Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 20. Juni 2006
Aktenzeichen: 4 StR 192/06

(BGH: Beschluss v. 20.06.2006, Az.: 4 StR 192/06)

Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 20. Juni 2006 (Aktenzeichen 4 StR 192/06) das Urteil des Landgerichts Hagen vom 15. September 2005, soweit es den Angeklagten betrifft, aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte hat dagegen Revision eingelegt und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revision hat mit dem geltend gemachten Verfahrensmangel Erfolg.

Der Angeklagte wurde in der zweitägigen Hauptverhandlung entgegen den Bestimmungen der Strafprozessordnung nicht durch einen zugelassenen Verteidiger vertreten. Am 2. Mai 2005 wurde Rechtsanwalt B. dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet. In den beiden Hauptverhandlungsterminen trat er als alleiniger Verteidiger auf. Nach einem Bescheid vom 20. Juli 2005 wurde ihm die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls widerrufen, was zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits wirksam war. Daher durfte der ehemalige Rechtsanwalt nicht mehr als Verteidiger auftreten.

Da es sich um einen Fall notwendiger Verteidigung handelt, stellt die alleinige Mitwirkung eines nicht zugelassenen Scheinverteidigers an der Hauptverhandlung einen absoluten Revisionsgrund dar.

Dieser Beschluss des Bundesgerichtshofs hebt das Urteil des Landgerichts auf und überweist den Fall zur neuen Verhandlung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts.

Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 20.06.2006, Az: 4 StR 192/06

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 15. September 2005, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit dem geltend gemachten Verfahrensmangel Erfolg.

Der Beschwerdeführer beanstandet zutreffend, dass er in der zweitägigen Hauptverhandlung entgegen § 138 Abs. 1, § 140 Abs. 1 und Nr. 2 und 5 StPO nicht durch einen nach dem Gesetz zugelassenen Verteidiger vertreten worden ist (§ 338 Nr. 5 StPO).

Dem Angeklagten war am 2. Mai 2005 Rechtsanwalt B. als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Dieser trat in den beiden Hauptverhandlungsterminen vor der Jugendkammer vom 13. und 15. September 2005 als dessen alleiniger Verteidiger auf. Mit Schreiben vom 16. September 2005 teilte der Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Hamm dem Gericht mit, dass Rechtsanwalt B. mit Bescheid vom 20. Juli 2005 die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen worden ist. Der Widerruf ist mit Ablauf des 23. August 2005 bestandskräftig geworden. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung durfte der ehemalige Rechtsanwalt demnach nicht mehr als Verteidiger auftreten.

Da es sich vorliegend um einen Fall notwendiger Verteidigung handelt (§ 140 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StPO), begründet die alleinige Mitwirkung eines nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Scheinverteidigers an der Hauptverhandlung den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO (vgl. BGHSt 47, 238 ff.).

Maatz Kuckein Athing Solin-Stojanovi Ernemann

BGH:
Beschluss v. 20.06.2006
Az: 4 StR 192/06