Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. September 2002
Aktenzeichen: 28 W (pat) 117/01

(BPatG: Beschluss v. 18.09.2002, Az.: 28 W (pat) 117/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 18. September 2002, Aktenzeichen 28 W (pat) 117/01, entschieden, dass die Beschwerde der Anmelderin teilweise erfolgreich ist. Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes, durch die die Eintragung der angemeldeten Marke für "Lebendes Geflügel" abgelehnt wurde, werden aufgehoben. Für die übrigen Waren wird die Beschwerde jedoch abgewiesen.

Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Wortfolge "turkeycorn" eine beschreibende Angabe darstellt, die freizuhalten ist. Bei der Wortfolge handelt es sich um eine englische Bezeichnung, die bei zwangloser Übersetzung "Truthahn-Mais/Korn" bedeutet. Die Wortfolge wird im Zusammenhang mit Truthahngerichten verwendet und ist im Lebensmittelbereich gebräuchlich. Der Verkehr wird die Wortfolge daher als Hinweis auf ein Truthahngericht verstehen.

Die Anmelderin argumentiert, dass die Wortfolge eher unklar und verschwommen sei und Raum für verschiedene Assoziationen lasse. Das Gericht teilt diese Ansicht jedoch nicht. Es stellt fest, dass die Verwendung fremdsprachiger Angaben auf Verpackungen von Fertiggerichten eine gängige Praxis ist und der Verkehr die Bedeutung der einzelnen Begriffe im Zusammenhang mit Nahrungsmitteln kennt. Auch die Einwände der Anmelderin hinsichtlich möglicher anderer Bedeutungen der Wortfolge werden vom Gericht nicht geteilt.

Das Gericht kommt daher zu dem Schluss, dass die Wortfolge als Hinweis auf ein Truthahngericht verwendet und benutzt wird und somit von den beteiligten Verkehrskreisen als beschreibender Hinweis auf die so gekennzeichneten Waren verstanden wird. Die beanspruchte Wortfolge hat daher keine Unterscheidungskraft und kann daher nicht als Marke eingetragen werden.

Die Beschwerde der Anmelderin wird daher bis auf die Waren "lebendes Geflügel" zurückgewiesen. In Bezug auf diese Waren kann das Gericht der Auffassung des Patent- und Markenamtes nicht zustimmen, dass die Wortfolge eine unmittelbar beschreibende Angabe ist. Es gibt keine naheliegende beschreibende Bedeutung der Wortfolge für diese Waren und es fehlt auch an ausreichenden Anhaltspunkten für eine Verneinung der Unterscheidungskraft.

Die beantragte Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst, da keine Voraussetzungen für eine Zulassung vorliegen. Es handelt sich in diesem Verfahren um die Klärung von tatsächlichen Fragen und die Subsumtion des Sachverhalts unter den Begriff der mangelnden Unterscheidungskraft, für die keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung betroffen sind.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 18.09.2002, Az: 28 W (pat) 117/01


Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes - Markenstelle für Klasse 29 - vom 25. Mai 2000 und 2. Juli 2001 aufgehoben, soweit der angemeldeten Marke die Eintragung für die Waren "Lebendes Geflügel" versagt worden ist.

Im übrigen wird die Beschwerde der Anmelderin zurückgewiesen.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Wortfolgeturkeycornals Kennzeichnung für die Waren

"Lebendes und geschlachtetes Geflügel und Geflügelteile sowie daraus hergestellte Geflügelspezialitäten, auch Convenience-Waren, insbesondere in panierter, marinierter Form, sowie als Fertiggerichte, Halbfertiggerichte und Suppen, letztere auch in Instantform, ausgenommen Mais als Ingredienzie; Tierfuttermittel aus Geflügel und Geflügelteilen".

Die Markenstelle hat die Anmeldung als freihaltungsbedürftige beschreibende Angabe mit der Begründung zurückgewiesen, die Wortfolge bedeute "Truthahnfleisch mit/und Korn (i.Sv. Getreide)" und sei für alle Waren deshalb unmittelbar beschreibend, weil sie lediglich auf die Zusammensetzung der Nahrungs- bzw. Futtermittel (bestehend aus Truthahn und Korn) hinwiesen oder diese enthielten. In Bezug auf die Waren "lebendes Geflügel" besage die Marke lediglich, dass die lebenden Truthähne zur Verarbeitung zu mit Korn angereicherten Gerichten oder Futter bestimmt seien.

Die Anmelderin hat Beschwerde erhoben und ist der Ansicht, der Verkehr werde der Wortfolge keinen eindeutigen produktbeschreibenden Bedeutungsgehalt entnehmen. Sie sei lexikalisch und im Internet nicht nachweisbar und habe keinen Eingang in die deutsche Sprache gefunden. Auch in Kenntnis der deutschen Bedeutung von "turkey" und "corn" sei die Marke in ihrer Gesamtheit inhaltlich eher unklar und verschwommen und damit fantasievoll genug, um die Schutzfähigkeit zu begründen. Es handle sich allenfalls um eine sprechende Marke, die dem Verbraucher Raum für mehrere gedankliche Assoziationen lasse.

Hilfsweise regt die Anmelderin die Zulassung der Rechtsbeschwerde an zu der Rechtsfrage, ob fremdsprachige Marken freihaltungsbedürftig seien, wenn die Angabe eine Vielzahl von Bedeutungen habe, von denen keine erkennbar im Vordergrund stehe.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber nur hinsichtlich der beanspruchten Waren "lebendes Geflügel" Erfolg.

Hinsichtlich der versagten Waren besteht auch nach Ansicht des Senats lediglich eine unmittelbar beschreibende Angabe, die freizuhalten ist.

Die lexikalisch nicht nachweisbare englischsprachige Wortfolge ist sprachüblich gebildet, bedeutet bei zwangloser Übersetzung "Truthahn-Mais/Korn" und beschreibt die versagten Waren dahingehend, dass es sich um Gerichte bzw. Futter mit Truthahnstücken und Mais/Korn handelt. Nicht nur das Wort "turkey" als Hinweis auf "Truthahn", sondern auch der englische Begriff "corn" sind den deutschen Verkehrskreisen gerade im Lebensmittelbereich bekannt, wo beide vielfach verwendet werden, wie die tatsächlichen Feststellungen des Senats in Form einer Umschau in Lebensmittelgeschäften sowie eine Internet-Recherche ergeben haben. So wird die vorliegende Wortfolge zum Beispiel als Bezeichnung für Truthahngerichte in diversen Rezepten verwendet, etwa unter der Bezeichnung "Turkey and Corn Hash Cake With Black Bean Salsa" (http://www.kingstreetblues.net/menu.htm), "Turkey Corn Dog Nuggets" (http://www.ode.state.or.us/nutrition/cfdp/turkeycorndogs.htm), "Turkey, Corn and Sweet Potato Soup" (http://www.eatturkey.com/consumer/recipes/) oder "Turkey Soup With Dried Corn And Wild Rice" (http://recipefishseafood.com/56/298991.shtml). Daraus ergibt sich, dass die Zubereitung von Truthahn mit Mais - und nur in dieser Bedeutung ist das Wort "corn" in diesem Zusammenhang zu verstehen - zumindest im angelsächsischen Sprachraum eine gängige Mahlzeit darstellt, zumal dort Truthahn wie auch Mais zu den beliebtesten Gerichten gehört. Diese Umstände sind auch dem deutschen Verkehr nicht unbekannt, wenn etwa in der Speisekarte von "Auers Schlosswirtschaft" in Neubeuern das Gericht "Roast turkey with Glazed Sweet Potatoes and Cranberry Sauce (Gebratener Truthahn mit Süßkartoffeln und Preiselbeersauce)" und als Vorspeise "Codfishballs with Corn Relish (Fischbällchen mit pikantem Maisrelish)" angeboten werden (http://www.kulinarischerherbst.de/2002/wer_kocht_heuer_was.htm). Soweit die Anmelderin im Wege des Disclaimers im Warenverzeichnis die Verwendung von Mais ausschließen will, führt das entweder zum Versagungsgrund der Irreführung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG oder scheitert daran, dass "corn" auch "Korn" oder "Getreide" bedeuten kann, deren (für Truthahngerichte im übrigen gleichfalls übliche) Beigabe nach dem eingeschränkten Warenverzeichnis der Anmelderin nicht ausgeschlossen ist und vom beschreibenden Bereich nicht wegführen kann. Diese Überlegungen gelten schließlich auch für die beanspruchte Wortfolge insgesamt. Bei der Kennzeichnung von Fertiggerichten auf Warenverpackungen ist es absolut gängige Praxis, die wesentlichen Zutaten oder die Geschmacksrichtung auch in fremdsprachiger Form anzugeben, etwa bei Pizza oder bei (Tiefkühl-)Fertiggerichten als "Pizza Salami" oder "Pizza Chicken" von Wagner, "Huhn auf Reis" von Bassermann, "Penne-Pesto", "Penne-Gorgonzola" und "Chicken tacos" von Iglo, "Cannelloni Spinaci" von Alberto, "Chili con Carne" von Sunfoods usw.

Für den Senat drängt sich angesichts dieser Feststellungen die Schlussfolgerung auf, dass die beanspruchte Wortfolge von den beteiligten Verkehrskreisen als Hinweis auf ein Truthahngericht, nämlich für eine bestimmte Zubereitung von Truthahn, verwendet und benötigt wird. Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt, dass sich im Markenregisterrecht regelmäßig die pauschale Gleichstellung fremdsprachiger Angaben mit der entsprechenden deutschen Übersetzung verbietet, wenn sie nicht von den inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres erkannt wird oder die Mitbewerber den fraglichen Begriff beim inländischen Warenvertrieb oder beim Im- und Export benötigen. Beides ist jedoch vorliegend der Fall. Zum einen wird der Verkehr wegen der Üblichkeit der Einzelbegriffe im Lebensmittelsektor unschwer die Bedeutung "Truthahn-Mais" oder "Truthahn-Getreide" mit der englischsprachigen Wortfolge verbinden und sie lediglich als beschreibenden Hinweis auf die so gekennzeichneten Waren verstehen. Zum andern darf es den Mitbewerbern nicht verwehrt bleiben, die Wortfolge im Rahmen von mehrsprachigen Hinweisen, auch zu Ex- oder Importzwecken, einzusetzen, zumal es sich um eine unmittelbar beschreibende Warenangabe handelt. Dies gilt auch für die Waren "Tierfuttermittel aus Geflügel und Geflügelteilen", gibt es doch bereits Geschenkpackungen mit "Turkey Bites" für Hunde (www.petcelebrations.com/). Im übrigen lassen sich im Internet ohne Schwierigkeiten zahlreiche Treffer mit Angeboten für Katzen- und Hundefutter mit Truthahn ermitteln (z.B. www.zoonetz.de/zoonetz/shop 10 01 104 01.html oder www.kimbasgesundheitsmarkt.de/course1.html).

Die Einwände der Anmelderin werden vom Senat nicht geteilt. Zwar mag die begehrte Wortfolge im botanischen Bereich auch mit "Lerchensporn" zu übersetzen sein. Diese konkrete Fachbezeichnung tritt hier jedoch völlig zurück. Denn eine Marke ist immer im Kontext der beanspruchten Waren zu würdigen, in welchem sie auch den beteiligten Verkehrskreisen begegnet. Im vorliegenden Fall drängt sich die Übersetzung der Wortfolge mit "Truthahn-Mais/Korn" geradezu auf, nachdem diese Bedeutung - wie im Erinnerungsbeschluss zu Recht festgestellt und belegt - lexikalisch im Zusammenhang mit Nahrungsmitteln genannt wird und der Verkehr an diese Bedeutung auch gewöhnt ist. Dass der Begriff auch in anderen Zusammenhängen vorkommt und möglicherweise anders übersetzt werden kann oder muss, rechtfertigt nicht die Feststellung einer Mehrdeutigkeit bei den hier beanspruchten Waren.

Nach alledem war die Beschwerde der Anmelderin bis auf die Waren "lebendes Geflügel" zurückzuweisen. Insoweit kann sich der Senat der Auffassung der Markenstelle nicht anschließen. Zum einen lässt sich aus der Übersetzung "Truthahn-Korn" kein Sachbezug zu den Waren ohne weiteres Nachdenken entnehmen. Zum andern ist kaum damit zu rechnen, dass es eigens für ein solches Gericht oder Futter gezüchtete Truthähne gibt, die zum Kauf angeboten werden. Auch die denkbare Bedeutung, dass es sich um vorwiegend mit Mais/Korn gefütterte Truthähne - ähnlich wie bei Maispoularden - handelt, erscheint dem Senat eine zu weitgehende Interpretation, die mehrere Gedankenschritte erfordert. Für den Senat ist auch keine andere naheliegende beschreibende Bedeutung des Markenwortes für diese Waren erkennbar, die einem Freihhaltungsinteresse unterliegen könnte. Für die Verneinung der Unterscheidungskraft fehlen ebenfalls hinreichende Anhaltspunkte, so dass insoweit der Beschwerde stattgegeben werden konnte.

Die von der Anmelderin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da keine der in § 83 Abs. 2 MarkenG genannten Voraussetzungen vorliegt. Vielmehr ging es im vorliegenden Verfahren um die Klärung rein tatsächlicher Fragen sowie die Subsumtion des Sachverhalts unter den Begriff der mangelnden Unterscheidungskraft, deren Beurteilung auf tatrichterlichem Gebiet liegt, ohne dass Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung betroffen wären.

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BPatG:
Beschluss v. 18.09.2002
Az: 28 W (pat) 117/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/e341cc6d3e82/BPatG_Beschluss_vom_18-September-2002_Az_28-W-pat-117-01




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