Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. September 2000
Aktenzeichen: 5 W (pat) 2/00
(BPatG: Beschluss v. 04.09.2000, Az.: 5 W (pat) 2/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 4. September 2000 (Aktenzeichen 5 W (pat) 2/00) die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 19. Januar 2000 zurückgewiesen. Die Antragstellerin hatte die Löschung eines eingetragenen Gebrauchsmusters beantragt, da sie der Meinung war, dieses sei unrechtmäßig abgezweigt worden. Nachdem die Antragsgegnerin dem Löschungsantrag nicht widersprochen hatte, beantragte die Antragstellerin, ihr die Kosten des Löschungsverfahrens aufzuerlegen. Das Patentamt entschied jedoch, dass die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens tragen müsse.
Gegen diese Entscheidung legte die Antragstellerin Beschwerde ein. Sie argumentierte, dass ein freiwilliges Nachgeben der Antragsgegnerin aufgrund der Androhung einer einstweiligen Verfügung ausgeschlossen gewesen sei. Außerdem sei die Eintragung des Gebrauchsmusters erst später als festgestellt bekannt gegeben worden. Die Antragsgegnerin wiederum bestritt, dass sie die genannten Schreiben veranlasst hatte.
Das Gericht entschied, dass die Beschwerde keinen Erfolg hatte. Die Gebrauchsmusterabteilung des Patentamts hatte die Kosten des Verfahrens zu Recht der Antragstellerin auferlegt. Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 GebrMG hat das Amt zu bestimmen, zu welchem Anteil den Beteiligten die Kosten des Verfahrens zur Last fallen. Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG müssen dabei die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskosten entsprechend angewendet werden, sofern die Billigkeit keine andere Entscheidung erfordert.
Nach diesem Grundsatz trägt normalerweise der unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens. In diesem Fall war jedoch die Antragsgegnerin unterlegen, da sie durch Unterlassen des Widerspruchs die Rolle der Unterliegenden eingenommen hatte. Dennoch wurden die Kosten der Antragstellerin auferlegt, da die Antragsgegnerin durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Stellung des Löschungsantrags gegeben hatte und diesen sofort anerkannt hatte.
Eine Veranlassung zur Stellung eines Löschungsantrags gibt der Gebrauchsmusterinhaber durch sein Verhalten, das bei einem vernünftigen Antragsteller den Schluss auf die Notwendigkeit eines Löschungsverfahrens rechtfertigt. Im vorliegenden Fall hatte die Antragstellerin die Gebrauchsmusterinhaberin jedoch nicht zu einer freiwilligen Aufgabe des Gebrauchsmusters oder zu einer ähnlichen Handlung aufgefordert, sondern direkt einen Antrag auf Löschung des Gebrauchsmusters gestellt. Die von der Antragstellerin angeführten Abmahnungsschreiben wurden nicht von der Antragsgegnerin an sie gerichtet und sie konnte nicht nachweisen, dass diese Schreiben auf Veranlassung der Antragsgegnerin erfolgt waren. Selbst wenn die Antragsgegnerin Kenntnis von einem der Schreiben hatte, konnte nicht davon ausgegangen werden, dass ein Verzicht auf das Gebrauchsmuster von vornherein ausgeschlossen war. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass die Eintragung und eine einstweilige Verfügung unmittelbar bevorstanden oder dass die Antragsgegnerin rechtliche Schritte drohte. Das Gericht entschied daher, dass die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auferlegt werden konnten.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 04.09.2000, Az: 5 W (pat) 2/00
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 19. Januar 2000 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Gründe
I.
Die Antragstellerin hat am 1. April 1999 die Löschung des am 25. August 1998 mit der Bezeichnung "Enteisungsmittel" angemeldeten und am 21. Januar 1999 für die Antragsgegnerin eingetragenen Gebrauchsmusters 297 23 589 beantragt.
Nachdem die Antragsgegnerin dem Löschungsantrag nicht widersprochen hat, hat die Antragstellerin beantragt, der Antragsgegnerin die Kosten des Löschungsverfahrens aufzuerlegen. Das Streitgebrauchsmuster sei aus der internationalen Anmeldung PCT/CH97/00315 abgezweigt worden. Sie selbst sei von der Im-Pro Importartikel mit Schreiben vom 5. August 1998 darauf hingewiesen worden, daß das Patent in spätestens zwei Monaten eingetragen werde. Weiterhin sei die W... & Co. GmbH mit Schreiben vom 2. September 1998 durch die I... ... AG auf die baldige Eintragung des Gebrauchsmusters hingewiesen wor- den, wobei eine gerichtliche Verfügung unmittelbar nach Eintragung des Gebrauchsmusters angedroht worden sei. Wegen der offensichtlich auf die Antragsgegnerin zurückzuführenden Marktverunsicherung sei es geboten gewesen, das Gebrauchsmuster so schnell wie möglich löschen zu lassen.
Dem hat die Antragsgegnerin widersprochen. Sie habe die genannten Schreiben nicht veranlaßt. Im übrigen lasse das Schreiben der I... AG Ge- sprächs- und Verhandlungsbereitschaft erkennen. Für die Kostenauferlegung sei daher § 93 ZPO heranzuziehen.
Mit Beschluß vom 19. Januar 1999 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts der Antragstellerin die Kosten des Löschungsverfahrens nach § 93 ZPO auferlegt. Die Antragsgegnerin habe den Löschungsanspruch sofort anerkannt und keine Veranlassung zur Einreichung des Löschungsantrags gegeben. Der Antragstellerin sei von der Antragsgegnerin selbst kein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung angedroht worden. Auch sei nach dem Schreiben vom 2. September 1998 bis zur Stellung des Löschungsantrags am 1. April 1999 ein längerer Zeitraum vergangen, ohne daß tatsächlich gerichtliche Schritte veranlaßt worden seien. Ein freiwilliges Nachgeben der Antragsgegnerin habe daher nicht ausgeschlossen werden können.
Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, daß ein freiwilliges Nachgeben der Antragsgegnerin angesichts der von ihr veranlaßten Androhung einer einstweiligen Verfügung als ausgeschlossen habe betrachtet werden können. Bei dem von der Gebrauchsmusterabteilung festgestellten längerem Zeitraum werde verkannt, daß die Eintragung erst am 4. März 1999 bekanntgemacht worden sei.
Die Antragstellerin beantragt, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahren aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin selbst habe weder die Antragstellerin noch sonstige Dritte aus dem Gebrauchsmuster oder der ihm zugrundeliegenden PCT-Anmeldung verwarnt oder irgendwelche gerichtliche Schritte angedroht.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Beschwerdevorbringen der Parteien verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat die Gebrauchsmusterabteilung der Antragstellerin die Kosten des Löschungsverfahrens nach § 93 ZPO auferlegt.
1. Gemäß § 17 Abs 4 Satz 1 GebrMG hat das Amt zu bestimmen, zu welchem Anteil den Beteiligten die Kosten des Löschungsverfahrens zur Last fallen. Nach Satz 2 dieser Bestimmung ist § 84 Abs 2 Satz 2 PatG entsprechend anzuwenden. Danach finden die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten entsprechende Anwendung, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert.
Entsprechend § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO hat grundsätzlich der unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen. Unterlegen ist hier die Antragsgegnerin, weil sie sich durch Unterlassen des Widerspruchs in die Rolle der Unterliegenden gegeben hat. Gleichwohl müssen die Verfahrenskosten nach § 93 ZPO der Antragstellerin auferlegt werden, weil die Antragsgegnerin nicht durch ihr Verhalten zur Stellung des Löschungsantrags Veranlassung gegeben und sie den Löschungsantrag sofort anerkannt hat.
Veranlassung zur Stellung eines Löschungsantrags gibt ein Gebrauchsmusterinhaber durch ein Verhalten, das bei dem Antragsteller vernünftigerweise den Schluß auf die Notwendigkeit eines Löschungsverfahrens rechtfertigt. Ein solches Verhalten liegt regelmäßig dann vor, wenn der Gebrauchsmusterinhaber einer Aufforderung zur freiwilligen Aufgabe des Gebrauchsmusters oder zu einer wesensgleichen Handlung nicht nachkommt (vgl BPatGE 30, 117f).
Diese Voraussetzungen sind nach eigenem Vorbringen der Antragstellerin nicht gegeben. Nachdem das Streitgebrauchsmuster am 21. Januar 1999 eingetragen worden war, hat die Antragstellerin die Gebrauchsmusterinhaberin nicht zu einer freiwilligen Aufgabe des Gebrauchsmusters oder zu einer wesensgleichen Handlung aufgefordert, sondern unmittelbar seinen Antrag auf Löschung des Gebrauchsmusters gestellt.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war eine derartige Aufforderung auch nicht deswegen entbehrlich, weil sie von vornherein keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Hinsichtlich der von der Antragstellerin angeführten "Abmahnungsschreiben" der Im-Pro Importartikel an die Antragstellerin vom 5. August 1998 und der I... AG an die W... & Co. GmbH vom 2. September 1998 ist zunächst festzustellen, daß die Antragstellerin von der Antragsgegnerin selbst zu keinem Zeitpunkt zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen aufgefordert wurde. Zudem war das Schreiben der I... AG nicht an die Antragstellerin, sondern einen Dritten gerichtet. Die Antragstellerin hat auch keinerlei Nachweis für die von der Antragsgegnerin bestrittene Behauptung erbracht, daß die Schreiben vom 5. August und 2. September 1998 auf Veranlassung der Antragsgegnerin erfolgt sind, weswegen diese Schreiben der Antragsgegnerin nicht zugerechnet werden können.
Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Antragsgegnerin von dem Schreiben der I... AG an die W... & Co. GmbH Kenntnis hatte und weiterhin davon ausgeht, daß die Antragstellerin mit dem Einverständnis der Antragsgegnerin zu dieser Abmahnung rechnen durfte, kann der Auffassung der Antragstellerin nicht gefolgt werden, daß eine Aufforderung an die Antragsgegnerin, auf ihr Gebrauchsmuster zu verzichten, von vornherein ohne Erfolg gewesen wäre. Es ist kein Grund ersichtlich, warum freiwilliges Nachgeben der Inhaberin als mit Sicherheit ausgeschlossen erscheinen sollte (vgl BPatGE 22, 57, 60). Denn die I... hat zwar in ihrem Schreiben angekündigt, unmittelbar nach Ein- tragung des Gebrauchsmusters eine "gerichtliche Verfügung" zu beantragen. Die Eintragung und damit eine etwaige einstweilige Verfügung standen aber nicht unmittelbar bevor. Außerdem hat sie in dem Schreiben abschließend ausdrücklich erklärt, daß sie "für weitere Gespräche und Verhandlungen jederzeit offen" ist. Auch in diesem Umstand weicht der vorliegende Fall von dem in BPatGE 2, 211, 214 entschiedenen Fall ab, auf den sich die Antragstellerin - vergebens - beruft. Dieses generelle Gesprächsangebot und die Tatsache, daß der Antragstellerin auch nach Eintragung des Streitgebrauchsmusters keine rechtlichen Schritte angedroht wurden, hätten sie veranlassen müssen, mit der Antragsgegnerin in Kontakt zu treten, bevor sie ein Löschungsverfahren einleitet.
2. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 18 Abs 3 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG und § 97 Abs 1 ZPO. Daß die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert, ist nicht ersichtlich.
Goebel Dr. Schade Gutermuth Pr/prö
BPatG:
Beschluss v. 04.09.2000
Az: 5 W (pat) 2/00
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