Kammergericht:
Beschluss vom 25. Januar 2010
Aktenzeichen: 2 W 210/09

(KG: Beschluss v. 25.01.2010, Az.: 2 W 210/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In der vorliegenden Gerichtsentscheidung (Aktenzeichen 2 W 210/09) wird der Beschluss der Kammer für Handelssachen 104 des Landgerichts Berlin vom 13. August 2009 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Die Klägerin, welche alleinige Geschäftsführerin und Gesellschafterin der Beklagten ist, hat Klage eingereicht und beantragt die Nichtigerklärung zweier Beschlüsse der Gesellschafter der Beklagten. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten sieht vor, dass fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse analog § 241 ff. AktG angefochten werden können. Die Klägerin benennt sich zwar als gesetzliche Vertreterin der Beklagten in der Klageschrift, gibt jedoch an, dass die Beklagte nicht durch sie, sondern durch einen Prozesspfleger vertreten werden soll. Das Landgericht hat die Klageschrift dennoch der Klägerin zugestellt und keinen Prozesspfleger bestellt. Die Rechtsanwälte der Beklagten haben daraufhin Schriftsätze eingereicht und den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung für erledigt erklärt. Das Landgericht hat daraufhin entschieden, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden. Gegen diesen Beschluss haben die Rechtsanwälte der Beklagten Beschwerde eingelegt, welche vom Kammergericht zur Entscheidung vorgelegt wurde. Das Kammergericht stellt fest, dass die Beschwerde der Beklagten zulässig und wirksam eingelegt wurde. Es wird darauf hingewiesen, dass die Prozessunfähigkeit der Beklagten nicht zur Unzulässigkeit der Beschwerde führt und dass die Rechtsanwälte der Beklagten mit Prozessvollmacht von der Beklagten handeln. Weiterhin wird festgestellt, dass die angefochtene Entscheidung zu Unrecht ergangen ist, da die Hauptsache nicht wirksam für erledigt erklärt wurde, da die Beklagte keine wirksame gesetzliche Vertreterin hatte. Das Kammergericht weist darauf hin, dass das Landgericht einen Prozesspfleger für die Beklagte bestellen muss, falls die Klägerin weiterhin die einzige gesetzliche Vertreterin ist. Zudem wird darauf hingewiesen, dass das Landgericht die Klageschrift ordnungsgemäß zustellen und die Rechtshängigkeit der Klage begründen muss. Das Kammergericht erklärt, dass es selbst nicht in der Sache entscheiden kann und die Sache an das Landgericht zurückverweist. Es wird auch darauf hingewiesen, dass das Landgericht bei einer Kostenentscheidung die Erfolgsaussichten der Klage zum Zeitpunkt vor der angeblichen Erledigung des Rechtsstreits berücksichtigen muss. Zudem wird das Landgericht auf verschiedene Punkte hingewiesen, die es im weiteren Verfahren berücksichtigen muss, wie etwa die Frage, ob die Klagefrist gewahrt wurde und ob die Klage aus dem Gesichtspunkt der Teilanfechtung unzulässig ist. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass das Landgericht die Kostenentscheidung aufgrund der materiellen Rechtslage treffen muss und unter anderem prüfen muss, ob der Abschluss einer Darlehensprolongationsvereinbarung realistisch war und ob der Beklagten die für den normalen Geschäftsbetrieb erforderliche Liquidität abhandengekommen wäre.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

KG: Beschluss v. 25.01.2010, Az: 2 W 210/09


Tenor

Der Beschluss der Kammer für Handelssachen 104 des Landgerichts Berlin vom 13. August 2009 zum Geschäftszeichen 104 O 11/09 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist die alleinige Geschäftsführerin und zugleich eine der Gesellschafterin der Beklagten. Mit ihrer am 30.1.2009 bei Gericht eingereichten Klage begehrt sie die Nichtigerklärung zweier am 12.1.2009 gefasster Beschlüsse der Gesellschafter der Beklagten. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten bestimmt, dass fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse analog §§ 241 ff. AktG angefochten werden können. Im Rubrum der Klageschrift hat die Klägerin die Beklagte als durch sie, die Klägerin, gesetzlich vertreten bezeichnet, zugleich aber vorgetragen, dass die Beklagte in diesem Prozess nicht durch die Klägerin vertreten werden sollte, sondern durch einen gemäß § 57 ZPO zu bestellenden Prozesspfleger. Das Landgericht hat die Klageschrift der Klägerin als gesetzliche Vertreterin der Beklagten zugestellt. Einen Prozesspfleger hat es nicht bestellt. Mit Schriftsatz vom 23.3.2009 haben die Rechtsanwälte R. pp. angezeigt, dass ihnen die Beklagte, vertreten durch die Klägerin, Prozessvollmacht erteilt habe. Im weiteren Verlauf des Prozesses haben sie für die Beklagte vorgetragen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 13.8.2009 haben die Klägerin und die für die Beklagte handelnden Rechtsanwälte R. pp. den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Daraufhin hat das Landgericht mit Beschluss vom selben Tage entschieden, dass die Kosten des Rechtsstreit gegeneinander aufgehoben würden. Hiergegen haben die Rechtsanwälte R. für die Beklagte ein mit Beschwerde bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt, das das Landgericht nach Erlass eines Nichtabhilfebeschlusses dem Kammergericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

1.

Die als sofortige Beschwerde im Sinne der §§ 567 ff. ZPO auszulegende Beschwerde ist zulässig und wurde wirksam für die Beklagte eingelegt.

a)

3Die sofortige Beschwerde ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil die Beklagte - wie im weiteren noch auszuführen sein wird (vgl. Ziff. 2.a) und b)) - nicht prozessfähig ist ( BGH , NJW 2000, 289, Rdnr. 20 zit. nach Juris; Lindacher in Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2008, §§ 51 f. Rdnr. 49).

4Denn ließe die Prozessunfähigkeit des Rechtsmittelführers das Rechtsmittel unzulässig werden, wäre der grundlegende Fehler im Verfahren der Vorinstanz, der sich daraus ergibt, dass die von Amts wegen zu berücksichtigende Prozessunfähigkeit unbeachtet blieb, durch ein Rechtsmittel kaum zu korrigieren. Dies gilt unabhängig davon, ob mit dem Rechtsmittel die Prozessunfähigkeit geltend gemacht wurde oder ob diese - wie vorliegend - nicht der Fall ist und lediglich eine andere Sachentscheidung angestrebt wird (vgl. BGH , a.a.O.; Lindacher , a.a.O.). Zwar wäre die Bestellung eines Prozesspflegers gemäß § 57 ZPO eigens für das Rechtsmittelverfahren denkbar. Diese Vorgehensweise wäre jedoch in hohem Maße prozessunökonomisch. Denn zum einen endet das Rechtsmittelverfahren in den Fällen der hier erörterten Art ohnehin zwingend zu Gunsten des Rechtsmittelführers mit der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung; zum anderen ist der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens allein von der Beantwortung von Rechtsfragen, d.h. nicht von etwaigem Sachvortrag des Prozesspflegers, abhängig. Das etwaige prozessuale Agieren des Prozesspflegers wäre daher für das Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich, solange er nicht - entgegen dem Interesse des von ihm Vertretenen - auf das Rechtsmittel verzichtet, es zurücknimmt oder auf sonstige Weise in seiner Wirkung erledigt. Es kann indessen nicht Zweck des § 57 ZPO sein, kostenträchtige, in der Sache aber überflüssige gerichtliche Maßnahmen zu gebieten. Im Übrigen spricht auch die Wertung der §§ 107 BGB, 51 Abs. 1 ZPO dagegen, die Prozessunfähigkeit des Rechtsmittelführers in einem für diesen notwendigerweise günstig verlaufenden Rechtsmittelverfahrens bei der Zulässigkeit des Rechtsmittels durchgreifend zu berücksichtigen.

b)

5Die Rechtsanwälte R. pp. handelten bei Einlegung der Beschwerde mit Prozessvollmacht der Beklagten. Insbesondere hat im Hinblick auf die Beschwerdeeinlegung das Fehlen der Prozessfähigkeit der Beklagten nicht die Unwirksamkeit der Prozessvollmachterteilung zur Folge (zur Unwirksamkeit der Prozessvollmachterteilung im Übrigen vgl. Ziff. 2.c)).

6Denn die Prozessunfähigkeit der Beklagten hat auf Grund der obigen Erwägungen (vgl. Buchstabe a)) nicht die Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde zur Folge. Demgemäß darf die Prozess-unfähigkeit auch nicht die Unwirksamkeit der Prozessvollmachterteilung zur Folge haben, soweit die Beschwerdeeinlegung betroffen ist. Denn andernfalls wäre die Beschwerdeeinlegung als unwirksam anzusehen. Aus Sicht eines effektiven Rechtsschutzes stellt es indessen keinen erheblichen Unterschied dar, ob die Prozessunfähigkeit die Unzulässigkeit oder die Unwirksamkeit der Beschwerde zur Folge hat. Denn in beiden Fällen wäre das Beschwerdegericht gehindert, den grundlegenden Fehler der Nichtbeachtung der Prozessunfähigkeit in erster Instanz zu korrigieren; und die Bestellung eines Prozesspflegers für das Beschwerdeverfahren - zum Zwecke der Herstellung der Prozessfähigkeit der Beklagten bzw. zur Erteilung einer Prozessvollmacht für die Beklagte - wäre in beiden Fällen verfahrensunökonomische Förmelei.

2.

Die angefochtene Entscheidung ist zu Unrecht ergangen.

8Denn es fehlt an der grundlegenden Voraussetzung für die Kostenentscheidung nach § 91a ZPO, dass nämlich die Hauptsache u.a. von der Beklagten wirksam für erledigt erklärt wurde. Dies ergibt sich aus Folgendem:

a)

9Die Beklagte hat analog § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG i.V.m. § 10.5 des Gesellschaftsvertrages für die Belange dieses Prozesses bislang keinen gesetzlichen Vertreter.

10Denn nach § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG kann die beklagte Gesellschaft im Beschlussanfechtungsprozess nicht durch dasjenige Vertretungsorgan bzw. Vertretungsorgansmitglied gesetzlich vertreten werden, dass zugleich Kläger der Anfechtungsklage ist. Dies hat zur Folge, dass in Fällen, in denen neben dem Kläger kein anderes Vertretungsorgan als gesetzlicher Vertreter in Betracht kommt, die Gesellschaft gesetzlich vertretungslos ist und ein Prozesspfleger gemäß § 57 ZPO zu bestellen ist (vgl. Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 246 Rdnr. 31; Hüffer, AktG, 2008, § 246 Rdnr. 36c; Hüffer in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl. 2001, § 246 Rdnr. 64).

Die Bestellung eines Prozesspfleger ist bislang nicht erfolgt.

b)

Das Fehlen eines gesetzlichen Vertreters hat zur Folge, dass die Beklagte als in diesem Prozess nicht prozessfähig anzusehen ist.

c)

13Der Mangel in der Prozessfähigkeit der Beklagten wurde auch nicht etwa gemäß § 246 Abs. 1, 1. Halbsatz ZPO dadurch überwunden, dass sich die Rechtsanwälte R. pp. für die Beklagte im Prozess gemeldet haben.

14Denn jedenfalls hat die Beklagte den Rechtsanwälte R. pp. keine wirksame Prozessvollmacht erteilt. Die bei Erteilung der Prozessvollmacht für die Beklagte handelnde Klägerin handelte nämlich nach § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG i.V.m. § 10.5 des Gesellschaftsvertrages vollmachtlos. Die Anwendbarkeit des § 246 Abs. 2 AktG auf die Erteilung der Prozessvollmacht folgt aus dem Umstand, dass § 246 Abs. 2 AktG die Vertretung der beklagten Gesellschaft für jegliche Art von Prozesshandlung in dem Anfechtungsprozess erfasst und die Erteilung der Prozessvollmacht - jedenfalls nach herrschender Meinung (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 80 Rdnr. 5, m.w.N.) - auch eine Prozesshandlung darstellt. Dies ist für Satz 2 des § 246 Abs. 2 AktG - Doppelvertretung von Vorstand und Aufsichtsrat - in Rechtsprechung und Literatur einhellige Auffassung ( OLG Hamburg , NZG 2003, 478 [479]; Hüffer in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl. 2001, § 246 Rdnr. 52; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 246 Rdnr. 30; Dörr in Spindler/Stilz, 2007, § 246 Rdnr. 29 a.E.; im Ergebnis ebenso: K. Schmidt in Großkommentar zum AktG, 4. Aufl. 1996, § 246 Rdnr. 37; Göz in Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 2007, § 246 Rdnr. 18). Der Senat vermag keinen Grund zu erkennen, warum für den vorliegend in Rede stehenden Satz 3 des § 246 Abs. 2 AktG Abweichendes gelten sollte. Hierfür spricht zum einen der gesetzessystematische Zusammenhang Satz 2 und Satz 3. Zum anderen zielt der Zweck der beiden Sätze in dieselbe Richtung, nämlich auf den Schutz der beklagten Gesellschaft vor einer etwaigen Kollusion ihres Vertretungsorgans mit der Klagepartei.

Damit kann dahin stehen, ob im Fall der wirksamen Prozessvollmachterteilung die Voraussetzung des § 246 Abs. 1, 1. Halbsatz ZPO - ggf. in entsprechender Anwendung - erfüllt waren und ob in der Rechtsfolge des § 246 Abs. 1, 1. Halbsatz ZPO der Mangel der fehlenden Parteifähigkeit als geheilt anzusehen ist (so die überwiegend in der Rechtsprechung vertretene Auffassung (vergl. insbesondere BfH, NJW 1993, 1654), die allerdings in der Literatur bestritten wird: vgl. Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 56 Rdnr. 14, m.N.; Lindacher in Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2008, §§ 51 f. Rdnr. 39, m.N.).

d)

Die Prozessunfähigkeit der Beklagten hat zur Folge, dass sie nicht in der Lage ist, wirksame Prozesshandlungen vorzunehmen ( Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 51 Rdnr. 8, m.Rspr.N.; Lindacher in Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2008, §§ 51 f. Rdnr. 2).

e)

Schließlich stellt die Erledigterklärung bzw. die Zustimmung zur Erledigterklärung des Gegners eine Prozesshandlung dar ( Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 91a Rdnr. 2).

3.

Der Senat ist gehindert, selbst in der Sache zu entscheiden; die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurück zu verweisen.

Denn eine Sachentscheidung durch den Senate würde gemäß § 91a ZPO u.a. ebenfalls voraussetzen, dass beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Hieran fehlt es indessen, wie oben ausgeführt (vgl. Ziff. 2.).

4.

Der Senat weist für das weitere Verfahren vor dem Landgericht vorsorglich auf Folgendes hin:

a)

Das Landgericht wird gemäß § 57 ZPO einen Prozesspfleger für die Beklagte zu bestellen haben, falls die einzige gesetzliche Vertreterin der Beklagten weiterhin die Klägerin ist.

b)

Das Landgericht wird der Beklagten sodann die Klageschrift zustellen und damit die Rechtshängigkeit der Klage begründen müssen.

23Denn der Beklagten ist die Klage bislang nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, weil sie gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO an den - bislang nicht bestellten - Prozesspfleger hätte zugestellt werden müssen. Der Zustellmangel ist auch nicht etwa gemäß § 189 ZPO geheilt, weil - was anzunehmen ist - die Rechtsanwälten R. pp. die Klageschrift abschriftlich erhalten haben und dies der Beklagten möglicherweise im Hinblick auf § 172 ZPO zuzurechnen ist (vgl. Stöber in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 189 Rdnr. 5; Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 81 Rdnr. 2a). Denn die Rechtsanwälte R. pp. sind nicht wirksam von der Beklagte bevollmächtigt worden (s.o., Ziff 2.c)), sodass die Voraussetzungen des § 172 ZPO nicht vorliegen.

c)

Soweit das Landgericht - nach übereinstimmender Erledigterklärung der Parteien oder nach Klagerücknahme - gemäß § 91a ZPO oder § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO - über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden hat, wird es maßgeblich auf die Erfolgsaussichten der Klage zum Zeitpunkt unmittelbar vor dem angeblichen, erledigenden Ereignis abzustellen haben. Dabei ist das Folgende zu berücksichtigen:

aa)

Die Frage, ob die Klägerin die Klagefrist des § 246 Abs. 1 AktG gewahrt hat, wird gemäß §§ 253 Abs. 1, 167 ZPO im Wesentlichen davon abhängen, ob die Klägerin eine Verzögerung bei der ordnungsgemäßen Klagezustellung von mehr als zwei Wochen zu vertreten hat.

26Denn die Zustellung der Klageschrift und damit die Erhebung der Klage erfolgte in jedem Fall mehr als einen Monat nach Fassung der angefochtenen Beschlüsse bzw. wird mehr als einen Monat nach Beschlussfassung erfolgen. Die Klagefrist ist daher nur dann gewahrt, wenn für die Fristwahrung ausnahmsweise gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage abzustellen ist, nicht aber auf den Zeitpunkt der Zustellung. Die Voraussetzungen des § 167 ZPO (€Zustellung demnächst€) liegen indessen nach gefestigter Rechtsprechung nicht vor, wenn die Klägerin eine Verzögerung bei der ordnungsgemäßen Klagezustellung von mehr als zwei Wochen zu vertreten hat (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 167 Rdnr. 11, m.N.). Hierzu gilt im Einzelnen u.a. Folgendes:

(1.)

27Die Klägerin hat es nicht zu vertreten, dass das Landgericht keinen Prozesspfleger bestellt und die Klageschrift an die Klägerin zugestellt hat.

Denn es war nicht nur die Prozessunfähigkeit der Beklagten von Amts festzustellen, nachdem sich die Prozessunfähigkeit auf Grundlage eines insofern unstreitigen Sachverhalt nach Klärung bloßer Rechtsfragen ergab; sondern es war in Folge der Prozessunfähigkeit der Beklagten auch gemäß § 57 Abs. 1 ZPO von Amts wegen der Prozesspfleger für die Beklagte zu bestellen. Zudem hat die Klägerin - durch die antragsmäßige Anregung der Pflegerbestellung sowie durch Ausführungen in der Klagebegründung - das Gericht auf die Problematik aufmerksam gemacht.

(2.)

Die Klägerin handelte in aller Regel schuldhaft, wenn sie nach Eingang der landgerichtlichen Nachricht betreffend die Höhe der einzuzahlenden Gerichtskosten mehr als zwei Wochen bis zur Einzahlung der Gerichtskosten verstreichen ließ (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 167 Rdnr. 15, m.Rspr.N.).

Nach derzeitiger Aktenlage ist es nicht fernliegend, dass die Klägerin mehr als zwei Wochen hat schuldhaft verstreichen lassen. Denn selbst bei einer Postlaufzeit von 3 Werktagen lagen zwischen dem Zugang der Nachricht bei der Klägerin (am Dienstag, den 10.2.2009) und dem Eingang der Gerichtskostenzahlung (am Mittwoch, den 25.2.2009) mehr als 2 Wochen. Zudem war der 24.2.2009, ein Faschingsdienstag, kein gesetzlicher Feiertag und die Untätigkeit an diesem Tage dürfte zumindest in solchen Regionen, in den der Karneval - wie in Berlin - üblicherweise nicht besonders ausgiebig gefeiert wird, nicht wegen des Karnevals als ausnahmsweise schuldlos anzusehen sein (so zu § 233 ZPO: vgl. OLG Frankfurt , JurBüro 2004, 680; weitergehend BGH , VersR 1980, 928).

Das Landgericht wird die Klägerin daher zunächst auffordern müssen vorzutragen, wann ihr die Nachricht zugegangen ist.

bb)

32Die Frage, ob die Klage aus dem Gesichtspunkt der Teilanfechtung unzulässig ist, wird gemäß § 139 BGB im Wesentlichen davon abhängen, ob die Beklagte die angefochtenen Beschlüsse ganz oder zum Teil auch ohne diejenigen Kautele gefasst hätte, deren Nichtigerklärung die Klägerin mit dem Klageantrag zu 2. begehrt; insofern wird das Landgericht die Parteien auffordern müssen vorzutragen.

33Denn die Klägerin begehrt mit ihrem Klageantrag zu 2. eine Teilanfechtung, die nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur nur dann zulässig ist, wenn die Gesellschaft den Beschluss auch ohne den angefochtenen Teil gefasst hätte (vgl. Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 241 Rdnr. 71, § 243 Rdnr. 25, m.w.N.). Dabei ist vorliegend in Betracht zu ziehen, dass die Beklagte nicht nur den Beschluss zu TOP 2 vom 12.1.2009 (Darlehensprolongation) nicht ohne die genannten Kautele gefasst hätte, sondern auch nicht den Beschluss zu TOP 1 vom 12.1.2009 (Ausschüttung). Denn die Beklagte hätte möglicherweise auch von dem Beschluss einer Ausschüttung Abstand genommen, wenn die Darlehensprolongationsverhandlungen mit der Bank schon gar nicht in Angriff genommen worden wären. Falls die beiden Beschlüsse in diesem Sinne eine Einheit darstellen sollten, wäre nicht nur der Klageantrag zu 2., sondern auch der Klageantrag zu 1. unzulässig.

cc)

Ein stillschweigender Verzicht der Klägerin auf ihr Anfechtungsrecht dürfte in der Ausschüttung, die die Klägerin nach dem 21.4.2009 vorgenommen hat, nicht zu sehen sein.

Denn die Klägerin hat nachvollziehbar erläutert, dass der Beschluss vom 21.4.2009 eine für sie wesentlich geänderte Situation geschaffen hat, in der sie die rechtlichen Hindernisse für die Ausschüttung als ausgeräumt ansah. Der Ausschüttung dürfte daher der von der Beklagten geltend gemachte, verzichtende Erklärungswert nicht zuzumessen sein.

dd)

Die Behauptung der Rechtsanwälte R. pp., das Landgericht habe in der mündlichen Verhandlung irgendwelche für die Beklagte günstigen Zusagen im Hinblick auf die Entscheidung in der Hauptsache gemacht, ist unerheblich.

Denn derartige Äußerung vermögen nicht die von Gesetzes wegen - hier § 91a ZPO - zu treffenden Kostenverteilung zwischen den Parteien zu modifizieren. Allenfalls könnten Anfechtungstatbestände wegen Irrtums oder Täuschung in Betracht kommen, für die vorliegend freilich keine Anhaltspunkte zu erkennen sind.

ee)

Soweit die Rechtsanwälte R. pp. geltend machen, dass der Beschluss vom 21.4.2009 keine Erledigung bewirkt habe, ist dies jedenfalls für die Anwendung des derzeit in Rede stehenden § 91a ZPO unerheblich.

Denn der Eintritt der Erledigung ist weder eine Tatbestandsvoraussetzung des § 91a ZPO (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 91a Rdnr. 12) noch maßgeblich für die im Rahmen dieser Vorschrift zu bildende Kostenquote (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 91a Rdnr. 24).

ff)

Soweit es vorliegend letztlich auf die materielle Rechtslage ankommt, ist im Hinblick auf § 13.5 des Gesellschaftsvertrages maßgeblich, ob der Abschluss einer Darlehensprolongationsvereinbarung mit Bank unter den Kautelen des Beschluss zu TOP 2 vom 12.1.2009 als realistisch gelten durfte und ob der Beklagten in Folge der Ausschüttung die für den normalen Geschäftsbetrieb erforderliche Liquidität abhanden gekommen wäre, wenn das Darlehen nicht prolongiert worden wäre. In diesem Zusammenhang wird das Landgericht zunächst zu überprüfen haben, ob der diesbezügliche Sachvortrag der Parteien hinreichend substanziiert ist und in Bezug auf welche entscheidungserheblichen Tatsachen der Sachvortrag streitig ist. Soweit danach Beweis zu erheben gewesen wäre - etwa durch Einholung eines betriebs- und/oder immobilienwirtschaftlichen Gutachtens, ggf. auch von Amts wegen (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 403 Rdnr. 1) - könnte dies die vom Landgericht gebildete Kostenquote, bezogen auf denjenigen Teil der Klage, der nicht schon aus anderen Gründen von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg ist (s.o.), rechtfertigen (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 91a Rdnr. 26). In der Begründung einer Kostenentscheidung, die demgemäß ergeht, wären diejenigen Tatsachen konkret zu bezeichnen, die das Gericht für beweisbedürftig ansieht.






KG:
Beschluss v. 25.01.2010
Az: 2 W 210/09


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