinbarkeit mit § 87 Abs. 1 AktG ist jedoch nicht als schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoß im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG anzusehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Rechtslage zur Auslegung des § 87 Abs. 1 AktG zum Zeitpunkt der Vergütungsfestsetzung ober- oder höchstrichterlich nicht geklärt war.
Die Klägerin hat im Übrigen nicht hinreichend dargetan, dass sich die Gefahr des vom Aufsichtsrat beschlossenen Vergütungssystems verwirklicht und zu nicht marktgerechten Preisen beim Bezug von Lieferungen und Leistungen von anderen Konzerngesellschaften geführt sowie damit zusammenhängend zu einer tatsächlichen Verschlechterung der Lage der Beklagten geführt hat. Die unterschiedliche Entwicklung der Aktienkurse der Beklagten und der R... AG geben hierfür keinen ausreichenden Hinweis angesichts der nur marginalen Bedeutung dieser Lieferungen für den Gesamtkonzern und deren Muttergesellschaft.
In der Literatur haben sich maßgebliche Stimmen sowohl für die Unzulässigkeit einer Orientierung von variablen Vergütungsbestandteilen am Aktienkurs der Muttergesellschaft (vgl. Hefermehl/Spindler in Münchner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdnr. 31 zu § 87; Hüffer, AktG, 7. Aufl., Rdnr. 20 zu § 192; Zitzewitz NZG 1999, 698, 700 f) als auch für deren Zulässigkeit (Habersack in: Festschrift für Thomas Raiser, 2005, Seite 111, 120 ff.; Martens in: Festschrift für Peter Ulmer, 2003, Seite 399, 416 f.; Krieger in Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, Aktiengesellschaft, 3. Aufl., § 63, Rdnr. 39) ausgesprochen. Bei dieser Sachlage ist eine schwerwiegende Pflichtenverletzung des Aufsichtsrats zu verneinen.
3. Eine Pflichtverletzung des Aufsichtsrats wegen unterbliebener Beteiligung der Hauptversammlung bei der Festsetzung der Vorstandsvergütung ist zu verneinen, weil sie nach § 87 Abs. 1 AktG ausschließlich in seine Zuständigkeit fällt. § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist weder unmittelbar noch analog anwendbar, weil durch die vorgenommene Festsetzung weder eine Kapitalerhöhung noch eine Satzungsänderung vorgenommen worden ist, sondern lediglich ein schuldrechtlicher Vergütungsanspruch der Vorstandsmitglieder gegen die Beklagte begründet wurde.
4. Eine Verletzung der Berichtspflicht durch den Aufsichtsrat liegt nicht vor. Insoweit kann auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen werden.
Die Anfechtungsklage ist somit unbegründet.
II. Die hilfsweise erhobenen Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit bzw. auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses zur Entlastung des Aufsichtsrats sind aus den vorgenannten Gründen unbegründet.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 2, 100 Abs. 1 ZPO. Da vorliegend eine streitgenössische Nebenintervention vorliegt, haben der Kläger und die Nebenintervenientin die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 101 Abs. 2 ZPO zu gleichen Teilen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar nach den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung beruht auf der höchstrichterlich gebilligten Rechtsauffassung, dass nur schwerwiegende Gesetzes- oder Satzungsverstöße zur Anfechtung des Beschlusses über die Entlastung des Aufsichtsrates berechtigen (BGH NJW 2003, 1032; Hüffer, a.a.O § 120 Rn. 12 m.w.N.). Die Feststellung der Fehlerhaftigkeit der Vorstandsvergütungsfestsetzung betrifft die Beurteilung des Einzelfalls anhand der individuellen Umstände.
Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
OLG München:
Urteil v. 07.05.2008
Az: 7 U 5618/07
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