Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Januar 2004
Aktenzeichen: 9 W (pat) 34/02
(BPatG: Beschluss v. 14.01.2004, Az.: 9 W (pat) 34/02)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 14. Januar 2004 (Aktenzeichen 9 W (pat) 34/02) die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 R des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Januar 2002 aufgehoben. Das Patent wurde mit den entsprechenden Unterlagen erteilt. Das Patent bezieht sich auf eine Motorstartanlage für Kraftfahrzeuge. Die Anmelderin hatte die Beschwerde eingelegt, da sie die Beschreibung und die Zeichnungen für ausreichend und korrekt hielt, während die Prüfungsstelle dies bezweifelte. Das Bundespatentgericht stellte fest, dass die Patentansprüche und die Beschreibung den Anforderungen genügen. Die Prüfungsstelle hatte beanstandet, dass die Beschreibung nicht ausreichend sei und die zeichnerischen Darstellungen nicht mit einem Vermerk versehen waren. Das Gericht erklärte, dass die Beschreibung ausreichend sei und dass die Zeichnungen den Anforderungen entsprechen. Die Motorstartanlage basiert auf einer erfinderischen Tätigkeit und erfüllt die Patentierungsvoraussetzungen. Daher wurden das Patent und die dazugehörigen Unterlagen erteilt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 14.01.2004, Az: 9 W (pat) 34/02
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 R des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Januar 2002 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:
Patentanspruch 1, eingegangen am 6. Dezember 2000, Patentansprüche 2 bis 13, eingegangen am 22. Februar 1999, Beschreibung Seiten 1, 2 und 14, eingegangen am 17. Dezember 2001, Beschreibung Seiten 3 und 4, eingegangen am 18. März 2002, Beschreibung Seiten 5 bis 13 und 15 bis 19, eingegangen am AT, Zeichnungen, Figuren 1 bis 18, eingegangen am AT.
Bezeichnung: Motorstartanlage für Kraftfahrzeug Anmeldetag: 15. Januar 1996 Die Priorität der Voranmeldung JP 7-5231 vom 17. Januar 1995 in Japan ist in Anspruch genommen.
Gründe
I Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Prüfungsstelle die Anmeldung unter Hinweis auf § 34 (3) 4 PatG und PatAnmVO § 6 (6) zurückgewiesen, weil - die Beschreibung nicht zur Erläuterung der Erfindung ausreiche und - die den Stand der Technik betreffenden Figuren nicht mit einem entsprechenden Vermerk versehen seien.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie erachtet die Erläuterung der Erfindung in der geltenden Beschreibung für zweckdienlich und ausreichend sowie die Zeichnungen für vorschriftgemäß.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den im Tenor dieses Beschlusses aufgeführten Unterlagen zu erteilen.
Patentanspruch 1 lautet:
Motorstartanlage für ein Motorfahrzeug mit - einem Starter (10) zum Starten des Motors, dessen negativer Eingang geerdet ist;
- einer Batterie (16) zum Zuführen eines Stromes zu einem positiven Eingang des Starters (10), die geerdet ist;
- einer elektrischen Hauptleitung (200), die die Batterie (16) und den Starter (10) elektrisch verbindet;
- einem Schalter (20) in der Hauptleitung (200) zum selektiven Öffnen und Schließen einer Verbindung zwischen der Batterie (16) und dem Starter (10), gekennzeichnet durcheine erste elektrische Verbindungsleitung, die mit der elektrischen Hauptleitung (200) verbunden ist, wobei der Verbindungspunkt näher als die Batterie (16) und möglichst nahe am Starter (10) ist, um den Leiterwiderstand zu minimieren; undeinen in die erste elektrische Verbindungsleitung eingeschalteten Zweischichtkondensator (62), der geerdet ist, parallel zur Batterie (16) angeordnet ist und im Vergleich zur Batterie (16) eine große gewichtsbezogene Leistungsdichte und einen kleinen Innenwiderstand aufweist, so dass er den größten Teil des Anlaufstroms zu dem Starter (10) liefert, wenn der Starterschalter (20) geschlossen ist und die Batterie (16) gering belastet wird.
Hieran schließen sich zwölf Unteransprüche an.
Im Verfahren befinden sich die Entgegenhaltungen JP 5-116571 A Abstract M 1472 vom 2. September 1993 und DE 44 21 066 A1.
Wegen Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
1. Das Patentbegehren ist zulässig.
Im geltenden Patentanspruch 1 sind offensichtlich übersetzungsbedingte Mängel des ursprünglichen Patentanspruchs 1 sprachlich klargestellt. Darüber hinaus sind die den Kondensator und dessen Anordnung betreffenden Merkmale aus der Beschreibung S 5 Z 19, 21 bis 23 und 31 bis 33 hinzugefügt worden.
Die Merkmale der übrigen Patentansprüche sind wie folgt offenbart:
- Patentanspruch 2, siehe Fig 5 iVm der Beschreibung S 7 Abs 4 bis S 8 Abs 1,
- Patentanspruch 3, siehe Fig 6 iVm der Beschreibung S 8 Abs 2,
- Patentanspruch 4, siehe Fig 7 iVm der Beschreibung S 9 Abs 2,
- Patentanspruch 5, siehe Fig 8 iVm der Beschreibung S 9 Abs 5 bis S 10 Abs 1,
- Patentanspruch 6, siehe Fig 9 iVm der Beschreibung S 10 Abs 3 ff,
- Patentanspruch 7, siehe Fig 8 iVm der Beschreibung S 10 Abs 2,
- Patentanspruch 8, siehe Fig 10 iVm der Beschreibung S 12 Abs 2 ff,
- Patentanspruch 9, siehe Fig 14 iVm der Beschreibung S 14 Abs 4 ff,
- Patentanspruch 10, siehe Fig 15 iVm der Beschreibung S 15 Abs 1,
- Patentanspruch 11, siehe Fig 16 iVm der Beschreibung S 16 Abs 2 ff,
- Patentanspruch 12, siehe Fig 17 iVm der Beschreibung S 17 Abs 3 ff,
- Patentanspruch 13, siehe Fig 18 iVm der Beschreibung S 18 Abs 4.
2. Die Zulässigkeit der Beschreibung und der Zeichnungen ist auch gegeben.
a) Der 3. Abschnitt des Patentgesetzes, der das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt regelt, beginnt mit § 34. Darin sind u.a. die formalen Erfordernisse einer Patentanmeldung genannt. Dazu zählt nach § 34 (3) 4 PatG, auf den der angegriffene Beschluss Bezug nimmt, dass die Anmeldung eine Beschreibung der Erfindung enthalten muss. Die Prüfung dieses Formerfordernisses hat nach der Hinterlegung der Anmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt im Rahmen der Offensichtlichkeitsprüfung (§ 42 (1)) und/oder während des Prüfungsverfahrens (§ 44 (1)) zu erfolgen. Die nach der Erarbeitung erteilungsfähiger Patentansprüche erforderliche Anpassung der Beschreibung hat sich an den Patentansprüchen zu orientieren und ist Aufgabe der Anmelderin, Schulte PatG 6. Aufl. § 34 Rdn 189 ff. Kleinliche Beanstandungen der Beschreibung sind zu vermeiden, Schulte PatG 6. Aufl. § 34 Rdn 183.
Bei der Würdigung des Standes der Technik hat die Anmelderin einen großen Gestaltungsspielraum. Es ist Sache der Anmelderin, in welchem Umfang sie zusätzlich zu dem von der Prüfungsstelle für erforderlich gehaltenen Stand der Technik noch weiteren Stand der Technik in der Beschreibungseinleitung würdigt. Als Grenze ist § 5 Abs 3 PatAnmVO zu beachten. Dort ist festgelegt, dass "in die Beschreibung keine Angaben aufzunehmen sind, die zum Erläutern der Erfindung offensichtlich nicht notwendig sind". Diesen Mangel weisen die von der Anmelderin vorgelegten Unterlagen, und vor allem die Beschreibungseinleitung, nicht auf. Denn die Figuren 2 bis 4 und die zugehörigen Teile der Beschreibungseinleitung dienen dem besseren Verständnis der Erfindung.
In der Fig.4 der Anmeldung ist eine Motorstartanlage in ihrem Zusammenwirken zwischen Batterie 16 und Starter 10 dargestellt. Die zum Starten erforderliche Leistung ist der Fig. 2 zu entnehmen, wobei Fig. 3 die Änderung des Starterstroms vom Stillstand bis zum Startzustand des Motors zeigen. Diese Figuren mit den zugehörigen Teilen der Beschreibungseinleitung sowie die Ausführungen zum Verhalten von Batterien (S 2, letzter Abs) erläutern somit den technischen Hintergrund, der eine Verringerung der Belastungen der Batterie bei Zuführung eines Anlaufstroms zum Starter erforderlich macht.
Die Prüfung der Anmeldungsunterlagen hat ausweislich der DPMA-Akte anfänglich zu recht weder zu einer formalen noch zu einer inhaltlichen Beanstandung geführt, denn Bestandteil der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen war eine aus 20 Seiten bestehende Beschreibung der Erfindung. Diese Beschreibung genügt in formaler Hinsicht den in § 5 Abs 2 PatAnmVO 1995 enthaltenen Anforderungen (Schulte PatG 6. Aufl. § 34 Rdn 184). So umfasst die ursprüngliche Beschreibung den Titel der Erfindung, unter Bezugnahme auf die anmeldungsgemäßen Figuren 2 bis 4 das technische Gebiet bzw den technischen Hintergrund der Erfindung, unter Nennung zweier japanischer Druckschriften den der Anmelderin bekannten Stand der Technik, eine Aufgabenstellung und eine ausführliche Beschreibung mehrerer Varianten erfindungsgemäßer Ausführungsbeispiele. Diese Beschreibung dient auch, wie vorstehend dargetan, als wesentliche inhaltliche Offenbarungsgrundlage für die von der Prüfungsstelle für patentfähig erachteten Patentansprüche 1 bis 13. Dies ist im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zu keiner Zeit strittig gewesen. Deshalb kann aber auch kein Zweifel daran bestehen, dass die beanspruchte Erfindung einen ausreichenden Rückhalt in der Beschreibung findet, vgl Schulte PatG 6. Aufl. § 34 Rdn 183.
Die anschließend im Verlauf des Prüfungsverfahrens vorgenommenen Änderungen sind allesamt nicht geeignet, die anfänglich vorhandene Zulässigkeit der Beschreibung formal oder inhaltlich in Frage zu stellen.
Die im Verlauf des Prüfungsverfahrens vorgenommenen Änderungen der Beschreibung auf den Seiten 1 und 2 sind lediglich redaktioneller Natur: Änderung des Adjektivs "repräsentativ" in "bekannt" und Streichung eines den Hintergrund der Erfindung beschreibenden Absatzes. Eine entsprechende Absatzstreichung ist auch auf S 3 erfolgt. Dort ist außerdem ein Absatz mit einer Darstellung des im Prüfungsverfahren ermittelten Standes der Technik eingefügt und die beiden Teilaufgaben sind in einem Satz zusammengefasst worden. In dem auf S 4 eingefügten Abs 1 ist der Grundgedanke der Erfindung ausdrücklich genannt. Zudem sind die Bezeichnungen der Figuren 2 bis 4 als zum Stand der Technik gehörend gekennzeichnet worden. Die Änderungen auf S 14 betreffen die Korrektur eines offensichtlichen Fehlers in der Beschreibung der Fig. 13.
b) Für die Anmeldung einer Erfindung zur Erteilung eines Patents sind ergänzend zu den Bestimmungen des Patentgesetzes die Vorschriften der Patentanmeldeverordnung (PatAnmVO) maßgeblich, und zwar in der zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden Fassung. Rechtsgrundlage für einen Zurückweisungsbeschluss kann die PatAnmVO regelmäßig nur sein, wenn der behauptete Mangel von den Vorschriften der geltenden PatAnmVO überhaupt erfasst ist. Das ist vorliegend nicht der Fall.
Am Anmeldetag, dem 15. Januar 1996, galt die PatAnmVO in der Fassung von 1990, vgl PatAnmVO 1997 § 12 Übergangsregelung. Der bezüglich der von der Prüfungsstelle gerügten Mängel in den zeichnerischen Darstellungen des Standes der Technik relevante Satz 3 des § 6 Abs 6 der PatAnmVO 1990 lautet:
"Den Stand der Technik betreffende Zeichnungen, die für das Verständnis der Erfindung in Betracht kommen können, sind zulässig, jedoch nicht als erste Zeichnung (Figur Nr 1)."
Die Fig 1 der vorliegenden Anmeldung stellt unbestritten einen Schaltplan der Motorstartanlage gemäß Patentanspruch 1 dar und befindet sich somit im Einklang mit der vorstehenden Vorschrift. Die Figuren 2 bis 4 der Anmeldung, die laut Beschreibungseinleitung S 1 und 2 sowie der Figurenbezeichnung S 4 den bekannten Stand der Technik wiedergeben, sind ebenfalls vorschriftsmäßig. Demzufolge ist entgegen der Beanstandung der Prüfungsstelle weder eine Streichung dieser Figuren noch eine Kennzeichnung mit einem Vermerk erforderlich. Auch im Patentgesetz, insb in § 34, findet sich kein Stütze für diese Forderungen der Prüfungsstelle.
3. Die Motorstartanlage nach Patentanspruch 1 erfüllt die Patentierungsvoraussetzungen.
Sie ist neu, denn aus der den Stand der Technik bildenden JP 5 116571 A sind die Merkmale des Oberbegriffs, nicht jedoch die Merkmale des Kennzeichens des Anspruchs 1 bekannt. Die DE 44 21 066 A1 beschreibt eine elektrische Energieversorgungseinrichtung für eine Heizvorrichtung eines Kraftfahrzeuges und keine Motorstartanlage.
Die offensichtlich gewerblich anwendbare Motorstartanlage beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.
Bei der aus der JP 5 116571 A vorbekannten Motorstartanlage wird der Kondensator erst zugeschaltet, nachdem ein erster Startversuch mit der Batterie ergebnislos vorgenommen worden ist, vgl Abstract. Dadurch kann es zu den in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung Seite 2 letzter Absatz bis Seite 3 Absatz 1 geschilderten Problemen kommen, woraus die der Erfindung zugrundegelegte Aufgabe resultiert. Ein Hinweis, wie diesem Problem begegnet werden kann, geht aus dem Abstract nicht hervor.
Die elektrische Energieversorgungseinrichtung nach der DE 44 21 066 A1 dient einer Heizvorrichtung, die mit einer Fahrzeugbatterie verbunden ist. Dabei ist ein Kondensator zwischen einer Verstärkerschaltung (Spannungswandler) und der Batterie angeordnet. Das Laden und Entladen des Kondensators wird von einer Steuerschaltung überwacht, vgl insb Anspruch 1 iVm Fig 1. Auf die anmeldungsgemäße Problematik der Batterieentlastung beim Anlassen des Motors geht die Druckschrift mit keinem Wort ein.
Die Entgegenhaltungen vermochten somit keine Anregung zu der gefundenen Lösung zu geben.
Die Grundidee der Erfindung liegt darin, die anfängliche Belastung der Batterie zu verringern, indem der elektrische Strom des Kondensators bereits beim ersten Startversuch zur Verfügung gestellt wird, um den Startvorgang zu erleichtern.
Diese Grundidee und ihre Realisierung sind ohne Vorbild im nachgewiesenen Stand der Technik und ergeben sich auch nicht allein aus dem Wissen des Durchschnittsfachmanns heraus. Vielmehr waren eigenschöpferische Überlegungen notwendig, die beanspruchte Lehre aufzufinden.
Der Patentanspruch 1 ist daher patentfähig.
Die Patentansprüche 2 bis 13 betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen der Motorstartanlage nach Patentanspruch 1. Diese Patentansprüche sind daher ebenfalls patentfähig.
Petzold Dr. Fuchs-Wissemann Bork Bülskämper Ko
BPatG:
Beschluss v. 14.01.2004
Az: 9 W (pat) 34/02
Link zum Urteil:
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