Verwaltungsgericht Ansbach:
Beschluss vom 19. Juni 2008
Aktenzeichen: AN 14 M 08.30193

(VG Ansbach: Beschluss v. 19.06.2008, Az.: AN 14 M 08.30193)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 19. Juni 2008 bezieht sich auf eine Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin. Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. April 2008 wurden die Erstattungskosten für den Kläger festgesetzt. Der Anwalt des Klägers hatte beantragt, eine Geschäftsgebühr von 245,70 EUR festzusetzen. Die Urkundsbeamtin teilte daraufhin mit, dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr geprüft werde. Der Anwalt argumentierte, dass die Geschäftsgebühr nicht auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden dürfe. Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde daraufhin dahingehend geändert, dass die Geschäftsgebühr um 122,85 EUR gekürzt und eine halbe Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr angerechnet wurde.

Der Anwalt des Klägers legte daraufhin Erinnerung gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss ein und beantragte 146,19 EUR zusätzlich festzusetzen. Er argumentierte erneut, dass die Geschäftsgebühr nicht auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden dürfe, da es sich um ein Kostenerstattungsverhältnis handele. Das Gericht wies die Erinnerung zurück und bestätigte die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr. Es führte aus, dass der Gesetzgeber dies bewusst in Kauf genommen habe, um den Anwalt, der bereits im vorprozessualen Verfahren tätig war, weniger zu vergüten. Das Gericht betonte, dass der Wortlaut des Gesetzes eindeutig sei und es keine Unterscheidung zwischen verwaltungsgerichtlichen und zivilrechtlichen Verfahren gebe. Das Gericht entschied, dass die Erinnerung zurückgewiesen wird und der Kläger die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen hat.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

VG Ansbach: Beschluss v. 19.06.2008, Az: AN 14 M 08.30193


Tenor

1. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 30. April 2008 wird zurückgewiesen.

2. Der Erinnerungsführer hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

3. Der Streitwert für das Erinnerungsverfahren wird auf 146,19 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 10. Januar 2008 im Verfahren AN 14 K 07.30071 wurde der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Januar 2007, mit dem die mit Bescheid vom 7. Februar 2000 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, widerrufen und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, aufgehoben. Außerdem wurde bestimmt, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen habe.

Daraufhin beantragte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 5. Februar 2008 Kostenfestsetzung, wobei er eine 1,3fache Verfahrensgebühr in Höhe von 245,70 EUR in Rechnung stellte.

Mit Schreiben vom 13. Februar 2008 teilte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle dem Bevollmächtigten des Klägers daraufhin mit, dass zu prüfen sei, ob eine Anrechnung der halben Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nach Teil 3 der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG vorzunehmen sei. Aus der Gerichtsakte sei nämlich ersichtlich, dass er den Kläger bereits im behördlichen Ausgangsverfahren vertreten habe. Es werde daher um Mitteilung gebeten, in welcher Höhe auf die Verfahrensgebühr angerechnet worden sei. Sofern keine Mitteilung erfolge, werde von der Maximalanrechnung in Höhe von 0,75 ausgegangen.

Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 teilte der Bevollmächtigte des Klägers daraufhin mit, es bestehe die Auffassung, dass die vorgerichtlich verdiente Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im vorliegenden Fall nicht anzurechnen sei, da hier das Kostenerstattungsverhältnis abgerechnet werde und nicht die Gebühren, die dem Anwalt gegenüber dem Mandanten zustünden. Auf die Beschlüsse des VG München vom 28. September 2006, des OVG Münster vom 25. April 2006 und vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 19. Januar 2007 werde Bezug genommen. Nachdem im vorliegenden Fall die Beklagte auch für Kosten eines eventuellen gerichtlichen Vorverfahrens nicht erstattungspflichtig sei, verbiete sich die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr. Mit Schriftsatz vom 14. März 2008 teilte der Bevollmächtigte des Klägers ergänzend mit, dass gegebenenfalls eine Anrechnung in Höhe von 0,65 aus einem Wert von 3.000,-- EUR, also in Höhe von 122,85 EUR im Verhältnis zur Abrechnung mit dem Mandanten zu erfolgen hätte.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. April 2008 wurden daraufhin die von der Beklagten an den Kläger im Verfahren zu erstattenden notwendigen Aufwendungen auf 510,09 EUR zuzüglich Verzinsung festgesetzt. Der Kostenfestsetzungsantrag vom 5. Februar 2008 wurde hinsichtlich der beantragten Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten für 52 Fotokopien in Höhe von 25,30 EUR abgelehnt. Außerdem wurde eine 0,65 Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr angerechnet und die geltend gemachte Verfahrensgebühr in Höhe von 245,70 EUR um 122,85 EUR gekürzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Klägerbevollmächtigte den Kläger bereits im behördlichen Verwaltungsverfahren vertreten habe und sich aus dem Wortlaut der Anrechnungsvorschrift eindeutig ergebe, dass die Verfahrensgebühr und nicht die Geschäftsgebühr zu kürzen sei. Auf die Begründung im Übrigen wird Bezug genommen. Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 6. Mai 2008 zugestellt.

Mit Schreiben gleichen Datums wurde gegen den Beschluss vom 30. April 2008 mit dem Ziel, dass weitere 146,19 EUR (122,85 EUR zuzüglich 19 % MWSt) festzusetzen seien, die Entscheidung des Gerichts beantragt. Da nicht die Gebühren, die dem Anwalt gegenüber dem Mandanten zustehen im vorliegenden Verfahren abgerechnet würden, sondern das Kostenerstattungsverhältnis sei die vorgerichtlich verdiente Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nicht anzurechnen. Nachdem die Beklagte auch für Kosten eines eventuellen gerichtlichen Vorverfahrens nicht erstattungspflichtig sei, verbiete sich die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr. Auf die Beschlüsse des VGH München vom 19. Januar 2007 und des Oberlandesgerichts München vom 2. Oktober 2007 wurde Bezug genommen.

Dem Bundesamt wurde der Antrag auf Entscheidung des Gerichts zur Kenntnis gegeben.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Beiakten, Kostenfestsetzungsbeschluss und Erinnerungsverfahren Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Entscheidung des Gerichts über den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 30. April 2008 ist gemäß §§ 151, 165 VwGO zulässig aber nicht begründet. Mit seinem Antrag wendet sich der Erinnerungsführer gegen die Anrechnung der Hälfte der entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr.

Die im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. April 2008 vorgenommene Anrechnung einer halben Geschäftsgebühr nach Nummer 2300 VV-RVG gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV-RVG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Weder die Ausführungen des Bevollmächtigten des Erinnerungsführers noch die Auswertung der mittlerweile vorliegenden aktuellen Rechtsprechung zu der Frage der Anrechnung geben Anhaltspunkte dafür, dass entgegen der Auffassung im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. April 2008 eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV-RVG auf die Verfahrensgebühr zu Unrecht vorgenommen worden ist. Nach der genannten Vorschrift wird eine Geschäftsgebühr nach Nummern 2300 bis 2303, soweit sie wegen desselben Gegenstandes entstanden ist, zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührenansatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Der Wortlaut dieser Vorschrift ist eindeutig und keiner anderen Auslegung zugänglich. Aus ihr ergibt sich unmissverständlich, dass die Verfahrensgebühr zu kürzen ist und nicht etwa die Geschäftsgebühr. Der Gesetzgeber hat diese Kürzung auch willentlich in Kauf genommen und begründet sie in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 15/1971, Seite 209) mit systematischen Gründen. Es soll damit berücksichtigt werden, dass die gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts weniger aufwendig ist, wenn er bereits in einem vorgeschalteten behördlichen Verfahren mit gleichem Gegenstand tätig gewesen war. Dies ist hier unstreitig der Fall, wie sich u.a. aus einem Akteneinsichtsgesuch des Bevollmächtigten des Klägers an die Beklagte vom 14. Dezember 2006 ergibt. Der Gesetzgeber wollte außerdem auch ein rein gebührenrechtliches Interesse an der Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens durch den Rechtsanwalt vermindern, da dieses Interesse zwangsläufig mit dem, dem RVG zugrunde liegenden Bestreben einer aufwandsbezogenen Vergütung kollidiere. Die bisherige Rechtslage nach § 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO, die eine Anrechnung bisher ausschloss, sollte also bewusst geändert werden (vgl. dazu BayVGH vom 3.11.2005, 10 C 05.1131). Der Kläger hat somit eine eventuell entstandene Geschäftsgebühr im Behördenverfahren, außerhalb eines Vorverfahrens, selbst zu tragen und muss sich nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes eine Kürzung der gerichtlichen Verfahrensgebühr durch die entstandene Geschäftsgebühr gefallen lassen. Der Gesetzgeber hat also mit Blick auf einen erfahrungsgemäß geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand des schon vorprozessual mit der Sache befassten und hierfür nach Nrn. 2400 ff. VV-RVG vergüteten Prozessbevollmächtigten dessen gerichtliche Verfahrensgebühr bereits in ihrer Entstehung um den in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG beschriebenen Teil der vorprozessual verdienten Gebühren kürzen wollen. Der Gesetzeswortlaut ist auch nicht auslegungsfähig oder auslegungsbedürftig. Es ist zwar zutreffend, dass sich aus den Regelungen in § 162 Abs. 1 und 164 VwGO ergibt, dass die Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle grundsätzlich nur die im gerichtlichen Verfahren angefallenen Kosten einschließlich der Anwaltskosten umfasst. Aufwendungen für außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts bleiben dabei außer Betracht, es sei denn, ein Ausspruch nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO liege vor (so BayVGH im Beschluss vom 16.1.2008 - 14 C 07.1808 -). Diese Tatsache lässt sich jedoch nicht als Argument gegen eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr verwenden, da der Gesetzeswortlaut einerseits eindeutig ist, andererseits sich die Kostenfestsetzung auch unter Berücksichtigung der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV-RVG nicht auf eine Geschäftsgebühr erstreckt, die im behördlichen Verfahren, außerhalb eines Vorverfahrens, angefallen ist. Diese bereits verdiente Geschäftsgebühr wird lediglich (rechnerisch) zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr angerechnet und wird nicht zum Gegenstand der Kostenfestsetzung. Soweit in der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Januar 2008 (a.a.O.) postuliert wird, dass wegen der Systematik des § 162 VwGO die Anrechnung einer Geschäftsgebühr ausgeschlossen sei, handelt es sich hier um eine gesetzeskorrigierende Interpretation, zu der das Gericht keinen Anlass sieht. Auch die Auffassung, dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr möglicherweise nur im zivilrechtlichen Verfahren möglich sei (unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7.3.2004 in NJW 2007, 2049; neuerdings auch Beschluss des BGH vom 22.1.2008 - VIII ZB 57/07) übersieht, dass es gerade keine unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften für das verwaltungsgerichtliche und zivilrechtliche Verfahren gibt.

Auch praktische Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Feststellung des Anfalls einer verdienten Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren stellen die eindeutige gesetzliche Regelung nicht in Frage. Zum einen lässt sich häufig schon aus den Gerichtsakten ein vorprozessuales Tätigwerden des Bevollmächtigten erkennen (wie im vorliegenden Fall) andererseits ist das Kostenfestsetzungsverfahren auch in anderen Sachfragen darauf angelegt einen streitigen Vortrag zu klären und entscheiden.

Der Gesetzgeber hat daher offensichtlich in Kauf genommen im Vergleich zur bisherigen Regelung den unterlegenen Prozessgegner zu bevorzugen und den obsiegenden Kläger zu belasten, da es nicht zu rechtfertigen sei, dass der Rechtsanwalt, der unmittelbar einen Prozessauftrag erhalte, mit dem anderen Rechtsanwalt, der zunächst außergerichtlich tätig gewesen sei unter dem Blickpunkt einer aufwandsbezogenen Vergütung, gleichbehandelt wird. Mit Blick auf einen erfahrungsgemäß geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand des schon vorprozessual mit der Sache befassten und hierfür mit der Geschäftsgebühr belohnten Prozessbevollmächtigten hat sich daher der Gesetzgeber bewusst entschlossen die gerichtliche Verfahrensgebühr des bereits vorprozessual tätigen Prozessbevollmächtigten um einen Teil der vorprozessual verdienten Gebühren zu kürzen.

Im Übrigen schließt sich das Gericht den Gründen des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 30. April 2008 an und sieht insoweit von einer nochmaligen Darstellung der Gründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).

Die Erinnerung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8, 68 Abs. 3 GKG). Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Erinnerungsverfahren beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.






VG Ansbach:
Beschluss v. 19.06.2008
Az: AN 14 M 08.30193


Link zum Urteil:
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