Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 18. Dezember 2012
Aktenzeichen: X ZB 11/12
(BGH: Beschluss v. 18.12.2012, Az.: X ZB 11/12)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2012 (Aktenzeichen X ZB 11/12) entschieden, dass die Kosten für einen im Patentnichtigkeitsverfahren mitwirkenden Rechtsanwalt erstattungsfähig sind. In dem Fall ging es um die Frage, ob die Kosten eines zusätzlich zum Patentanwalt beauftragten Rechtsanwalts erstattet werden können. Das Patentgericht hatte das angegriffene Patent teilweise für nichtig erklärt und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Im Kostenfestsetzungsverfahren wurden aber die Kosten für die mitwirkenden Rechtsanwälte nicht berücksichtigt. Die Klägerin hat daraufhin die Erstattung dieser Kosten beantragt und das Patentgericht hat dem stattgegeben. Der Beklagte hat dagegen Rechtsbeschwerde eingelegt.
Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass die Rechtsbeschwerde statthaft ist, da die Voraussetzungen nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO erfüllt sind. Dabei hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die Statthaftigkeit einer Rechtsbeschwerde nicht schon allein durch die Zulassung des Rechtsmittels durch die Vorinstanz gegeben ist. Entgegen einer verbreiteten Auffassung in der Literatur und auch einer Entscheidung eines Nichtigkeitssenats des Patentgerichts ergibt sich aus § 84 Abs. 2 Satz 3 und § 99 Abs. 2 PatG nicht, dass eine Rechtsbeschwerde im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens nicht statthaft ist.
Der Bundesgerichtshof hat weiter festgestellt, dass im Patentnichtigkeitsverfahren die Kostenfestsetzung im Rahmen der Zivilprozessordnung zu erfolgen hat. Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind die Kosten einer Maßnahme der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erstattungsfähig, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dabei hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist, um zu beurteilen, ob bestimmte Kosten erstattungsfähig sind. In Fällen, in denen ein Verletzungsrechtsstreit parallel zum Nichtigkeitsverfahren anhängig ist, wird typischerweise die Mitwirkung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig sein.
Somit hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Patentgerichts bestätigt und die Kosten für die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Nichtigkeitsverfahren als erstattungsfähig angesehen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 18.12.2012, Az: X ZB 11/12
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines im erstinstanzlichen Patentnichtigkeitsverfahren mitwirkenden Rechtsanwalts.
Das Patentgericht hat das angegriffene Patent antragsgemäß teilweise für nichtig erklärt und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Rechtspflegerin die Kosten für die mitwirkenden Rechtsanwälte (22.665,33 Euro) unberücksichtigt gelassen. Auf die Erinnerung der Klägerin hat das Patentgericht die Erstattung dieser Kosten nebst Zinsen angeordnet. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der vom Patentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG und § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft.
1. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich allerdings nicht schon aus der Zulassung des Rechtsmittels durch die Vorinstanz. Auch eine zugelassene Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nach 1 dem Gesetz nicht statthaft ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. August 2011 - X ZB 2/11, GRUR 2011, 1053 Rn. 5 - Ethylengerüst).
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft. Diese Vorschrift ist bei der Kostenfestsetzung im Patentnichtigkeitsverfahren gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG anwendbar.
a) Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG sind im Patentnichtigkeitsverfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren entsprechend anwendbar. Zu diesen Vorschriften gehört § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Die darin vorgesehene Rechtsbeschwerde ist auch im Kostenfestsetzungsverfahren statthaft, sofern die Ausgangsentscheidung gemäß § 567 Abs. 2 ZPO der Anfechtung unterliegt und die Vorinstanz das Rechtsmittel zugelassen hat (vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. Juni 2010 - VI ZB 10/10, NJW-RR 2011, 143 Rn. 4).
b) Aus § 84 Abs. 2 Satz 3 und § 99 Abs. 2 PatG ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
Den genannten Vorschriften ist allerdings zu entnehmen, dass sich die Verweisung auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung grundsätzlich nicht auf Bestimmungen über Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Patentgerichts erstreckt, sondern dass es insoweit regelmäßig bei den im Patentgesetz selbst vorgesehenen Rechtsmitteln verbleibt. Die ausdrückliche Verweisung in § 84 Abs. 2 Satz 3 PatG soll klarstellen, dass dieser Grundsatz auch bei Kostenentscheidungen gilt (BT-Drucksache 8/2087 S. 37 zu § 40 Abs. 2 PatG aF).
Entgegen einer in der Literatur verbreiteten Auffassung (Benkard/Rogge, 10. Auflage, § 84 PatG Rn. 41; Schulte, 8. Auflage, § 80 PatG Rn. 106; Schulte/Kühnen, § 84 PatG Rn. 64), die auch von einem Nichtigkeitssenat des Patentgerichts vertreten wird (BPatG, Beschluss vom 26. Februar 2003 5
- 3 ZA (pat) 44/02, juris Rn. 6), ergibt sich daraus indes nicht, dass eine Rechtsbeschwerde im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens nicht statthaft ist.
(1) Im Kostenfestsetzungsverfahren kam der Regelung in § 99 Abs. 2 PatG, wonach ein Rechtsmittel nur auf der Grundlage dieses Gesetzes zulässig ist, seit jeher keine Bedeutung zu.
In diesem Bereich war ein Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung generell nicht statthaft.
Der Senat hat entschieden, dass die einschlägige Regelung in § 567 Abs. 3 und § 568 Abs. 3 ZPO in der bis 31. März 1991 geltenden Fassung (die, soweit hier von Interesse, der Regelung in § 567 Abs. 3 und 4 ZPO in der von 1. April 1991 bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung entspricht), wonach im Kostenfestsetzungsverfahren nach einer Beschwerdeentscheidung eine weitere Beschwerdemöglichkeit nicht statthaft ist, aufgrund der Verweisung in § 62 Abs. 2 Satz 3 PatG auch in einem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren gilt. Er hat deshalb auch für diese Konstellation, in der das Patentgericht eine Beschwerdeentscheidung trifft, gegen die nach dem Wortlaut von § 100 PatG die Rechtsbeschwerde statthaft wäre, ein Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof als unzulässig angesehen (BGH, Beschluss vom 9. Januar 1986 - X ZB 38/84, GRUR 1986, 453 - Transportbehälter) und damit für das Kostenfestsetzungsverfahren trotz des in § 99 Abs. 2 PatG normierten Grundsatzes das Rechtsmittelsystem der Zivilprozessordnung als maßgeblich erachtet.
(2) Der damit auf der Grundlage des früher geltenden Zivilprozessrechts bestehende Gleichklang der Rechtsmittelsysteme im Kostenfestsetzungsverfahren ist auch auf der Grundlage der seit 1. Januar 2002 geltenden Vorschriften zu wahren. 10 Im Gebrauchsmusterlöschungs- und im Einspruchsverfahren wäre eine Rechtsbeschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren nunmehr schon nach § 100 PatG zulässig, weil die Zivilprozessordnung den Ausschluss dieses Rechtsmittels nicht mehr vorsieht. Für das Patentnichtigkeitsverfahren kann vor diesem Hintergrund nichts anderes gelten. Zwar entspricht es grundsätzlich dem in § 100 Abs. 1 PatG normierten Rechtsmittelsystem des Patentgesetzes, dass eine Rechtsbeschwerde nur gegen Beschlüsse zulässig ist, die das Patentgericht als Beschwerdegericht erlassen hat. Diese Regelung führt aber nicht dazu, dass ein Beschluss des Patentgerichts im Nichtigkeitsverfahren jeder Nachprüfung entzogen ist. Im Regelfall sind solche Beschlüsse vielmehr gemäß § 110 Abs. 6 PatG zusammen mit dem Urteil anfechtbar und unterliegen mithin der Nachprüfung im Berufungsverfahren. Bei einer Entscheidung über eine Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss ist diese Nachprüfungsmöglichkeit nicht eröffnet, weil diese Entscheidungen nach dem Urteil in der Hauptsache ergehen. Weder § 84 Abs. 2 noch § 99 Abs. 2 PatG kann aber der Grundsatz entnommen werden, dass eine Überprüfung des Kostenfestsetzungsbeschlusses in der Rechtsbeschwerdeinstanz in dieser Konstellation schlechthin ausgeschlossen sein soll. Angesichts dessen muss der schon auf der Grundlage des alten Zivilprozessrechts geltende Grundsatz, dass in beiden Konstellationen dieselben Anfechtungsmöglichkeiten bestehen, auch auf der Grundlage des neuen Zivilprozessrechts fortgelten. Deshalb richtet sich die Anfechtbarkeit von Beschlüssen im Kostenfestsetzungsverfahren nunmehr nach § 574 ZPO.
Die - bei der Reform des Zivilprozessrechts unverändert gebliebenen - Regelungen in § 99 Abs. 2 und § 84 Abs. 2 Satz 3 PatG werden durch diese Auslegung nicht obsolet. Ihnen kommt außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens dieselbe Bedeutung zu wie vor der Reform. Für das Kostenfestsetzungsverfahren kam den Vorschriften aus den genannten Gründen seit jeher keine Bedeutung zu. Auch daran hat sich durch die Reform des Zivilprozessrechts nichts geändert. 14 III. Das Rechtsmittel ist unbegründet. Das Patentgericht hat die Kosten für die Zuziehung eines Rechtsanwalts zu Recht als erstattungsfähig angesehen.
1. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:
Die Kosten eines zusätzlich zu einem Patentanwalt beauftragten Rechtsanwalts seien im erstinstanzlichen Nichtigkeitsverfahren nach Maßgabe von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähig. Hierbei sei eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Im erstinstanzlichen Patentnichtigkeitsverfahren sei die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt typischerweise jedenfalls dann als notwendig anzusehen, wenn zeitglich ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig sei. In diesen Fällen sei regelmäßig das Vorgehen in beiden Verfahren aufeinander abzustimmen. Der Umstand, dass die Nichtigkeitsklage gegen den Patentinhaber gerichtet, die Verletzungsklage hingegen vom Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts erhoben worden sei, führe nicht zum Ausschluss der Erstattungsfähigkeit.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.
a) Zu Recht ist das Patentgericht - in Übereinstimmung mit allen anderen Nichtigkeitssenaten (BPatG, Beschluss vom 21. November 2008 - 1 ZA (pat) 15/07, BPatGE 51, 67, 69 f. = GRUR 2009, 706; Beschluss vom 13. August 2007 - 2 ZA (pat) 56/06, BPatGE 50, 85, 88 f. = GRUR 2008, 735, 736; Beschluss vom 24. Februar 2011 - 3 ZA (pat) 29/10, GRUR-RR 2011, 436, 437; Beschluss vom 29. Januar 2009 - 4 ZA (pat) 81/08, GRUR 2010, 555; Beschluss vom 18. Januar 2011 - 5 ZA (pat) 20/10, BPatGE 52, 154, 157 = Mitt 2011, 258; vgl. auch Benkard/Rogge, 10. Auflage, § 84 PatG Rn. 31) - davon ausgegangen, dass § 143 Abs. 3 PatG im Nichtigkeitsverfahren nicht entsprechend anwendbar ist. 16 Insoweit fehlt es schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Weder aus § 143 Abs. 3 PatG noch aus sonstigen Vorschriften ist ein übergreifendes Regelungskonzept des Inhalts zu entnehmen, dass in jedem Rechtsstreit über Bestand oder Rechtsfolgen eines Patents eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt und durch einen Patentanwalt als notwendig anzusehen ist.
Unabhängig davon fehlt es auch an einer vergleichbaren Interessenlage. § 143 Abs. 3 PatG trägt dem Umstand Rechnung, dass in einem Patentverletzungsrechtsstreit die Zuziehung eines Patentanwalts in aller Regel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geboten ist, die Parteien aber schon im Hinblick auf § 78 ZPO gehalten sind, auch einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu beauftragen. Im erstinstanzlichen Patentnichtigkeitsverfahren steht es den Parteien hingegen gemäß § 97 Abs. 1 und 2 PatG frei, ob sie den Rechtsstreit selbst führen oder sich von einem Patentanwalt oder einem Rechtsanwalt vertreten lassen.
b) Zu Recht ist das Patentgericht ferner davon ausgegangen, dass bei der Prüfung, ob eine Maßnahme der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO war, grundsätzlich eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist.
Dieser Grundsatz entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Er trägt dem Umstand Rechnung, dass der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen wäre, in keinem Verhältnis zu den Nachteilen stünde, die sich einstellten, wenn in nahezu jedem Einzelfall darüber gestritten werden könnte, ob die Kosten einer bestimmten Maßnahme zu erstatten sind (vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2007 - X ZB 21/07, NJW-RR 2008, 1378 Rn. 8; Urteil vom 24. Februar 2011 - I ZR 181/09, GRUR 2011, 754 Rn. 32 - Kosten des Patentanwalts II). 21 Daraus ist allerdings, wie das Patentgericht ebenfalls zutreffend gesehen hat, nicht abzuleiten, dass die Erstattungsfähigkeit bestimmter Kosten für bestimmte Verfahrensarten oder Fallkonstellationen stets gleich zu beurteilen ist. Eine typisierende Betrachtungsweise kommt nur dann in Betracht, wenn bestimmte Umstände typischerweise den Schluss zulassen, dass eine bestimmte Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. So sieht der Bundesgerichtshof zum Beispiel die Zuziehung eines Patentanwalts bei der außergerichtlichen Abmahnung einer Kennzeichenrechtsverletzung regelmäßig dann - und nur dann - als notwendig an, wenn hierbei Aufgaben angefallen sind, die - wie etwa Recherchen zum Registerstand oder zur Benutzungslage - zum typischen Arbeitsgebiet eines Patentanwalts gehören und die von dem mit der Abmahnung betrauten Rechtsanwalt nicht wahrgenommen werden konnten (BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 - I ZR 70/11, GRUR 2012, 759 Rn. 14 ff. - Kosten des Patentanwalts IV). Die Mitwirkung eines Patentanwalts bei solchen Abmahnungen kann hingegen nicht schon deshalb als typischerweise notwendig angesehen werden, weil die Angelegenheit komplex oder bedeutsam ist. Die Frage, ob eine komplexe oder bedeutsame Angelegenheit vorliegt, entzieht sich nämlich einer typisierenden und generalisierenden Betrachtungsweise (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - I ZR 196/10, GRUR 2012, 756 Rn. 27 - Kosten des Patentanwalts III).
c) In der hier zu beurteilenden Konstellation ist eine typisierende Betrachtungsweise - entgegen der Auffassung, die derzeit von zwei Senaten des Patentgerichts vertreten wird (BPatG, Beschluss vom 23. Juli 2012 - 1 ZA (pat) 14/11, juris Rn. 17; Beschluss vom 29. Januar 2009 - 4 ZA (pat) 81/08, GRUR 2010, 555, 556), und in Übereinstimmung mit der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung, die von anderen Senaten des Patentgerichts geteilt wird (BPatG, Beschluss vom 21. November 2008 - 1 ZA (pat) 15/07, BPatGE 51, 67, 71 = GRUR 2009, 706, 707; Beschluss vom 10. August 2010 - 2 ZA (pat) 8/10, juris Rn. 17; Beschluss vom 24. Februar 2011 - 3 ZA (pat) 29/10, GRUR-RR 2011, 436, 437; Beschluss vom 18. Januar 25 2011 - 5 ZA (pat) 20/10, BPatGE 52, 154, 157 f. = Mitt 2011, 258), - möglich und geboten. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt ist typischerweise als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen, wenn zeitgleich mit dem Nichtigkeitsverfahren ein das Streitpatent betreffender Verletzungsrechtsstreit anhängig ist, an dem die betreffende Partei oder ein mit ihr wirtschaftlich verbundener Dritter beteiligt ist.
(1) Die gleichzeitige Anhängigkeit eines Verletzungsrechtsstreits und einer dasselbe Patent betreffenden Nichtigkeitsklage stellt an eine Partei, die unmittelbar oder mittelbar an beiden Verfahren beteiligt ist, besondere Anforderungen.
Eine Partei ist zwar nicht von Rechts wegen gehindert, in den einzelnen Verfahren unterschiedliche Standpunkte zur Auslegung des Streitpatents oder zum Offenbarungsgehalt von Unterlagen, die für die Auslegung oder den Bestand des Schutzrechts von Bedeutung sind, einzunehmen. Dennoch liegt es in aller Regel in ihrem eigenen Interesse, wenn sie ihr Vorbringen in den beiden Verfahren aufeinander abstimmt, also zum Beispiel davon absieht, im einen Verfahren eine enge und im anderen Verfahren eine weite Auslegung des Patents zu postulieren, nur weil dies ihrem Begehren im einzelnen Verfahren vermeintlich förderlich ist. Darüber hinaus haben beide Seiten eine beschränkte Verteidigung nicht nur unter dem Blickwinkel der Zulässigkeit und des Vorliegens von Nichtigkeitsgründen zu prüfen, sondern auch die möglichen Auswirkungen auf den Verletzungsrechtsstreit zu bedenken.
(2) Dieser Abstimmungsbedarf erfordert zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Nichtigkeitsverfahren typischerweise die Mitwirkung derjenigen anwaltlichen Vertreter, die mit der Vertretung der Partei im Verletzungsrechtsstreit betraut sind. 27 Zwar ist nicht anzunehmen, dass ein Patentanwalt typischerweise nicht in der Lage wäre, die Auswirkungen eines bestimmten Vorbringens oder einer beschränkten Verteidigung des Patents auf den Verletzungsrechtsstreit zuverlässig abzuschätzen. Eine zweckentsprechende Abstimmung der Vorgehensweise in zwei gleichzeitig anhängigen Verfahren erfordert aber nicht nur eine abstrakte Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Sie umfasst typischerweise auch die Aufgabe, unter mehreren in Betracht kommenden Angriffs- oder Verteidigungsstrategien diejenige auszuwählen, die ein möglichst konsistentes Vorgehen in beiden Verfahren ermöglicht und für den Ausgang des Rechtsstreits bedeutsame Argumentationslinien nicht ohne Not in Frage stellt. Nicht selten stellt sich zudem die Aufgabe, kurzfristig auf Hinweise eines Gerichts zu reagieren und die möglichen Folgen einer Reaktion für das jeweils andere Verfahren abzuschätzen. Hierzu sind nicht nur Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich, über die ein Patentanwalt und ein in Patentsachen erfahrener Rechtsanwalt häufig in vergleichbarem Maße verfügen, sondern auch die detaillierte Kenntnis der konkreten Verfahrenssituation im jeweils anderen Rechtsstreit und der für den weiteren Verlauf in Betracht kommenden Handlungsalternativen. Wenn diese Aufgaben im Verletzungsrechtsstreit von einem Rechtsanwalt und einem Patentanwalt gemeinsam wahrgenommen werden, entspricht es einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, auch im Nichtigkeitsverfahren beide Vertreter heranzuziehen. Die Beauftragung nur eines Vertreters mit der Maßgabe, dass dieser die erforderliche Abstimmung allein übernehmen soll, ist schon deshalb nicht ausreichend, weil eine Abstimmung naturgemäß die Mitwirkung des anderen Vertreters auch im Nichtigkeitsverfahren erfordert.
(3) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt die Höhe der in Streit stehenden Kosten nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Die Höhe der geltend gemachten Kosten beruht auf dem vom Patentgericht festgesetzten Streitwert, der mit 2,5 Millionen Euro auch für Patentnichtig-30 keitsverfahren relativ hoch ist. Der Höhe des Streitwerts kommt bei der typisierenden Betrachtung, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als notwendig anzusehen ist, in der Regel aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Insbesondere erschiene es nicht angemessen, die Notwendigkeit gerade deshalb zu verneinen, weil die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits besonders hoch ist.
d) Die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der Kosten für einen Rechtsanwalt und einen Patentanwalt im Falle eines gleichzeitig anhängigen Verletzungsrechtsstreits steht nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Gesetzgebers, eine § 143 Abs. 3 PatG entsprechende Regelung für das Nichtigkeitsverfahren nicht vorzusehen.
Dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich von § 143 Abs. 3 PatG auf den Verletzungsrechtsstreit beschränkt hat, ist allerdings zu entnehmen, dass die Beauftragung eines Rechtsanwalts und eines Patentanwalts im Nichtigkeitsverfahren nicht schlechthin als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig angesehen werden darf. Diese Rechtsfolge ist mit der grundsätzlichen Anerkennung der Erstattungsfähigkeit im Falle eines gleichzeitig anhängigen Verletzungsrechtsstreits indes nicht verbunden. Zwar bildet eine Patentverletzungsklage häufig den Anlass und den Hintergrund für eine Patentnichtigkeitsklage. Dennoch gibt es eine nicht unerhebliche Anzahl von Nichtigkeitsverfahren, mit denen kein paralleler Verletzungsrechtsstreit einhergeht und in denen auch andere Senate des Patentgerichts die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Doppelvertretung in der ersten Instanz regelmäßig verneinen (vgl. Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 ZA (pat) 80/08, juris Rn. 23; Beschluss vom 22. Mai 2012 - 3 ZA (pat) 44/11, juris Rn. 22; ebenso bei kurzzeitiger Anhängigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung Beschluss vom 7. Mai 2012 - 3 ZA (pat) 6/12, Mitt 2012, 371 sowie - bezogen auf die Terminsgebühr - bei rechtskräftigem Ab-33 schluss des Verletzungsrechtsstreits vor der mündlichen Verhandlung im Nichtigkeitsverfahren Beschluss vom 5. April 2011 - 2 ZA (pat) 68/09, juris Rn. 22).
e) Zu Recht hat das Patentgericht dem Umstand, dass die Klägerin des Verletzungsrechtsstreits und die Beklagte des Nichtigkeitsverfahrens nicht identisch sind, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen.
Soweit es wie im Streitfall um die Kosten des Verletzungsbeklagten geht, ist die fehlende Personenidentität auf der Gegenseite schon deshalb unerheblich, weil der an beiden Verfahren beteiligte Verletzungsbeklagte auch in dieser Konstellation typischerweise gehalten ist, sein Vorbringen in den beiden Verfahren aufeinander abzustimmen. Darüber hinaus könnte auch auf der Seite des Berechtigten die Notwendigkeit einer Abstimmung jedenfalls dann typischerweise nicht verneint werden, wenn der Patentinhaber und der Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts sich in den beiden Verfahren durch dieselben Anwälte vertreten lassen.
3. Im Streitfall sind die Kosten für die Zuziehung eines Rechtsanwalts antragsgemäß festzusetzen.
Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist zwischen den Parteien ein auf das Streitpatent gestützter Verletzungsrechtsstreit anhängig. Angesichts dessen war die Zuziehung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt bei der gebotenen typisierenden Betrachtung als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Besondere Umstände, aus denen sich ausnahmsweise etwas anderes ergeben könnte, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Die fehlende Personenidentität auf Seiten des Gegners steht der Erstattungsfähigkeit aus den oben genannten Gründen nicht entgegen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Grabinski Bacher Hoffmann Schuster Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 12.07.2012 - 10 ZA (pat) 3/11 39
BGH:
Beschluss v. 18.12.2012
Az: X ZB 11/12
Link zum Urteil:
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