Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Juni 2007
Aktenzeichen: 23 W (pat) 334/04

(BPatG: Beschluss v. 19.06.2007, Az.: 23 W (pat) 334/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dieser Gerichtsentscheidung geht es um das Patent mit der Bezeichnung "Blei-Ersatzmaterial für Strahlenschutzzwecke". Zwei Einsprechende haben Einspruch gegen das Patent eingelegt und beantragen dessen Widerruf. Die Einsprechende zu 1) führt an, dass die ersten Alternativen der erteilten Ansprüche nicht ausführbar seien und dass der Anspruch 1 durch den Offenbarungsgehalt einer bestimmten Druckschrift neuheitsschädlich vorweggenommen sei. Die Einsprechende zu 2) begründet ihren Antrag auf Widerruf damit, dass das Patent nicht klar offenbart sei und dass es an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit fehle. Darüber hinaus behauptet sie, dass wesentlicher Inhalt des Patents von einem anderen ohne dessen Einwilligung übernommen worden sei. Die Patentinhaberin verteidigt das Patent in beschränktem Umfang und ist der Auffassung, dass der neu formulierte Patentanspruch 1 den Stand der Technik nicht beeinträchtige. In der Entscheidung wird festgestellt, dass das Bundespatentgericht für die Entscheidung über den Einspruch zuständig ist und dass die Einsprüche zulässig sind. Es wird entschieden, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und das Patent daher widerrufen wird. Der Widerrufgrund der widerrechtlichen Entnahme ist aufgrund der fehlenden Schutzwürdigkeit des Patentanspruchs ebenfalls gegenstandslos.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 19.06.2007, Az: 23 W (pat) 334/04


Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Das angegriffene Patent 102 34159 (Streitpatent) wurde unter der Bezeichnung "Blei-Ersatzmaterial für Strahlenschutzzwecke" am 26. Juli 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet und nach Erteilung am 6. November 2003 veröffentlicht.

Gegen das Patent haben die A... in B... (Einsprechende zu 1) und die C... AG in D... (Einsprechende zu 2), beim Deut- schen Patent- und Markenamt am 29. Januar 2004 bzw. 6. Februar 2004 Einspruch eingelegt.

Die Einsprechenden beantragen, das Patent zu widerrufen.

Die Einsprechende zu 1) macht dabei geltend, dass die ersten Alternativen der erteilten Ansprüche 1 und 2 nicht ausführbar seien und dass der erteilte Anspruch 1 durch den Offenbarungsgehalt der Druckschrift - E1) EP 0 371 699 A1 neuheitsschädlich vorweggenommen sei. Zu den Unteransprüchen des Streitpatents verweist sie u. a. auf die Druckschrift - E2) US 3 514 607.

Die Einsprechende zu 2) begründet ihren Antrag auf Widerruf damit, dass gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG das Patent die Erfindung nicht so deutlich offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne, dass es weiterhin dem Patentgegenstand im Hinblick auf die Druckschriften - E5) WO 2004/017333 A1 (mit intern. AZ PCT/EP 2003/006085) und zugeh. Prioritätsschrift - E6) DE 202 08 918 U1 sowie - E7) US 5 247 182 A an der Neuheit bzw. erfinderischen Tätigkeit fehle unddass der wesentliche Inhalt des Patents den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen ohne dessen Einwilligung entnommen worden sei.

Zur Stützung des Widerrufgrundes der widerrechtlichen Entnahme verweist sie auf diverse Unterlagen (u. a. Kopien betreffend einen Schriftverkehr), und bietet Zeugenbeweis an.

Mit Schreiben vom 18. Mai 2007 hat die Einsprechende zu 2) mitgeteilt, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde, dass jedoch die gestellten Anträge bestehen blieben.

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2007 verteidigt die Patentinhaberin das Patent in beschränktem Umfang mit den am 20. Januar 2005 eingegangenen Patentansprüchen 1 und 2 nach Hilfsantrag und vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des neugefassten Patentanspruches 1 durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen sei.

Die Einsprechende zu 1) stellt in der mündlichen Verhandlung den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 und 2, Beschreibung, Seiten 1 bis 4, eingegangen am 20. Januar 2005, Zeichnung, Figuren 1 und 2 gemäß Patentschrift.

Der verteidigte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut: (nach Korrektur eines Schreibfehlers in Zeile 5: "umfasst" statt "umfassen"):

"Blei-Ersatzmaterial für Strahlenschutzzwecke im Energiebereich einer Röntgenröhre mit einer Spannung von 60-125 kV, wobei das Blei-Ersatzmaterial Sn, Bi und optional W oder Verbindungen dieser Metalle umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass das Blei-Ersatzmaterial 10-20 Gew.- % Matrixmaterial, 50-75 Gew.- % Sn oder Sn-Verbindungen und 20-35 Gew.- % Bi oder Bi-Verbindungen für Nenn-Bleigleichwerte bis 0,15 mm und 40-60 Gew. % Sn oder Sn-Verbindungen, 15-30 Gew.- % Bi oder Bi-Verbindungen und 0-30 Gew.- % W oder W-Verbindungen für Nenn-Bleigleichwerte von 0,15-0,60 mm umfasst und es einen Aufbau aus mindestens zwei getrennten oder miteinander verbundenen Schichten unterschiedlicher Zusammensetzung umfasst, wobei die vom Körper entferntere Schicht überwiegend Sn und die körpernahe(n) Schicht(en) überwiegend Bi und optional W umfasst."

Hinsichtlich des verteidigten Unteranspruchs 2 und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1) Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 maßgeblichen Fassung. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist. Diese befristete Regelung ist nach Ablauf von insgesamt 4 Jahren und 6 Monaten zum 1. Juli 2006 ohne weitere Verlängerung ausgelaufen, so dass ab 1. Juli 2006 die Zuständigkeit für die Entscheidung in den Einspruchsverfahren wieder auf das Patentamt zurückverlagert wurde. Das Bundespatentgericht bleibt gleichwohl für die durch § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG zugewiesenen Einspruchsverfahren auch nach dem 30. Juni 2006 zuständig, weil der Gesetzgeber eine anderweitige Zuständigkeit für diese Verfahren nicht ausdrücklich festgelegt hat und deshalb der in allen gerichtlichen Verfahren geltende Rechtsgrundsatz der "perpetuatio fori" (analog § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und analog § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG) zum Tragen kommt, wonach eine einmal begründete Zuständigkeit bestehen bleibt. Die Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG durch das "Gesetz zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes" (BGBl 2006, Teil I, Seite 1318) führt zu keiner anderen Beurteilung (vgl. die zur Veröffentlichung vorgesehene Senatsentscheidung 23 W (pat) 327/04 vom 19. Oktober 2006, - Rundsteckverbinder/perpetuatio fori").

Der Rechtsauffassung, dass die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die durch § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG zugewiesenen Einspruchsverfahren wegen der Streichung dieser Vorschrift zum 1. Juli 2006 entfallen sei (so die Entscheidung des 11. Senats des Bundespatentgerichts 11 W (pat) 383/06 vom 12. April 2007), kann nicht gefolgt werden (vgl. die zur Veröffentlichung vorgesehene Senatsentscheidung 23 W (pat) 313/03 vom 10. Mai 2007; siehe dazu ferner die in die gleiche Richtung weisende ebenfalls zur Veröffentlichung vorgesehene Entscheidung des 19. Senats 19 W (pat) 344/04 vom 9. Mai 2007 - Einspruchszuständigkeit).

2) Die Zulässigkeit der Einsprüche ist zwar nicht angegriffen worden, jedoch von Amts wegen zu prüfen, vgl. Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 22 und 145.

Gegen die Zulässigkeit der Einsprüche bestehen jedoch keine Bedenken.

Die Einsprechende zu 1) hat innerhalb der Einspruchsfrist gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 u. a. den Widerrufsgrund der fehlenden Neuheit geltend gemacht und die entsprechenden Tatsachen im Einzelnen angegeben, indem sie im Einspruchsschriftsatz den erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Stand der Technik nach der Druckschrift E1) und sämtlichen Merkmalen des Patentanspruches 1 des Streitpatents hergestellt hat.

Die Einsprechende zu 2) hat innerhalb der Einspruchsfrist u. a. den Widerrufsgrund der fehlenden Neuheit gegenüber der Druckschrift E5) geltend gemacht und den erforderlichen Bezug zwischen dem Stand der Technik nach dieser Druckschrift und allen Merkmalen des erteilten Patentanspruches 1 hergestellt.

3) Die Zulässigkeit des geltenden Patentanspruches 1 kann dahinstehen, weil sein Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, vgl. BGH GRUR 1991, 120, 121 II.1. - "Elastische Bandage".

4) Das Streitpatent betrifft Blei-Ersatzmaterial für Strahlenschutzzwecke im Energiebereich einer Röntgenröhre mit einer Spannung von 60-125 kV, wobei das Bleiersatzmaterial Sn, Bi und optional W oder Verbindungen dieser Metalle umfasst, vgl. den Abschnitt [0001] der geltenden Beschreibung. Nach den weiteren Angaben in der Beschreibung enthält herkömmliche Strahlenschutzkleidung meist Blei oder Bleioxid als Schutzmaterial. Aus Umwelt- und Gewichtsgründen wird seit Jahren nach einem Ersatzmaterial für Blei gesucht, vgl. die Abschnitte [0003] und [0004]. Ausweislich der Beschreibung wird beispielsweise zur Gewichtsreduzierung gegenüber herkömmlichen Bleischürzen in der EP 0 371 699 A1 - (entspricht der Druckschrift E1) - ein Material vorgeschlagen, das neben einem Polymer als Matrix Elemente höherer Ordnungszahl aufweist. Dabei wird eine große Anzahl von Metallen genannt, vgl. den Abschnitt [0007].

Als nachteilig wird dabei angesehen, dass die bekannten Strahlenschutzkleidungen aus bleifreiem Material gegenüber Blei einen mehr oder minder starken Abfall der Absorption unterhalb von 70 kV und über 110 kV besitzen, was zur Erzielung der gleichen Abschirmwirkung ein höheres Flächengewicht der Schutzkleidung bedingt, vgl. den Abschnitt [0009] der geltenden Beschreibung.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Patentgegenstand die technische Aufgabe zugrunde, Blei als Strahlenschutzmaterial hinsichtlich seiner Abschirmeigenschaften über einen Energiebereich einer Röntgenröhre mit einer Spannung von 60-125 kV, also über einen größeren Energiebereich und über einen größeren Dickenbereich der Nennbleigleichwerte zu ersetzen und dabei eine möglichst große Gewichtsreduzierung zu erreichen. Dabei sollen ausschließlich gegenüber Blei umweltfreundlichere Materialien zum Einsatz kommen, vgl. den Abschnitt [0012].

Diese Aufgabe soll mit den Merkmalen des Patentanspruches 1 gelöst werden.

Ausweislich der Beschreibung kann - gemäß der Lehre des Patentanspruches 1 - durch die abgestimmte Kombination aus Zinn und Wismut und ggf. Wolfram oder Verbindungen dieser Metalle, ein umweltfreundlicheres Blei-Ersatzmaterial bereitgestellt werden, das wesentlich leichter als herkömmliches Blei- bzw. Bleioxidmaterial ist und dieses im Energiebereich einer Röntgenröhre mit einer Spannung von 60-125 kV (d. h. im für die Röntgendiagnostik wesentlichen Bereich) substituieren kann, vgl. den Abschnitt [0018] der geltenden Beschreibung. Dadurch dass das Bleiersatzmaterial weiterhin einen Aufbau aus mindestens zwei getrennten oder miteinander verbundenen Schichten unterschiedlicher Zusammensetzung umfasst, wobei die vom Körper entferntere Schicht überwiegend Sn und die körpernahe(n) Schicht(en) überwiegend Bi und optional W umfasst, kann aus strahlenphysikalischer Sicht eine weitere Reduzierung der Strahlenexposition des Anwenders erzielt und das Gewicht der Schutzkleidung weiter reduziert werden, vgl. den Abschnitt [0033] der geltenden Beschreibung.

5) Der von den Einsprechenden vertretenen Auffassung, die Lehren der erteilten Ansprüche 1 und 2 des Streitpatents seien nicht ausführbar, kann nicht beigetreten werden.

Die von der Einsprechenden zu 1) in diesem Zusammenhang vorgetragenen Rechenbeispiele, nach denen gemäß der Lehre der erteilten Patentansprüche 1 und 2 des Streitpatents bei der Zusammensetzung des Blei-Ersatzmaterials Werte von über 100 Gewichtsprozent zustande kommen könnten und damit zu einem nicht realisierbaren Gegenstand führten, sind rein hypothetischer Art. Wie sich aus der zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehenden Beschreibung und insbesondere aus den beiden Tabellen auf S. 3 und S. 4 der Streitpatentschrift ergibt, sind die einzelnen Komponenten der Zusammensetzung des Bleiersatzmateriales immer so zu wählen, dass ihre Summe 100 Gewichtsprozent ergibt.

Soweit die Einsprechende zu 2) in diesem Zusammenhang vorbringt, dass der erteilte Patentanspruch 1 unklar sei, weil die beiden alternativen Zusammensetzungen gleichzeitig vorliegen sollen und bei einer Alternative die Angabe des Matrixmaterials fehle, kann dies ebenfalls nicht die Ausführbarkeit in Frage stellen. Dem Fachmann ist unmittelbar klar, dass im Patentanspruch 1 zwei separate Alternativen für unterschiedliche Nenn-Bleigleichwerte offenbart sind und dass der zweiten Zusammensetzung das Matrixmaterial zugesetzt ist.

Der Fachmann ist hier als Ingenieur oder Physiker mit Hochschulabschluss und langjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet des Strahlenschutzes und der Strahlenschutzmaterialien zu definieren.

6) Das - zweifelsohne gewerblich anwendbare - Bleiersatzmaterial nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist zwar neu, jedoch beruht es gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften E1) und E2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des vorstehend genannten Durchschnittsfachmanns.

Aus der Druckschrift E1) ist ein Blei-Ersatzmaterial für Strahlenschutzzwecke im Energiebereich einer Röntgenröhre mit einer Spannung von 10 bis 200 kV bekannt, das Sn, Bi und optional W oder Verbindungen dieser Metalle umfasst (vgl. Anspruch 1, Merkmal (c)), wobei das Blei-Ersatzmaterial - insoweit entsprechend der ersten Alternative des verteidigten Patentanspruchs - beispielsweise 20 Gew.- % Matrixmaterial (vgl. Seite 3, Zeilen 31 bis 33 zu Gew.- %), 60 Gew.- % Sn und 20 Gew.- % Bi bei einem Nenn-Bleigleichwert von zumindest 0,1 mm enthalten kann (vgl. zum Matrixanteil: Anspruch 1, Komponente (a); zu den Sn- und Bi-Anteilen: Anspruch 2, Komponenten (B) und (F) i. V. m. Anspruch 4; zum Nenn-Bleigleichwert: Anspruch 1, letzte zwei Zeilen) bzw. - insoweit entsprechend der zweiten Alternative des verteidigten Patentanspruchs - die Metalle Sn, Bi und W (vgl. Anspruch 11, Komponenten (A), (B) und (F)) mit Anteilen von beispielsweise 40 Gew.- % Sn, 20 Gew.- % Bi und 20 Gew.- % W (vgl. Anspruch 12) bei einem Nenn-Bleigleichwert von zumindest 0,1 mm (vgl. Anspruch 1, letzte zwei Zeilen) enthalten kann.

Sonach unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 vom Stand der Technik nach der Druckschrift E1) lediglich dadurch, dass das Blei-Ersatzmaterial jeweils einen Aufbau aus mindestens zwei getrennten oder miteinander verbundenen Schichten unterschiedlicher Zusammensetzung umfasst, wobei die vom Körper entferntere Schicht überwiegend Sn und die körpernahe(n) Schicht(en) überwiegend Bi und optional W umfasst.

Dieser Unterschied vermag aber die Patentfähigkeit nicht zu begründen.

Aus der Druckschrift E2), vgl. dort insb. Spalte 1, Zn. 15 bis 33 und Spalte 2, Zn. 27 bis 49, ist ein Strahlenschutzmaterial für Strahlenschutzzwecke im Energiebereich einer Röntgenröhre als Schichtaufbau ("double layer") unterschiedlicher Zusammensetzung ("primary absorber z. B. tin" / "secondary absorber z. B. bismuth") bekannt, wobei in Hinblick auf die Abschirmeigenschaften als vorteilhaft herausgestellt ist, wenn die Lage mit Sn der einfallenden Strahlung zugewandt ist, d. h. vom Körper entfernter, und die Lage mit Bi der abzuschirmenden Fläche zugewandt ist, d. h. körpernah.

Es bedarf daher keiner erfinderischen Tätigkeit, wenn der Fachmann einen entsprechend angeordneten strahlenphysikalisch vorteilhaften Schichtaufbau auch bei einem Blei-Ersatzmaterial, wie es hinsichtlich seiner möglichen Zusammensetzungen aus der Druckschrift E1) bekannt ist, vorsieht.

Soweit die Einsprechende zu 1) in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass beim Gegenstand des Streitpatents im Unterschied zum Stand der Technik nach der Druckschrift E1) das Bleiersatzmaterial völlig bleifrei sei, so kann dem nicht gefolgt werden. Die Formulierung "umfasst" im geltenden Patentanspruch 1 schließt nämlich nicht aus, dass die Zusammensetzung einen Bleianteil hat.

Damit gelangt der Fachmann ohne erfinderisches Zutun aber schon zum Gegenstand des geltenden Patentanspruches 1.

Der geltende Patentanspruch 1 ist daher nicht rechtsbeständig.

7) Mit dem Patentanspruch 1 fällt - aufgrund der Antragsbindung - notwendigerweise auch der Patentanspruch 2.

8) Nachdem nur schutzfähiges widerrechtlich entnommen werden kann, der Gegenstand des Patentanspruches 1 jedoch, wie vorstehend gezeigt, nicht schutzfähig ist, ist die Frage nach der widerrechtlichen Entnahme gegenstandslos, vgl. Schulte, PatG, 7. Auflage, § 21, Rdn. 47.

9) Bei dieser Sachlage war das Patent zu widerrufen.






BPatG:
Beschluss v. 19.06.2007
Az: 23 W (pat) 334/04


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