Landesarbeitsgericht Hamm:
Urteil vom 2. September 2011
Aktenzeichen: 7 Sa 521/11
(LAG Hamm: Urteil v. 02.09.2011, Az.: 7 Sa 521/11)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Landesarbeitsgericht Hamm hat in einem Urteil vom 2. September 2011, Aktenzeichen 7 Sa 521/11, entschieden, dass eine Berufung als unzulässig verworfen wird. In dem Fall ging es um eine Klage einer Aktiengesellschaft, die Rechtsanwälte beschäftigt und Rechtsvertretung betreibt, und die Rückerstattung von Fortbildungskosten forderte. Der Beklagte forderte wiederum die Abgeltung offener Urlaubsansprüche. Die Klägerin reichte ihre Berufung ohne weitere Zusätze selbst ein und bezeichnete sich im Rubrum der Berufungsschrift als Prozessbevollmächtigte. Das Gericht entschied, dass dies für den objektiven Empfänger der Erklärung dahingehend zu verstehen sei, dass die Klägerin von der Möglichkeit Gebrauch mache, sich selbst zu vertreten. Allerdings sei der Wille des Rechtsanwalts, der die Berufungsschrift unterzeichnet hat, eine eigene Prozesserklärung abzugeben, nicht hinreichend offen nach außen getreten. Aus diesem Grund wurde die Berufung als unzulässig verworfen. Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde bestätigt und die Klägerin muss die Kosten tragen. Eine Revision wurde zugelassen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LAG Hamm: Urteil v. 02.09.2011, Az: 7 Sa 521/11
Legt eine Aktiengesellschaft, die ausweislich ihres Briefkopfs angestellte Rechtsanwalte beschäftigt und "Rechtsvertretung" betreibt, als klagende Partei Berufung ein und bezeichnet sie sich im Rubrum der Berufungsschrift ohne weitere Zusätze selbst als Prozessbevollmächtigte, ist dies für einen objektiven Erklärungsempfänger nur dahingehend zu verstehen, dass eine Rechtsanwaltsgesellschaft von der Möglichkeit Gebrauch macht, sich nach § 59 l S. 2 BRAO, 11 Abs. 4 S. 4 ArbGG im Berufungsverfahren selbst zu vertreten. Der Wille des Rechtsanwalts, der die Berufungsschrift der nach § 59 l S. 3 BRAO für die Rechtsanwaltsgesellschaft unterzeichnet hat, eine eigene Prozesserklärung abzugeben, ist damit nicht hinreichend offen nach außen getreten, so dass er selbst nicht rechtswirksam eine Prozesserklärung für die Rechtsanwaltsgesellschaft abgegeben hat. Die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 08.03.2011 - 2 Ca 2312/10 - wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Rückzahlung von Fortbildungskosten. Der Beklage fordert widerklagend die Abgeltung offener Urlaubsansprüche. Die Parteien streiten zweitinstanzlich darüber, ob die Berufung von einem postulationsfähigen Anwalt eingelegt worden und damit zulässig ist.
Die Klägerin betreibt unter der Firmierung "A-AG" eine Gesellschaft, deren Unternehmensgegenstand u.a. "die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung durch Übernahme von Rechtsanwaltsaufträgen" ist.
Der Beklagte war bei der Klägerin als Rechtsanwalt auf der Basis einer Bruttomonatsvergütung von 2.000 € vom 01.05.2008 bis zum 31.05.2010 tätig. Das Arbeitsverhältnis endete infolge einer ordentlichen Kündigung des Beklagten.
Vom 13.08.2009 bis zum 07.11.2009 nahm der Beklagte an einer Fortbildung zum Fachanwalt für Informationstechnologie in H2 teil. Der auf sechs Abschnitte verteilte Lehrgang fand an jeweils drei Tagen donnerstags bis samstags statt. Die Klägerin stellte den Beklagten zum Zwecke der Teilnahme an 12 Werktagen unter Fortzahlung der Vergütung frei. Ferner übernahm sie die Lehrgangskosten in Höhe von 2.205,00 €. Am 28.12.2009 wurde dem Beklagten bescheinigt, die Fachanwaltsfortbildung erfolgreich absolviert zu haben. Anfang Januar 2010 beantragte der Beklagte, ihm den Fachanwaltstitel zu erteilen. Dies erfolgte sodann im September 2010.
Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses standen dem Beklagten rechnerisch für das Kalenderjahr 2010 13 Urlaubstage zu.
Die Klägerin hat die Auffassung geäußert, ihr stünde angesichts einer Reglung in § 5 ihrer Vergütungsordnung, die über eine vertragliche Klausel auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fände, ein Anspruch Rückzahlung der von ihr verauslagten Kosten für den Fachanwaltslehrgang zu. Urlaubsabgeltungsansprüche könne der Beklagte nicht begehren. Er habe bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses in keiner Weise deutlich gemacht, dass er im Kalenderjahr 2010 habe Urlaub in Anspruch nehmen wollen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, 2.205,00 € brutto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2010 an sie zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen
sowie widerklagend,
die Klägerin zu verurteilen, an ihn 1.186,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Widerklage zu zahlen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung geäußert, die Rückzahlungsklausel, die einer an den §§ 305 ff BGB orientierten Kontrolle zu unterziehen sei, sei unwirksam, weil die von der Beklagten beabsichtigte Bindungsdauer von 12 Monaten, die erst nach Verleihung des Fachanwaltstitels habe zu laufen beginnen sollen, angesichts der lediglich 12 Arbeitstage umfassenden Fortbildung zu lang sei. Dies sei unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB. Außerdem stünde ihm ein Anspruch auf Abgeltung von 13 Urlaubstagen zu, den er widerklagend geltend mache.
Mit Urteil vom 08.03.2011 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben, im Wesentlichen mit der Begründung, die Rückzahlungsklausel sei unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB und damit unwirksam, während die im Wege der Widerklage eingeforderte Urlaubsabgeltung dem Beklagten angesichts der offenen 13 Urlaubstage nach § 7 Abs. 4 BUrlaubG zustünde.
Gegen das der Klägerin am 11.03.2011 zugestellte Urteil richtet sich deren am 31.03.2011 eingegangene und innerhalb der verlängerten Berufungsfrist am 14.06.2011 begründete Berufung. Die Berufungsschrift erfolgte unter einem von der Klägerin verwandten Briefkopf, auf dem rechts oben unter der Firmierung der Klägerin die Worte "Rechtsberatung, Rechtsvertretung und Unternehmensberatung" in Parenthese aufgeführt sind. In der auf die Parteibezeichnung der Klägerin im Rubrum der Berufungsschrift folgenden Zeile gibt sich die Klägerin mit ihrer Firmierung und Anschrift als Prozessbevollmächtigte an. Die Berufungsschrift trägt die Unterschrift des Rechtsanwalts N., der rechts auf der ersten Seite der Berufungsschrift als einer der bei der Klägerin angestellten Rechtsanwälte bezeichnet wird. Wegen des weiteren Inhalts der Berufungsschrift wird auf Bl. 194 der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Klägerin selbst ist zwar als Aktiengesellschaft handelsrechtlich eingetragen. Sie verfügt allerdings nicht über eine Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft.
Die Klägerin, die ihren Rechtsstandpunkt zur Wirksamkeit der vereinbarten Rückzahlungsklausel sowie ihre Einwände gegen den widerklagend geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung wiederholt und vertieft, ist der Auffassung, die Berufung sei zulässig. Sie sei insbesondere durch einen nach § 78 ZPO zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt worden. Sie vertrete sich nicht selbst, sondern lasse sich durch den Rechtsanwalt vertreten, der die Berufungsschrift unterzeichnet habe. Sofern sich dies dem Rubrum der Berufungsschrift nicht eindeutig entnehmen lasse, beruhe dies - so ihre Behauptung - auf einem Bearbeitungsversehen. Versehentlich seien die Worte "Rechtsanwälte der (…)" gelöscht worden. Im Rubrum der Berufungsschrift hätte es daher richtig heißen müssen:
"Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte der A-AG, A-Straße in B."
Dieser Formulierung sei eindeutig zu entnehmen, dass sie sich nicht selbst habe vertreten wollen, sondern durch ihre angestellten Rechtsanwälte. Anders wäre ihre Vertretung auch nicht möglich, da sie selbst nicht als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen sei. Einer solchen Zulassung bedürfe es auch nicht, weil sie ihre rechtsberatende Tätigkeit auch ohne Zulassung als Anwaltsgesellschaft ausüben dürfe, wie das OLG Hamm in einer Entscheidung vom 26.06.2006 (15 W 213/05) bereits festgestellt habe. Entscheidend sei alleine, dass ihre rechtsberatende Tätigkeit durch ordnungsgemäß zugelassene Rechtsanwälte erfolge. Letztlich gehe aber bereits aus der Unterschrift des unterzeichnenden Rechtsanwalts eindeutig hervor, dass dieser sie, die Klägerin, vertrete. Anders könne die Erklärung nicht verstanden werden, da ihre Vertretung ansonsten durch den Vorstand hätte erfolgen müssen.
Die Klägerin beantragt
das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 08.03.2011 - Az.: 2 Ca 2310/10 - abzuändern und den Beklagten unter Abweisung der Widerklage zu verurteilen an die Klägerin 2.205,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 01.06.2010 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen oder sie zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Er ist darüber hinaus der Auffassung, die Berufung sei unzulässig. Aus dem Rubrum der Berufungsschrift lasse sich entnehmen, dass die Klägerin sich selbst vertreten würde. Als nicht zugelassene Anwalts-AG sei die Klägerin in Anwaltsprozessen nicht postulationsfähig. Sie habe die Berufung daher weder selbst einlegen noch begründen können. Daran ändere der Umstand nichts, dass die Berufung von einem zugelassenen Anwalt unterzeichnet worden sei. Der unterzeichnende Anwalt handele - wie sich der Berufungsschrift entnehmen lasse - als angestellter Anwalt der Klägerin und damit nicht als deren unabhängiger Prozessbevollmächtigter.
Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird ergänzend Bezug genommen, ebenso wie auf die zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.09.2011 (Bl. 261-264) abgegebenen Erklärungen der Parteien.
Gründe
I. Die Berufung der Klägerin war als unzulässig zu verwerfen.
Nach den §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 522 Abs. 2 S.2 ZPO ist eine Berufung u.a. dann als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht in der gesetzlichen Form eingelegt worden ist. Zu den gesetzlichen Formvorschriften gehört es, dass sich die Parteien nach § 11 Abs. 4 S. 1 ArbGG vor dem Landesarbeitsgericht durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen müssen. Prozessvertreter in diesem Sinne sind nach § 11 Abs. 4 S. 2 ArbGG u.a. Rechtsanwälte. Postulationsfähig im Sinne dieser Vorschrift ist jeder zugelassene Rechtsanwalt. Eingelegt hat die Berufung jedoch nicht der unterzeichnende Rechtsanwalt N. als Prozessbevollmächtigter für die Klägerin im Sinne des § 11 Abs. 4 S. 1 ZPO, sondern die Klägerin selbst. Diese wiederum kann sich nach § 11 Abs. 4 S. 4 ArbGG nur dann selbst vertreten, wenn sie die Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 S. 2 ZPO erfüllt. Das ist hier nicht der Fall. Bei der Klägerin handelt es sich - unstreitig - nicht um eine zugelassene Rechtsanwaltsgesellschaft i.S.d. § 59 c Abs. 1 BRAO. Ihr fehlt damit die Postulationsfähigkeit.
Die - unstreitig- vorhandene Postulationsfähigkeit des unterzeichnenden Rechtsanwalts Nowaks ändert daran nichts. Denn der Berufungsschrift ist nicht zu entnehmen, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt N. die Berufung in Form einer eigenen Prozesserklärung für die Klägerin hat abgeben wollte. Eine Auslegung der in der Berufungseinlegung enthaltenen Prozesserklärung ergibt vielmehr, dass die Klägerin eine eigene Prozesserklärung in eigenem Namen abgeben hat.
Das Recht der Stellvertretung ist vom Offenheitsgrundsatz geprägt. Danach entfaltet ein Vertretungsgeschäft nur dann unmittelbare Fremdwirkung, wenn der Vertreter erkennbar im Namen des Vertreters auftritt (Palandt/Ellenberger, BGB, 70 Aufl. 2011, Einf v § 164 Rn. 2). Der Offenheitsgrundsatz gehört zu den Grundprinzipien der Stellvertretung. Er findet auch auf die Prozessvollmacht i.S.d. §§ 78 ff ZPO, 11 ArbGG Anwendung. Zwar bilden die Vorschriften der §§ 78 ff. ZPO für die Prozessvollmacht ein Sonderrecht. Deshalb greifen materiellrechtliche Regelungen über die Vollmacht grundsätzlich nur dann, wenn zivilprozessuale oder sonstige verfahrensrechtliche Bestimmungen auf sie verweisen. Doch kommen solche Vorschriften auch dann zur Geltung, wenn in ihnen allgemeine Rechtsgedanken der Stellvertretung zum Ausdruck kommen (OLG Frankfurt 08.09.2005 - 9 U 65/04, OLGR Frankfurt 2006, 267, juris Rn 43; BGH 18.12.2002 - VIII ZR 72/02 - NJW 2003, 963, juris Rn 18; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, Vor § 78 Rn 5), wie es für den in § 164 Abs. 1 BGB niedergelegten Offenheitsgrundsatz gilt. Voraussetzung für eine wirksame Prozessvertretung ist daher, dass die Prozesserklärung von einem Prozessbevollmächtigten erkennbar im Namen der vertretenen Prozesspartei abgegeben wird.
Hier hingegen ist es weder aus dem Wortlaut der Berufungseinlegung noch aus den sonstigen Umständen erkennbar, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt N. als Prozessbevollmächtigter für die Klägerin die Berufung einlegen wollte.
So ist im Rubrum der Berufungsschrift vom 31.03.2011 als Prozessbevollmächtigter ausdrücklich die Klägerin selbst und nicht etwa der die Berufungsschrift unterzeichnende Rechtsanwalt N. genannt. Bereits nach dem Wortlaut wollte damit nicht der unterzeichnende Rechtsanwalt, sondern die Klägerin selbst als Prozessbevollmächtigte eine Prozesserklärung abgeben, was die Klägerin nach § 59 Abs.1 S. 2 BRAO auch könnte, sofern es sich bei ihr um eine zugelassene Rechtsanwaltsgesellschaft handeln würde.
Auch die sonstigen Umstände lassen nicht darauf schließen, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt N. eine eigene Prozesserklärung und nicht eine solche als angestellter Anwalt für die - nicht postulationsfähige - Klägerin abgeben wollte. Nach § 164 Abs. 1 S. 2 BGB macht es keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll. Zu den äußeren Umständen gehört, dass der unterzeichnende Anwalt ausweislich des Briefkopfs der Berufungsschrift als einer der bei der Klägerin angestellten Rechtsanwälte tätig geworden ist und die Klägerin angesichts der Angaben in ihrem Briefkopf in Übereinstimmung mit ihrem handelsrechtlichen Unternehmensgegenstand "Rechtsvertretung" betreibt. Die Klägerin tritt damit nach außen wie eine Rechtsanwaltsgesellschaft auf, deren Unternehmensgegenstand im Sinne des § 59 c Abs. 1 BRAO die "Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten" ist. Eine solche Rechtsanwaltsgesellschaft, die über den Wortlaut des § 59 c BRAO hinaus nicht nur als Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sondern - wie die Klägerin - auch als Aktiengesellschaft betrieben werden kann (BGH 10.01.2005 - AnwZ (B) 27/03, AnwZ (B) 28/03 - NJW 2005, 1568, juris Nr. 40 ff; Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2009, vor § 59 c Rn 8), kann nach § 59 l S. 1 BRAO als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigte beauftragt werden und hat dabei nach § 59 l S. 2 BRAO die Rechte und Pflichten eines Prozessbevollmächtigten. § 59 l BRAO stellt klar, dass in den Fällen einer Prozess- oder Verfahrensvertretung eine Beauftragung der Anwaltsgesellschaft ausreicht und es insbesondere keine gesonderte Bevollmächtigung der auftretenden Rechtsanwälte bedarf (Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2009, vor § 59 l Rn 2). Die Rechtsanwaltsgesellschaft ist selbst Prozessbevollmächtigte und gibt damit eigene Prozesserklärungen ab (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012 § 80 Rn. 6). Dies hat seinen guten Zweck. Bedürfte es zusätzlich einer Bevollmächtigung auch der für die Rechtsanwaltsgesellschaft handelnden Anwälte, würde die Haftungsbeschränkung der Rechtsanwaltsgesellschaft durch die im Wege der Einzelbevollmächtigung ausgelöste persönliche Haftung des beauftragten Anwalts unterlaufen (Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2009, vor § 59 l Rn 2). Auch die äußeren Umstände lassen deshalb unter Berücksichtigung der Interessen des unterzeichnenden Rechtsanwalts N. und der nach außen hin als Rechtsanwaltsgesellschaft handelnden Klägerin darauf schließen, dass es der Klägerin darauf ankommt, eine eigene Prozesserklärung als Rechtsanwaltsgesellschaft abzugeben.
Der einzig objektive Umstand, der daran zweifeln lassen könnte, dass die Klägerin nicht im eigenen Namen die Prozesserklärung abgeben wollte, Berufung einzulegen, ist das Fehlen des nach § 59 k BRAO in der Firma einer Rechtsanwaltsgesellschaft vorgeschriebenen Zusatzes "Rechtsanwaltsgesellschaft". Dies könnte bei einem objektiven Erklärungsempfänger den Eindruck erwecken, die Klägerin könne als Prozessbevollmächtigte nicht selbst auftreten wollen, weshalb der postulationsfähige und unterzeichnende Rechtsanwalt eine eigene Prozesserklärung für die Kläger habe abgeben wollen. Doch handelt es sich bei § 59 k BRAO um eine Ordnungsvorschrift, deren Missachtung nicht zu einer Versagung der Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft führt (vgl. Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2009, § 59 k Rn 1). Angesichts der sonstigen Umstände lässt der fehlende Zusatz "Rechtsanwaltsgesellschaft" in der Firmierung der Klägerin keine anderen als die bereits gewonnenen Rückschlüsse zu.
Legt eine Aktiengesellschaft, die ausweislich ihres Briefkopfs angestellte Rechtsanwalte beschäftigt und "Rechtsvertretung" betreibt, als klagende Partei Berufung ein und bezeichnet sie sich im Rubrum der Berufungsschrift ohne weitere Zusätze selbst als Prozessbevollmächtigte, ist dies für einen objektiven Erklärungsempfänger nur dahingehend zu verstehen, dass eine Rechtsanwaltsgesellschaft von der Möglichkeit Gebrauch macht, sich nach § 59 l S. 2 BRAO, 11 Abs. 4 S. 4 ArbGG im Berufungsverfahren selbst zu vertreten. Der Wille des Rechtsanwalts, der die Berufungsschrift der nach § 59 l S. 3 BRAO für die Rechtsanwaltsgesellschaft unterzeichnet hat, eine eigene Prozesserklärung abzugeben, ist damit nicht hinreichend offen nach außen getreten, so dass er selbst nicht rechtswirksam eine Prozesserklärung für die Rechtsanwaltsgesellschaft abgegeben hat.
Auch die Klägerin scheint zu sehen, dass der Wille des unterzeichnenden Rechtsanwalts N., in ihrem Namen eine eigene Prozesserklärung abzugeben, nicht nach außen getreten ist. So hat sie behauptet, infolge eines Büroversehens seien die Worte "Rechtsanwälte der" versehentlich nicht zwischen die Worte "Prozessbevollmächtigte: A-AG" gesetzt worden. Es trifft zu, dass die vermeintlich versehentlich fehlenden Worte klargestellt hätten, dass nicht etwa die Klägerin selbst, sondern der bei ihr angestellte Rechtsanwalt eine Prozesserklärung in ihrem Namen als deren Prozessbevollmächtigte abgegeben hätte. Allerdings wird auch deutlich, dass der Wille zur Vertretung durch den unterzeichnenden Rechtsanwalt N. angesichts der fehlenden Worte nicht zutage getreten ist. Daran ändert nichts, dass sich in der Berufungsschrift nach der Benennung der Parteibezeichnung des Beklagten über der Unterschrift des unterzeichnenden Rechtsanwalts N. die Worte "(…) lege ich für die Klägerin (…) Berufung ein". Eine juristische Person kann nicht selber handeln oder Erklärungen abgeben. Sie bedient sich dazu ihrer Organe und Vertreter. Dem trägt für die Rechtsanwaltsgesellschaft § 59 l S. 3 BRAO Rechnung, wird dort vorgesehen, dass die Gesellschaft durch eben diese Organe oder Vertreter handelt, die ihrerseits über die für die Erbringung rechtsbesorgender Leistungen gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen im Einzelfall verfügen müssen. Die vom unterzeichnenden Rechtsanwalt N. gewählte aktivische Formulierung, er lege für die Klägerin Berufung ein, ändert deshalb nichts daran, dass er nach außen für die ausdrücklich als prozessbevollmächtigt bezeichnete Rechtsanwaltsgesellschaft hat handeln wollen.
Dem steht nicht entgegen, dass das OLG Hamm in einer die Klägerin betreffenden Entscheidung (26.06.2006 - 15 W 213/05, NJW 2006, 3434) ausgeführt hat, dass die anwaltliche Berufstätigkeit im Rahmen einer Aktiengesellschaft nicht im Sinne des § 37 Abs. 4 Nr. 5 AktG von einer Genehmigung abhängig sei, weshalb es die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts Bochum auf Eintragung der Beklagten in das Handelsregister aufgehoben hat. So hat das OLG hervorgehoben, dass sich die Klägerin auf das auch für Aktiengesellschaften eröffnete Zulassungsverfahren nach den §§ 59 c ff BRAO würde einlassen müssen, sofern sie die Postulationsfähigkeit gewinnen wolle (OLG Hamm 26.06.2006 - 15 W 213/05, NJW 2006, 3434, juris Rn 16). Ist hingegen das OLG Köln der Auffassung, alleine aus dem Umstand, dass der als Rechtsanwalt zugelassene Vorstand einer ansonsten nicht als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassenen Aktiengesellschaft eine Berufungsschrift unterzeichnet habe, könne geschlossen werden, eine wirksame Prozessvertretung sei gegeben (OLG Köln 27.02.2008 - 6 U 177/07, OLGR Köln 2008, 415, juris Rn 7), kann dem jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall angesichts fehlender Offenlegung der Prozessvertretung des unterzeichnenden Rechtsanwalts nicht gefolgt werden.
Da die wirksame Bevollmächtigung auch keine Prozessvoraussetzung, sondern eine Prozesshandlungsvoraussetzung ist, die im Zeitpunkt der Vornahme der Prozesshandlung gegeben sein muss (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 78 Rn 12), wurde der Mangel einer nach außen getretenen ordnungsgemäßen Prozesserklärung des unterzeichnenden Rechtsanwalts N. auch nicht dadurch geheilt, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt sich etwa die abgegebenen Prozesserklärungen der Klägerin im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens zu eigen gemacht hat. Die Berufung wurde von einer nicht postulationsfähigen Rechtsanwaltsgesellschaft in eigenem Namen eingelegt und ist damit unzulässig.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des von ihr erfolglos eingelegten Rechtsmittels, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision war aus den Gründen des § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen.
LAG Hamm:
Urteil v. 02.09.2011
Az: 7 Sa 521/11
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