Finanzgericht Düsseldorf:
Urteil vom 19. Mai 2006
Aktenzeichen: 12 K 6536/04 E

(FG Düsseldorf: Urteil v. 19.05.2006, Az.: 12 K 6536/04 E)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In der vorliegenden Gerichtsentscheidung ging es um die steuerliche Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten eines Klägers aus seiner Beteiligung an einer Aktiengesellschaft. Der Kläger hatte eine Hinterlegungsbürgschaft übernommen und ein Darlehen gewährt, um die Gesellschaft in einer finanziellen Krise zu unterstützen. Das Finanzamt versagte die steuerliche Berücksichtigung dieser Kosten, da der Kläger eine Beteiligungsquote von unter 25% an der Aktiengesellschaft hatte. Das Finanzgericht Düsseldorf entschied jedoch, dass es keine rechtliche Grundlage gebe, eine Beteiligung von mindestens 25% als Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung anzunehmen. Es sei auch nicht gerechtfertigt, eine Benachteiligung aufgrund der Rechtsform der Gesellschaft herzuleiten. Der Kläger hatte eine wesentliche Beteiligung von über 10% und die Finanzierungshilfen waren eigenkapitalersetzend. Daher seien nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 193.801 DM anzuerkennen. Für die Klägerin, deren Beteiligungsquote unter 10% lag, kam eine Berücksichtigung nicht in Betracht. Die Einkommensteuer für das Streitjahr wurde entsprechend angepasst. Das Gericht entschied zudem, dass die Revision zugelassen wird, da die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung hat.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

FG Düsseldorf: Urteil v. 19.05.2006, Az: 12 K 6536/04 E


Tenor

Der Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 21.3.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9.11.2004 wird dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer auf 0, EUR festgesetzt wird.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger erstreben die Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten im Sinne des § 17 EStG aus ihrer Beteiligung an der "A" AG. Die "A" AG war mit Wirkung zum 1.7.1999 im Wege der formwechselnden Umwandlung aus der "B" GmbH hervorgegangen. Letztere war wiederum zum 1.1.1999 mit der "C" GmbH auf die "B" GmbH verschmolzen worden.

Während der Kläger seit jeher Gesellschafter der "B" GmbH war, wurde die Klägerin erst auf Grund eines Anteilskaufvertrages vom 28.5.1999 Gesellschafterin. Die Beteiligungen der Kläger entwickelten sich wie folgt:

Datum Gesellschaft Kläger Klägerin 01.01.1999 "B" GmbH 26,67 % (nicht beteiligt) 28.05.1999 "B" GmbH 15 % 9 % 01.07.1999 "A" AG 15 % 9 % bei Insolvenz- eröffnung "A" AG 13,51 % 8,11 %

Mit Vertrag vom 23.8.1999 übernahm der Kläger eine Höchstbetragsbürgschaft in Höhe von 400.000 DM zur Sicherung von Forderungen der Deutschen Bank gegenüber der "B"GmbH und künftigen "A" AG aus dem der Gesellschaft gewährten Barkreditrahmen im Umfang von 2,5 Mio. DM. Der Bürge war befugt, die Bürgschaften nach Ablauf eines Jahres mit einer Frist von 3 Monaten zu kündigen. Auf einer Gesellschafterversammlung vom 6.12.1999 wurde beschlossen, den Jahresüberschuss 1998 in Höhe von 266.997 DM, sowie den Gewinnvortrag von 270.097 DM den Darlehenskonten der Gesellschafter gutzuschreiben. Das Darlehnskonto des Klägers belief sich danach auf 158.174,48 DM.

Nachdem sich die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft spätestens mit Beginn des Jahres 2001 erheblich verschlechtert hatte, beantragte deren Vorstand am 19.7.2001, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der AG zu eröffnen, was schließlich mit Beschluss des Amtsgerichts vom 1.9.2001 geschah. Dem hier wegen seiner Einzelheiten in Bezug genommenen Insolvenzbericht des Insolvenzverwalters vom 29.8.2001 ist zu entnehmen, dass sich die Jahresüberschüsse der Gesellschaft zum 30.6.1999 auf 90.992 DM beliefen und zum 30.6.2000 auf 407.875 DM. Zum 30.6.2001 ergab sich ohne Berücksichtigung eines Gewinnvortrags demgegenüber ein Jahresfehlbetrag von 4.040.329 DM, was nach Abzug der Kapitalrücklage zu einer Überschuldung von 302.567 DM führt. Die freie Masse belief sich nach den Feststellungen des Insolvenzverwalters auf 284.284 DM, womit sich nach Abzug von Drittrechten insgesamt eine Überschuldung in Höhe von 10.385.140 DM ergab. Der Insolvenzverwalter gab an, dass mit einer Quote auf nachrangige Forderungen nicht zu rechnen sei.

Aus seiner Höchstbetragsbürgschaft wurde der Kläger Anfang des Jahres 2002 vollständig, d. h. in Höhe von 210.000 EUR in Anspruch genommnen. In ihrer Steuererklärung für das Jahr 2001 machten die Kläger Verluste gemäß § 17 EStG in Höhe von 665.379 DM (Kläger) sowie 44.006 DM (Klägerin) geltend. Bei dem vom Kläger geltend gemachten Betrag handelte es sich im Wesentlichen um den Verlust seines Gesellschafterdarlehns, die Kosten seiner Inanspruchnahme aus der Bürgschaft sowie um die Anschaffungskosten der Aktien der AG, bei der Klägerin handelt es sich nur um die Anschaffungskosten ihrer Aktien.

Im Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 21.3.2003 versagte das Finanzamt die steuerliche Berücksichtigung der geltend gemachten Verluste mit der Begründung, dass die wesentlichen Anschaffungskosten des Klägers nach den insoweit maßgeblichen Verhältnissen zum 31.12.2001 noch nicht festgestanden hätten. Hinsichtlich der Klägerin scheitere eine Anwendung des § 17 EStG bereits darin, dass diese Vorschrift in der für das Jahr 2001 geltenden Fassung eine Beteiligungsquote von mindestens 10 % voraussetze, die von der Klägerin aber nie erreicht worden sei.

Der hiergegen gerichtete Einspruch vom 27.3.2003 hatte nur insoweit Erfolg, als das Finanzamt Anschaffungskosten von Aktien des Klägers in Höhe von 74.537 DM sowie Rechtsberatungskosten von 9.449 DM nach § 17 EStG berücksichtigte. Im Übrigen vertrat das Finanzamt den Standpunkt, dass die Bürgschafts- und Darlehnsaufwendungen des Klägers ungeachtet seiner mehr als 10 %igen Beteiligung an der AG nicht nach § 17 EStG berücksichtigungsfähig seien. In Ermangelung einer dem § 32a GmbHG entsprechenden Regelung für Aktiengesellschaften, sei bei einer Aktiengesellschaft nämlich erst ab einer Beteiligungsquote von mehr als 25 % (Sperrminorität) Eigenkapitalersatzrecht anwendbar. Da zum Zeitpunkt der Umwandlung der GmbH in eine AG die Krise des Unternehmens eindeutig noch nicht eingetreten sei, gelange daher das Aktienrecht zur Klärung der Frage des Eigenkapitalersatzes zur Anwendung. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Darlehensforderung des Klägers, da diese erst mit der Novationsvereinbarung im Dezember 1999 entstanden sein könne. Hinsichtlich der Klägerin sei festzuhalten, dass deren Anteil stets unter 10 % gelegen habe. Soweit im Einspruchsverfahren vorgetragen worden sei, dass der Klägerin ihr Anteil unentgeltlich übertragen worden sei, stehe dies im Widerspruch zu der klaren und eindeutigen Regelung im Übertragungsvertrag. Es sei daher weiterhin von dessen Entgeltlichkeit auszugehen. Selbst wenn man unterstelle, dass der unstreitig wie unter fremden Dritten vereinbarte Kaufpreis tatsächlich nicht gezahlt worden sei, ändere dies nichts, weil in diesem Fall von einer Schenkung des geschuldeten Kaufpreises auszugehen sei.

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage widersprechen die Kläger der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsansicht. Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger die Höchstbetragsbürgschaft über 400.000 DM erst nach Umwandlung der GmbH in eine AG übernommen habe, habe diese Bürgschaft nämlich eigenkapitalersetzenden Charakter. Sie habe nämlich lediglich ältere Bürgschaften in ähnlicher Höhe ersetzt, die vom Kläger seit Ende 1992 fortlaufend übernommen worden seien. Damit finde zweifellos GmbH-Recht Anwendung.

Gleiches gelte für das der GmbH gewährte Darlehen, das sich eindeutig auf eine Gewinnausschüttung für das Jahr 1998 beziehe. Unabhängig davon gebe das Aktiengesetz auch keinen Grund dafür her, eine Beteiligung von mindestens 25 % zu verlangen. Anders als das GmbHG sehe das Aktiengesetz nämlich keine Kodifizierung einer bestimmten Prozentzahl vor, weshalb subsidiär das HGB und das GmbHG heranzuziehen seien, womit auch hier eine Beteiligungshöhe von 10 % einschlägig sei.

Überdies habe das Finanzamt den Zeitpunkt des Kriseneintritts falsch angenommen. Bei aufmerksamer Betrachtung der Jahresabschlüsse zum 30.6.1999 und 30.6.2000 zeige sich nämlich, dass sich die Gesellschaft bereits zu diesen Zeitpunkten liquiditätsmäßig und vermögensmäßig in der Krise befunden habe. Dementsprechend habe auch der Insolvenzverwalter in seinem Bericht für das zu diesem Zeitpunkt nominell wesentlich höhere Anlagevermögen einen wesentlich geringeren Wert zu Grunde gelegt. Letztlich habe damit bereits zum 30.6.1999 eine Überschuldung vorgelegen, die lediglich durch "Window-Dressing" vermieden worden sei. Die Tatsache, dass bewusst durch bilanzpolitische Maßnahmen das im Grunde schlechte Ergebnis verbessert worden sei, zeige sich auch darin, dass im Wirtschaftsjahr 1999/2000 entgegen der üblichen Praxis die geringwertigen Wirtschaftsgüter nicht sofort, sondern über fünf Jahre abgeschrieben worden seien, wodurch sich das Ergebnis um 73.500 DM verbessert habe. In den sonstigen Vermögensgegenständen zum 30.6.1999 seien Forderungen gegenüber den Gesellschaftern in Höhe von über 670.000 DM enthalten, die in ihrer Werthaltigkeit jedoch höchst fragwürdig gewesen seien und daher auch vom Insolvenzverwalter mit nur 1 DM bewertet worden seien.

Unzutreffend sei auch die Annahme des Finanzamtes, dass ein Aktienanteil des Klägers entgeltlich auf die Klägerin übertragen worden sei. Es sei nachweisbar kein Geld von der Klägerin an den Kläger gezahlt worden. Vielmehr sei zeitgleich mit dem notariellen Übertragungsvertrag ein Schenkungsvertrag abgeschlossen worden. Lediglich im Sinne der Außenwirkung gegenüber den anderen Gesellschaftern sei der Vorgang in den notariellen Vertrag aufgenommen worden.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Einkommensteuer für das Jahr 2001 auf 0,- EUR festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Es weist daraufhin, dass nach den Bilanzen der Kapitalgesellschaft das Nennkapital noch bis einschließlich 30.6.2000 vollständig erhalten gewesen sei. Von den Klägern werde verkannt, dass in die Vermögensbetrachtung auch das Stammkapital bzw. das Vermögen der Gesellschaft einzubeziehen seien. Auf den Grad der Liquidität werde gerade nicht abgestellt. Tatsächlich sei die Krise also im Geschäftsjahr 2000/2001 eingetreten. Der Insolvenzverwalter habe insbesondere auf einen Anfang 2001 stornierten Großauftrag hingewiesen. Damit stehe fest, dass die zur Gefährdung des Rückgriffs aus der Bürgschaft und des Rückzahlungsanspruchs aus dem Darlehen führende Krise erst nach 1999 eingetreten sei. Da auch die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft in 1999 vollzogen worden sei, müsse sich der Kläger hinsichtlich seiner Finanzierungsverantwortung auch nach den Maßstäben des Kapitalersatzrechts des Aktiengesetzes messen lassen.

Stelle man gleichwohl auf den ausschließlich für Gesellschaften mit beschränkter Haftung geltenden § 32a des GmbHG ab, so handele es sich um eine stehengebliebene Bürgschaft, die mit Eintritt der Krise von der Gesellschaft nicht mehr habe bedient werden können. Die maßgebliche Rückgriffsforderung sei daher auch in diesem Fall mit 0 DM zu bewerten. Dies gelte auch für die Rückzahlungsforderung aus dem Darlehen. Im Übrigen übersähen die Kläger, dass die Insolvenzeröffnung zu völlig anderen Bewertungsansätzen, z. B. Ansatz von Zerschlagungswerten zwinge, als die Erstellung einer Bilanz im laufenden Geschäftsbetrieb. Es bestehe daher kein Anlass, die ordnungsgemäße Erstellung der Bilanzen auf den 30.6.1999 und 2000 anzuzweifeln.

Wegen der von den Beteiligten getroffenen tatsächlichen Verständigung wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Bei der Steuerfestsetzung des Streitjahres sind nachträgliche Anschaffungskosten des Klägers aus seiner Beteiligung an der "A" AG in Höhe von 193.801 DM zu berücksichtigen.

Nach den Gesamtumständen des Streitfalles ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass sowohl die vom Kläger übernommene Höchstbetragsbürgschaft als das von der ihm der Gesellschaft gewährte Darlehen eigenkapitalersetzenden Charakter erlangt haben, indem er diese Finanzierungshilfen in der Krise der Gesellschaft stehen gelassen hat.

Die vom Kläger in seiner Eigenschaft als Bürge geleistete Zahlung erhöht seinen Veräußerungsverlust nicht in dem von den Klägern erstrebten Umfang. Voraussetzung dafür, dass die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns mit dem Nennwert der Bürgschaftsverpflichtung anzusetzen ist, ist nämlich, dass die Bürgschaft in vollem Umfang eigenkapitalersetzenden Charakter hatte.

Davon ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auszugehen, wenn die Bürgschaft zu einem Zeitpunkt übernommen wurde, in dem sich die Gesellschaft bereits in der sogenannten Krise befand oder wenn die Bürgschaft (auch) für den Fall der Krise bestimmt war (vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2000, VIII R 36/97, BFH/NV 2001,761 m. w. N.). Eine "Krise" tritt in dem Zeitpunkt ein, in dem die Gesellschafter der Gesellschaft als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zuführen müssten. Sie ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig und damit insolvenzreif ist (§§ 19, 17 InsO) oder wenn die Insolvenzreife zwar noch nicht eingetreten, die Rückzahlung eines der Gesellschaft gewährten Darlehens angesichts ihrer finanziellen Situation aber derart gefährdet wäre, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko der Kreditgewährung zu denselben Bedingungen wie ein Gesellschafter nicht mehr eingehen würde (vgl. eingehend BFH-Urteil vom 12.12.2000, a. a. O.).

Keine dieser Voraussetzungen liegt im Streitfall bezogen auf das Jahr 1999 vor. Eine Krise der Gesellschaft war bei Übernahme der Bürgschaft durch den Kläger noch nicht eingetreten. Denn in dem zum 30.6.1999 endenden Geschäftsjahr erwirtschaftete die GmbH noch einen Jahresüberschuss von mehr als 90.000 DM, der im folgenden Geschäftsjahr mit über 400.000 DM sogar noch deutlich übertroffen wurde. Für die Annahme, bereits 1999 sei die Gesellschaft in die Krise geraten, ist vor diesem Hintergrund kein Raum.

Ebensowenig waren Bürgschaft und Darlehen - zumindest auch - für den Fall der Krise bestimmt. Denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger schon zu einem früheren Zeitpunkt mit bindender Wirkung gegenüber der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern erklärt hat, dass er seinen im Fall der Krise entstehenden Befreiungsanspruch nach § 775 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht gegen die Gesellschaft geltend machen werde (siehe BFH-Urteil vom 13.7.1999, VIII R 31/98, BStBl. II 1999, 724 zum eigenkapitalersetzenden Darlehen).

Angesichts der Geschäftsentwicklung in der Folgezeit, die in den Insolvenzantrag vom 19.7.2001 mündete, ist andererseits unverkennbar, dass sich die finanzielle Situation der Gesellschaft bereits mit Beginn des Jahres 2001 in einem Ausmaß verschlechtert hatte, das die Gewährung weiterer Kredite durch gesellschaftsfremde Geldgeber nicht erwarten ließ. Die Bürgschaft und das Darlehen des Klägers wurden eigenkapitalersetzend, indem der Kläger sie in dieser Krise stehen ließ. Dieser Zeitpunkt liegt nach der von den Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung getroffenen tatsächlichen Verständigung - vorbehaltlich der Frage, ob überhaupt nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt werden können - im Jahr 2001.

Bürgschaft und Darlehen des Klägers sind ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger (zuletzt) an einer Aktiengesellschaft beteiligt war und seine Beteiligungsquote unter 25% lag, als eigenkapitalersetzend anzusehen. Der Senat teilt nicht die vom Finanzamt vertretene Ansicht (vgl. auch Ziff. II der Verfügung der OFD Düsseldorf vom 5.11.2002, S 2244 - 55 - St 122 - K), dass auf Finanzierungshilfen des Gesellschafters einer AG Eigenkapitalersetzrecht nur anwendbar sei, wenn der Gesellschaftsanteil ausreicht, um wichtige Entscheidungen, die eine Dreiviertelmehrheit erfordern (vgl. §§ 262, 179 AktG), zu verhindern. Hiergegen spricht bereits, dass § 17 Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung eine wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft bereits dann annimmt, wenn sie mindestens 10 % beträgt. Der Begriff "Kapitalgesellschaft" erfasst zweifellos nicht nur Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sondern ebenso Aktiengesellschaften (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG). Eine Unterscheidung nach der Rechtsform trifft das Gesetz insoweit nicht, was sich jedoch in Anbetracht des vom Finanzamt zur Stützung seiner Rechtsansicht herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 26.3.1984, II ZR 171/83; BGHZ 90, 381; NJW 1984, 1893) aufgedrängt hätte. Angesichts der nicht zwischen verschiedenen Formen von Kapitalgesellschaften differenzierenden Regelung in § 17 EStG sieht das Gericht keinen Anlass, auf der Grundlage der aus dieser Entscheidung resultierenden zivilrechtlichen Privilegierung des Anteilseigners eine einkommensteuerliche Benachteiligung herzuleiten. Der Bundesgerichtshof brauchte sich hiermit schon deshalb nicht auseinanderzusetzen, weil nach § 17 Abs. 1 EStG in der damals geltenden Fassung eine wesentliche Beteiligung nur eine solche von mehr als 25 % war, weshalb der BGH zur Stützung der von ihm vertretenen Ansicht auch auf diese Vorschrift hinweisen konnte, ohne sich mit einem etwaigen Wertungswiderspruch auseinandersetzen zu müssen (BGH-Urteil vom 26.3.1984 a.a.O. unter I. 5. der Entscheidungsgründe). Nachdem die Wesentlichkeitsgrenze des § 17 EStG mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1999 auf 10% herabgesetzt wurde, sieht der Senat in der im Streitfall anzuwendenden Fassung des § 17 EStG eine spezielle steuerrechtliche Vorschrift, die durch den Rückgriff auf zivilrechtlich privilegierende Ausnahmetatbestände keine Verschärfung erfahren darf (im Ergebnis ebenso Schneider in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum EStG, § 17 Tz. C 305).

Unabhängig davon sind die Grundsätze des BGH-Urteils vom 26.3.1984 aber ohnehin nicht auf den Streitfall übertragbar. Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob die laufende Kreditgewährung durch die Hausbank einer sanierungsbedürftigen Aktiengesellschaft, die im Rahmen ihres Wertpapiergeschäfts - wie es der BGH ausdrücklich formuliert "mehr oder weniger zufällig" - auch einige Aktien dieser Gesellschaft im Besitz hatte, angesichts der dadurch vermittelten Beteiligung am Unternehmen als Ersatz des fehlenden Eigenkapitals mit entsprechenden haftungsrechtlichen Folgen zu behandeln war. Er gelangte im Urteilsfall zu der Ansicht, dass dies bei einem Aktienbesitz unterhalb der Sperrminorität nur dann der Fall ist, wenn weitere Umstände hinzukommen, die Einfluss auf die Unternehmensleitung verschaffen.

Nach Ansicht des Senat weist der Streitfall vergleichbare Besonderheiten auf, die es gebieten, der Bürgschafts- bzw. Darlehensgewährung durch den Kläger ungeachtet seiner unterhalb der aktienrechtlichen Sperrminorität liegenden Beteiligung an der Gesellschaft eigenkapitalersetzenden Charakter beizumessen. Der Kläger war nämlich mit einem Geschäftsanteil von 38 % bereits Gründungsgesellschafter der "D" GmbH, aus der später die "B" GmbH hervorgegangen ist. Wie vom Kläger unwidersprochen vorgetragen und auch aus dem Einspruchsvorgang ersichtlich ist, hatte er sich bereits für Forderungen der Deutschen Bank gegen die "D" GmbH selbstschuldnerisch verbürgt. Der Umstand, dass er dieses Engagement auch nach Gründung der AG fortsetzte, belegt sein fortbestehendes, nicht an die Rechtsform geknüpftes unternehmerisches Interesse an der Geschäftstätigkeit Gesellschaft. Die nach der formwechselnden Umwandlung vom Kläger gehaltenen 15.000 ( von 100.000) Aktien entsprachen genau seinem Geschäftsanteil von zuletzt 15 % an der "B" GmbH. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass die unternehmerische Beteiligung des Klägers infolge der Umwandlung eine steuerlich beachtliche Beeinträchtigung erfahren hat. Zwar war nunmehr aufgrund der Bestimmungen des Aktiengesetzes für wichtige, die Gesellschaft betreffende Entscheidungen eine Dreiviertelmehrheit erforderlich; tatsächlich ergaben sich hieraus jedoch keine Änderungen der für solche Entscheidungen erforderlichen Mehrheitsverhältnisse, da hierfür bereits nach Abschnitt VII 5. des Gesellschaftsvertrages der "D" GmbH ausdrücklich eine Dreiviertelmehrheit erforderlich war. Der Senat hält es daher nach den Verhältnissen des Streitfalles nicht für sachgerecht, die Anwendbarkeit des § 17 Abs. 4 EStG auf die Finanzierungshilfen des Klägers an eine Beteiligungshöhe von mehr als 25 % zu knüpfen.

Angesichts seiner stets über 10% liegenden Beteiligung war der Kläger in dem für die Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts maßgeblichen Sinn "wesentlich" i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 4 EStG an der Kapitalgesellschaft beteiligt. Dem Grunde nach sind ihm daher durch den Verlust seines Darlehens sowie infolge seiner Inanspruchnahme aus der Bürgschaft nachträgliche Anschaffungskosten im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG entstanden. Für deren Höhe ist der gemeine Wert des Rückgriffsanspruchs bzw. der Darlehensforderung in dem Zeitpunkt maßgebend, in dem es der Gesellschafter trotz eingetretener Krise mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis unterließ, sein Engagement zu beenden, obwohl er von der Gesellschaft die Freistellung von seiner Bürgschaftsverpflichtung hätte verlangen bzw. das Darlehen abziehen können (BFH-Urteil vom 12.12.2000, a. a. O.; st. Rspr.).

Der Senat beziffert diesen Wert im Hinblick auf die von den Beteiligten getroffene tatsächliche Verständigung mit 193.801 DM.

Eine darüber hinaus gehende Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten der Klägerin kommt nicht in Betracht. Die Klägerin war zu keinem Zeitpunkt wesentlich an der AG beteiligt. Das Vorbringen, ihr sei der Anteil unentgeltlich übertragen worden, widerspricht dem Inhalt der Akten. Anhaltspunkte für die Richtigkeit der gegenteiligen Behauptung der insoweit nachweispflichtigen Klägerin bestehen demgegenüber nicht.

Da sich der Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger nach der Einspruchsentscheidung vom 9.11.2004 auf 38.169 DM beläuft, bedarf es angesichts einer Verminderung der gewerblichen Einkünfte des Klägers um 193.801 DM keiner rechnerischen Darstellung, dass sich infolgedessen im Streitjahr eine Einkommensteuer von 0,- DM ergibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Der Senat misst der Frage, ob die Inanspruchnahme aus einer zu Gunsten einer Aktiengesellschaft hingegebenen Bürgschaft oder der Verlust eines ihr gewährten Darlehens, erst ab einer Beteiligungsquote von mehr als 25 % zu nachträglichen Anschaffungskosten im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG führen können, grundsätzliche Bedeutung bei.






FG Düsseldorf:
Urteil v. 19.05.2006
Az: 12 K 6536/04 E


Link zum Urteil:
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