Amtsgericht Essen:
Urteil vom 7. Januar 1999
Aktenzeichen: 12 C 208/96
(AG Essen: Urteil v. 07.01.1999, Az.: 12 C 208/96)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Amtsgericht Essen hat in einem Urteil vom 7. Januar 1999 (Aktenzeichen 12 C 208/96) entschieden, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen Betrag von 530,20 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 27.04.96 zu zahlen. Der Beklagte muss außerdem die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil kann vorläufig vollstreckt werden.
In dem Fall ging es darum, dass der Kläger, ein Diplomingenieur und Sachverständiger für Kraftfahrzeuge, vom Beklagten den Auftrag erhalten hatte, ein Gutachten über ein verunfalltes Fahrzeug zu erstellen. Der Kläger fertigte das Gutachten an und erstellte dem Beklagten eine Rechnung über insgesamt 1.188,58 DM. Der Beklagte zahlte allerdings nur einen Teilbetrag von 658,38 DM.
Der Kläger forderte den restlichen Betrag in Höhe von 530,20 DM nebst Zinsen, worauf der Beklagte die Klage abweisen ließ. Er argumentierte, dass die Forderung des Klägers nicht angemessen sei und dass die Schadenshöhe nicht als Grundlage dienen könne. Außerdem seien bestimmte Positionen in der Rechnung nicht ausreichend begründet.
Das Gericht entschied, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die restliche Vergütung zu zahlen. Es konnte keine bestimmte Vergütung zwischen den Parteien festgestellt werden, daher musste das Gericht anhand des § 315 BGB entscheiden. Eine Umfrage unter allen für das Fachgebiet Kraftfahrzeugsachverständige in Nordrhein-Westfalen ergab, dass die vom Kläger geforderte Vergütung angemessen ist.
Das Gericht stellte fest, dass es im Fall von Sachverständigen keine festgelegte Vergütung gibt und dass eine angemessene Vergütung vereinbart werden kann. Es wurden verschiedene Kriterien berücksichtigt, wie zum Beispiel die Bedeutung der Arbeit für den Auftraggeber und das Verhältnis der Vergütung zum zu erhaltenden wirtschaftlichen Wert.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die vom Kläger berechnete Vergütung nicht unbillig ist. Die Rechnung des Klägers lag im unteren Bereich der Vergleichswerte und war nicht erkennbar überhöht. Auch die einzelnen Positionen in der Rechnung waren angemessen. Das Gericht schätzte den angemessenen Zinsbetrag aufgrund gesunkener Kreditzinsen.
Insgesamt ist das Urteil eine eindeutige Entscheidung zu Gunsten des Klägers, da die Forderung des Klägers als angemessen vom Gericht bestätigt wurde.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
AG Essen: Urteil v. 07.01.1999, Az: 12 C 208/96
Tenor
Unter Abweisung der Klage im übrigen wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 530,20 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 27.04.96 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger, Diplomingenieur und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Kraftfahrzeuge, erhielt im Februar 1996 vom Beklagten den Auftrag, über ein verunfalltes Fahrzeug Mercedes 190 E ein Gutachten zu erstellen. Der Kläger fertigte dieses Gutachten unter dem 22.02.96. Er kalkulierte den Wiederbeschaffungswert mit 17.000,00 DM, die Reparaturkosten mit rund 11.200,00 DM und die Reparaturdauer mit sechs bis sieben Arbeitstagen. Das Gutachten wurde mit Hilfe einer EDV- Kalkulation gefertigt. Es waren Alt- und Vorschäden abzugrenzen. Dem Gutachten wurden sechs Lichtbilder beigefügt. Über seine Tätigkeit erstellte der Kläger den Beklagten eine Rechnung, in der er sein Honorar mit insgesamt 1.188,58 DM beziffert. Hierin werden sechs Fotos zu 4,00 DM für zwei Gutachtenfassungen berechnet, die Schreibkosten mit 4,00 DM pro Seite Original und 1,00 DM für fünf Kopien des Gutachtens, zusammen 63,00 DM, angesetzt, es wird eine Porto- und Telefonkostenpauschale von 31,25 DM berechnet sowie schließlich ein Honorar von 891,30 DM für die eigentliche Gutachtertätigkeit. Hierbei wird die Art der Gutachtertätigkeit durch Ankreuzen eines entsprechenden beschreibenden Textes spezifiziert. Hinzugesetzt wird die Mehrwertsteuer von damals 15 %. Auf diese Forderung bezahlte der Beklagte 658,38 DM, nämlich auf die Fotokosten 24,50 DM, auf die Schreibkosten 61,50 DM, auf Porto und Telefon 6,50 DM und auf das Sachverständigenhonorar 480,00 DM, bezeichnet als vier Stunden zu je 120,00 DM, alles zuzüglich Mehrwertsteuer.
Eine Mahnung des Klägers vom 12.04.96 zur Zahlung der restlichen Forderung blieb vergeblich.
Der Kläger behauptet, seine Rechnung sei angemessen. Er nehme Bankkredit zu 12,81 % Zinsen in Anspruch.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 530,20 DM nebst 12,81 % Zinsen seit dem 27.04.96 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, mehr als der bezahlte Betrag sei keine angemessene Vergütung. Es müsse anhand des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen abgerechnet werden. Keinesfalls könne die Schadenshöhe als Bewertungsgrundlage dienen. Einzelne Positionen seien nicht hinreichend begründet.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholen einer der IHK Essen, welche im Wege einer Umfrage unter Einschalten der übrigen Industrie- und Handelskammern des Landes NW Angaben von allen für das Fachgebiet vereidigten Gutachtern in Nordrhein-Westfalen eingeholt hat. Wegen des Ergebnisses wird auf BI. 121 bis 132 d. A. Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bis auf einen Teil der Zinsforderung begründet.
Der Beklagte schuldet gemäß §§ 631 ff, 640 f, 284 ff. BGB die restliche vom Kläger berechnete Vergütung nebst Verzugsschadensersatz.
1.
Der Beklagte ist als Auftraggeber des Gutachtens des Klägers verpflichtet, dem Kläger für die erbrachte Gutachtertätigkeit die geschuldete Vergütung zu entrichten, §§ 631 f BGB. Der Kläger hat seine Leistung erbracht, nämlich das Gutachten gefertigt und abgeliefert. Der Beklagte hat die Leistung des Klägers durch Zahlung des Betrages abgenommen, den er für den geschuldeten hält. Damit hat er zugleich die Leistung des Klägers auch dem Grunde nach gebilligt, so daß die Gebührenforderung des Klägers fällig ist, §§ 640 f. BGB.
2.
Eine bestimmte Vergütung ist zwischen den Parteien nicht vereinbart gewesen. Den Umständen nach, auch darüber streiten die Parteien nicht, war die Tätigkeit des Klägers nur gegen Vergü- tung geschuldet, § 632 Absatz 1 BGB. Die vom Kläger mit insgesamt 1.188,58 DM berechnete Vergütung ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme berechtigt, so daß der restliche, vom Beklagten bisher nicht bezahlte Betrag, und das ist genau die Klagehauptforderung, zuzusprechen war.
a)
Für die Tätigkeit von Sachverständigen gibt es keine durch eine Taxe festgelegte Vergütung. Anders als bei gerichtlich bestellten Sachverständigen, in welchen Fällen eine gesetzliche Regelung im Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen vorhanden ist, und anders als bei Rechtsanwälten, in welchen Fällen die Gebührenordnung für Rechtsanwälte eine solche Taxe liefert, anders als in Fällen der Steuerberater und Arzte, in welchen Bereichen Gebührenordnungen ähnlicher Art existieren, könnte daher nur eine übliche Vergütung vereinbart sein, § 632 Absatz 2 BGB.
Eine solche übliche Vergütung jedoch existiert bei Kraftfahrzeugsachverständigen nicht. Das hat die Umfrage der IHK Essen, die im vorliegenden Rechtsstreit unter Einbeziehung sämtlicher Industrie- und Handelskammern Nordrhein-Westfalen angestellt worden ist, nochmals bestätigt. Dieser Befund entspricht im übrigen der Rechtsprechung (zuletzt AG München, NZV 98, 289, 290) und Literatur (Kääb/Jandel, NZV 98, 268 ff.; Otting, Versicherungsrecht 1997, 1328, 1330; Wortmann, Versicherungsrecht 1998, 1204, 1210; sämtliche mit vielen weiteren Nachweisen) sowie langjähriger Erfahrung des erkennenden Gerichts.
b)
Das Honorar war daher vom Sachverständigen gemäß der in solchen Fällen hilfsweise anzuwendenden Regelung der §§ 315 f. BGB zu bestimmen. Ist nämlich der Umfang der für die Leistung, hier das Gutachten, versprochenen Gegenleistung, also hier der Umfang des Honorars, nicht bestimmt, so steht gemäß § 316 BGB demjenigen Teil die Bestimmung zu, welcher diese Gegenleistung, also das Honorar, zu fordern hat. Diese Bestimmung der Gegenleistung muß billigem Ermessen genügen, § 315 Absatz 1 BGB, und durch Erklärungen gegenüber dem anderen Teil erfolgt sein, § 315 Absatz 2 BGB. Durch die erteilte Rechnung ist die Bestimmung zumindest dem äußeren Anschein nach erfolgt.
Die dem Gericht aufgegebene Kontrolle des vom Gutachter nach billigem Ermessen bestimmten Gutachtenhonorars (§ 315 Absatz 3 BGB) darf nicht verkennen, daß es im allgmeinen nicht Aufgabe der Zivilgerichte ist, eine Preiskontrolle auszuüben (vgl. a. § 8 AGBG). Dennoch auferlegt es das Gesetz in § 315 BGB dem Zivilrichter, den vom Kläger hier rechtsgestal:tend ausgeübten Entscheidungsspielraum daraufhin zu überprüfen, ob das gewählte Honorar unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und des in vergleichbaren Fällen Üblichen noch billigem Ermessen entspricht (BGHZ 41, 271 ff). Diese Auffassung des BGH hat in der Literatur (für alle-: Palandt-Heinrichs, 57. Auflage, § 315 Rz. 10) und Rechtsprechung (BGH NJW 1966, 539, 540; OLG München, NJW-RR 94, 161; OLG Köln, Versicherungsrecht 91, 1304, 1305) Zustimmung gefunden. Entscheidend ist dabei nach der Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 1966, 539, 540) gerade nicht eine Anlehnung an das Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen. Dieses Gesetz steilt im Interesse der Kalkulierbarkeit von Gerichtskosten bewußt besondere Maßstäbe zur Verfügung, es zielt auf eine am Stundenaufwand ermittelte (bloße) Entschädigung einer im öffentlichen Interesse ausgeübten Tätigkeit und gerade nicht auf ein übliches oder angemessen selbst bestimmtes Honorar ab. Entscheidend sind vielmehr die "besonderen Umstände des Falles" (OLG München, NJW-RR 1994, 161). Hierbei geht es, wie der BGH (a.a.O.) ausgeführt hat, darum, welche Bedeutung die Arbeit für den Auftraggeber hatte, wobei sich die Bedeutung aus der Schwierigkeit, der Ungewöhnlichkeit, ihrem Umfang oder ihrer Dauer, auch aus der Lebensstellung und Vorbildung des Gutachters ergeben kann. Zugleich hat der BGH durchaus auf der anderen Seite als ebenso entscheidend bezeichnet, daß die Gegenleistung für das Gutachten im angemessenen Verhältnis zu dem stehen muß, was der zur Zahlung Verpflichtete durch das Gutachten an wirtschaftlichem Werterhalten soll, mit anderen Wort dem Gegenstandswert (unzutreffend daher AG Schwerin, NZV 1998, 291). Dieser Gegenstandswert kann daher entgegen der Auffassung des Beklagten keinesfalls durch eine bloße Orientierung am Zeitaufwand ausgegrenzt werden. Das wäre im übrigen auch im Vergleich mit anderen Berufsgruppen .n ähnlicher Vorbildung erkennbar nicht gerecht. Auch eine kurze zweite Beratung eines Rechtsanwaltes zu einer manchmal durchaus nicht schwierig zu beurteilenden Rechtsfrage, kann, wenn sie sich auf einen hohen Gegenstandswert bezieht, erhebliche Honorarforderungen zur Folge haben. Der Gegenstandswert bezeichnet auch das Risiko der Haftung, welches für den Sachverständigen - wie für andere Berufsgruppen, die sich mit hohen Streitwerten zu befassen haben - besteht. Auch insoweit besteht kein relevanter Streit (vgl. Palandt, a.a.O.). Es ist nicht zu verkennen, daß über die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Bestimmungsmöglichkeit der Gegenleistung, wie sie Sachverständigen danach zusteht, eine unterschiedliche Meinung zwischen einerseits Sachverständigen und andererseits den zahlungsverpflichteten Auftraggebern bzw. Haftpflichtigen bestehen kann.
Das liegt gewissermaßen in der "Natur der Sache". Dieser Streit kann im Lichte des § 315 Absatz 3 BGB nur in engen Grenzen von den Zivilgerichten geschlichtet werden, in erster Linie viel- mehr wäre es Aufgabe des Gesetz- und Verordnungsgebers, Honorarordnungen für Kfz-Sachverständige aufzustellen, ähnlich denen, die zum Beispiel für Ärzte oder Steuerberater erlassen worden sind. Die Fülle einschlägiger Rechtsstreite belegt das praktische Bedürfnis, welches auch der Entlastung der Gerichte dienlich sein könnte - dienlicher als manche Änderung der Prozeßordnungen.
c)
Die im vorliegenden Fall danach anzustellende Interessenabwägung i. S. v. § 315 BGB - bei welcher die Kriterien der Rechtsprechung zu Fällen der Nichtigkeit von Rechtsgeschäften wegen Wuchers (3 138 Abs. 2 BGt3) sicherlich Maßstäbe liefern können - hatte zunächst auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, die Umfrage der IHK, Bedacht zu nehmen. Das "in vergleichbaren Fällen übliche" (s. a. OLG München,. NJW-RR 1994, 161) kann bei der Prüfung, ob das billige Ermessen zutreffend oder fehlerhaft ausgeübt worden ist, nicht unberücksichtigt bleiben, wie die Anlehnung der Rechtsprechung an Marktberichte für Kredite zur Prüfung der Sittenwidrigkeit bestätigt. Die Umfrage der IHK hat die Kamrnerbezirke Essen, Dortmund, Detmold, Aachen, Bielefeld., Duisburg, Bochum,Bonn, Köln, Münster, Düsseldorf, Siegen, Krefeld-Neuß-Mönchengladbach, Hagen, Wuppertal und Arnsberg erfaßt. Für vergleichbare Gutachten hätten sich nach den ausgewerteten ca. 80 Antworten Nettopreise zwischen rund 550,00 bzw. rund 1.100,00 DM ergeben. Läßt man die Ausreißer, also die höchsten Werte nach unten und oben, außer Betracht, so hätten sich im Schwerpunkt, nach der Zahl der Nennungen ganz überwie gend (54 von 78 Antworten in den drei dichtest besetzten Gruppen von Preisspannen), Nettopreise zwischen 700,00 bis 900,00 DM ergeben. Schon nach dieser Betrachtung kann die Rechnung des Klägers mit einern um ca. 15 % höheren Nettobetrag einerseits, andererseits aber niedriger als der anderweit genannte höchste Satz, nicht als augenfälljg jenseits billigen Ermessehs erkannt werden. Das ist bei Margen von 10 bis 15 % noch nicht auf dem ersten Blick der Fall. Nicht ohne Grund wird in Fällen wucherischer Überhöhung von Preisen eine Grenze von um die 100 % be- fürwortet. Wenn in Fällen von Kreditwucher eine Zinsüberhöhung um absolut 10 % zum Marktzins in Rede steht, handelt es sich doch gleichzeitig regelmäßig um mindestens 30 bis 40 % Übersteigerung zu vergleichbaren Preisen. Solche Kriterien ergänzend herangezogen ergeben hier, daß zum einen von Wucher keine Rede sein kann und zum anderen zwar ein hohes, aber nicht ein erkennbar unvertretbar überhöhtes Honorar gefordert wird. Die IHK hat die Umfrageergebnisse so interpretiert, daß die Berech- nung des Beklagten sich im untersten Bereich aller Angaben be- wege und "der Kostensituation fast aller Sachverständiger in NW nicht gerecht'" werde. Die vergleichsweise im obersten Bereich der Antworten anzusiedelnde Forderung des Klägers aber könne nur "in geringem Umfang" zu einer Prüfung auf wucherische Überhöhung Anlaß geben. Eine geringe Abweichung nach oben aber kann nicht unbillig sein, gemessen an den Kriterien der Rechtsprechung für Wucher.
d)
Auch wenn die Analyse verfeinert wird, wenn nämlich auf die Einzelwerte der Rechnung abgestellt wird, kann eine solche Überhöhung, eine solche unbillige Honorarbestimmung, nicht festgestellt werden. Schon die Umfrage der IHK hat ergeben, daß sich der Kläger bei den Kosten für Fotos, Schreibarbeiten und Porto mit einer größeren Zahlung von Kollegen im oberen Bereich bzw. auf gleicher Höhe wie viele Kollegen befindet, so daß in diesen Positionen von einer unbilligen Honorarbestimmung keine Rede sein kann. Wenn der Beklagte insbesondere rügt, daß Porto und Telefonkosten zu hoch angesetzt worden sind, verkennt er, daß in diesen Bereichen durchaus eine gewisse Pauschalierung Platz greifen darf, wie sie auch in anderen Berufsgruppen (sogar teilweise gesetzlich fundiert, §§ 26 f. BRAGO) gebräuchlich ist. Es ist auch sinnvoll und entspricht mangels anderer konkreter Anweisung daher dem auszulegenden Inhalt des Gutachtenauftrages (§§ 133, 157 BGB), zwei Gutachtenexmplare mit Fotos versehen zu haben. Farbkopien wären ähnlich teuer gewesen. Farbige Fotos sind aber für beide an der Schadensabwicklung be teiligten Parteien regelmäßig notwendig zur vernünftigen Erfassung der Schäden. Es kann nicht genügen, etwa dem Haftpflichtigen nur Schwarz-Weiß-Kopien zu übersenden und es kann auch nicht angehen, dem Geschädigten aufzuerlegen, mit weniger an Information - nämlich nur Schwarz-Weiß-Fotos - später ggfs. seinen Anwalt informieren zu müssen.
e)
Bei Betrachtung der "besonderen Umstände des Falles" mag es - worauf der Beklagte hinweist - sein, daß die Gutachtertätigkeit an sich für den Kläger nicht übermäßig schwierig war, weil ein EDV-Programm Hilfestellung geleistet hat. Andererseits kann nicht verkannt werden, daß auch ein solches Programm beschafft, also bezahlt und gewartet (Aktualisierungen sind regelmäßig notwendig) sowie verstanden bzw. beherrscht werden muß. Wie dem Gericht aus vielen Gutachten bekannt, kann man mit solchen EDY-Programmen durchaus fehlerhaft arbeiten. Auch kann nicht unbe rücksichtigt bleiben, daß der Beklagte es war, der nicht einen schlichten Kraftfahrzeugmeister oder eine Werkstatt, sondern einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, der einen Hochschulabschluß einer technischen Hochschule hat, mit dem Gutachten beauftragt hat. Damit hat der Beklagte die vergleichsweise höchste formelle Qualifikation eines üblichen Gutachters für den streitgegenständlichen Bereich ausgesucht, was sich bei der Honorarbildung - wie der BGH ausdrücklich anerkannt hat, BGH NJW 1966, 539, 540 - niederschlagen kann. Der Kläger hat sodann, weil er Stundenzahlen nicht angegeben hat, den Preis an dem Wert des Schadens orientiert. Auch dies kann nicht als unbillige Ermessensausübung erkannt werden. Vielmehr hat der BGH dies geradezu als Regelfall behandelt (a.a.O). Es kann schon von daher keinesfalls angehen, dem Kläger ein unbilliges Ermessen deswegen anzulasten, weil er keine Stundenberechnung vorgenommen hat und weil er sich nicht an den Werten des ZSEG orientiert hat. Zu beidem besteht keine Rechtspflicht. Auch hier zeigt der Vergleich mit der Honorarordnung der Rechtsanwälte, daß eine Orientierung am Gegenstandswert durchaus nicht unbillig genannt werden darf. Das Nettohonorar beträgt im vorliegenden Fall etwa run.d 8 % der veranschlagten Nettoreparaturkosten. Nachdem zugleich eine Abgrenzung zu Vorschäden vorzunehmen war, wobei sodann auch eine nicht mehr völlig triviale Einschätzung des Wiederbeschaffungswertes bei Berücksichtigung von Vorschäden vor dem hier zu beurteilenden Unfall anstand, läßt sich nicht erkennen, daß eine solche Werteinschätzung etwa unbillig wäre.
Dabei kann es nicht als Voraussetzung der Prüfung der Ermessensausübung des Sachverständigen verstanden werden, daß dieser einen Prozentsatz oder sonst ein Berechnungskriterium ausdrücklich angibt. Es genügt durchaus, daß ein bestimmter Honorarteil entweder an Stundenzahlen oder am Schadensbetrag orientiert ist. Wenn keine Stundenberechnung in der Honorarbestimmung auf- taucht oder sonst kein Kriterium angegeben ist, muß ein Vergleich mit der Schadenhöhe erfolgen. Es wäre schlichte Förmelei, vom Sachverständigen zu verlangen., dies müsse in der Rech nung oder spätestens im Rechtsstreit erklärt werden. Eine derart schlichte Prozentrechnung kann von jedem Prozeßbeteiligten ohne weiteres selbständig erwartet werden.
Soweit der Kläger mehr Zinsen gefordert hat, als zugesprochen worden sind, war zu berücksichtigen, daß seit der vorgelegten Zibsbescheinigung die Kreditzinsen deutlich zurückgegangen sind, so daß das Gericht den angemessenen Betrag, so wie geschehen, geschätzt hat, § 287 ZPO.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Absatz 2, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
AG Essen:
Urteil v. 07.01.1999
Az: 12 C 208/96
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