Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 15. April 2011
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 8/11
(BGH: Beschluss v. 15.04.2011, Az.: AnwZ (Brfg) 8/11)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss über den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung entschieden. Der Kläger hatte gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulassung geklagt, da er sich gegen den Vorwurf des Vermögensverfalls wehrte. Das Anwaltsgericht wies die Klage ab und der Antrag auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.
Der Kläger führte in seiner Argumentation zwei mögliche Gründe für eine Zulassung der Berufung an. Zum einen behauptete er, dass seine Fall eine grundsätzliche Bedeutung hätte. Diese Bedingung ist jedoch nur dann erfüllt, wenn der Rechtsstreit eine kritische und klärungsbedürftige Rechtsfrage betrifft, die sich in verschiedenen Fällen stellt und daher ein öffentliches Interesse besteht. In diesem Fall konnte der Kläger eine solche Bedeutung nicht nachweisen.
Zum anderen argumentierte der Kläger, dass er ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Urteils habe. Hierbei ging es um die Frage des Vermögensverfalls, der den Widerruf der Rechtsanwaltszulassung begründet. Das Gericht stellte fest, dass die Voraussetzungen für den Vermögensverfall erfüllt waren, da der Kläger in finanziellen Schwierigkeiten steckte und nicht in der Lage war, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Der Kläger konnte die Vermutung des Vermögensverfalls nicht widerlegen, da er keine nachprüfbaren Angaben über seinen Immobilienbesitz und dessen Verkehrswert gemacht hatte. Das Gericht wies auch darauf hin, dass Immobilienbesitz allein nicht ausreicht, um den Vermögensverfall auszuschließen, wenn der Rechtsanwalt nicht in der Lage ist, seine Vermögenswerte rechtzeitig einzusetzen, um seine Schulden zu begleichen.
Der Kläger argumentierte außerdem, dass die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet seien. Das Gericht stellte jedoch fest, dass der Vermögensverfall eine Gefährdung der Rechtsuchenden indiziert. Ein Rechtsanwalt, der seine Vermögensverhältnisse nicht ordnen kann, ist in Versuchung, sich an Mandantengeldern zu bereichern oder ist nicht in der Lage, geleistete Vorschüsse zurückzuzahlen. Das Gericht entschied, dass ein Treuhandkonto alleine nicht ausreicht, um die Interessen der Mandanten ausreichend zu schützen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens und der Streitwert wurde auf 50.000 € festgesetzt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 15.04.2011, Az: AnwZ (Brfg) 8/11
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10. September 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
I.
Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine solche kommt einem Rechtsstreit nur dann zu, wenn dieser eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Der Kläger behauptet dies zwar, verweist insoweit aber nur darauf, dass in seinem Fall die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Widerruf nicht vorlägen. Dies ist eine Frage des Einzelfalls ohne rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
2. Soweit der Kläger in der Sache damit letztlich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend machen will (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), ist auch dieser Zulassungsgrund nicht gegeben.
a) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (vgl. nur Senat, Beschluss vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, ZInsO 2010, 1380 Rn. 4 m.w.N.). Hierbei wird ein Vermögensverfall nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen ist.
Diese Voraussetzungen sind vom Anwaltsgerichtshof zutreffend festgestellt worden. Der Einwand des Klägers, seinen Verbindlichkeiten stünden beträchtliche Werte in Form von Immobilienbesitz gegenüber, wobei eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse durch deren Verkauf jederzeit möglich sei, jedoch ihm zugestanden werden müsse, die Immobilien zu einem annehmbaren und reellen Preis zu veräußern, ist nicht geeignet, die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen. Der Kläger hat, obwohl er durch die Beklagte bereits unter dem 23. März 2010 hierzu aufgefordert wurde, keine nachprüfbaren bzw. belegten Angaben über den behaupteten Immobilienbesitz und dessen Verkehrswert sowie die insoweit noch bestehenden Belastungen gemacht. Auch hat der Anwaltsgerichtshof zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger, nachdem auf Antrag seiner Hauptgläubigerin, der Stadtsparkasse E. , am 6. August 2007 die Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung der Immobilie in der S. Straße in A. angeordnet wurde, bereits damals von laufenden Umschuldungsmaßnahmen zum Zwecke einer Konsolidierung gesprochen hat, die dann aber nicht erfolgt ist. Zu der im Schreiben vom 19. Oktober 2007 im Wege der "Gesamtumfinanzierung des Immobilienbestandes" beabsichtigten Rückführung der Verbindlichkeiten bei der Stadtsparkasse ist es jedenfalls nicht gekommen, obwohl dies auch in der Folgezeit vom Kläger mehrfach angekündigt wurde. Immobilienbesitz allein hindert die Annahme eines Vermögensverfalls aber nicht, wenn der Rechtsanwalt nicht willens oder nicht in der Lage ist, seine Vermögenswerte so rechtzeitig einzusetzen, dass seine Gläubiger nicht wegen unbezahlter Forderungen mehrfach zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen greifen müssen.
b) Zu Unrecht beruft sich der Kläger darauf, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht vorliege. Die gesetzliche Regelung in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, nach der der Vermögensverfall eine Gefährdung der Rechtsuchenden indiziert, ist zwar nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen, die Gefährdung insoweit nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vermögensverfall zu folgern; sie wird aber im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse des Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden können (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 und AnwZ (B) 70/03, BRAK-Mitt. 2005, 27; vom 5. Dezember 2005 - AnwZ (B) 13/05, AnwBl. 2006, 280; vom 25. Juni 2007 - AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924 Rn. 8; und vom 8. Februar 2010 - AnwZ (B) 67/08, BRAK-Mitt. 2010, 129 Rn. 11). Denn ein Rechtsanwalt, der seine Vermögensverhältnisse nicht hinreichend ordnen kann, ist nicht selten in besonders starker Versuchung, sich selbst an Geldern seiner Mandanten zu vergreifen, oder außerstande, gezahlte Vorschüsse zurückzuzahlen. Jedenfalls aber besteht die Gefahr, dass seine Gläubiger im Wege der Pfändung auf Gelder zugreifen, die für seine Mandanten bestimmt sind (siehe auch Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 14 BRAO, Rn. 39 m.w.N.). Allein der Umstand, dass der Kläger ein Treuhandkonto unterhält, reicht zur Sicherung der Mandanteninteressen nicht aus. Zum einen lässt sich nie sicher ausschließen, dass Zahlungen nicht doch in bar oder per Scheck erfolgen, wobei es dann ausschließlich vom Willen des Klägers abhängt, ob die erhaltenen Beträge bestimmungsgemäß verwendet werden oder nicht. Mangels objektivierbarer Sicherungsmaßnahmen ist die Gefährdung der Mandanteninteressen dann nicht beseitigt (Senat, Beschlüsse vom 12. Februar 2001 - AnwZ (B) 7/00, juris Rn. 9; vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 70/03, aaO; vom 17. Oktober 2005 - AnwZ (B) 73/04, NJW-RR 2006, 859, 860; und vom 17. September 2007 - AnwZ (B) 75/06, AnwBl. 2008, 66, 67; siehe auch bereits Beschlüsse vom 21. September 1987 - AnwZ (B) 20/87, BRAK-Mitt. 1988, 50, 51; und vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102). Auch hängt es vom Zufall ab, ob Gläubiger - z.B. im Wege einer Taschenpfändung - auf diese Beträge zugreifen (Senat, Beschluss vom 12. Februar 2001, aaO). Zum anderen verbleibt bei den Mandanten das Risiko, dass an den Kläger gezahlte, aber gebührenrechtlich nicht verbrauchte Vorschüsse nicht zurückbezahlt werden können.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Kessal-Wulf Lohmann Seiters Stüer Martini Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 10.09.2010 - 1 AGH 61/10 -
BGH:
Beschluss v. 15.04.2011
Az: AnwZ (Brfg) 8/11
Link zum Urteil:
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