Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Mai 2008
Aktenzeichen: 23 W (pat) 333/05

(BPatG: Beschluss v. 29.05.2008, Az.: 23 W (pat) 333/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 29. Mai 2008 den Einspruch als unzulässig verworfen. Die Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hatte auf die am 16. Januar 1993 eingereichte Patentanmeldung ein Patent erteilt. Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 15. Februar 2005 Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Dabei hat sie verschiedene Dokumente als Stand der Technik angeführt, um die fehlende erfinderische Tätigkeit des Patents zu belegen. Die Patentinhaberin hat dem Einspruch in allen wesentlichen Punkten entgegengetreten. Nach Ablauf der Einspruchsfrist hat die Einsprechende weitere Dokumente vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2008 wurde die Zulässigkeit des Einspruchs erörtert. Die Einsprechende hat im Anschluss den Antrag gestellt, das Patent zu widerrufen, während die Patentinhaberin den Antrag gestellt hat, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen. Das Bundespatentgericht hat entschieden, dass der Einspruch unzulässig ist, weil die Einsprechende die gesetzlichen Anforderungen an eine hinreichende Substantiierung nicht erfüllt hat. Somit ist das Einspruchsverfahren ohne weitere Sachprüfung über die Rechtsbeständigkeit des Patents beendet.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 29.05.2008, Az: 23 W (pat) 333/05


Tenor

Der Einspruch wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse G09G des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 16. Januar 1993 eingereichte Patentanmeldung ein Patent (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Anordnung zur Lichteffektsteuerung" erteilt. Die Patenterteilung ist am 18. November 2004 veröffentlicht worden.

Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 15. Februar 2005, beim Patentamt per Fax eingegangen am 16. Februar 2005, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, da der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 - 5 PatG nicht patentfähig sei.

Dabei hat sie zum Stand der Technik auf die Dokumente - deutsche Offenlegungsschrift DE 33 13 649 A1 (E1)

- Spielgerät "Rotomat Turnier Trianon" in "Münzautomat, Fachzeitschrift für die Münzautomatenbranche", Oktober 1985, Seite 45 (Angabe im Einspruchsschriftsatz) (E2)

- Spielgerät "Star-Treck" in "Münzautomat, Fachzeitschrift für die Münzautomatenbranche", Januar 1992, ohne Seitenangabe (E3)

- Spielgerät "Gute-Laune-Flipper" in "Automaten Markt, Das Fachmagazin für den erfolgreichen Automatenunternehmer", Juni 1993, Seite 113 (E4)

- Prospektabbildungen zu den Unterhaltungsspielgeräten "Backgammon" und "Mensch ärgere Dich nicht" der Firma adp Automaten GmbH, ohne Datumsangabe (E5)

- Unterlassungserklärung vom 27. August 1992 zum Unterhaltungsspielgerät "Mensch ärgere Dich nicht" (E6)

- Schaltplan "Spielfeldplatine I" zum Unterhaltungsspielgerät "Mensch kümmere Dich nicht" vom 30. März 1992 (E7)

- Schaltplan "Spielfeldplatine II / Beleuchtungsplatine" zum Unterhaltungsspielgerät "Mensch kümmere Dich nicht" vom 27. März 1992 (E8)

- Spielgerät "Backgammon" in "Münzautomat, Fachzeitschrift für die Münzautomatenbranche", Februar 1991, Seiten 72 und 73 (E9)

- Schaltplan "Würfelplatine" zum Unterhaltungsspielgerät "Backgammon" vom 1. Februar 1991 (Änderungsnummer M003) (E10)

verwiesen und in ihrem Einspruchsschriftsatz geltend gemacht, dass die Anordnung zur Lichteffekterzeugung nach dem erteilten Anspruch 1 unter Berücksichtigung des Stands der Technik nach den Dokumenten E1 bis E4 nicht die notwendige erfinderische Tätigkeit aufweise (vgl. Einspruchsschriftsatz vom 15. Februar 2002, Seite 3, erster Absatz bis Seite 5, erster Absatz).

Darüber hinaus sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 im Hinblick auf das jeweils aus den Dokumenten E5 bis E8 sowie den Dokumenten E9 und E10 Bekannte nicht patentfähig. Hierbei wird im Zusammenhang mit den Dokumenten E5 bis E8 eine offenkundige Vorbenutzung durch das von der Einsprechenden hergestellte Unterhaltungsspielgerät "Mensch ärgere dich nicht" sowie hinsichtlich der Dokumente E9 und E10 eine offenkundige Vorbenutzung durch das von der Einsprechenden hergestellte Unterhaltungsspielgerät "Backgammon" geltend gemacht (vgl. beispielsweise Einspruchsbegründung vom 15. Februar 2002, Seite 8, vorletzter Absatz, "Die Merkmale des Patentanspruchs 1 sind zum einen allesamt aus dem vorveröffentlichtem Spiel "Mensch ärgere dich nicht"/"Mensch kümmere dich nicht" als auch aus dem Spielgerät "Backgammon" einzeln bekannt.").

Die Patentinhaberin ist dem Einspruchsvorbringen in allen wesentlichen Punkten entgegengetreten, und führt aus, dass die seitens der Einsprechenden benannten Veröffentlichungen bzw. Unterlagen mit unklarer Veröffentlichung als nicht geeignet anzusehen seien, die Neuheit oder die erfinderische Tätigkeit des Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in Frage zu stellen (vgl. Schriftsatz vom 6. Oktober 2005, Seite 11, Zeilen 1 bis 3).

Nach Ablauf der Einspruchsfrist hat die Einsprechende zur weiteren Begründung ihres Vorbringens mit Schriftsatz vom 14. Mai 2008 noch auf die Dokumente - deutsches Gebrauchsmuster DE 89 00 589 U1

- Bedienungshandbuch "Mensch ärgere dich nicht" der adp automaten GmbH, ohne Datumsangabe - Eidesstattliche Versicherung des Herrn K..., Betriebsleiter bei der Firma B... GmbH in L... vom 21. August 2007

- Skizze über die Ansteuerung von LEDs in den Farben Rot und Grün zur Erzeugung von Mischfarben mit handschriftlichem Datumsvermerk 16. März 1990 hingewiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2008 ist mit den anwesenden Parteien, wie in der zuvor ergangenen Terminsladung angemerkt, die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs erörtert worden.

Die Einsprechende stellte daraufhin den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen.

Der erteilte Anspruch 1 lautet (mit der vom Senat vorgenommenen Gliederung unter Berücksichtigung der Merkmalsanalyse der Einsprechenden vom 15. Februar 2005):

"Anordnung zur Lichteffekterzeugung für Geld- und/oder Unterhaltungsspielgeräte, welche

[M1] eine zentrale Steuereinrichtung,

[M2] einen Taktgenerator und

[M3] frontseitig angeordnete, einzeln hinterleuchtbar ausgebildete Anzeigefelder (9, 9a) sowie

[M4] eine Mehrzahl von frontseitig angeordneten Tasten (8) zur Spielablaufsteuerung aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass

[M5] für mindestens eines der frontseitig angeordneten, einzeln hinterleuchtbaren Anzeigefelder (9, 9a) jeweils eine Gruppe (1) von unterschiedlich farbigen Lumineszenzdioden als Leuchtelemente (2 bis 5) vorgesehen sind,

[M6] dass jedes einzelne Leuchtelement (2 bis 5) dieser Gruppen (1) von der zentralen Steuereinheit für eine vorgebbare Anzahl von Taktimpulsen des Taktgenerators ansteuerbar ist und

[M7] dass zumindest die Bereiche der mehrfarbig hinterleuchtbaren Anzeigefelder (9, 9a) mit Mitteln zur Lichtstreuung in Form

[M7a] einer milchglasartigen Folie (6) oder

[M7b] eines lichtstreuenden Aufdrucks auf der Frontscheibe (10) versehen sind."

Hinsichtlich der erteilten Unteransprüche 2 bis 5 wird auf das Streitpatent und hinsichtlich weiterer Einzelheiten auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 maßgeblichen Fassung. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist. Diese befristete Regelung ist zum 1. Juli 2006 ohne weitere Verlängerung ausgelaufen, so dass ab 1. Juli 2006 die Zuständigkeit für die Entscheidung in den Einspruchsverfahren wieder auf das Patentamt zurückverlagert wurde. Das Bundespatentgericht bleibt gleichwohl für die durch § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG zugewiesenen Einspruchsverfahren auch nach dem 30. Juni 2006 zuständig, weil der Gesetzgeber eine anderweitige Zuständigkeit für diese Verfahren nicht ausdrücklich festgelegt hat und deshalb der in allen gerichtlichen Verfahren geltende Rechtsgrundsatz der "perpetuatio fori" (analog § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und analog § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG) zum Tragen kommt, wonach eine einmal begründete Zuständigkeit bestehen bleibt. Die Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG durch das "Gesetz zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes" (BGBl 2006, Teil I, Seite 1318) führt zu keiner anderen Beurteilung (vgl. die Senatsentscheidung vom 19. Oktober 2006, BPatG GRUR 2007, 499 - "Rundsteckverbinder"). Der gegenteiligen Rechtsauffassung (BPatG GRUR 2007, 904 - "Gesetzlicher Richter"), kann nicht gefolgt werden (vgl. die Senatsentscheidung vom 10. Mai 2007, BPatG GRUR 2007, 907 - "Gehäuse/perpetuatio fori" und die Entscheidung 19 W (pat) 344/04 vom 9. Mai 2007, BPatG PMZ 2007, 332 - "Einspruchszuständigkeit").

Die Rechtsauffassung zur fortdauernden Zuständigkeit des Bundespatentgerichts wurde durch den Bundesgerichtshof bestätigt (vgl. BGH GRUR 2007, 862, Tz. 10 am Ende - "Informationsübermittlungsverfahren II").

III.

Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung unzulässig und war deshalb zu verwerfen.

1) Der Gegenstand des Streitpatents betrifft eine Anordnung zur Lichteffekterzeugung für Geld- und/oder Unterhaltungsspielgeräten mit einer Mehrzahl von frontseitig angeordneten Tasten zur Spielablaufsteuerung, bei welchen es nach geltender Beschreibung bekannt ist, einzelne Anzeigefelder mittels einer Steuereinheit und einem Taktgenerator rhythmisch anzusteuern. Nachteilig hierbei ist, dass Farbeffekte hierbei nur insoweit möglich sind, als dass für den Frontscheibendruck die einzelnen Felder entsprechend farbig gestaltet werden. Eine veränderliche Farbgebung ist auf diese Weise nicht möglich (vgl. Streitpatent, Seite 2, re. Sp., 1. Abs).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Aufgabenstellung zugrunde, zumindest für bestimmte Anzeigefelder der Frontpartie eine Anordnung vorzuschlagen, mittels welcher eine wechselnde Farbgebung hervorrufbar ist, um somit diese Anzeigefelder gegenüber den übrigen besonders hervorzuheben (vgl. Streitpatent, Seite 2, Abs. [0006]).

Diese Aufgabe wird bei einer gattungsgemäßen Anordnung zur Lichteffekterzeugung mit den Merkmalen nach dem kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 des Streitpatents dadurch gelöst, dass als Leuchtelemente Gruppen von unterschiedlich farbigen Lumineszensdioden vorgesehen sind, welche als zentrales Merkmal einzeln über die zentrale Steuereinheit für eine vorgebbare Anzahl von Taktimpulsen des Taktgenerators ansteuerbar sind (vgl. Streitpatent, Absatz [0020]). Hierbei sind jeweiligen die Anzeigefelder zur Erzeugung von Mischfarben mit Mitteln der Lichtstreuung versehen, um so zu verhindern, dass die verschiedenfarbigen Leuchtdioden einzeln wahrgenommen werden (vgl. Streitpatent, Absatz [0021]).

2) Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung den Ladungshinweis aufgegriffen und die Zulässigkeit des Einspruchs in Frage gestellt, wobei ein unzulässiger - einziger - Einspruch zur Beendigung des Einspruchsverfahrens ohne weitere Sachprüfung über die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents führt (vgl. Schulte PatG, 7. Auflage, § 61, Rdn. 18 und BGH GRUR 1987, 513, II.1 - "Streichgarn").

3) Eine Einspruchsbegründung genügt nur dann den gesetzlichen Anforderungen (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), wenn in ihr innerhalb der Einspruchsfrist die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen Umstände im Einzelnen so dargelegt werden, dass Patentinhaber und Patentamt bzw. Patentgericht daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder nicht Vorliegen des Widerrufsgrundes ziehen können (vgl. BGH GRUR 1988, 364, 365, IV.1. - "Epoxidationsverfahren"). Dieser Substantiierungspflicht werden die innerhalb der Einspruchsfrist vorgetragenen Darlegungen der Einsprechenden nicht gerecht.

Die Einsprechende hat in ihrem Einspruchsschriftsatz den Widerruf des Patents gemäß § 21 PatG beantragt, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 im Hinblick auf das aus den Dokumenten E1 bis E4 Bekannte nicht erfinderisch sei. So seien aus dem benannten Stand der Technik sämtliche Merkmale M1 bis M4 des geltenden Oberbegriffs, wie auch die Merkmale M5 und M7, M7a des Patentanspruchs bekannt. Weiter führt die Einsprechende aus, dass es dem Fachmann zwangsläufig bekannt sei, die Anzeigefelder gemäß dem Merkmal M7 der Merkmalsanalyse mit einer milchglasartigen Folie (Merkmal M7a) oder lichtstreuenden Aufdrucken (Merkmal M7b) zu versehen (vgl. Einspruchschriftsatz vom 15. Februar 2005, Seite 4, erster Absatz).

Bei ihrem Vorbringen unterlässt es die Einsprechende jedoch, das kennzeichnende Merkmal M6 dem einschlägigen Stand der Technik gegenüberzustellen oder zumindest auszuführen, warum sich das in Rede stehende Merkmal für den Fachmann in naheliegender Weise ergibt.

Allein der Hinweis der Einsprechenden, dass durch die Angabe des Widerrufsgrunds der mangelnden erfinderischer Tätigkeit implizit auf das Merkmal M6 eingegangen wurde (vgl. Eingabe vom 14. Mai 2008, Seite 5, dritter Absatz) genügt den Anforderungen an eine hinreichende Substantiierung nicht, da hierdurch Patentinhaber und Patentamt bzw. Patentgericht nicht in die Lage versetzt werden, abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des vorgebrachten Widerrufsgrundes ziehen zu können. Insofern macht die Einsprechende mit ihrer Bezugnahme auf den Stand der Technik nach Druckschrift E1 in Verbindung mit den Dokumenten E2 bis E4 zwar den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (fehlende erfinderische Tätigkeit) geltend, gibt aber die Tatsachen im einzelnen nicht an, die den Einspruch rechtfertigen sollen (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), da sie es unterlassen hat den erforderlichen Zusammenhang zwischen sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents und dem angeführten Stand der Technik herzustellen (vgl. hierzu BGH GRUR 1988, 364, Leitsatz 2, 366, re. Sp., le. Abs. - "Epoxidationsverfahren"; Schulte PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 77 bis 82).

Im Übrigen war das Dokument E4 nicht vorveröffentlicht, so dass eine Kombination der Dokumente E1 und E4 ausgeschlossen ist.

Auch die von der Einsprechenden vorgebrachte offenkundige Vorbenutzung durch die Spielgeräte "Mensch ärgere dich nicht" und "Backgammon" ist nicht hinreichend substantiiert.

Eine offenkundige Vorbenutzung wäre hinreichend substantiiert, wenn sie für Patentamt bzw. Patentgericht und Patentinhaber nachvollziehbar ist, ohne dass eigene Ermittlungen über Art, Ort oder Zeit des Gegenstands der Benutzung erforderlich sind. Die Begründung eines Einspruchs, der sich auf eine Vorbenutzung stützt, ist daher ausreichend substantiiert, wenn sie konkrete Angaben enthält, was, wo, wann, wie, durch wen in öffentlicher Weise geschehen ist und diese Angaben innerhalb der Einspruchsfrist vorliegen (vgl. Schulte PatG, 7. Auflage; § 59, Rdn. 103).

Hierbei muss der Zeitpunkt der Vorbenutzung so konkret angegeben werden, dass feststellbar ist, dass eine Vorbenutzung stattgefunden hat, der Gegenstand also zum Stand der Technik gehört. (vgl. Schulte PatG, 7. Auflage, § 59, Rdn. 106).

Auch die Person des Vorbenutzers kann nicht anonym bleiben, denn nur wenn dieser bekannt ist lassen sich Art, Zeit und Gegenstand der behaupteten Vorbenutzung in der Regel eindeutig feststellen (vgl. Schulte PatG, 7. Auflage, § 59, Rdn. 108).

Genau an dieser Darlegung der konkreten Umstände im Einzelnen fehlt es der eingereichten Begründung. So macht die Einsprechende für das Spielgerät Mensch ärgere dich nicht" zwar im Zusammenhang mit dem eingereichten Dokument E6 (Unterlassungserklärung vom 27. August 1992) geltend, dass bis zum 31. März 1993 128 Stück der Unterhaltungsspielgeräte "Mensch ärgere Dich nicht" verkauft wurden (vgl. hierzu Einspruchsbegründung Seite 6, 4. Abs.); eine konkrete Aussage ob eines oder mehrere dieser Geräte am 16. Januar 1993 (Anmeldetag des Streitpatents) (wann) bereits der Öffentlichkeit durch wen und an welchem Ort (wo) zugänglich waren, ist aber ausgeblieben.

Darüber hinaus ist dem eingereichten, das Spielgerät "Mensch ärgere Dich nicht" abbildende Farbprospekt (Dokument E5) kein Veröffentlichungsdatum zu entnehmen. Was die in Bezug genommenen Schaltpläne des Spielgeräts "Mensch ärgere Dich nicht" (Dokumente E7 und E8) anbelangt, so wird von der Einsprechenden ebenfalls nicht dargelegt, ob und wann diese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.

Auch im Zusammenhang mit dem Unterhaltungsspielgerät "Backgammon" ist die vorgebrachte offenkundige Vorbenutzung nicht ausreichend substantiiert.

Die Einsprechende verweist zwar mit Dokument E9 auf die Bewerbung des Spielgeräts in der Fachzeitschrift "Münzautomat" im Februar 1991, und erkennt hierbei richtigerweise, dass sich aus dieser Bewerbung die nunmehr im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beanspruchten Steuermerkmale nicht ableiten lassen, d. h. dass die technische Lehre des Anspruchs 1 aus dem Dokument E9 nicht objektiv erkennbar ist, ohne dass es weiterer Erläuterungen für den Fachmann bedarf. Insbesondere das Vorsehen einer Steuereinrichtung, eines Taktgenerators und der Merkmale M5, wonach für mindestens eines der frontseitig angeordneten, einzeln hinterleuchtbaren Anzeigefelder jeweils eine Gruppe von unterschiedlich farbigen Lumineszenzdioden als Leuchtelemente vorgesehen sind und M6, wonach jedes einzelne Leuchtelement dieser Gruppe von der zentralen Steuereinheit für eine vorgebbare Anzahl von Taktimpulsen des Taktgenerators ansteuerbar ist, sind aus der angeführten Bewerbung des Spielgeräts (Dokument E9) nicht zu entnehmen.

Dies erkennend gibt die Einsprechende durch den als Dokument E10 eingereichten Schaltplan weitere Erläuterungen welche die oben genannten, fehlenden Merkmale in den Stand der Technik einzuführen sollen. Hierbei verkennt sie aber, dass Datumsangaben auf konstruktiven Zeichnungen und Plänen nur belegen, dass diese Unterlagen zu diesem Zeitpunkt erstellt wurde, nicht aber, dass diese öffentlich zugänglich waren.

Eine konkrete - über die druckschriftliche Werbung hinausgehende - Angabe wann das Gerät mit sämtlichen genannten Merkmalen (vgl. Einspruchsschriftsatz vom 15. Februar 2005, Seiten 7 und 8, übergreifender Absatz), durch wen und in welcher Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, ist dem Einspruchsschriftsatz nicht zu entnehmen.

Somit fehlt es im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Widerrufgrund der fehlenden Patentfähigkeit im Zusammenhang mit den Spielgeräten "Mensch ärgere Dich nicht" und "Backgammon" ebenfalls an einer hinreichenden Substantiierung.

Der vorstehend aufgezeigte Substantiierungsmangel kann nach Ablauf der Einspruchsfrist nicht mehr behoben werden (vgl. § 59, Abs. 1, Satz 5 PatG), so dass diesbezüglich die in der Eingabe vom 14. Mai 2008 vorgebrachten Ausführungen sowie die nachträglich eingereichten Dokumente hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit des Einspruchs dahinstehen können.

Damit war in der vorliegenden Sache der Einspruch als unzulässig zu verwerfen.

4) Bei einem unzulässigen Einspruch ist das Einspruchsverfahren ohne weitere Sachprüfung über die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents zu beenden (vgl. Schulte PatG, 7. Auflage, § 61, Rdn. 18 und BGH GRUR 1987, 513, II.1. - "Streichgarn").

Dr. Tauchert Lokys Dr. Hock Maile Pr






BPatG:
Beschluss v. 29.05.2008
Az: 23 W (pat) 333/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/dfeb858390d2/BPatG_Beschluss_vom_29-Mai-2008_Az_23-W-pat-333-05




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share