Bundespatentgericht:
Urteil vom 19. November 2009
Aktenzeichen: 5 Ni 87/09
(BPatG: Urteil v. 19.11.2009, Az.: 5 Ni 87/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seiner Entscheidung vom 19. November 2009 (Aktenzeichen 5 Ni 87/09) die Klage abgewiesen. Gegenstand der Klage war die Nichtigkeitserklärung eines deutschen Patents. Die Beklagten sind die Inhaber des Patents, das eine Hydroformpresse zum Durchtakten breiter Bleche betrifft. Die Klägerin war der Ansicht, dass der Gegenstand des Patents nicht neu sei und keine erfinderische Tätigkeit aufweise. Sie berief sich dabei auf mehrere Druckschriften.
Das Gericht stellte fest, dass das Patent neu sei, da der Gegenstand des Patents sich von den bekannten Techniken unterscheide. Insbesondere sei die Hydroformpresse nach dem Patent zum Durchtakten breiter Bleche geeignet, während dies bei den bekannten Pressen nicht der Fall sei. Das Gericht erkannte auch eine erfinderische Tätigkeit des Patents an. Obwohl einige Merkmale der Patentansprüche bereits in den Druckschriften vorhanden waren, hatte der Fachmann keine Veranlassung, diese zu kombinieren, um eine Hydroformpresse zum Durchtakten breiter Bleche zu realisieren. Das Gericht wies darauf hin, dass die Druckschriften keine Anregungen gaben, dass die genannten Merkmale eine solche Bearbeitung ermöglichen könnten.
Die Klage wurde daher abgewiesen und die Klägerin zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verurteilt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Urteil v. 19.11.2009, Az: 5 Ni 87/09
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagten sind Inhaber des am 1. April 2003 angemeldeten deutschen Patents 103 14 637 (Streitpatent), dessen Erteilung am 30. September 2004 veröffentlicht worden ist. Das Streitpatent ist bezeichnet mit "Hydroformpresse zum Durchtakten breiter Bleche". Es umfasst 6 Patentansprüche, wobei die Unteransprüche 2 bis 6 unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen sind.
Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
Hydroformpresse zum Durchtakten breiter Bleche,
-bestehend aus einem oder mehreren ringförmigen Zugankern,
-in denen gegenüberliegende nahezu spaltfrei gleitend eingepasste halbkreisähnliche Formstücke angeordnet sind,
-zwischen denen eine schmale rechteckförmige offen bleibende Beschickungsund Entnahmeöffnung vorhanden ist und -wo im oberen oder unteren halbkreisähnlichen Formstück ein flacher Formkolben eingearbeitet ist, dessen Querschnittsfläche sich möglichst vollständig über den quergestreckten Umformbereich erstreckt und ein eingelegtes Blech über das Werkzeug gegen das zweite halbkreisähnliche Formstück zum Abdichten und Zuhalten des Umformbereiches anpresst.
Wegen der weiter angegriffenen Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift DE 103 14 637 B3 Bezug genommen.
Nach Auffassung der Klägerin ist der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber der in der Druckschrift DE 37 42 541 A1 offenbarten Gummikissenpresse nicht neu. In jedem Falle beruhe er gegenüber dem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Zur Begründung bezieht sich die Klägerin auf folgende Druckschriften:
-D1: DE 1 141 967 (Anlage K2) -D2: DE 26 55 770 A1 (Anlage K3) -D3: DE 37 42 541 A1 (Anlage K4) -D4: DE 44 34 799 A1 (Anlage K5) -D5: CH 343 795 (Anlage K6) -Prospekt der Verson Allsteel Press Company: VERSON
-WHEELON DIRECT ACTING HYDRAULIC PRESSES, veröffentlicht angeblich 1968 (Anlage K7) -O.D. Lascoe, HANDBOOK OF FABRICATION PROCESSES, April 1988, S. 53-55 (Anlage K8).
Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent 103 14 637 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie halten den Gegenstand ihres Patents für neu und erfinderisch und treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Insbesondere meinen sie, dass die Formulierung im Patentanspruch 1 "zum Durchtakten breiter Bleche" ein eigenständiges wesentliches Merkmal des beanspruchten Gegenstandes und keine bloße Zweckangabe sei.
Gründe
Die zulässige Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird (§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG), ist unbegründet.
I.
1. Das Streitpatent betrifft die Bauart einer Hydroformpresse zum Durchtakten breiter Bleche. Nach der Patentbeschreibung wirkt auf derartige Pressen beim Umformen ein Wasserdruck von mehreren tausend Bar ein. Es bestünden daher hohe Anforderungen, der Materialbeanspruchung, der Dichtigkeit sowie der Lebensdauer der Pressenkomponenten gerecht zu werden. Im Stand der Technik seien verschiedene Ausgleichsmechanismen entwickelt worden, die die Verformung des Rahmens durch Kissen oder Kolben kompensieren und damit die Ebenheit und Dichtigkeit des Umformbereiches gewährleisten könnten. Die Patentbeschreibung nimmt in diesem Zusammenhang auf zahlreiche Schutzrechte Bezug (Abs. [0002] der Streitpatentschrift). Diese bekannten Bauarten seien jedoch ungeeignet, um breite Bleche durch die Presse hindurchzuführen, da die dort verwendeten Rahmenund Tischbauweisen extrem hoch, breit und massiv ausfallen würden. Die Streitpatentschrift nennt weitere Schutzrechte, in denen geeignetere Bauweisen zum Hydroformen offenbart seien. Dort würden die Schließkräfte über Ringsegmente, durchgehende zylindrische Rohre oder ringförmige Ummantelungen aufgenommen. Diese aufgeführten Bauarten seien aber nicht für breite streifenartige Umformungen bei großer Umformfläche konzipiert. Das Durchtakten von Blechen sei nicht möglich, da ein die Presse überragendes langes Blech nicht abschnittsweise durchgesetzt werden könne (Abs. [0003] der Streitpatentschrift).
In Patentanspruch 1 ist deshalb eine Hydroformpresse zum Durchtakten breiter Bleche vorgestellt, die folgende Merkmale aufweist:
1. Hydroformpresse 1.1 zum Durchtakten breiter Bleche 2.
die Hydroformpresse besteht aus einem oder mehreren Zugankern 3.
der bzw. die Zuganker ist bzw. sind ringförmig 4.
in dem Zuganker bzw. den Zugankern sind gegenüberliegende halbkreisähnliche Formstücke angeordnet 5.
die Formstücke sind in den Zugankern nahezu spaltfrei gleitend eingepasst 6.
zwischen den Formstücken ist eine schmale rechteckförmige offen bleibende Beschickungsund Entnahmeöffnung vorhanden 7.
im oberen oder unteren halbkreisförmigen Formstück ist ein flacher Formkolben eingearbeitet 8.
die Querschnittsfläche des flachen Formkolbens erstreckt sich möglichst vollständig über den quergestreckten Umformbereich 9.
die Querschnittsfläche des flachen Formkolbens presst ein eingelegtes Blech über das Werkzeug gegen das zweite halbkreisähnliche Formstück zum Abdichten und Zuhalten des Umformbereiches an.
2. Als Fachmann beschäftigte sich mit dem technischen Gebiet des Streitpatents im Anmeldezeitpunkt ein Maschinenbauingenieur mit langjähriger Berufserfahrung, der mit der Konstruktion von Pressen befasst ist. Das Verständnis dieses Fachmanns ist Maßstab sowohl für die Auslegung des Patentanspruchs als auch für die Beurteilung der erfinderischen Leistung.
Bei Zugrundelegung dieses fachmännischen Verständnisses ist das Merkmal 1.1, wonach die patentierte Hydroformpresse zum Durchtakten breiter Bleche ausgelegt sein soll, als wesentliches Vorrichtungsmerkmal und nicht nur als einfache Funktionsangabe zu verstehen. Sie definiert das Vorrichtungselement, auf das sie sich bezieht als ein solches, das so ausgebildet sein muss, dass es die betreffende Funktion erfüllen kann (vgl. BGH GRUR 2006, 923, 925 [Nr. 15] -Luftabscheider für Milchsammelanlage; GRUR 2009, 837, 838 [Nr. 15] -Bauschalungsstütze). In der Streitpatentschrift ist hierzu ausgeführt, dass die patentgemäße Hydroformpresse in der Lage sein soll, immer wiederkehrende gleiche Strukturen abschnittsweise mittels Wasserdruck zu formen und nahtlos aneinander zu setzen, wie es z. B. für Höckerbleche, Noppenplatten oder Wärmetauscherplatten nötig ist (Abs. [0001]). Daraus ergibt sich, dass unter dem Begriff "Durchtakten" das abschnittsweise Durchsetzen bzw. Umformen eines die Presse überragenden langen und breiten Bleches zu verstehen ist. Dadurch sollen immer wiederkehrende gleiche Strukturen auf einem Blech ausgeformt und nahtlos sowie ohne Rand aneinandergesetzt werden können (Abs. [0001] und [0003] der Streitpatentschrift). Die Presse soll sonach aufgrund ihrer räumlich körperlichen Ausgestaltung die Funktion des Durchtaktens breiter Bleche erfüllen können (so auch das LG Düsseldorf im parallelen Verletzungsprozess, Urt. v. 11.12.2007, 4b O 63/07). Dazu ist erforderlich, dass zum einen die Beschickungsund Entnahmeöffnung während des Pressvorgangs offenbleibt (Merkmal 6), damit das die Presse überragende Blech auf beiden Seiten über den eigentlichen Umformbereich überstehen kann, und dass zum anderen der Umformbereich abgedichtet und zugehalten wird (Merkmal 9).
Der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf die BGH-Entscheidung "Acrylfasern" geäußerten Auffassung, der Begriff "zum Durchtakten breiter Bleche" sei Bestandteil der vom Streitpatent zu lösenden Aufgabe und deshalb als rein funktionales Merkmal für die Auslegung des Patentanspruchs 1 unbeachtlich, folgt der Senat nicht. In der Entscheidung "Acrylfasern" (BGH GRUR 1985, 31, zum patentrechtlichen Beschwerdeverfahren) hat der Bundesgerichtshof einen Patentanspruch für unzulässig gehalten, "weil sich die darin enthaltenen Angaben in dem entscheidenden Punkte in einer näheren Beschreibung des technischen Problems erschöpfen, das dem Anmeldungsgegenstand zugrunde liegt". Davon kann hier keine Rede sein. In der Beschreibung des Streitpatents ist eine "Aufgabe der Erfindung" zwar nicht ausdrücklich formuliert. Einen Anhaltspunkt für die Aufgabe bzw. das zu lösende technische Problem gibt aber Abs. [0001] der Beschreibung, wonach die Erfindung die Bauart einer Hydroformpresse beschreibt, die über die heutigen Möglichkeiten hinaus Bleche in einer großen Breite rationell durchtakten kann. Dabei wird man das "Durchtakten" bereits der Lösung zurechnen müssen, so dass eine von Lösungselementen bereinigte Aufgabenstellung dahin formuliert werden müsste, eine Hydroformpresse zu schaffen, die Bleche verarbeiten kann, deren Größe den Umformbereich übersteigt. Selbst wenn man aber annimmt, dass die Möglichkeit zum Durchtakten breiter Bleche Teil der Aufgabe ist, so kann das entsprechende Merkmal -hier in Form einer Zweckbestimmung -Teil des Anspruchs und für seine Auslegung relevant, ja sogar Beweisanzeichen für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit sein (BGH GRUR 1978, 98, 99 -Schaltungsanordnung). Der Anspruchsinhalt beschränkt sich hier gerade nicht auf dieses Merkmal, sondern gibt durch weitere Merkmale, insbesondere die Merkmale 6 und 9 an, wie die Hydroformpresse ausgestaltet sein soll, damit sie die Zweckbestimmung erfüllt.
II.
Der so verstandene Gegenstand des Streitpatents erweist sich als patentfähig (§§ 22, Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
1. Die beanspruchte Hydroformpresse nach Patentanspruch 1 ist neu.
Aus der Druckschrift DE 37 42 541 A1 (D3) ist eine Presse mit den Merkmalen 2 bis 5 obiger Merkmalsanalyse bekannt. Es mag in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob es sich dabei bereits um eine Hydroformpresse im erfindungsgemäßen Sinne handelt, da dort keine hydraulische Flüssigkeit zur wirkmedienbasierten Umformung eines Werkstücks verwendet wird, wie es beispielsweise in der DE 1 141 967 (D1) oder der DE 44 34 799 A1 (D4) der Fall ist. Auf jeden Fall ist die aus der (D3) bekannte Presse nicht zum Durchtakten breiter Bleche geeignet, wie es im Merkmal 1.1 des Streitpatents gefordert ist.
Wie bereits ausgeführt, ist unter Zugrundelegung des fachmännischen Verständnisses unter dem Begriff "Durchtakten" das abschnittsweise Durchsetzen bzw. Umformen eines die Presse überragenden langen und breiten Bleches zu verstehen, um immer wiederkehrende gleiche Strukturen auf dem Blech auszuformen und nahtlos sowie ohne Rand aneinandersetzen zu können (Abs. [0001] und [0003] der Streitpatentschrift).
Ein so verstandenes Durchtakten breiter Bleche kann aber mit einer Presse nach der (D3) nicht bewerkstelligt werden, was auch von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung so gesehen wurde. Denn der Umformvorgang findet, wie in Figur 1 zu ersehen, innerhalb des Kofferrahmens 5 statt, so dass ein Überstehen eines übergroßen Blechstückes durch die Beschickund/oder Entleeröffnung 14 selbst dann ausgeschlossen wäre, wenn diese Öffnung während des Umformvorgangs offen bliebe (wofür die Schrift im Übrigen keinen Anhalt liefert).
Darüber hinaus findet bei der Presse nach der (D3) auch kein flacher Formkolben (Merkmal 7) im Sinn des Streitpatents Verwendung. Denn gemäß den Ausführungen in der Streitpatentschrift (Abs. [0005]) soll sich der flache Formkolben minimalen Verformungen ausgleichend anpassen können, damit das durchgeführte Blech immer flächig auf das Formstück und die Dichtung gepresst wird. Ein Maschinenelement, welches derartige Eigenschaften besitzt, ist in der Presse nach der (D3) nicht verwirklicht. Die dort verwendete Presszylinderkolbenanordnung 2 kann aufgrund ihrer räumlichkörperlichen Ausgestaltung keine Verformungen mitmachen. Anhaltspunkte hierfür sind der (D3) nicht zu entnehmen.
Da es bei der Presse nach der (D3) bereits am Formkolben fehlt, kann auch das damit zusammenhängende Merkmal 8 des Streitpatents, wonach sich die Querschnittsfläche des flachen Formkolbens möglichst vollständig über den quergestreckten Umformbereich erstreckt, dort nicht erfüllt sein.
Die Hydroformpresse nach dem Streitpatent ist auch gegenüber den übrigen Druckschriften neu. Dies wurde von der Klägerin auch nicht in Abrede gestellt.
2. Die beanspruchte Presse beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.
a) Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 soll sich nach Ansicht der Klägerin aus einer Zusammenschau der (D3) mit der (D4) ergeben.
Wie bereits im Zusammenhang mit der Neuheitsbetrachtung ausgeführt, unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 zumindest durch die Merkmale 1.1, 7 und 8 von der Presse nach der (D3).
Aus der Druckschrift (D4) ist ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Umformen von Blechen bekannt, bei dem das hydraulische Druckmittel -wie bei der streitgegenständlichen Hydroformpresse -unmittelbar auf das zu bearbeitende Blech einwirkt. Es ist jedoch keine vollständige Presse offenbart, sondern lediglich deren Oberwerkzeug 2 und deren Unterwerkzeug 1 (vgl. Figuren 1 bis 3), so dass über die räumlichkörperliche Ausgestaltung der Presse nichts ausgesagt ist.
Wie sich insbesondere aus der Funktionsbeschreibung Sp. 3, Z. 52 bis Sp. 4, Z. 13 ergibt, wird bei der Presse nach der Druckschrift (D4) eine Blechplatine 8 auf das Unterwerkzeug 1 aufgelegt. Anschließend werden Unterwerkzeug 1 und Oberwerkzeug 2 zusammengefahren, bis die Blechplatine 8 in der Trennebene 9 (Figur 2) zwischen dem Ziehring 6 und der Oberseite des Unterwerkzeugs 1 eingespannt ist und zugleich die Dichtung 5 den Innenraum abdichtet. Anschließend wird über die Leitung 4 Druckmittel in die Kammer 3 gesteuert eingespeist, wie dies mit den Pfeilen angedeutet ist, so dass sich das Blech zu einer Art Membran 10 auswölbt (Figur 2). Bei weiterer Druckbeaufschlagung wird das Blech schließlich auf die gesamte Kontur des Formstempels 7 aufgeformt (vgl. Figur 3). Nach Ablassen des Druckmittels über die Leitung 4 werden die Werkzeuge 1, 2 geöffnet, und das Formteil 11 kann entnommen werden.
Aus dieser Beschreibung und auch aus einer Betrachtung der Figuren 1 bis 3 ergibt sich somit, dass bei dieser Presse ein das Werkzeug 2 umgebender Ziehring 6 vorgesehen ist, welcher das eingelegte Blech 8 gegen das Unterwerkzeug 1 zum Abdichten und Zuhalten des Umformbereichs anpresst. Da der Ziehring 6 bzw. das Werkzeug 2 in irgendeiner Weise auf das Unterwerkzeug 1 zu bewegt werden muss, liegt die Verwendung eines Kolbens nahe. Darüber hinaus wird sich der Kolben auch möglichst vollständig über den quergestreckten Umformbereich erstrecken, um eine gleichmäßige Krafteinleitung in das Werkzeug 2 und den Ziehring 6 zu gewährleisten.
Somit offenbart die Druckschrift (D4) zwar zumindest teilweise die Merkmale 7 bis 9, jedoch konnte der Fachmann (vgl. oben I. 2) aufgrund der genannten Merkmale nicht erkennen, dass sich unter deren Zuhilfenahme eine Hydroformpresse zum Durchtakten breiter Bleche konstruieren lässt. Denn in der Druckschrift (D4) ist keinerlei Hinweis enthalten, dass die genannten Merkmale eine derartige Bearbeitung ermöglichen könnten. Es geht dort ausschließlich darum, flache Formteile mit schwacher Konturierung bei guter Formstabilität herzustellen (vgl. Sp. 1, Z. 57 bis 61), ohne eine Durchtaktmöglichkeit anzusprechen. Vielmehr spricht gerade der Umstand, dass gemäß Sp. 4, Z. 14 bis 18 das Formteil nach dem Umformen noch besäumt werden muss und das Material im Bereich 12 (s. Fig. 3) als Abfall anfällt, gegen ein Durchtakten. Denn ein Besäumen geht immer auch mit einem Abschneiden oder Abtrennen einher, was ein Durchtakten eines längeren Blechs unmöglich macht. Zwar schlägt die Schrift (D4) in Sp. 4. Z. 18 bis 31 Maßnahmen vor, mit denen das Besäumen des Formteils vermieden werden kann, aber auch bei dieser Ausführungsform muss jedenfalls der Teil des zu verformenden Bleches 8, der zwischen dem Unterwerkzeug 1 und dem Oberwerkzeug 2 zum Zwecke des Festhaltens eingespannt ist und bleibt, nach dem Umformvorgang abgeschnitten werden.
Selbst wenn somit aus der (D3) und der (D4) sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 bekannt wären, hätte der Fachmann mangels entsprechender Anregungen (vgl. BGH GRUR 2009, 746 -Betrieb einer Sicherheitseinrichtung) keinerlei Veranlassung gehabt, die beiden Druckschriften zu kombinieren, um eine Hydroformpresse zum Durchtakten breiter Bleche zu realisieren.
Hieran vermag auch der Hinweis der Klägerin nichts zu ändern, wonach der Fachmann durch den Umstand, dass bei der Presse nach der (D4) die Einspannkraft reduziert werden kann, um das Blech in der Trennebene nachzuziehen, auf ein Durchtakten hingewiesen wird. Dieser Verfahrensschritt soll allein eine weitere Dehnung des Bleches verhindern (Sp. 4, Z. 7 und 8) und hat mit einem Durchtakten, wie es erfindungsgemäß vorgesehen ist, nichts zu tun.
b) Der übrige Stand der Technik, der größtenteils seitens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr aufgegriffen wurde, liegt erkennbar weiter vom Gegenstand des Streitpatents ab. Ein Durchtakten breiter Bleche im erfindungsgemäßen Sinn kann weder mit der Presse nach der Druckschrift (D1) noch mit derjenigen nach der Druckschrift (D2) DE 26 55 770 A1 (Anlage K3) bewerkstelligt werden, da beide Pressen lediglich dazu ausgelegt sind, im Eintaktverfahren zu arbeiten ((D1): Sp. 4, Z. 25 bis 41 bzw. (D2): S. 6, letzter Abs.), was zumindest im Hinblick auf die Presse nach der Druckschrift (D1) auch von der Klägerin so gesehen wird (vgl. Klageschrift S. 11, Abs. 2).
Die Behauptung der Klägerin, bei der Presse nach der Druckschrift (D2) sei ein Durchtakten möglich, trifft nicht zu. Eine entsprechende Maßnahme findet in der Beschreibung keinen Rückhalt. Vielmehr ist auf Seite 6 letzter Absatz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach dem Herausnehmen eines gepressten Arbeitsstückes neue Bleche in die Form eingelegt werden, was gegen ein Durchtakten spricht. Darüber hinaus findet auch die Behauptung der Klägerin, eine Mulde besitze nach oben vorstehende Längsränder und sei an der Frontund Rückseite offen (vgl. Schriftsatz vom 3. November 2008, S. 3, Abs. 4), in der Druckschrift (D2) keine Stütze. Der Senat versteht deshalb den Begriff "Mulde" im allgemein üblichen Wortsinn dahin, dass er eine von einem Rand allseitig umgebene Absenkung bezeichnet. Gestützt wird diese Auffassung durch den Prospekt "Verson-Wheelon Direct Acting Hydraulik Presses", wo gemäß den Ausführungen der Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 13. Oktober 2009, S. 1, Abs. 1) eine nach dem Prinzip des aus der (D2) bekannten Standes der Technik arbeitende Presse beschrieben ist. Insbesondere aus den auf den Seiten 2 und 5 gezeigten Fotografien ergibt sich eindeutig, dass die Mulde als eine von einem Rand allseitig umgebene Absenkung ausgebildet ist.
Wenn aber der Begriff "Mulde" in diesem allgemeinen Wortsinn zu verstehen ist -und für eine andere Deutung gibt es keinerlei Anhaltspunkte -, ist ein Durchtakten langer Bleche mit der Presse nach der Druckschrift (D2) unmöglich, mit der Folge, dass das Merkmal 1.1 und die damit zusammenhängenden Merkmale 6 und 9 des Streitpatents in der Druckschrift (D2) nicht verwirklicht sind.
Etwas anderes ist auch weder dem Prospekt "Verson-Wheelon Direct Acting Hydraulik Presses" (Anlage K7) noch dem "Handbook of Fabrication Processes" (Anlage K8) zu entnehmen, da dort ebenfalls keinerlei Hinweis auf ein Durchtakten der Werkstücke zu erkennen ist. Vielmehr spricht die Funktionsbeschreibung im Absatz "How it works" (Anlage K7) gerade gegen ein Durchtakten, da dort ausdrücklich angegeben ist, dass nach dem Drucklosmachen der Presse die Mulde aus dem Pressbereich herausgefahren, entleert und neu bestückt wird.
Die (D5) CH 343 795 (Anlage K6), die seitens der Klägerin zu den Unteransprüchen des Streitpatents genannt worden ist, liegt noch weiter vom Patentgegenstand ab als der vorstehend abgehandelte Stand der Technik.
3. Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 haben mit diesem Bestand.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
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BPatG:
Urteil v. 19.11.2009
Az: 5 Ni 87/09
Link zum Urteil:
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