Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Februar 2008
Aktenzeichen: 30 W (pat) 27/06

(BPatG: Beschluss v. 11.02.2008, Az.: 30 W (pat) 27/06)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat einen Beschluss vom 11. Februar 2008 gefasst (Aktenzeichen 30 W (pat) 27/06). In diesem Beschluss wurde entschieden, dass der Widerspruch der Beschwerdeführerin gegen die Marke 1 023 992 für die Waren "Hosen; Schlüpfer; Slips; Unterhosen; Unterwäsche" erfolgreich ist. Die Löschung der Marke 302 15 998 wurde angeordnet. Die Beschwerde wurde jedoch in Bezug auf die übrigen Waren zurückgewiesen.

Die Marke Vivion wurde am 12. Juli 2002 für verschiedene Waren, darunter auch Damenbinden, Unterwäsche und Hosen, eingetragen. Die Beschwerdeführerin hatte Einspruch gegen die Verwendung dieser Waren mit der Marke 1 023 992, die seit dem 8. Oktober 1981 für verschiedene Bekleidungsstücke, darunter auch Miederwaren, eingetragen ist, erhoben. Die Beschwerdeführerin legte Unterlagen vor, die die Benutzung der Marke "Vivian" für Büstenhalter von 1997 bis 2002 sowie die Benutzung der Marke "Viviane" für Shirts belegen. Die Inhaberin der angegriffenen Marke behauptete, dass keine Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht wurde.

Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts entschied, dass die Widerspruchsmarke für einige Waren gelöscht werden sollte, da ein ausreichender Markenabstand nicht gegeben sei. Die einzige Abweichung im dunklen Vokal "a" bzw. "o" wirke einer Verwechslung nicht ausreichend entgegen. Die weitere Benutzung der Marke für Shirts wurde jedoch als nicht glaubhaft gemacht angesehen. Auf die Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke wurde der Erstbeschluss aufgehoben und der Widerspruch zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin legte daraufhin Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Sie argumentierte, dass die Benutzung der Widerspruchsmarke für den Zeitraum von 1997 bis 2004 glaubhaft gemacht wurde und die Verwendung der Marke "Viviane" den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke nicht verändert. Sie legte auch neue Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke für den Zeitraum 2006 bis 2007 vor.

Das Bundespatentgericht entschied, dass die Beschwerde teilweise erfolgreich ist. Die angegriffene Marke muss in Bezug auf die Waren "Hosen; Schlüpfer; Slips; Unterhosen; Unterwäsche" gelöscht werden, da eine Verwechslungsgefahr besteht. Für die übrigen Waren besteht jedoch keine Verwechslungsgefahr. Die kennzeichnenden Marken sind sich in ihrem klanglichen und schriftbildlichen Eindruck sowie ihrem Sinngehalt sehr ähnlich. Die Beschwerdeführerin konnte auch die Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren "Büstenhalter" glaubhaft machen. Es wurde festgestellt, dass die Waren "Hosen; Schlüpfer; Slips; Unterhosen; Unterwäsche" und "Miederwaren" enge Berührungspunkte aufweisen, so dass eine Verwechslungsgefahr besteht. Für die übrigen Waren konnte jedoch keine Verwechslungsgefahr festgestellt werden.

Die Kosten werden nicht aus Gründen der Billigkeit auferlegt.

Diese Zusammenfassung erläutert die wichtigsten Punkte der Gerichtsentscheidung und ist sowohl für juristische als auch für juristische Laien verständlich. Die Inhaltsangabe ist in mehrere Absätze unterteilt, um die Lesbarkeit zu erhöhen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 11.02.2008, Az: 30 W (pat) 27/06


Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden hin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 13. Dezember 2005 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 1 023 992 für die Waren "Hosen; Schlüpfer; Slips; Unterhosen; Unterwäsche" zurückgewiesen wurde. Insoweit wird die Löschung der Marke 302 15 998 angeordnet.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Eingetragen am 12. Juli 2002 unter der Nummer 302 15 998 - veröffentlicht am 16. August 2002 - u. a. für die Waren

"Damenbinden; Gürtel für Damen- und Monatsbinden; Inkontinenzhosen; Monatsbinden; Monatshöschen; Slipeinlagen; Tampons für die Gesundheitspflege und chirurgische Zwecke; Windeln, Windelhosen, andere absorbierende Hygieneartikel für Inkontinente; Gürtel für hygienische, medizinische und chirurgische Bandagen; Babyhöschenwindeln aus Papier oder Zellstoff; Babywindeln aus Papier oder Zellstoff; Babywindeln; Babywindeln aus textilem Material; Bekleidungsstücke aus Papier; Hosen; Schlüpfer; Slips; Unterhosen; Unterwäsche"

ist die Marke Vivion.

Widerspruch erhoben wurde gegen die obengenannten Waren der angegriffenen Marke aus der unter der Nummer 1 023 992 seit dem 8. Oktober 1981 für folgende Waren

"Bekleidungsstücke (einschließlich gewirkter und gestrickter) für Herren, Damen und Kinder (einschließlich Ober- und Unterbekleidungsstücke); Leib- und Nachtwäsche; Badeanzüge, Badehosen, Bademäntel, Badejacken; Freizeit-, Strand- und Sportbekleidungsstücke; Mützen, Krawatten, Hosenträger, Handschuhe, Strumpfwaren; Miederwaren, nämlich Mieder, Korsetts, Korseletts, Hüfthalter und Hüftformer für Bekleidungszwecke, Strumpfhaltergürtel, Miederhöschen, Miederschlüpfer, Tanzgürtel und Büstenhalter"

eingetragenen Wortmarke Vivian, deren Benutzung bereits im Verfahren vor der Markenstelle bestritten worden war. Die Widersprechende hat Unterlagen vorgelegt über die Benutzung der Widerspruchsmarke "Vivian" für die Ware "Büstenhalter" für den Zeitraum 1997 bis 2002 sowie zur Benutzung der Marke "Viviane" für die Ware "Shirts". Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Nichtbenutzungseinrede mit näherer Begründung aufrechterhalten.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die angegriffene Marke mit Erstprüferbeschluss teilweise für die Waren "Babywindeln, Babywindeln aus textilem Material; Bekleidungsstücke aus Papier; Hosen; Schlüpfer; Slips; Unterhosen; Unterwäsche" gelöscht und im Wesentlichen ausgeführt, bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einer glaubhaft gemachten Benutzung für Miederwaren sei der erforderliche deutliche Markenabstand hinsichtlich der oben genannten identischen und ähnlichen Waren nicht mehr eingehalten. Die einzige Abweichung im dunklen Vokal "a" bzw. "o" wirke einer Verwechslung nicht ausreichend entgegen. Eine darüber hinausgehende Benutzung auch für die Waren "Shirts", die unter der Marke "Viviane" vertrieben werden, sei nicht glaubhaft gemacht, da aus der Marke "Viviane" (Nr. 717 142) kein Widerspruch eingelegt worden sei.

Auf die Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Erinnerungsprüferin den Erstbeschluss aufgehoben und den Widerspruch wegen fehlender Glaubhaftmachung zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Benutzung der Widerspruchsmarke "Vivian" sei für die erforderlichen Zeiträume nicht bzw. nicht im erforderlichen Umfang glaubhaft gemacht. Die Benutzung der Marke "Viviane" könne hierfür nicht herangezogen werden, da der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke hierbei verändert sei, weil es sich um unterschiedliche Frauennamen handele.

Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, die Benutzung sei für den erheblichen Benutzungszeitraum von 1997 bis 2004 glaubhaft gemacht, da durch die von der eingetragenen Form "Vivian" abweichende zeitweise benutzte Form "Viviane" der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke nicht verändert werde. Sie legt neue Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke "Vivian" für den Zeitraum 2006 bis 2007 vor.

Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluss der Markenstelle vom 28. September 2005 aufzuheben und die angegriffene Marke für die vom Widerspruch umfassten Waren zu löschen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich zur Sache nicht geäußert.

Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg, soweit die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes den Widerspruch bezüglich der Waren "Hosen; Schlüpfer; Slips; Unterhosen; Unterwäsche" zurückgewiesen hat. Hinsichtlich dieser Waren ist die angegriffene Marke gemäß § 9 Absatz 1 Nr. 2, § 42 Absatz 2 Nr. 1 MarkenG teilweise zu löschen, weil sie insoweit der Widerspruchsmarke so nahe kommt, dass die Gefahr von Verwechslungen besteht.

Hinsichtlich der übrigen vom Widerspruch umfassten Waren ist die angegriffene Marke nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu löschen, weil hinsichtlich der Waren "Damenbinden; Gürtel für Damen- und Monatsbinden; Inkontinenzhosen; Monatsbinden; Monatshöschen; Slipeinlagen; Tampons für die Gesundheitspflege und chirurgische Zwecke; Windeln, Windelhosen, andere absorbierende Hygieneartikel für Inkontinente; Gürtel für hygienische, medizinische und chirurgische Bandagen; Babyhöschenwindeln aus Papier oder Zellstoff; Babywindeln aus Papier oder Zellstoff; Babywindeln; Babywindeln aus textilem Material; Bekleidungsstücke aus Papier" der angegriffenen Marke die Gefahr von Verwechslungen nicht gegeben ist.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st. Rspr. vgl. GRUR 2005, 513 - MEY/Ella May; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang; GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 - NEURO-VIBO-LEX/NEURO-FIBRAFLEX).

1. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 MarkenG bereits im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zulässig erhoben.

Bei der Entscheidung über den Widerspruch können damit nur die Waren berücksichtigt werden, für die von der Widersprechenden eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für beide Benutzungszeiträume des § 43 Abs. 1 MarkenG glaubhaft gemacht worden ist (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG). Die Widersprechende hatte demnach die Benutzung der Marke nach § 43 Abs. 1 S. 1 für den Zeitraum innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der Marke, gegen die sich der Widerspruch richtet, glaubhaft zu machen, nämlich für die Jahre ab Mitte 1997 bis Mitte 2002 sowie nach § 43 Absatz 1 Satz 2 MarkenG für die Zeit innerhalb der letzten fünf Jahre vor der vorliegenden Beschwerdeentscheidung, nämlich von Februar 2003 bis Februar 2008 (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG 8. Aufl. § 43 Rdn. 4, 7 ff.). Glaubhaft zu machen ist dabei die Verwendung der Marke für die maßgeblichen Waren nach Art, Zeit, Ort und Umfang. Aus den vorgelegten Unterlagen muß sich eindeutig ergeben, in welcher Form, in welchem Zeitraum, in welchem Gebiet und in welchem Umfang die Benutzung erfolgt ist. (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 43 Rdn. 30, 43 m. w. N.).

Für die Ware "Büstenhalter" hat die Widersprechende ausreichende Unterlagen für die maßgeblichen Benutzungszeiträume vorgelegt. Den von der Widersprechenden vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen ist zu entnehmen, dass Büstenhalter mit der Widerspruchsmarke "Vivian" seit 1997 kennzeichenmäßig versehen sind. Dies ergibt sich für den Zeitraum gem. § 43 Abs. 1 S. 1 MarkenG aus den im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt mit Schriftsätzen vom 8. Juli 2003 und 14. Februar 2005 vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Frau M... vom gleichen Tage und den beigefügten Kopien der Verkaufskataloge und Kollektionslisten und den Aufstellungen der Verkaufszahlen für die Jahre 1997 und 1998. Für den weiteren Zeitraum gemäß § 43 Absatz 1 Satz 2 MarkenG ergibt sich dies aus der im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2007 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Frau M... vom gleichen Tage und den beigefügten Kopien der Ver- kaufskataloge und Kollektionslisten und den Aufstellungen der Verkaufszahlen für die Jahre 2006 bis 2007. Die in den eidesstattlichen Versicherungen genannten Verkaufszahlen von ... Stück für den ersten Zeitraum und ... Stück für den weiteren Zeitraum belegen auch die Ernsthaftigkeit der Benutzung. Dabei geben die für die Jahre ab 1999 bis Mitte 2002 und von 2003 bis 2004 fehlenden Verkaufszahlen keinen Anlass zu Zweifeln an der Ernsthaftigkeit der Benutzung. Denn die Benutzungshandlungen müssen innerhalb der maßgeblichen Benutzungszeiträume erfolgen, sie müssen aber nicht den gesamten Zeitraum der fünf Jahre ausfüllen, sondern lediglich - ohne dass es auf eine absolute zeitliche Festlegung ankommt - in Wechselwirkung mit dem Umfang der Benutzung die Annahme einer wirtschaftlich sinnvollen und nicht nur aus Gründen des Rechtserhalts erfolgten Markenverwendung rechtfertigen (vgl. EuG GRUR Int 2005, 47, 49 f. (Nr. 45) - VITAFRUIT; BGH GRUR 1999, 995, 996 - HONKA). Bei der Angabe von Umsatzzahlen muß daher weder der gesamte fünfjährige Benutzungszeitraum abgedeckt noch das letzte Jahr betroffen sein. Vielmehr genügt die Glaubhaftmachung einer ernsthaften Markenverwendung für eine begrenzte (u. U. auch zurückliegende) Zeit innerhalb des relevanten Benutzungszeitraums (vgl. Ströble/Hacker a. a. O. § 43 Rdn. 52). Auf die Benutzung mit der Marke "Viviane" kam es daher nicht mehr an.

Die mit der Marke "Vivian" benutzte Ware "Büstenhalter" lässt sich unter den Begriff "Miederwaren" des Warenverzeichnisses subsumieren. Bei der Entscheidung sind diese Waren zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG), da entsprechend der erweiterten Minimallösung - nach der es gerechtfertigt ist, den Kreis der zu berücksichtigenden Waren über das konkrete Produkt hinaus auch auf solche Waren auszudehnen, die der Verkehr gemeinhin als zum gleichen Warenbereich gehörend ansieht (vgl. BPatG GRUR 2004, 954, 955 f. - CYNARETTEN/ Circanetten, Ströbele/Hacker, a. a. O. § 26 Rdn. 136 ff. m. w. N.) - nicht allein die konkrete Miederware (Büstenhalter) zu berücksichtigen ist, sondern der nächstliegende Oberbegriff (Miederwaren).

Danach ist für die Beurteilung der Warenähnlichkeit den von der angegriffenen Marke "Vivion" beanspruchten Waren die Ware "Miederwaren" gegenüber zu stellen.

2. Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels anderweitiger Anhaltspunkte von einer eher unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem eingeschränkten Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Die Verwendung von weiblichen Vornamen ist auf dem Bekleidungssektor insbesondere im Bereich der Damenunterwäsche weit verbreitet (vgl. BGH BlPMZ 1971, 161 - Felina-Britta; GRUR 1988, 307 - Gaby; BPatG 27 W (pat) 166/97 - ISABELLE T/Isabel in PAVIS PROMA CD-ROM).

3. Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen Eindrucks sowie ihres Sinngehalts zu ermitteln. Dabei kommt es auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an. Dies entspricht dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten und sie nicht einer analysierenden, zergliedernden, möglichen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Betrachtung unterzieht. Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen als auf die Unterschiede abzustellen (vgl. BGH a. a. O. NEURO-VIBOLEX/ NEURO-FIBRAFLEX).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die sich gegenüberstehenden Marken in ihrem Gesamteindruck verwechselbar ähnlich sind.

Die Vergleichsmarken sind ihrem klanglichen Gesamteindruck nach nahezu identisch. Sie stimmen in fünf von sechs Buchstaben überein, der einzige Unterschied in den Vokalen der Wortenden "-on" gegenüber "-an" wirkt sich im Klang nur wenig aus, da sich die beiden dunklen Vokale "o" und "a" vor dem identischen Schlusskonsonanten "n" am ohnehin weniger beachteten Wortende klanglich sehr nahe kommen. Dies führt dazu, dass die Marken wegen des hohen Maßes an Übereinstimmungen in ihrer Gesamtheit sehr ähnlich klingen.

Auch bei einem schriftbildlichen Vergleich, der wegen des im Bekleidungsbereich allgemein üblichen Kaufes auf Sicht eine wesentliche Rolle spielt, geht der Unterschied in den beiden sehr ähnlich gestalteten Vokalen "a" und "o" am Wortende unter.

Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung des eingeschränkten Schutzumfangs der Widerspruchsmarke bedarf es eines noch deutlichen Abstandes im Bereich der sich gegenüberstehenden Waren, so dass jedenfalls bei identischen und enger ähnlichen Waren eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden kann.

4. Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren ist anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrer Nutzung, ihrer Eigenart als einander ergänzende Produkte - so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein können, sie stammten aus demselben Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl. BGH GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd; GRUR 2004, 600, 601 - dcfix/CD-FIX). Dabei reicht der Umstand, dass sich die Waren in irgendeiner Hinsicht ergänzen können, zur Feststellung der Ähnlichkeit noch nicht aus. Vielmehr ist eine gegenseitige Ergänzung in dem Sinne notwendig, dass dadurch die Annahme gemeinsamer oder doch miteinander verbundener Ursprungsstätten nahegelegt wird und damit auch der Kontrolle und Qualitätsverantwortung desselben Unternehmens (vgl. BPatG GRUR 2002, 345, 347 - ASTRO BOY/Boy). Daher liegt eine Warenähnlichkeit dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betroffenen Waren aus demselben Unternehmen oder ggf. aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Dabei ist für die Ähnlichkeit der Waren nicht die Feststellung gleicher Herkunftsstätten entscheidend, sondern die Erwartung des Verkehrs von einer Verantwortlichkeit desselben Unternehmens für die Qualität der Waren (vgl. BGH, GRUR 1999, 731 Canon II).

Ausgehend von den als benutzt anzusehenden Waren "Miederwaren" der Widerspruchsmarke besteht Identität bzw. enge Ähnlichkeit im Sinn von § 9 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu den Waren "Hosen; Schlüpfer; Slips; Unterhosen; Unterwäsche" der angegriffenen Marke, da sich nach den obengenannten Grundsätzen Gemeinsamkeiten bei Verwendung, Vertrieb und Verkaufsstätten feststellen lassen (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 51, m. Sp. zu 27 W (pat) 157/83).

Unter den Eingangs genannten Voraussetzungen ist angesichts der im Klang sehr ähnlichen Marken der erforderliche erhebliche Warenabstand im Bereich identischer und eng ähnlicher Waren nicht eingehalten, so dass insoweit Verwechslungsgefahr besteht.

5. Für die darüber hinaus vom Widerspruch umfassten Waren der angegriffenen Marke, die sämtlich nicht den Grad einer mittleren Warenähnlichkeit erreichen, konnte keine Verwechslungsgefahr festgestellt werden, so dass die Beschwerde der Widersprechenden insoweit keinen Erfolg hat.

Bezüglich der Waren "Inkontinenzhosen; Monatshöschen; Windeln, Windelhosen, andere absorbierende Hygieneartikel für Inkontinente" besteht wegen der Unterschiede hinsichtlich Beschaffenheit, Verwendungszweck und Vertriebsstätten lediglich eine geringe Warenähnlichkeit, da diese Waren wegen ihrer medizinischen Zweckbestimmung in Sanitätshäusern oder über entsprechende Fachgeschäfte angeboten werden.

Die Waren "Bekleidungsstücke aus Papier; Babyhöschenwindeln aus Papier oder Zellstoff; Babywindeln aus Papier oder Zellstoff; Babywindeln; Babywindeln aus textilem Material" der Widerspruchsmarke weisen ebenfalls einen erheblichen Warenabstand auf, da sie sich überwiegend in ihrer Beschaffenheit hinsichtlich des Ausgangsmaterials sowie im Übrigen in ihrem Verwendungszweck und hinsichtlich ihrer Vertriebsstätten deutlich unterscheiden (vgl. Richter/Stoppel a. a. O., S. 51, m. Sp. zu 27 W (pat) 176/95).

Bezüglich der Waren "Gürtel für hygienische, medizinische und chirurgische Bandagen; Damenbinden; Gürtel für Damen- und Monatsbinden; Monatsbinden; Slipeinlagen; Tampons für die Gesundheitspflege und chirurgische Zwecke" ergeben sich keine Berührungspunkte zu den Widerspruchswaren, die den Verkehr zu der Veranlassung gelangen ließen, die Waren stammten aus dem gleichen Geschäftsbetrieb (vgl. BGH GRUR 1999, 731, 733 - Canon II; Richter/Stoppel a. a. O., S. 201 li. Sp. zu 27 W (pat) 6/03; BPatG 26 W (pat) 10/98).

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Dr. Vogel von Falckenstein Paetzold Hartlieb Ko






BPatG:
Beschluss v. 11.02.2008
Az: 30 W (pat) 27/06


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