Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. April 2000
Aktenzeichen: 15 W (pat) 34/98

(BPatG: Beschluss v. 13.04.2000, Az.: 15 W (pat) 34/98)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In der vorliegenden Gerichtsentscheidung geht es um die Patentanmeldung einer neuen synthetischen Catechol-Antibiotika-Konjugate. Die Prüfungsstelle des Deutschen Patentamts hatte die Anmeldung zunächst abgelehnt, da sie der Meinung war, dass der beanspruchte Gegenstand nicht erfinderisch sei. Die Anmelderin hat daraufhin Beschwerde eingelegt und in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen mit drei Patentansprüchen vorgelegt.

Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde der Anmelderin für zulässig und begründet erklärt. Es wurden keine Bedenken bezüglich der ausreichenden Offenbarung der Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 3 festgestellt. Das Gericht hat die Neuheit des Gegenstands gemäß Patentanspruch 1 anerkannt, da in verschiedenen anderen Schriften keine Verbindungen mit den speziellen Strukturmerkmalen des beanspruchten Gegenstands beschrieben sind.

Das Gericht ist auch der Meinung, dass der beanspruchte Gegenstand auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Die Aufgabe war es, neue synthetische Catechol-Antibiotika-Konjugate zur Verfügung zu stellen, die eine verbesserte Penetration in Bakterienzellen bewirken und deren antibakterielle Wirksamkeit erhöhen. Diese Aufgabe wird durch die beanspruchten speziellen Amoxicillin-, Ampicillin- und Cephalexin-Derivate gelöst, bei denen der Wirkstoff über ein Aminosäure-Strukturelement einer Spacergruppe mit 2,3-Dihydroxybenzoyl-(Catechol)-Resten verbunden ist. Das Gericht ist der Ansicht, dass diese Lösung aufgrund des Standes der Technik naheliegend war. Allerdings hat die Anmelderin durch Versuchsergebnisse belegt, dass die beanspruchten Verbindungen erheblich wirksamer sind als vergleichbare Verbindungen des Standes der Technik. Diese überraschenden Eigenschaften und Wirkungen des beanspruchten Gegenstands begründen nach Auffassung des Gerichts die erfinderische Tätigkeit.

Daher wurde die Beschwerde der Anmelderin für begründet erklärt und der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse C 07 D des Deutschen Patentamts vom 17. November 1997 aufgehoben. Das Patent wurde auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 3 und der Beschreibung Seiten 1 bis 27, 27a, 27b, 28 bis 32 erteilt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 13.04.2000, Az: 15 W (pat) 34/98


Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse C 07 D des Deutschen Patentamts vom 17. November 1997 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Neue synthetische Catechol-Antibiotika-Konjugate und diese enthaltende Arzneimittel Anmeldetag: 26. Juni 1996 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2000 Beschreibung Seiten 1 bis 27, 27a, 27b, 28 bis 32, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2000.

Gründe

I.

Die Anmelderin reichte am 26. Juni 1996 beim Deutschen Patentamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Neue synthetische Catecholderivate, Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung"

ein, die am 8. Januar 1998 in Form der DE 196 255 24 A1 veröffentlicht wurde.

Mit Beschluß vom 17. November 1997 wies die Prüfungsstelle für Klasse C 07 D des Deutschen Patentamts die Anmeldung zurück. Dem Beschluß lagen die mit Schriftsatz vom 23. Juni 1997 eingereichten Patentansprüche 1 bis 17 zugrunde.Der Patentanspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:

"1) Catecholderivate der allgemeinen Formel I Formelin der R1 identisch oder unabhängig voneinander OH und/oder OAcyl bedeutet und R2 in 3- und/oder 4-Stellung folgende Gruppen darstellt:

a. aromatische Azomethincarbonsäurereste und/oder Azobenzolcarbonssäurereste:

Formel X = CH, N, CH=CH-CH Y = ein Wirkstoffrest, der eine OH- oder NH-Gruppe enthält, ist R3 = ein oder zwei OAcyl-Reste, wenn R1 = OH oder OAcyl oder R3 =H, wenn R1 = OAcyl oder R3 = Formel R15 identisch oder unabhängig voneinander H und/oder OAcyl bedeutetoder Formel Y = ein Wirkstoffrest, der eine NH- oder OH-Gruppe enthält, ist R3 identisch oder unabhängig voneinander H, OH, Oacyl bedeutet, b. Benzhydrazonreste:

Formel R15 identisch oder unabhängig voneinander H, OH, OAcyl bedeutet, R4 und/oder R5 H, COY ist, wobei Y = ein Wirkstoffrest, der eine NH- oder OH-Gruppe enthält, istc. Aminobenzoesäurereste:

Formel Y = ein Wirkstoffrest, der eine NH- oder OH-Gruppe enthält, ist, R19 = H, Alkyl R20 = H, Alkyl, Halogen, OH, OAlkyl, OAcyloder R20 = Formel R19 und R21 jeweils identisch oder unabhängig voneinander H, OH, OAcyl, OAlkyl in 2,3- und/oder 3,4-Position bedeuten, d. Aminosäurereste:

Formel Y = ein Wirkstoffrest, der eine NH- oder OH-Gruppe enthält, ist, R6 =Alkyl, Hydroxyalkyl (mit C1 - C5, wenn R1 = OAlcyl, und C3 - C5, wenn R1 = OH), oder Alkoxyalkyl, Acyloxyalkyl, Arylalkoxyalkyl, Formel R15 identisch oder unabhängig voneinander H, OH, Oacyl bedeutet, eine ganze Zahl zwischen 1 und 5 ist, wenn R1 Oacyl und R15 H und/oder Oacyl istodern eine ganze Zahl zwischen 1 und 3 ist, wenn R1 OH und R15H und/oder OH ist, oder R15 identisch oder unabhängig voneinander H, OH, OAcyl bedeutet, n1 und n2 eine ganze Zahl zwischen 1 und 5 ist, e. Pyrrolidin- und/oder Oxazolidincarbonsäurereste:

Formel Z = O, CH2 R16 und R17 identisch oder unabhängig voneinander H, Alkyl oder Aryl bedeuten, Y = ein Wirkstoffrest, der eine NH- oder OH-Gruppe enthält, ist, f. Formyl-O-carboxymethyloxime:

R2 = CH=NOCH2COY, Y = ein Wirkstoffrest, der eine NH- oder OH-Gruppe enthält, ist."

Die Zurückweisung der Anmeldung wurde hauptsächlich damit begründet, daß der Anspruch 1 mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar sei. Die Möglichkeit einer Konjugation von Catecholderivaten mit -Lactam-Antibiotika oder mit anderen Wirkstoffen habe für den Fachmann im Hinblick auf den genannten Stand der Technik auf der Hand gelegen. Ein überraschender Effekt im beanspruchten Umfang gegenüber dem strukturell nächstliegendem Stand der Technik sei nicht glaubhaft gemacht worden.

Gegen diesen Beschluß hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und in der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2000 neue Unterlagen mit 3 Patentansprüchen vorgelegt. Die geltende Anspruchsfassung hat folgenden Wortlaut:

"1) Catechol-Antibiotika-Konjugate der allgemeinen Formel I Formelin der R1 identisch C1-C4-0 - Alkanoyl oder C1-C4-0-Alkoxycarbonyl bedeutet und R2 folgende Gruppen darstellt:

a. Aminosäurereste:

R2 = Formel Y = N-Ampicillino, N-Amoxicillino oder N-Cefalexino ist, R6 = CH3 oder -(CH2)n - Formel R15 C1-C4-0-Alkanoyl oder C1 - C4-O-Alkoxycarbonylbedeutet, n eine ganze Zahl zwischen 1 und 5 ist, b. Oxazolidincarbonsäurereste:

Formel R2 =

Z = O, R16 und R17 H bedeuten, Y = N-Ampicillino ist.

2)Verbindungen der allgemeinen Formel I gemäß Anspruch 1:

N-[L-2-(2,3-Diacetoxybenzoylamino)-propionyl]-ampicillin N-[L-2,6-Bis-(2,3-diacetoxybenzoylamino)-hexanoyl]-ampicillin

(S)-N-[3(2,3-Dimethoxycarbonyloxybenzoyl)-oxazolidin-4-oyl]ampicillin.

3) Arzneimittel zur Bekämpfung von bakteriellen Infektionen, enthaltend eine Verbindung der Formel I nach Anspruch 1 oder 2 zusammen mit üblichen Trägermaterialien.

Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Anmelderin insbesondere geltend gemacht, daß die nunmehr beanspruchten Gegenstände über alle Voraussetzungen der Patentfähigkeit verfügten.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu erteilen auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 3 und Beschreibung Seiten 1 bis 27, 27a, 27b, 28 bis 32, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und unter Berücksichtigung des nunmehr vorliegenden Patentbegehrens auch begründet.

Bezüglich ausreichender Offenbarung der Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 3 bestehen keine Bedenken, da deren Merkmale aus den ursprünglichen Unterlagen herleitbar sind (vgl Erstunterlagen Anspruch 1, die unter d. und e. genannten Strukturelemente iVm S 13, Z 21 bis 23 und S 14, Z 3 bis 5 sowie die Ansprüche 17, 20, 21, 22 und 24).

Die Neuheit des Gegenstandes gemäß Patentanspruch 1 ist anzuerkennen.

Weder in der DE 42 31 295 A1, (2) oder in der Literaturstelle "Arzneim.-Forsch./Drug Res. 42(1) Nr. 5 (1992) S 668 - 673" (9) noch in einer anderen der zahlreichen von der Prüfungsstelle ermittelten Druckschriften werden Verbindungen mit den speziellen Strukturmerkmalen gemäß Patentanspruch 1 beschrieben.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen neue synthetische Catechol-Antibiotika-Konjugate zur Verfügung zu stellen, die eine verbesserte Penetration dieser Verbindungen in Bakterienzellen bewirken und damit deren antibakterielle Wirksamkeit erhöhen sowie eine bessere Bekämpfung penetrationsbezogener Antibiotikaresistenz bei bakteriellen Infektionen ermöglichen.

Gelöst wird diese Aufgabe, gemäß Patentanspruch 1 durch die dort angegebenen speziellen Amoxicillin-, Ampicillin- und Cephalexin-Derivate, wobei der Wirkstoff über ein -Aminosäure-Strukturelement einer Spacergruppe mit 2,3 - Dihydroxybenzoyl- (Catechol)-Resten verbunden ist, deren OH-Gruppen mit den genannten Acyl bzw Alkoxycarbonylgruppen verestert sind.

Wie aus den im Prüfungsverfahren genannten zahlreichen Druckschriften aber auch aus der vorliegenden Beschreibung (vgl S 2 und 3) hervorgeht, war das Konzept der Catechol-Antibiotika-Konjugate, dh die Verknüpfung von siderophorwirksamen Strukturen mit antibakteriell wirksamen Strukturen über verschiedene Spacergruppen zur Steigerung der antibakteriellen Wirksamkeit, zum Zeitpunkt der vorliegenden Anmeldung bereits Stand der Technik.

Aufgrund des nunmehr geltenden beschränkten Patentbegehrens ist von den Druckschriften (2) und (9) als nächstliegendem Stand der Technik auszugehen, weil auch dort Amoxicillin und Ampicillin als Antibiotikastrukturen, wenn auch über andere Spacergruppen - zB über Dicarboxamoyl- bzw - Hydrazidoglyoxyl-Spacergruppen - ebenfalls mit acylierten Catecholresten verbunden werden.

Als Derivate mit besonders guter antibakterieller Wirksamkeit sind den Druckschriften (2) bzw (9) ua die Substanz 1 bzw die Verbindungen 7a und 7c mit folgenden Strukturen zu entnehmen:

Formel (1)

mit Formel

(vgl (2) Anspruch 1 und Beispiel 1 iVm der Tabelle auf S 6)

Formel (7a und 7c)

mit R3 = H, OH R1, R2 = OCOOCH3

(vgl (9) S 670 Abschn 2.3. sowie Tab 2 und 3 iVm S 673 liSp Abs 4).

Da es für den Fachmann in Anbetracht der konstitutionellen Nähe der beanspruchten Verbindungen hierzu nicht überraschend sein kann, daß auch diese antibakterielle Wirksamkeit zeigen und die weitere chemische Modifizierung bekannter Wirkungsstrukturen dem routinemäßigen Vorgehen des Fachmanns entspricht und als solche noch nicht als erfinderisch anzusehen ist, liegt hier nach Überzeugung des Senats der typische Regelfall chemischer Stofferfindungen vor, bei dem nach ständiger Rechtsprechung die erfinderische Tätigkeit durch die überraschenden Eigenschaften und Wirkungen (= Effekt) zu begründen ist, die der neue Stoff im Verhältnis zu vergleichbaren bekannten Stoffen aufweist und die der Fachmann nicht erwarten konnte (vgl Schulte PatG 5. Aufl § 1 Rdn 141).

Daß sich ein solches überraschend vorteilhaftes Ergebnis mit den Verbindungen im Rahmen des nunmehr geltenden Patentanspruchs 1 sowohl gegenüber der Substanz 1 bzw gegenüber den aus (2) darüber hinaus bekannten Substanzen als auch im Vergleich zu den Verbindungen 7a und 7c gemäß (9) erzielen läßt, hat die Anmelderin anhand der in den Tabellen 6 bis 8 aufgeführten Versuchsergebnisse belegt. Demnach erweisen sich die beanspruchten Verbindungen, insbesondere gegenüber Pseudomonas aeruginosa SG 137 (bzw vgl Verbindung 27 gegenüber Klebsiella pneum. ATCC 10031) als erheblich wirksamer als diejenigen des Standes der Technik. Dieses Ergebnis war für den Fachmann in Kenntnis der genannten Druckschriften und der dort empfohlenen Wirkstoffstrukturen nicht vorhersehbar und ist somit überraschend.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung der erfinderischen Tätigkeit für die Verbindungen im Rahmen des vorliegenden Patentanspruchs 1 sind somit erfüllt, so daß dieser Anspruch gewährbar ist.

Das gleiche gilt für den auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Anspruch 2 der bevorzugte Ausführungsformen betrifft.

Der nebengeordnete Anspruch 3 hat Arzneimittel zur Bekämpfung von bakteriellen Infektionen zum Gegenstand, die eine Verbindung der Formel I gemäß Patentanspruch 1 oder 2 enthalten. Für ihn gelten bezüglich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit die selben sachlichen Erwägungen, wie sie vorstehend dargelegt worden sind, so daß dieser Anspruch ebenfalls gewährbar ist.

Deiß

Niklas Jordan Schroeterprö






BPatG:
Beschluss v. 13.04.2000
Az: 15 W (pat) 34/98


Link zum Urteil:
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