Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 7. Februar 2011
Aktenzeichen: AnwZ (B) 20/10
(BGH: Beschluss v. 07.02.2011, Az.: AnwZ (B) 20/10)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs wird zurückgewiesen. Der Antragsteller muss die Kosten des Verfahrens tragen und der Antragsgegnerin ihre notwendigen außergerichtlichen Auslagen erstatten. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 12.500 € festgesetzt.
Der Antragsteller, ein österreichischer Staatsbürger, wurde als europäischer Rechtsanwalt aufgenommen. Er ist als "Legal Counsel, Central Europe & Emerging Countries" bei der A. GmbH beschäftigt. Neben seiner Beschäftigung darf er den Anwaltsberuf ausüben und auch während der Arbeitszeit freigestellt werden. Er beantragte die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, jedoch wurde der Antrag abgelehnt, da seine Syndikustätigkeit nicht als effektive und regelmäßige Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt angesehen wurde. Der Antragsteller legte daraufhin eine sofortige Beschwerde ein, mit der er sein Verpflichtungsbegehren weiterverfolgte.
Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet, den Antragsteller zur Rechtsanwaltschaft zuzulassen. Der Antragsteller hat die Voraussetzungen für eine Zulassung als europäischer Rechtsanwalt nicht erfüllt. Die Tätigkeit als Syndikus wird nicht als Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt angesehen. Auch die neben der Syndikustätigkeit ausgeübte Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt erfüllt nicht die Anforderungen an eine effektive und regelmäßige Tätigkeit auf dem Gebiet des deutschen Rechts. Daher ist auch keine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof erforderlich.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus den geltenden Vorschriften. Der Beschluss des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 12. November 2009 wird damit bestätigt.
(Auf Vorinstanz wird verwiesen: AGH München, Entscheidung vom 12.11.2009 - BayAGH I-47/08)
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 07.02.2011, Az: AnwZ (B) 20/10
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 12. November 2009 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 12.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller, ein österreichischer Staatsbürger, wurde am 8. August 2005 als europäischer Rechtsanwalt in die Rechtsanwaltskammer M. aufgenommen. Seit dem 16. August 2005 ist er als "Legal Counsel, Central Europe & Emerging Countries" bei der A. GmbH mit Sitz in M. beschäftigt, der deutschen Niederlassung eines weltweit tätigen Software-Unternehmens. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden. Der Arbeitgeber hat ihm daneben die Ausübung des Anwaltsberufs gestattet und ihn für eilbedürftige und fristgebundene anwaltliche Tätigkeiten auch während der Arbeitszeit freigestellt.
Mit seinem am 29. August 2008 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Antrag beantragte er die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 11 EuRAG. Hierzu legte er eine Liste von 148 Fällen vor, von denen 139 auf seine Syndikustätigkeit bei der A. GmbH entfallen. Mit Bescheid vom 19. November 2008 hat die Antragsgegnerin den Eingliederungsantrag im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, die Syndikustätigkeit, die der Antragsteller weit überwiegend ausgeübt habe, sei keine effektive und regelmäßige Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 EuRAG. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof durch Beschluss vom 12. November 2009 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, mit der er sein Verpflichtungsbegehren weiter verfolgt. Hilfsweise beantragt er die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Beantwortung der Frage, ob eine effektive und regelmäßige juristische Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zu einem privaten Unternehmen gemäß Art. 8 der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 auch als effektive und regelmäßige Tätigkeit im Sinne von Art. 10 dieser Richtlinie anzuerkennen ist.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 35 EuRAG, § 215 Abs. 2, Abs. 3 BRAO i.V. mit § 11 EuRAG a.F., § 42 BRAO a.F.), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet, den Antragsteller nach § 11 EuRAG zur Rechtsanwaltschaft zuzulassen.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EuRAG wird zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, wer eine mindestens dreijährige effektive und regelmäßige Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt auf dem Gebiet des deutschen Rechts, einschließlich des Gemeinschaftsrechts, nachweist. Diese Voraussetzung erfüllt der Antragsteller nicht. Soweit er als Syndikus der Firma A. tätig war, hat er nicht den Beruf des niedergelassenen europäischen Rechtsanwalts ausgeübt. Seine daneben ausgeübte Tätigkeit als Rechtsanwalt genügt in quantitativer Hinsicht nicht den Anforderungen an eine effektive und regelmäßige Tätigkeit auf dem Gebiet des deutschen Rechts.
1. Die Tätigkeit als Syndikus ist keine Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 EuRAG i.V. mit § 2 Abs. 1 EuRAG.
a) Nach gefestigter Rechtsprechung zu dem Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung wird derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht (Syndikus), in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (BVerfGE 87, 287; BGH, Beschluss vom 18. Juni 2001 - AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, NJW 2010, 377 Rn. 17). Die mit dem Dienst- oder Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen nicht im Einklang mit dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigem Berater und Vertreter aller Rechtsuchenden. Die Unterscheidung zwischen der freien anwaltlichen Berufsausübung und der Tätigkeit als Syndikus kommt auch in den Berufsausübungsregelungen des § 46 BRAO zum Ausdruck, der seine heutige Fassung durch das Gesetz über die Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2278) erhalten hat. In diesem Gesetzgebungsverfahren konnten sich Bestrebungen, durch eine Änderung des § 46 BRAO dem Syndikusanwalt einzuräumen, dass er auch im Angestelltenverhältnis als Rechtsanwalt tätig wird, nicht durchsetzen. Der Rechtsausschuss hat dies in Anlehnung an die Zweitberufsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 87, 287) mit der Erwägung verworfen, das von der freien und unreglementierten Selbstbestimmung geprägte Bild des Rechtsanwalts stehe einer Änderung des § 46 BRAO in diesem Sinne entgegen (BT-Drucks. 12/7656 S. 49). So ist es bei der im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Trennung der beiden Bereiche geblieben (BT-Drucks. 12/4993 S. 30).
b) Das gleiche Berufsbild liegt auch dem Begriff des in Deutschland niedergelassenen europäischen Rechtsanwalts zugrunde. Dessen Tätigkeit ist in § 2 Abs. 1 EuRAG definiert als diejenige eines Rechtsanwalts nach §§ 1 bis 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung. Von diesem unterscheidet sich der europäische Rechtsanwalt nur dadurch, dass er die Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung seines Herkunftsstaates ausübt. Auch der europäische Rechtsanwalt ist somit wie der nach der Bundesrechtsanwaltsordnung zugelassene Rechtsanwalt ein Organ der Rechtspflege; er übt einen freien Beruf aus (BT-Drucks. 14/2269 S. 23). Nach § 6 Abs. 1 EuRAG unterliegt er im Wesentlichen denselben Berufsregeln wie der nach der Bundesrechtsanwaltsordnung zugelassene Rechtsanwalt. Für ihn gilt unter anderem die Vorschrift des § 46 BRAO. Aus dieser Gleichstellung mit dem nach der Bundesrechtsanwaltsordnung zugelassenen Rechtsanwalt folgt, dass die Betätigung als Syndikus auch bei einem niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt nicht als anwaltliche Berufsausübung angesehen werden kann.
c) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung von § 11 EuRAG.
Der Antragsteller meint, mit Art. 10 und Art. 8 der Richtlinie 98/5/EG sei es nicht zu vereinbaren, die Unabhängigkeit der juristischen Tätigkeit zur Voraussetzung einer Eingliederung zu machen. Da ihm nach Art. 8 der Richtlinie i.V. mit § 46 BRAO eine Tätigkeit als Syndikusanwalt erlaubt sei, müsse diese auch als berufliche Tätigkeit im Recht des Aufnahmestaats anerkannt werden. Art. 10 der Richtlinie differenziere nicht danach, ob die Tätigkeit nach nationalem Recht als Berufsausübung oder als Nebentätigkeit zu qualifizieren sei.
Dem kann nicht gefolgt werden. Ob der aus einem anderen Mitgliedstaat zuwandernde Rechtsanwalt im Aufnahmestaat den Rechtsanwaltsberuf ausübt, bestimmt sich nach dem in diesem Staat maßgeblichen Berufsbild. Danach ist die von einem europäischen Rechtsanwalt in Deutschland ausgeübte Tätigkeit als Syndikus nicht als anwaltliche Berufsausübung einzustufen.
aa) Das Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland setzt die Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (Amtsblatt Nr. L 77 S. 36, fortan: Niederlassungsrichtlinie), in nationales Recht um. Sie zielt auf eine Liberalisierung der Niederlassungsmöglichkeiten für Rechtsanwälte in Europa ab und gestattet zuwandernden Rechtsanwälten, unter der Berufsbezeichnung des Herkunftsstaates im Aufnahmestaat zu praktizieren, ohne dass sie eine Prüfung in dessen Recht ablegen müssen. Der Unionsgesetzgeber hat mit dem Erlass der Richtlinie 98/5/EG insbesondere die Unterschiedlichkeit der nationalen Vorschriften beenden wollen, unter denen Rechtsanwälte aus anderen Mitgliedstaaten im Aufnahmestaat tätig werden können (Erwägungsgrund 6 der Richtlinie; EuGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 - C-225/09 juris Rn. 55 m.w.N. - Jakubowska).
Nach dreijähriger Berufsausübung unter der ursprünglichen Berufsbezeichnung im Aufnahmestaat kann die vollständige Integration in den Berufsstand des Aufnahmestaates erlangt werden. Das setzt, wie es § 11 EuRAG in das nationale Recht übernommen hat, nach Art. 10 der Niederlassungsrichtlinie voraus, dass der Rechtsanwalt eine mindestens dreijährige effektive und regelmäßige Tätigkeit im Aufnahmestaat im Recht dieses Mitgliedstaats, einschließlich des Gemeinschaftsrechts, nachweist.
bb) Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 der Niederlassungsrichtlinie ist unter "effektiver und regelmäßiger Tätigkeit" im Aufnahmestaat die "tatsächliche Ausübung des Berufs ohne Unterbrechungen" zu verstehen. Damit ist klargestellt, dass nur Tätigkeiten zu berücksichtigen sind, die als Ausübung des Rechtsanwaltsberufs zu qualifizieren sind. Ob dies der Fall ist, richtet sich in Ermangelung eines autonom auszulegenden oder europarechtlich harmonisierten Rechtsanwaltsbegriffs nach dem Recht des jeweiligen Aufnahmestaats.
"Rechtsanwalt" ist nach der in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Niederlassungsrichtlinie enthaltenen Definition, wer seine berufliche Tätigkeit in einem der Mitgliedstaaten unter der dort maßgeblichen Berufsbezeichnung auszuüben berechtigt ist. Der Niederlassungsrichtlinie liegt damit, anders als der Antragsteller meint, kein "europarechtliches Berufsbild des Rechtsanwalts" zugrunde. Vielmehr lässt sie, wie sich aus Art. 6 und Erwägungsgrund 7 der Niederlassungsrichtlinie ergibt, die nationalen Regelungen über den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf und für die Ausübung dieses Berufs unter der Berufsbezeichnung des Aufnahmestaats unberührt. Die Berufs- und Standesregeln der einzelnen Mitgliedstaaten sind nicht Gegenstand einer Harmonisierung und können erheblich voneinander abweichen (EuGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 - C-225/09 juris Rn. 57 - Jakubowska). So können etwa unternehmensangehörige Juristen in einigen Mitgliedstaaten nicht als Rechtsanwälte zugelassen werden und somit nicht den Rechtsanwaltstatus erlangen (EuGH, Urteil vom 14. September 2010 - C-550/07 Rn. 72, WuW/DE-R 1197 - Akzo Nobel/ Kommission). Gerade aus diesen nationalen Unterschieden erklärt sich, dass Art. 8 der Niederlassungsrichtlinie die abhängige Beschäftigung bei einem Unternehmen als regelungsbedürftig einstuft.
Die Frage, ob der zugewanderte Rechtsanwalt im Aufnahmestaat den Rechtsanwaltsberuf ausgeübt hat, bestimmt sich daher nach dem im Aufnahmestaat geltenden anwaltlichen Berufsbild.
cc) Diese Auslegung wird durch den Zweck der in Art. 10 der Niederlassungsrichtlinie enthaltenen Regelung bestätigt. Durch die dreijährige effektive und regelmäßige Tätigkeit erwirbt der zugewanderte Rechtsanwalt die erforderliche Eignung, um sich voll in den Berufsstand des Aufnahmestaates zu integrieren (Erwägungsgrund 14 der Richtlinie). Es kann aber nur dann davon ausgegangen werden, dass der Bewerber die für die Vollintegration erforderliche Eignung erworben hat, wenn er durch seine Tätigkeit das im Aufnahmestaat maßgebliche Berufsbild des Rechtsanwalts ausgefüllt hat. Tätigkeiten, die nach dem Recht des Aufnahmestaats nicht als anwaltlich zu qualifizieren sind, vermitteln nach dem Regelungskonzept der Niederlassungsrichtlinie nicht die Eignung zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in diesem Staat.
dd) Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht aus Art. 8 der Niederlassungsrichtlinie. Danach kann der im Aufnahmestaat unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung eingetragene Rechtsanwalt als abhängig Beschäftigter eines anderen Rechtsanwalts, eines Zusammenschlusses von Anwälten oder einer Anwaltssozietät oder eines öffentlichen oder privaten Unternehmens tätig sein, wenn der Aufnahmestaat dies für die unter der Berufsbezeichnung dieses Mitgliedstaats eingetragenen Rechtsanwälte gestattet.
Aus dieser Bestimmung kann nicht abgeleitet werden, dass die Tätigkeit als Syndikus für ein privates Unternehmen im Sinne der Niederlassungsrichtlinie als anwaltliche Tätigkeit anzusehen ist. Sie soll lediglich die Gleichbehandlung der aus einem anderen Mitgliedstaat zuwandernden Rechtsanwälte mit den Rechtsanwälten des Aufnahmestaats gewährleisten und besagt, dass diese im Hinblick auf eine abhängige Beschäftigung keinen anderen Regeln unterliegen dürfen als die inländischen Rechtsanwälte (EuGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 - C-225/09 juris Rn. 31 - Jakubowska; vgl. auch Erwägungsgrund 13 der Richtlinie). Daraus folgt jedoch nicht, dass die Syndikustätigkeit als anwaltliche Berufsausübung i.S. von Art. 10 der Niederlassungsrichtlinie zu bewerten ist. Einem solchen Verständnis steht nicht nur die fehlende europarechtliche Harmonisierung des anwaltlichen Berufsbilds, sondern auch die damit verbundene umgekehrte Diskriminierung von inländischen Rechtsanwälten entgegen, deren Tätigkeit als Syndikus - etwa im Zusammenhang mit dem Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung (BGH, Beschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, NJW 2010, 377 Rn. 17) - nicht als anwaltlich qualifiziert wird. Einer solchen Inländerdiskriminierung soll Art. 8 der Niederlassungsrichtlinie ebenfalls entgegenwirken (EuGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 - C-225/09 juris Rn. 31 - Jakubowska).
Der deutsche Gesetzgeber durfte daher in §§ 2, 11 EuRAG das in §§ 1 bis 3 BRAO normierte anwaltliche Berufsbild zum Maßstab auch für die zur Eingliederung erforderliche dreijährige anwaltliche Tätigkeit machen. Dies bleibt nicht hinter den Vorgaben der Niederlassungsrichtlinie zurück.
Die von Art. 8 der Niederlassungsrichtlinie geforderte Gleichbehandlung ist in Deutschland gewahrt. Wie sich aus dem Verweis auf den Dritten Teil der Bundesrechtsanwaltsordnung in § 6 Abs. 1 EuRAG ergibt, wird dem europäischen Rechtsanwalt eine Berufsausübung im abhängigen Beschäftigungsverhältnis in gleichem Umfang ermöglicht, wie sie den inländischen Rechtsanwälten nach Maßgabe von § 43a Abs. 1 und §§ 46, 47 BRAO erlaubt ist (BT-Drucks. 14/2269 S. 19, 26; Lörcher in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 6 EuRAG Rn. 5). Wie seinem inländischen Berufskollegen ist dem europäischen Rechtsanwalt danach neben seinem Anwaltsberuf eine Tätigkeit als Syndikus erlaubt, sofern ihm die tatsächliche und rechtliche Handlungsfähigkeit für die weitere Ausübung des Anwaltsberufs verbleibt (st. Rspr.; vgl. Beschluss vom 9. November 2009 - AnwZ (B) 83/08, NJW 2010, 1381). Das ändert jedoch nichts daran, dass es sich hierbei nicht um eine anwaltliche Berufsausübung handelt.
d) Bei dieser Rechtslage ist eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht veranlasst, da die Auslegung der hier maßgeblichen Vorschriften der Art. 8 und 10 der Niederlassungsrichtline durch das Urteil des Gerichtshofs vom 2. Dezember 2010 (C-225/09 - Jakubowska) geklärt und im Übrigen offenkundig ist (vgl. EuGH, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 - C.I.L.F.I.T).
2. Die neben der Syndikustätigkeit ausgeübte Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt genügt in quantitativer Hinsicht nicht den Anforderungen an eine effektive und regelmäßige Tätigkeit auf dem Gebiet des deutschen Rechts.
Nach der im Beschwerdeverfahren ergänzten Fallliste hat der Antragsteller neben den vom Anwaltsgerichtshof anerkannten neun Fällen weitere zehn Fälle im deutschen Recht bearbeitet. Soweit der Antragsteller sechs Fälle im Gemeinschaftsrecht für österreichische Auftraggeber bearbeitet hat, können diese wegen der ausschließlichen Bezüge zum österreichischen Recht nicht berücksichtigt werden (§ 11 Abs. 1 S. 1 EuRAG; vgl. auch Lörcher in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 11 EuRAG Rn. 14; Eichele in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 11 EuRAG Rn. 11; Franz, BB 2000, 989, 996). Durch die Bearbeitung dieser Fälle sind keine Kenntnisse im deutschen Recht erworben worden. Bei den zehn Fällen im deutschen Recht entfällt, wie schon bei den zuvor anerkannten neun Fällen, wiederum ein erheblicher Anteil der hierfür aufgewendeten Arbeitszeit auf eigene Angelegenheiten des Antragstellers (Steuererklärungen, Eingliederung nach § 11 EuRAG u.a.). Das genügt den Anforderungen an eine dreijährige effektive und regelmäßige Tätigkeit im deutschen Recht i.S. von Art. 10 Abs. 1 der Niederlassungsrichtlinie, § 11 Abs. 1 Satz 1 EuRAG nicht.
Welche Anforderungen an Art und Umfang der Tätigkeit zu stellen sind, hat der Gesetzgeber mit Rücksicht auf die vielfältigen Möglichkeiten der Ausgestaltung anwaltlicher Berufstätigkeit nicht abstraktgenerell geregelt (BT-Drucks. 14/2269 S. 29). Dies bedarf auch hier keiner abschließenden Entscheidung. Eine Tätigkeit im deutschen Recht, die sich im Wesentlichen auf die Regelung eigener Angelegenheiten beschränkt und nur vereinzelt sonstige Mandate mit ganz geringem zeitlichem Umfang umfasst, genügt den Anforderungen jedenfalls nicht. Sie bietet nicht die Gewähr dafür, dass der Rechtsanwalt ein Mindestmaß an allgemeinen Rechtskenntnissen und anwaltlicher Erfahrung in Deutschland erworben hat.
Das Erfordernis einer dreijährigen effektiven und regelmäßigen Tätigkeit im deutschen Recht einschließlich des Gemeinschaftsrechts dient dem Nachweis, dass der Rechtsanwalt die erforderliche Eignung erworben hat, sich voll in den Berufsstand des Aufnahmestaates zu integrieren (Erwägungsgrund 14 der Niederlassungsrichtlinie). Mit Rücksicht darauf, dass der Rechtsanwalt von diesem Zeitpunkt an für das rechtsuchende Publikum nicht mehr von einem Rechtsanwalt zu unterscheiden ist, der nach den Vorschriften des Aufnahmestaates ausgebildet und qualifiziert ist (BT-Drucks. 14/2269 S. 29), dürfen an den Umfang und die Art der Tätigkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Das ergibt sich auch aus einem Vergleich mit § 13 EuRAG. Diese Vorschrift, die Art. 10 Abs. 3 der Niederlassungsrichtlinie in nationales Recht umsetzt, ermöglicht eine Eingliederung in die deutsche Rechtsanwaltschaft auch dann, wenn sich der Rechtsanwalt, der drei Jahre effektiv und regelmäßig als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Deutschland tätig war, nur für eine kürzere Zeit im deutschen Recht betätigt hat; sie macht diese aber davon abhängig, dass der Rechtsanwalt die Fähigkeit, die Tätigkeit weiter auszuüben, in einem Gespräch (§ 15 EuRAG) nachweist. Nach der Gesetzesbegründung wird in der Regel davon auszugehen sein, dass für eine Eingliederung nach dieser Vorschrift die Dauer der Tätigkeit auf dem Gebiet des deutschen Rechts die Zeitspanne von etwa achtzehn Monaten nicht unterschreiten sollte (BT-Drucks. 14/2269 S. 30). Dies zeigt, dass der nach § 11 EuRAG erforderliche Tätigkeitsumfang jedenfalls nicht durch gelegentliche Tätigkeiten im deutschen Recht während des dreijährigen Zeitraums erfüllt wird.
Einen ausreichenden Umfang erreicht die außerhalb der Syndikustätigkeit liegende Tätigkeit des Antragstellers als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des deutschen Rechts nicht annähernd.
Unter diesen Umständen bedarf es auch keiner Entscheidung, ob die durch die Syndikustätigkeit erworbenen Kenntnisse im deutschen Recht, ungeachtet der Tatsache, dass es sich nicht um anwaltliche Berufsausübung handelt, im Rahmen des § 11 Abs. 1 EuRAG gleichwohl ergänzend zu berücksichtigen sind, wie dies der Senat im Zusammenhang mit der Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung angenommen hat (Beschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, NJW 2010, 377 Rn. 17 m.w.N.). Dies würde im Übrigen jedenfalls voraussetzen, dass die Syndikustätigkeit weisungsfrei und unabhängig erfolgt ist und eine erhebliche Anzahl nicht unbedeutender Mandate - mindestens 35% des Gesamtumfangs - auf selbständige anwaltliche Tätigkeit entfallen ist (BGH, Beschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, aaO). Hier ist bereits die erste Voraussetzung nicht erfüllt. Nach Nr. 1 Abs. 2 seines Arbeitsvertrags hat der Antragsteller bei der Erfüllung seiner Aufgaben die Weisung seines direkten Vorgesetzen und der Geschäftsführung zu beachten. Wie bei diesen Vorgaben eine unabhängige anwaltsähnliche Bearbeitung der Fälle sichergestellt sein soll, hat der Antragsteller nicht dargelegt.
3. Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 201 Abs. 2 BRAO a.F. i.V. mit § 13a FGG a.F.
Tolksdorf Roggenbuck Seiters Quaas Braeuer Vorinstanz:
AGH München, Entscheidung vom 12.11.2009 - BayAGH I-47/08 -
BGH:
Beschluss v. 07.02.2011
Az: AnwZ (B) 20/10
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