Landesarbeitsgericht Köln:
Urteil vom 4. Februar 2009
Aktenzeichen: 9 SaGa 9/08
(LAG Köln: Urteil v. 04.02.2009, Az.: 9 SaGa 9/08)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Landesarbeitsgericht Köln hat in einem Urteil vom 4. Februar 2009 entschieden, dass ein angestellter Rechtsanwalt, der nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ehemalige Mandanten auffordert, mit ihm einen Besprechungstermin zu vereinbaren, um ihre Interessen durch ihn durchsetzen zu lassen, unzulässige Direktwerbung betreibt. Diese Werbung um die Erteilung eines Auftrags kann einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen. Nach §32 Abs. 3 BORA ist es zulässig zu fragen, von wem sich die Mandanten künftig vertreten lassen wollen, allerdings muss über die Wahlmöglichkeit aufgeklärt werden. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen zurückgewiesen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LAG Köln: Urteil v. 04.02.2009, Az: 9 SaGa 9/08
1. Wendet sich ein angestellter Rechtsanwalt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses an früher von ihm vertretene Mandanten mit der Aufforderung, mit ihm in den jeweiligen laufenden Sachen" einen Besprechungstermin zu vereinbaren, um künftig durch ihn ihre Interessen kompetent und zielstrebig durchsetzen zu lassen", so stellt dies eine unzulässige Direktwerbung um die Erteilung eines Auftrags dar, die ein Unterlassungsanspruch rechtfertigen kann.
2. Bei einer nach § 32 Abs. 3 BORA zulässigen Befragung, durch wen sich die Mandanten künftig vertreten lassen wollen, muss über die Wahlmöglichkeit aufgeklärt werden.
Tenor
Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 10.09.2008 6 Ga 29/08 werden kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob den Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben ist, es zu unterlassen, Mandanten der Kläger abzuwerben.
Die Beklagten waren als freie Mitarbeiter oder Angestellte in der von den Klägern gemeinsam betriebenen Anwaltskanzlei in E tätig. Seit dem 1. April 2008 betreiben die Beklagten gemeinschaftlich eine eigene Anwaltskanzlei.
Ab dem 28. März 2008 versandten die Beklagten an Mandanten, die sie vor ihrem Ausscheiden in der Anwaltskanzlei der Kläger beraten hatten, folgendes Schreiben:
"Sehr geehrte .,
wir freuen uns, Ihnen die Neugründung der
Anwaltskanzlei
zum 1.4.2008
bekannt geben zu dürfen.
Nach langjähriger Tätigkeit in der Anwaltskanzlei Hack & Jobs machen wir es uns nunmehr in eigener Sozietät zur Aufgabe, Ihre Interessen wie bislang kompetent und zielstrebig durchzusetzen.
Um dieses Ziel in die Tat umsetzen zu können, bitten wir Sie in Ihren jeweiligen laufenden Sachen um Vereinbarung eines Besprechungstermins, in dem alles Weitere persönlich geklärt werden kann ."
Die Kläger versandten ab Anfang April 2008 Schreiben an Mandanten, die von den Beklagten in Strafsachen vertreten worden waren. Sie teilten darin das Ausscheiden der Beklagten mit, baten um Kontaktaufnahme mit einem der Kläger und um Ausgleich von Kostenrechnungen.
Mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehren die Kläger von den Beklagten, künftig nicht mehr Mandanten gezielt abzuwerben. Sie sehen darin einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 43 b BRAO. Es habe sich nicht um eine nach § 32 BORA zulässige Befragung der Mandanten darüber gehandelt, wer künftig ihre laufenden Sachen bearbeiten solle. Im Innenverhältnis hätten die Mandate den beiden Klägern als den Kanzleiinhabern zugestanden.
Die Beklagten vertreten die Ansicht, sie hätten in nach § 32 BORA zulässiger Weise die Mandanten darüber befragt, ob sie künftig von ihnen vertreten werden wollten. Die Beklagten könnten schon deshalb nicht einwenden, diese Fragestellung sei nicht klar geworden, weil sie in gleicher Weise Mandanten angeschrieben hätten, für die die Beklagten als Pflichtverteidiger bestellt gewesen seien. Im Übrigen bestehe auch keine Wiederholungsgefahr, da sie bereits Ende März 2008 aus der Kanzlei der Kläger ausgeschieden seien.
Das Arbeitsgericht Aachen hat durch Urteil vom 10. September 2008 den Beklagten aufgegeben, es zu unterlassen, zum Zwecke gezielter Abwerbung einzelfallbezogener Mandatsverhältnisse solche Personen anzuschreiben, anzusprechen oder in sonstiger Weise anzugehen, die mit der Anwaltskanzlei der beiden Kläger in einem konkreten Mandatsverhältnis stehen.
Das Urteil ist den Beklagten am 29. September 2008 zugestellt worden.
Beide Beklagten haben dagegen Berufung eingelegt, wobei die Berufung des Beklagten zu 1) am 5. November 2008 und die des Beklagten zu 2) am 21. Oktober 2008 beim Landesarbeitsgericht Köln eingegangen ist. Die Berufung ist vom Beklagten zu 1) am 5. November 2008 und vom Beklagten zu 2) ebenfalls am 5. November 2008 begründet worden. Der Beklagte zu 1) hat wegen der Versäumung der Berufungsfrist am 21. November 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung beantragt, am 22. Oktober 2008 sei die Berufungsschrift an das Landesarbeitsgericht Köln versandt worden und auf entsprechende telefonische Nachfrage habe die zuständige Geschäftsstellenverwalterin des Landesarbeitsgerichts Köln vor Ablauf der Berufungsfrist bestätigt, dass die Berufung dort eingegangen sei.
Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen über die Zulässigkeit des Anschreibens nach § 32 BORA und das nach Ansicht der Beklagten treuwidrige Verhalten der Kläger, ihnen eine Befragung untersagen zu lassen, die sie selbst in gleicher Weise praktiziert hätten.
Der Beklagte zu 1) beantragt,
ihm wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 10. September 2008 6 Ga 29/08 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Der Beklagte zu 2) beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen 6 Ga 29/08 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufungen der beiden Beklagten zurückzuweisen.
Sie sind weiterhin der Ansicht, die Kläger hätten unzulässig gezielt Mandanten abwerben wollen. Die Wiederholungsfahr bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Gründe
I. Die Berufungen sind zulässig.
Die Berufungen gegen das erstinstanzliche Urteil sind nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft.
Zwar hat der Beklagte zu 1) anders als der Beklagte zu 2) die einmonatige Berufungsfrist nach § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG nicht gewahrt. Jedoch ist ihm nach §§ 233, 234 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da seine Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht haben, dass die ordnungsgemäß adressierte Berufungsschrift rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsschrift an das Landesarbeitsgericht Köln abgesandt worden ist und zudem vor Ablauf der Berufungsfrist der Eingang der Berufungsschrift auf telefonische Nachfrage von der Geschäftsstellenverwalterin des Landesarbeitsgerichts auch ausdrücklich bestätigt worden ist (vgl. dazu: Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 233 Rdn. 23 Postverkehr).
II. Die Berufungen haben in der Sache aber keinen Erfolg.
Mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht Aachen den Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, es zu unterlassen, zum Zwecke gezielter Abwerbung einzelfallbezogener Mandatsverhältnisse solche Personen anzuschreiben, anzusprechen oder in sonstiger Weise anzugehen, die mit der Anwaltskanzlei der Kläger in einem konkreten Mandatsverhältnis stehen.
Es besteht sowohl der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsanspruch als auch der notwendige Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO).
1. Rechtsanwälten ist die Werbung für ihre berufliche Tätigkeit im Grundsatz nicht verboten, sondern nach Art. 12 Abs. 1 GG erlaubt. Die Freiheit der Berufsausübung umfasst auch die Außendarstellung von selbständig Berufstätigen einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste. Allerdings enthält § 43 b BRAO eine gesetzliche Einschränkung dahin, dass über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet werden muss und sie nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet sein darf. Sinn und Zweck des § 43 b BRAO besteht gerade darin, einerseits die Werbung auf für das Publikum nachvollziehbare und nützliche, rein sachbezogene Maßnahmen zu beschränken, andererseits aber dem Anwalt die Möglichkeit einzuräumen, in dem gezogenen Rahmen zur Förderung eigener Erwerbstätigkeit sich nach außen zu wenden (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2001 I ZR 300/98 -).
2. Bei einer gezielten Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall besteht ein Unterlassungsanspruch der Mitbewerber nach § 8 UWG i.V.m. §§ 1, 3, 4 Nr. 11 UWG, 43 b BRAO. Nach § 3 UWG ist unlauterer Wettbewerb, der geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber nicht nur unerheblich zu beeinträchtigten, unzulässig. Als Beispiel für unlauteren Wettbewerb gilt es, wenn einer gesetzlichen Vorschrift zuwidergehandelt wird, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Eine derartige gesetzliche Bestimmung ist § 43 b BRAO.
3. Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Beklagten mit dem Schreiben vom 28. März 2008 gezielt Direktwerbung im Einzelfall betrieben haben. Ausdrücklich sind die Mandanten aufgefordert worden, in ihren "jeweiligen laufenden Sachen" einen Besprechungstermin zu vereinbaren, um künftig durch die Beklagten "ihre Interessen kompetent und zielstrebig durchsetzen" zu lassen. Die Werbung zielte erkennbar auf die Erteilung eines konkreten Auftrags von Mandanten ab, bei denen ein den Beklagten bekannter akuter Beratungs- und/oder Vertretungsbedarf bestand (vgl. Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 43 b BRAO Rdn. 31; Hartung/Römermann, BRAO, 4. Aufl., § 43 b BRAO Rdn. 21; Axmann in NJW 2009, S. 39 f.).
4. Das Arbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass das Anschreiben nicht damit gerechtfertigt werden kann, die Beklagten hätten eine nach § 32 BORA zulässige Befragung der von ihnen betreuten Mandanten darüber vorgenommen, von wem sie sich künftig vertreten lassen wollten.
a. Zwar trifft es zu, dass sie nach § 32 Abs. 3 BORA grundsätzlich berechtigt waren, eine derartige Klärung herbeizuführen. Denn sie waren mit den Klägern nach außen hin gemeinschaftlich auf den Briefbögen der Kanzlei aufgetreten und hafteten damit aufgrund Rechtsscheins so, als hätte eine echte Sozietät bestanden. Dabei ist auch nicht entscheidend, dass sie tatsächlich freie Mitarbeiter oder Angestellte der Kläger als den Kanzleiinhabern waren, denen die Mandate im Innenverhältnis allein zuzurechnen waren (vgl. dazu: Hartung/Römermann, a.a.O., § 32 BORA Rdn. 46).
b. Jedoch ist bei einer Befragung nach § 32 BORA der Mandant über die Wahlmöglichkeit zwischen den Sozietätsmitgliedern und die Folgen zu belehren, d. h. die Entlassung der nicht gewählten Sozietätsmitglieder aus dem Mandatsvertrag. Diese Verpflichtung zur Erläuterung und entscheidenden Fragestellung, wer von mehreren Rechtsanwälten das Mandat fortführen soll, besteht für alle in § 32 Abs. 1 S. 1 3 BORA genannten Fälle. Auch dann, wenn ein Rechtsanwalt nach § 32 Abs. 1 S. 3 BORA vorgeht und einseitig die Entscheidung des Mandanten einholt, muss er in dem Schreiben über die Alternativen aufklären. Die mehr oder weniger suggestiv gestellte Frage, ob der Mandant von dem absendenden Anwalt weiter beraten werden möchte, genügt nicht (vgl. dazu: LG Düsseldorf NJW-RR 1998, S. 1002 f.; Hartung/Römermann, a.a.O., § 32 BORA Rdn. 33).
Die Beklagten haben in dem Anschreiben vom 28. März 2008 weder über die Wahlmöglichkeit noch über die Folgen einer derartigen Entscheidung belehrt.
5. Den Klägern ist es nicht nach § 242 BGB verwehrt, von den Beklagten die Unterlassung derartiger Mitteilungen zu verlangen.
Soweit sich die Kläger nach dem Ausscheiden der Beklagten im April 2008 an Mandanten gewandt haben, die zuvor von den Beklagten betreut worden waren, ist dies nicht zu beanstanden. Schon aus Haftungsgründen musste mit den Mandanten Kontakt aufgenommen werden, um in den laufenden Strafverfahren keine Fristen zu versäumen und das weitere Vorgehen abzusprechen. In den mündlichen Gesprächen mit den Mandanten konnte auch geklärt werden, von welchem Rechtsanwalt sie weiter verteidigt werden wollten, und in welcher Weise diese Wahl eingeschränkt war in den Fällen, in denen die Beklagten als Pflichtverteidiger bestellt waren. Diese Unterrichtung musste weder in dem ersten Anschreiben erfolgen, noch musste sie schriftlich vorgenommen werden (vgl. dazu: Hartung/Römermann, a.a.O., § 32 BORA Rdn. 24).
Im Übrigen verkennen die Beklagten, dass die Mandate im Innenverhältnis allein den beiden Klägern zuzurechnen waren.
6. Es besteht auch die für einen Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG erforderliche Wiederholungsgefahr, da sich die Beklagten in mehreren Fällen mit dem Schreiben vom 28. März 2008 an Mandanten gewandt haben. Die Wiederholungsgefahr folgt bereits grundsätzlich aus einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot (vgl. LAG Niedersachsen, Urteil vom 8. Dezember 2005 7 Sa 1871/05 -: Schwab/Weth/Walker, ArbGG, 2. Aufl., § 62 Rdn. 137). Unschädlich ist, dass die Beklagten seit Ende März 2008 nicht mehr als freie Mitarbeiter oder Angestellte für die Kläger nicht mehr tätig sind. Sie können sich jederzeit erneut an Mandanten der Kläger mit dem Ziel der Erteilung eines Mandats im konkreten Einzelfall wenden und dabei auch auf ihre frühere Tätigkeit in deren Kanzlei hinweisen.
7. Der erforderliche Verfügungsgrund liegt vor. Regelmäßig ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendig, wenn die Gefahr besteht, dass eine rechtswidrige Wettbewerbshandlung wiederholt wird. Denn eine Zuwiderhandlung lässt sich nicht mehr rückgängig machen (vgl. dazu: Schwab/Weth/Walker, a.a.O., § 62 Rdn. 138).
Nach alledem waren die Berufungen mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht zulässig (§ 72 Abs. 4 ArbGG).
Schwartz Wenn Becker
LAG Köln:
Urteil v. 04.02.2009
Az: 9 SaGa 9/08
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/e53a826af071/LAG-Koeln_Urteil_vom_4-Februar-2009_Az_9-SaGa-9-08