Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Februar 2004
Aktenzeichen: 33 W (pat) 256/02
(BPatG: Beschluss v. 10.02.2004, Az.: 33 W (pat) 256/02)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einer Entscheidung vom 10. Februar 2004 (Aktenzeichen 33 W (pat) 256/02) eine Entscheidung der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Mai 2002 aufgehoben. In dem Fall ging es um den Widerspruch einer Marke mit dem Namen AdvoCard gegen die Eintragung einer anderen Marke mit dem Namen AdvoCare für Dienstleistungen eines Versicherungsmaklers, Vermittlung von Darlehen, Investmentanteilen, Bausparverträgen und Immobilien, sowie finanzielle Anlageberatung. Die Widersprechende berief sich auf ihre bereits seit 1987 eingetragene Marke AdvoCard für Versicherungswesen. Die Markeninhaberin erhob die Einrede der Nichtbenutzung, aber nur für die Dienstleistung einer Rechtsschutzversicherung. Die Markenstelle der Klasse 36 wies den Widerspruch zurück, da sie nur für die Rechtsschutzversicherungen eine rechtserhaltende Benutzung sah und keine Verwechslungsgefahr mit der jüngeren Marke sah. Die Widersprechende legte jedoch Beschwerde ein und argumentierte, dass es eine Verwechslungsgefahr gebe, da die Widerspruchsmarke insgesamt erhöhte Kennzeichnungskraft besitzt und es eine hohe Ähnlichkeit zwischen den Dienstleistungen beider Marken gibt. Die Markeninhaberin äußerte sich nicht zu der Beschwerde. Das Bundespatentgericht gab der Beschwerde der Widersprechenden statt und ordnete die Löschung der jüngeren Marke AdvoCare an, da eine Verwechslungsgefahr mit der älteren Marke AdvoCard bestehe, insbesondere in schriftbildlicher Hinsicht.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 10.02.2004, Az: 33 W (pat) 256/02
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Mai 2002 aufgehoben.
2. Wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 112 763 wird die Löschung der Marke 398 65 627 angeordnet.
Gründe
I Gegen die Eintragung der Marke 398 65 627 AdvoCarefür Dienstleistungen eines Versicherungsmaklers; Vermittlung von Darlehen, Investmentanteilen, Bausparverträgen, Immobilien; finanzielle Anlageberatungist Widerspruch eingelegt worden aus der seit dem 14. Oktober 1987 für "Versicherungswesen" eingetragenen Marke 1 112 763 AdvoCard.
Die Markeninhaberin hat die Einrede der Nichtbenutzung erhoben, die sie nach Vorlage von Benutzungsunterlagen durch die Widersprechende nur noch teilweise aufrechterhält. Für "Dienstleistung einer Rechtsschutzversicherung" wird die Nichtbenutzungseinrede ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten.
Mit Beschluss vom 27. Mai 2002 hat die Markenstelle für Klasse 36 den Widerspruch durch ein Mitglied des Patentamts nach §§ 42 Abs. 2, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung führte sie aus, dass von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke nur für die Dienstleistungen "Rechtsschutzversicherungen" ausgegangen werden könne, da die Inhaberin der angegriffenen Marke ihre Nichtbenutzungseinrede insoweit zurückgenommen habe und angesichts der eingereichten Glaubhaftmachungsunterlagen von einer weitergehenden Benutzung nicht ausgegangen werden könne. Zwischen der Dienstleistung "Rechtsschutzversicherungen" und den für die jüngere Marke eingetragenen "Dienstleistungen eines Versicherungsmaklers" bestehe enge Ähnlichkeit, zumal deren Erbringer eng miteinander verbunden und aufeinander angewiesen seien. Zu den übrigen Dienstleistungen der jüngeren Marke bestehe eine mittlere Ähnlichkeit, da Versicherungs- und Finanzdienstleistungen häufig von denselben Unternehmen, zum Beispiel von Banken, angeboten würden. Die jüngere Marke halte den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke jedoch ein. In klanglicher Hinsicht seien deutliche Unterschiede zwischen den jeweils als "kahrd" und "kär" ausgesprochenen zweiten Bestandteilen der Zeichen vorhanden. In schriftbildlicher Hinsicht genüge der Unterschied im letzten Buchstaben "d" und "e", um die Marken sicher auseinander halten zu können, wobei entscheidend sei, dass es sich um zwei sehr kurze Wörter handele. Begrifflich stünden sich die als "Karte" und "Sorge" übersetzten zweiten Bestandteile der Zeichen mit unterschiedlichen Bedeutungsinhalten gegenüber. Auch bei einer zu unterstellenden gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien auf Grund der fehlenden Markenähnlichkeit keine Verwechslungen in relevanten Umfang zu erwarten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie vertritt die Auffassung, dass die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchmarke für "Rechtsschutzversicherungen" dazu führe, dass auch der Oberbegriff "Versicherungswesen" als benutzt zu Grunde zu legen sei. Zwischen den Dienstleistungen "(Rechtsschutz-) Versicherung" der Widerspruchsmarke und den Versicherungsmakler- und Finanzdienstleistungen der jüngeren Marke bestehe ein hoher Grad an Ähnlichkeit. Außerdem sei eine hohe schriftbildliche Zeichenähnlichkeit gegeben, zumal beide Zeichen in den ersten sieben Buchstaben identisch seien und sich nur im letzten Buchstaben "e/d" unterschieden. Dieser Unterschied sei kaum wahrnehmbar. Hinzu komme die in beiden Marken vorhandene Binnengroßschreibung. Bei den einander gegenüberstehenden Zeichen handele es sich nicht um sehr kurze Wörter, denn sie umfassten mehr als zwei oder drei Buchstaben. Im übrigen bestünden für Kurzworte auch keine Sonderregelungen. Die von der Markenstelle vorgenommenen Abspaltung des Wortanfangs "Advo" sei unzulässig, da bei Einwortmarken stets der Gesamteindruck berücksichtigt werden müsse. Damit sei eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle vom 27. Mai 2002 aufzuheben und die Eintragung der Marke 398 656 627 wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 112 763 zu löschen.
Die Markeninhaberin hat sich auf die ihr zugestellte Beschwerde und Beschwerdebegründung nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet.
1. Nachdem die Inhaberin der jüngeren Marke ihre Nichtbenutzungseinrede für "Dienstleistung einer Rechtsschutzversicherung" nicht mehr aufrecht erhält, kann diese auf Seiten der Widerspruchsmarke zugrunde gelegt werden. Bereits unter Berücksichtigung nur dieser Dienstleistung hält der Senat eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den sich gegenüberstehenden Marken für gegeben, so dass es nicht mehr darauf ankommt, ob eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke darüber hinausgehend auch für den Oberbegriff "Versicherungswesen" oder weitere Ausschnitte davon glaubhaft gemacht worden ist.
2. Die Widerspruchsmarke verfügt in Verbindung mit den benutzten Dienstleistungen über eine erhöhte Kennzeichnungskraft. Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2000 hat die Widersprechende eine durch umfangreiche Benutzung erhöhte Verkehrsbekanntheit ihrer Marke vorgetragen. Dieser Vortrag blieb unwidersprochen und ist daher nach den Grundsätzen der Vitapur-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 1967, 246; vgl. a. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9, Rdn. 300) als liquide zugrunde zu legen.
3. Die für die jüngere Marke eingetragenen "Dienstleistungen eines Versicherungsmaklers" sind mit Dienstleistungen einer Rechtsschutzversicherung teilweise identisch, im übrigen hochgradig ähnlich, zumal Rechtsschutzversicherungen ihre Dienstleistungen auch selbst vertreiben. Der Vertrieb der eigenen Dienstleistung ist vom Dienstleistungsbegriff mit umfasst, so dass sich die beiderseitigen Dienstleistungen im Bereich der auf Rechtsschutzversicherungen bezogenen Vertriebs- bzw. Maklertätigkeit überschneiden.
Außerdem sind die für die angegriffene Marke eingetragenen Dienstleistungen "Vermittlung von Darlehen, Investmentanteilen, Bausparverträgen, Immobilien; finanzielle Anlageberatung" mit Dienstleistungen einer Rechtsschutzversicherung zumindest mittelgradig ähnlich. Beide Arten von Dienstleistungen dienen der finanziellen Absicherung des Kunden und werden häufig nebeneinander, u.a. von Strukturvertrieben und Allfinanz-Dienstleistern gegenüber gleichen Abnehmern vertrieben bzw. erbracht. Dieser Aspekt ist in jüngster Zeit durch entsprechende Unternehmenszusammenschlüsse, wie etwa die Fusion der Allianz AG mit der Dresdner Bank AG in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.
4. Die angegriffene Marke hält den insoweit erforderlichen größeren Abstand zur Widerspruchsmarke jedenfalls in schriftbildlicher Hinsicht nicht ein. Die beiden Zeichen sind in den ersten sieben Buchstaben völlig identisch, nur im letzten Buchstaben "e/d" unterscheiden sie sich. Auch wenn die Endbestandteile beider Marken infolge des abweichenden Schlussbuchstabens unterschiedliche Sinngehalte aufweisen ("Sorge"/"Karte"), was zur leichteren Unterscheidung beitragen kann, so vermag dies angesichts der weitgehenden Gemeinsamkeiten keinen abweichenden schriftbildlichen Gesamteindruck zu begründen. Denn bei der Feststellung der Markenähnlichkeit kommt es in erster Linie auf die Gemeinsamkeiten an (vgl. BGH GRUR 2003, 1044 - Kelly). Bei den relativ langen Markenwörtern kann der Unterschied im Schlussbuchstaben damit nicht entscheidungserheblich ins Gewicht fallen, zumal der Verkehr den Wortanfang regelmäßig stärker beachtet als das Wortende. Darüber hinaus kommt als weitere Gemeinsamkeit die in beiden Marken vorhandene Binnengroßschreibung des Buchstabens "C" in der Wortmitte hinzu.
Insbesondere kann der Markenstelle nicht gefolgt werden, wenn sie nur auf die Endbestandteile "Card" und "Care" der Marken abstellt und angesichts der Kürze dieser Wörter eine Ähnlichkeit verneinen will. Die Prüfung der Markenähnlichkeit hat zunächst anhand der Marken in ihrer Gesamtheit zu erfolgen. Erst wenn sich nicht schon dabei eine für die Feststellung der Verwechslungsgefahr ausreichende Ähnlichkeit ergibt, kann es auf die Identität oder Ähnlichkeit von Markenbestandteilen ankommen, sofern diese - was hier auch nicht der Fall ist - den Gesamteindruck der Marken prägen oder - bei der assoziativen Verwechslungsgefahr - einen Hinweischarakter auf den Betrieb des Widersprechenden aufweisen. Auf letzteres kommt es damit nicht mehr an, ebenso auf die Frage einer klanglichen Ähnlichkeit, zu der der Senat ebenfalls neigen würde.
Winkler Dr. Hock Kätker Cl
BPatG:
Beschluss v. 10.02.2004
Az: 33 W (pat) 256/02
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