Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 1. September 2000
Aktenzeichen: 6 U 43/00
(OLG Köln: Urteil v. 01.09.2000, Az.: 6 U 43/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Köln hat in dem Urteil vom 1. September 2000 (Aktenzeichen 6 U 43/00) die Berufung der Beklagten gegen das vorherige Urteil des Landgerichts Köln zurückgewiesen. Die Beklagte wird dazu verurteilt, bestimmte Handlungen zu unterlassen und rechtswidrig übernommene Daten zu vernichten. Außerdem muss sie dem Kläger Auskunft geben und Schadenersatz leisten. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Landgericht hat damit zu Recht entschieden, dass das Werk des Klägers, die "List of Presses - Publication Gravure Europe, America & Japan" rechtlich geschützt ist und die Beklagte Teile dieser Datenbank übernommen hat. Die vom Kläger genannten Indiztatsachen lassen darauf schließen, dass die Beklagte die Daten aus der Datenbank des Klägers entnommen hat. Die Einwände der Beklagten gegen das Urteil geben keinen Anlass zu einer anderen Entscheidung. Das Urteil ist daher rechtmäßig. Die Beklagte ist zur Vernichtung der übernommenen Daten und zur Auskunftserteilung verpflichtet. Sie muss auch Schadenersatz leisten. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil kann vorläufig vollstreckt werden. Die Beschwer der Beklagten beträgt 60.000,-- DM.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Köln: Urteil v. 01.09.2000, Az: 6 U 43/00
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.11.1999 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 0 263/99 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Urteilstenor wie folgt neu gefasst wird:I. Die Beklagte wird verurteilt,1.es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, zu unterlassen, die von dem Kläger herausgegebene "List of Presses - Publication Gravure Europe American & Japan" (Stand: August 1998) wie nachstehend wiedergegeben zu bearbeiten und/oder bearbeiten zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen: 2.die in ihrem - der Beklagten - Besitz befindlichen, vorstehend wiedergegebenen Bearbeitungen der "List of Presses - Publication Gravure Europe, America & Japan" (Stand: August 1998) zu vernichten,3.dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Umfang der in Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen, und zwar ab dem 04.02.1999 und unter Angabe der Anzahl der vorstehend wiedergegebenen, bearbeiteten Exemplare sowie der Namen und Adressen der Lieferanten und Abnehmer dieser Exemplare. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflich-tet ist, dem Kläger ab dem 04.02.1999 jeden Schaden zu ersetzen, der ihm aus den in Ziffer I. 1. be-zeichneten Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird. III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Vielmehr hat das Landgericht die Beklagte zu Recht zur Unterlassung, zur Vernichtung und zur Auskunftserteilung verurteilt und darüber hinaus dem Schadenersatzfeststellungsbegehren des Klägers entsprochen. Auch der Begründung der angefochtenen Entscheidung schließt sich der Senat an und sieht von einer erneuten Darstellung der die Entscheidung tragenden Gründe ab, § 543 Abs. 1 ZPO.
Die von der Beklagten mit ihrer Berufung gegen das angefochtene Urteil vorgebrachten Einwände geben dem Senat keinen Anlass, den zur Entscheidung stehenden Lebenssachverhalt einer anderen tatsächlichen oder rechtlichen Würdigung zu unterziehen, als das Landgericht es getan hat. Vielmehr teilt der Senat vollumfänglich die Auffassung des Landgerichts, dass zum einen das Werk des Klägers, die List of Presses - Publication Gravure Europe, America & Japan", Stand: August 1998, (im folgenden: "List of Presses") Datenbankherstellerschutz nach §§ 87a, 87b UrhG genießt, zum anderen, dass die Beklagte wesentliche Teile dieser Datenbank übernommen hat und deshalb gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG zur Unterlassung und gemäß 98 Abs. 1 UrhG verpflichtet ist, die in ihrem Besitz befindlichen, rechtswidrig vorgenommenen Bearbeitungen der List of Presses zu vernichten.
Dass und aus welchen Gründen es sich bei der List of Presses des Klägers um eine Datenbank im Sinne des § 87 a Abs. 1 UrhG handelt, hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil im einzelnen dargelegt. Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung die richtigen und überzeugenden Ausführungen des Landgerichts mit der Begründung angreift, der Bundesgerichtshof habe in seiner Tele-Info-CD-Entscheidung (WRP 1999, 931 ff.) entschieden, der Datenbankherstellerschutz sei auf elektronische Datenbanken beschränkt, § 87a und auch § 87b UrhG seien auf Printmedien nicht anwendbar, hat der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung vom 06.05.1999 die Richtigkeit des Gegenteils ausdrücklich festgestellt. Da die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 87a und b UrhG, namentlich die systematische und methodische Anordnung der Daten oder auch das Erfordernis wesentlicher Investitionen für Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung, nach dem Sachvorbringen beider Parteien unproblematisch sind, verlangt der Kläger von der Beklagten zu Recht Unterlassung, weil nämlich deren Einlassung, sie habe alle im Urteilstenor in der konkreten Verletzungsform wiedergegeben Daten, die sich auf mit dem Tiefdruck befasste Unternehmen beziehen, selbständig recherchiert, als wiederlegt angesehen werden muss. Denn die vom Kläger vorgetragenen, von der Beklagten nicht substantiiert bestrittenen und damit zugestandenen Indiztatsachen lassen nur eine Schlussfolgerung zu, nämlich die, dass die Beklagte wesentliche Teile ihrer zugestellten Daten aus dem als Datenbank geschützten Werk "List of Presses" des Klägers übernommen hat. Dass die Beklagte die von ihr zusammengestellten Daten entgegen ihrem ausdrücklichen Sachvortrag keinesfalls selbst recherchiert, sich bei der Zusammenstellung ihrer Daten vielmehr weitestgehend an dem Werk des Klägers orientiert und die Daten abgekupfert hat, ergibt sich aus folgenden, überwiegend bereits vom Landgericht zutreffend bewerteten Umständen:
Die Beklagte hat nach ihrem eigenen Sachvortrag verschiedene Firmen unter dem Betreff "Übersicht Druckmaschinen in Europa" angeschrieben und um Überprüfung bestimmter, von ihr vorgegebenen Daten gebeten. Dabei fällt schon auf, dass die Beklagte zum Teil natürliche Personen in den Gesellschaften mit Namen benennen konnte, die sich auch in der List of Presses des Klägers wiederfinden. Das allein mag zwar durchgreifenden Anlass zu Argwohn noch nicht geben. Augenfällig ist aber, dass die Beklagte z.B. wusste, dass die Firma B. Druck K. KG über 8 bestimmte Druckmaschinen unterschiedlichen Typs verfügt, und nicht nur in der Lage war, die genaue Maschinenbezeichnung wiederzugeben, sondern überdies gegenüber der Firma B. Druck K. KG exakt vorgeben konnte, wann die einzelnen Maschinen erstmals in Betrieb genommen worden sind. Schon das Wissen der Beklagten um diese firmeninternen Einzelheiten kann nur bedeuten, dass die Beklagte diese Daten der List of Presses des Klägers entnommen hat und ihre Beteuerung, sie habe das Werk des Klägers nicht gekannt, unrichtig ist. Hinzu kommt, dass der Kläger in seiner Klageschrift und auch in seiner Berufungserwiderung weitere Indiztatsachen vorgetragen hat, denen die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten ist und die einzig den Plagiatsvorwurf zulassen. So hat der Kläger auf Seiten 65 und 66 der List of Presses insgesamt 4 mal die Firma R. AG in Z. /Schweiz erwähnt. Die maximalen Papierbahnbreiten ("max. web. width") sind mit "2.000", "1.520", "1.920" und 2 mal "2.500" angegeben. Nach dem unstreitigen Vortrag des Klägers sind diese Angaben unrichtig, weil die maximalen Papierbahnbreiten in Wirklichkeit zwischen 5 und 20 mm breiter als in der Liste des Klägers angegeben sind. Träfe demgegenüber die Behauptung der Beklagten zu, sie habe alle von ihr zusammengefassten Daten selbst recherchiert, gibt es keine vernünftige und nachvollziehbare und vor allem auch keine von der Beklagten unterbreitete Erklärung dafür, warum auch ihr Werk die in der List of Presses des Klägers enthaltenen fehlerhaften Daten nennt.
Ähnliches gilt für das Beispiel der Firma B. Druck K. KG. In der Liste des Klägers sind die technischen Daten auf den Seiten 26 - 28 beschrieben. Bei der letzten Maschine, der Maschine Nr. 8, hat der Kläger nach seinem unstreitigen Sachvorbringen versehentlich vergessen, den Hinweis "Al" in der Rubrik "Stitcher" zu geben, was bedeutet hätte, dass auch die Maschine Nr. 8 über einen sogenannten "Hefter" der Firma "KBA" verfügt. Letzteres folgt aus Seite 13 der List of Presses, wonach das Kürzel "Al" als Codierung für die Firma "KBA" steht. Die Tatsache, dass auch die Beklagte bei den ersten 7 Maschinen den Hinwies auf die Firma "KBA" angegeben hat, nicht hingegen bei der Maschine Nr. 8, spricht ebenfalls nachhaltig dafür, dass die Beklagte ihre Daten nicht selbst recherchiert, sondern aus der Datenbank des Klägers übernommen hat.
Weitere, den Plagiatsvorwurf verfestigende Indiztatsachen der vorbezeichneten Art kommen hinzu: So hat der Kläger auf den Seiten 111 - 119 der List of Presses die einzelnen Firmen nach Name, Anschrift, Telefon und Telefax bezeichnet, außerdem hat er dort teilweise Ansprechpartner in diesen Firmen namentlich benannt. Bezogen auf die Firma Br. in M. hat der Kläger unbestritten vorgetragen, die Benennung des Dr. J. S. als Kontaktperson beruhe auf einem Versehen, in Wirklichkeit sei der für die Firma Br. tätige Herr St. derjenige, der richtigerweise in die List of Presses hätte aufgenommen werden müssen. Dass auch in der Liste der Beklagten nicht etwa der zuständige Herr St., sondern Dr. J. S. als Ansprechpartner benannt wird, kann nicht auf Zufall beruhen und widerlegt die Richtigkeit der Sachdarstellung der Beklagten.
Ähnliches gilt für das Beispiel, zu dem der Kläger schon in seiner Klageschrift unwidersprochen vorgetragen hat: In seiner Liste ist nämlich auf Seite 117 bei der Firma Roto S. E. als Ansprechpartner Herr B. benannt, obwohl Herr B. unstreitig bereits seit Anfang 1997 aus Altersgründen bei der Firma Roto S. E. ausgeschieden war. Wenn die Beklagte dann in ihrer 1999 herausgegebenen Liste ebenfalls Herrn B. als Ansprechpartner benennt, obschon dieser zu diesem Zeitpunkt schon seit 2 Jahren nicht mehr für die Roto S. E. tätig war, kann auch das nur bedeuten, dass die Beklagte ihre Angaben nicht selbständig eruiert, sondern sich an den vom Kläger zusammengestellten Daten orientiert hat.
Auch die weiteren vom Kläger ins Feld geführten Beispiele sprechen für sich: Auf Seite 113 der List of Presses hat der Kläger die Adresse der Firma Bur. Druck GmbH mit "Hauptstr. " in O. bezeichnet und dabei das Postfach "11 26" und die Postleitzahl "77 601" angegeben, wobei sich die Postleitzahl unstreitig auf das Postfach und nicht auf die Straße bezog. Die Datensammlung der Beklagten enthält demgegenüber keine Postfachadresse, vielmehr wird die Straße mit "Hauptstraße" bezeichnet, alsdann wird die Postleitzahl für das Postfach übernommen, obschon die richtige Postleitzahl für die Hauptstraße nicht "77 601", sondern "77 652" lautet. Auch das spricht nachhaltig dafür, dass der Beklagten entgegen ihrer Sachdarstellung das ihr angeblich unbekannte Werk des Klägers vorgelegen hat, zumal dem Senat in diesem Zusammenhang, worauf es für die Entscheidung des Rechtsstreits aber nicht entscheidend ankommt, aufgefallen ist, dass die Beklagte bei der Adressenbezeichnung "Hauptstraße" offenbar aufgrund eines Versehens nicht die richtige Nummer "130", sondern die Nummer "1126" und damit statt der Straßennummer die in der List of Presses des Klägers enthaltene Postfachnummer angegeben hat.
Auch der Sachvortrag des Klägers zu bestimmten Typenbezeichnungen und ihrer Übernahme durch die Beklagte spricht eindeutig gegen die Richtigkeit der Darstellung der Beklagten, sie habe alle Daten selbst recherchiert: Aus Seite 13 der List of Presses des Klägers ergibt sich, dass das Kürzel "Ce" für die Firma "Z. " und das Kürzel "Wi" für die Firma "W. " steht. Unstreitig sind in der List of Presses des Klägers bei der Firma R. AG in der Schweiz die Hersteller zum Teil mit dem für "Z. " stehenden Kürzel, einmal aber mit "Wi/Ce" bezeichnet, was seinen Grund darin hat, dass es sich bei dieser Maschine um eine nicht typisierte Eigenkonstruktion gehandelt hat. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang unbestritten vorgetragen, er habe diese Maschine aus diesem Grund weder der Firma Z. noch der Firma W. zugeordnet, sondern willkürlich das Buchstabenkürzel "Wi/Ce" gewählt. Dass unstreitig auch die Datenbank der Beklagten die willkürlich gewählte Buchstabenkombination enthält, lässt ihren Vortrag, sie habe die Datenbank des Klägers nicht gekannt und sich folglich auch nicht an ihr orientieren können, als unglaubhaft und widerlegt erscheinen.
Letztlich spricht folgender weiterer Umstand gegen die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung der Beklagten: Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich die Beklagte bereits im September 1998 an die Firma R. AG in der Schweiz mit der Bitte gewandt hat, bestimmte Daten zu übermitteln, die sie nicht kannte. Wenn die Beklagte dann wenige Monate später dennoch über diese Daten verfügte, obwohl die Firma R. AG ihr unstreitig keine Auskunft erteilt und auch keinerlei Informationen übermittelt und die Beklagte auch nicht vorgetragen hat, wie sie ihren Kenntnisstand denn erreicht haben will, dann lässt auch dieser Umstand, jedenfalls im Zusammenwirken mit den übrigen genannten Umständen, bei vernünftiger und lebensnaher Betrachtungsweise einzig den Schluss zu, dass sich die Beklagte diese Daten anderweitig beschafft hat, und zwar aus der Liste des Klägers.
Ist die Beklagte demgemäß auf Antrag des Klägers gemäß § 97 Abs. 1 UrhG an der weiteren Verwendung der rechtswidrig übernommenen, im Tenor dieses Urteils durch die konkrete Verletzungsform näher bezeichneten Daten zu hindern, und ist sie gemäß § 98 Abs. 1 UrhG zur Vernichtung vorhandener Plagiate verpflichtet, ist das Landgericht im übrigen mit zutreffenden (§ 543 Abs. 1 ZPO) Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte schuldhaft gehandelt hat und deshalb auch zur Auskunftserteilung und im Grundsatz auch zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet ist.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die unterlegene Beklagte gemäß § 91 ZPO zu tragen. Soweit in der im Berufungsverfahren vorgenommenen Änderung des Klageantrags, die im übrigen die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 22.05.2000 gegen den den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens 6 W 55/00 OLG Köln bildenden Berichtigungsbeschluss des Landgerichts vom 05.05.2000 obsolet erscheinen lässt, eine teilweise Klagerücknahme erblickt werden könnte, war die etwaige Zuvielforderung verhältnismäßig geringfügig und hat keine besonderen Kosten veranlasst. Entsprechend dem in § 92 Abs. 2 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken war es deshalb nicht veranlasst, dem Kläger einen Teil der entstandenen Kosten aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festzusetzende Beschwer der Beklagten beträgt 60.000,-- DM.
OLG Köln:
Urteil v. 01.09.2000
Az: 6 U 43/00
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