Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Juni 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 242/01

(BPatG: Beschluss v. 10.06.2003, Az.: 24 W (pat) 242/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 10. Juni 2003 (Aktenzeichen 24 W (pat) 242/01) die Entscheidung der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts, die die Marke "TQ" zurückgewiesen hatte, aufgehoben. Die Markenstelle hatte die Anmeldung der Buchstabenfolge "TQ" als Marke für verschiedene Waren und Dienstleistungen im Bereich der Datenverarbeitung und Telekommunikation zurückgewiesen. Sie sah die Buchstabenfolge als Abkürzung für "Telefondienstqualität" an, was ein Qualitätsstandard der Deutschen Telekom für Festverbindungen ist. Da die Buchstabenfolge somit eine unmittelbar beschreibende Angabe für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist, fehle ihr die erforderliche Unterscheidungskraft. Die Anmelderin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und argumentiert, dass die Bezeichnung "TQ" auch als Abkürzung für andere Fachbegriffe verwendet wird und somit mehrdeutig ist. Zudem habe die Markenstelle keine ausreichenden Nachweise erbracht, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Marke lediglich als Typenbezeichnung verstehen. Das Bundespatentgericht entschied, dass der Marke weder ein Freihaltebedürfnis noch die erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann. Es konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass die Buchstabenfolge "TQ" im Verkehr als Abkürzung für "Telefondienstqualität" verstanden wird. Auch aufgrund fehlender Bezeichnungsusancen im Warengebiet konnte der Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 10.06.2003, Az: 24 W (pat) 242/01


Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Oktober 2001 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Buchstabenfolge TQ ist als Marke für die Waren und Dienstleistungen

"Datenverarbeitungsgeräte, Computer und sonstige Computerhardware, insbesondere Bildschirme, Rechner, Tastaturen, Drucker, Scanner, CD-ROM-Laufwerke und digitale Spracherkennungs- und Umwandlungsgeräte, Modems, ISDN-Karten, Router, Festplatten, Speicher, Mother-Boards, Chips und Controller; Telekommunikationsgeräte; sonstige optische, akustische sowie elektronische Geräte; Teile aller vorgenannten Waren; Software; Datenträger aller Art; elektrische Kabel und Leitungen, insbesondere für die EDV;

Telekommunikationsdienstleistungen; Nachrichten-, Bild- und Datenübermittlung mittels Computer; Betrieb eines Kommunikations- und Informationsnetzes zum Datenaustausch mittels Computer; Zurverfügungstellung von Internet- und e-Mail-Adressen, eines Internet-Einwahlknotens sowie eines Web-, Mail- und Newsservers;

Erstellung, Entwicklung, Weiterentwicklung, Pflege und Installation von Software; technische Projektplanung und Entwicklung von Computern, Computerhardware und Computernetzwerken; technische Projektplanung und Entwicklung von internen und externen, auch globalen Netzwerken; Forschung auf dem Gebiet des Computerwesens und der Kommunikationstechnologie; Vermietung von Computern und sonstiger Computerhardware; Lizenzierung von Software; Zurverfügungstellung von Software über das Internet und andere Kommunikationsnetze; Online-Wartung von Computerhardware und Computersoftware; Zurverfügungstellung und Bereithalten von Daten auf einer Internet-Homepage"

zur Eintragung in das Register angemeldet.

Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und im Hinblick auf ein bestehendes Freihaltebedürfnis zurückgewiesen. Die Buchstabenkombination "TQ" stelle eine Abkürzung für den Fachbegriff "Telefondienstqualität" dar. Mit diesem Begriff werde ein Qualitätsstandard für Festverbindungen der Deutschen Telekom bezeichnet, der Voraussetzung für die Einbeziehung einer Verbindung in den öffentlichen Telefondienst sei. Insoweit handle es sich bei der angemeldeten Marke um eine unmittelbar beschreibende Angabe für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Diese würden dahingehend beschrieben, daß sie den genannten Qualitätsstandard entweder aufwiesen (so im Hinblick auf die Dienstleistungen der Klasse 38) oder gewährleisteten bzw ihm entsprächen (so in bezug auf die Waren der Klasse 9 und die Dienstleistungen der Klasse 42). Hinsichtlich der Waren der Klasse 9 fehle der angemeldeten Marke darüber hinaus die erforderliche Unterscheidungskraft. Insoweit werde die Bezeichnung "TQ" auch von den Verkehrskreisen, die ihren unmittelbar beschreibenden Sinngehalt nicht erkennen würden, nicht als betrieblicher Herkunftshinweis, sondern als Typen-, Sorten- bzw Ausstattungsangabe aufgefaßt.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zu deren Begründung macht sie geltend, daß die Markenstelle ihre Annahme, bei der Buchstabenfolge "TQ" handle es sich um eine beschreibende Angabe, ausschließlich auf ein veraltetes Glossar eines Privatunternehmens, der Deutschen Telekom, gestützt habe, in dem die Angabe "TQ" zudem lediglich als Zusatz zu dem Stichwort "Telefondienstqualität", nicht aber als eigenes Stichwort aufgeführt sei. Darüber hinaus werde die Bezeichnung "TQ" auch als Abkürzung für andere Fachbegriffe verwendet. Sie sei somit mehrdeutig. Aber auch in der von der Markenstelle zugrundegelegten Bedeutung weise die angemeldete Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, zB Tastaturen, keinen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt auf. Im Hinblick auf das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft habe die Markenstelle keine ausreichenden Nachweise dafür erbracht, daß die angesprochenen Verkehrskreise die angemeldete Marke aufgrund der üblichen Bezeichnungsgewohnheiten auf dem vorliegenden Waren- und Dienstleistungsgebiet stets nur als Typenbezeichnung verständen. Vielmehr werde die Buchstabenkombination "TQ" von vielen Unternehmen als betriebskennzeichnender Hinweis verwendet.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß der Markenstelle aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und auch in der Sache begründet. An der angemeldeten Marke läßt sich für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen weder ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG feststellen noch kann ihr die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

1. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung (ua) solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Diesem Schutzhindernis können neben den beschreibenden Angaben selbst auch Abkürzungen solcher Angaben unterfallen. Die insoweit erforderliche Eignung einer Bezeichnung, zB einer Buchstabenfolge, als Abkürzung stellvertretend für die beschreibende Angabe selbst verwendet zu werden, setzt jedoch voraus, daß die Abkürzung als solche im Verkehr gebräuchlich oder aus anderen Gründen für die angesprochenen Verkehrskreise in ihrem beschreibenden Sinngehalt verständlich ist (vgl BGH GRUR 2002, 261, 262 "AC"; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 8 Rn 303). Eine solche Feststellung kann im allgemeinen nicht schon aufgrund vereinzelter Eintragungen der betreffenden Bezeichnung in Abkürzungsverzeichnissen getroffen werden. Denn in solche Verzeichnisse werden in großem Umfang auch solche Abkürzungen bzw Bedeutungserklärungen aufgenommen, die nur vereinzelt verwendet werden, im Verkehr aber nicht als Fachabkürzung gebräuchlich sind. Derartige Einträge stellen daher in der Regel nur ein erstes Indiz für ein Freihaltebedürfnis dar. Dieses Indiz kann und muß durch weitere Feststellungen erhärtet oder aber entkräftet werden (vgl BPatG Mitt 1998, 103 "MAC"; GRUR 1999, 330 "CT"; BPatGE 39, 75, 77 f "DSS"). Im vorliegenden Fall kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, daß es sich bei der Bezeichnung "TQ" um eine verständliche und insoweit freihaltebedürftige Abkürzung für eine beschreibende Angabe handelt.

Nach den Ermittlungen der Markenstelle ist die Buchstabenfolge "TQ" als Abkürzung in einem "Telekom-Glossar" des INTEREST VERLAGS verzeichnet. Als Erläuterung gibt diese Fundstelle an: "Abk. Telefondienstqualität, Qualitätsstandard festgeschalteter analoger Verbindungen aus der Produktlinie Standard-Festverbindungen der Deutschen Telekom. Die TQ bildet Voraussetzung für die Einbeziehung einer Verbindung in den öffentlichen Telefondienst." Zum selben Ergebnis führt eine "Google"-Recherche unter dem Suchwort "TQ", wobei die angegebene Homepage des "fossilverlag" nicht abrufbar ist. Demgegenüber erklärt ein ebenfalls im INTEREST VERLAG erschienenes, von O. Rosenbaum verfaßtes "Fachverzeichnis Informationstechnologie von A-Z (Abkürzungen)" aus dem Jahr 2002 die Abkürzung "TQ" (nur) mit: "Twisted Quad. Kabel aus vier zu einem Sternvierer gleichmäßig verdrillten zylindrischen Kupferleitern." Ein hiermit identischer Eintrag findet sich in dem vom selben Verfasser stammendes "EXPERT PRAXISLEXIKON EDV-ABKÜRZUNGEN" (expert verlag, 2000). Die - sehr umfangreichen - Abkürzungslexika von Wennrich ("Internationales Verzeichnis der Abkürzungen und Akronyme der Elektronik, Elektrotechnik, Computertechnik und Informationsverarbeitung", 1992) und Amkreutz ("Abkürzungen der Informationsverarbeitung", 1986) führen die Buchstabenkombination "TQ" nicht auf. Auch das Werk "Information Technology Encyclopedia and Acronyms" von E. Kajan (Springer Verlag, 2002) weist für "TQ" keinen Eintrag auf. Im "DUDEN Wörterbuch der Abkürzungen" (4. Aufl. 1999) schließlich wird für "TQ" lediglich die Erläuterung "Tageslichtquotient" angegeben. Somit ergibt sich, daß die Buchstabenfolge "TQ" in für das vorliegende Waren- und Dienstleistungsgebiet einschlägigen Abkürzungsverzeichnissen teils mit der von der Markenstelle zugrundegelegten Bedeutung, teils mit (ausschließlich) anderen Bedeutungen, teils überhaupt nicht aufgeführt ist.

Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, daß es sich bei der angemeldeten Marke um eine im Verkehr gebräuchliche oder für die angesprochenen Verkehrskreise aus anderen Gründen verständliche und deshalb zur Beschreibung geeignete Abkürzung für den Begriff "Telefondienstqualität" handelt. Ein Freihaltebedürfnis an der angemeldeten Marke kann daher nicht festgestellt werden, wobei offen bleiben kann, inwieweit der Begriff "Telefondienstqualität" seinerseits als beschreibende Angabe für sämtliche von der Anmeldung erfaßten Waren und Dienstleistungen in Betracht käme.

2. Der angemeldeten Marke kann auch nicht die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Von fehlender Unterscheidungskraft ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Wortmarken auszugehen, wenn einer Marke für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen ein im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zukommt oder es sich um ein Wort handelt, das vom Verkehr stets nur als solches und nicht als herkunftsindividualisierendes Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl zB BGH GRUR 2003, 342, 343 "Winnetou"). Diese Grundsätze gelten auch für die Beurteilung von Marken, die aus einzelnen Buchstaben bzw Buchstabenkombinationen bestehen (vgl BGH GRUR 2002, 261, 262 "AC"; GRUR 2003, 343, 344 "Buchstabe Z").

Daß der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen kein hinreichend sicher feststellbarer beschreibender Sinngehalt zukommt, wurde zu 1. ausgeführt. Es kann darüber hinaus auch nicht angenommen werden, daß die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung "TQ" aus anderen Gründen nicht als Individualzeichen auffassen. Die Markenstelle ist insoweit allerdings im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, daß es auf bestimmten Warengebieten Bezeichnungen gibt, denen zwar einerseits nicht ohne weiteres ein beschreibender Sinngehalt entnommen werden kann, die aber andererseits im Hinblick auf die Bezeichnungsgewohnheiten auf dem betreffenden Warengebiet vom Publikum auch nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden. Finden nämlich in einer Branche auf bestimmte Art gebildete Bezeichnungen vielfach als Typen- oder Ausstattungsbezeichnungen mit (meist) lediglich beschreibendem Sinngehalt Verwendung, so liegt die Annahme fern, daß der Verkehr eine ähnlich gebildete Bezeichnung als Individualmarke auffaßt, mag er auch eine etwaige beschreibende Bedeutung des Zeichens nicht erkennen (vgl BPatG GRUR 1998, 572, 574 "Zahl 9000"; Ströbele/Hacker, aaO, § 8 Rn 143 mwN). Auf dem vorliegenden Warengebiet lassen sich jedoch keine Bezeichnungsusancen feststellen, die es rechtfertigen würden, der angemeldeten Marke die Eintragung zu versagen.

Wie sich aus den von der Markenstelle angeführten Beispielen ergibt, werden insbesondere Telekommunikationsgeräte, aber auch andere Geräte der Klasse 9 häufig mit Buchstaben-Zahlen-Kombinationen nach Art einer Typenbezeichnung gekennzeichnet. In solchen Zeichenverbindungen kommt auch die Buchstabenfolge "TQ" vor. Die vorliegende Anmeldung besteht jedoch ausschließlich aus einer Kombination zweier Buchstaben. Daß auch solche zweigliedrigen Buchstabenfolgen auf dem vorliegenden Warengebiet in relevantem Umfang als Typen- oder Ausstattungsbezeichnung verwendet werden, ist nicht ersichtlich. Insoweit kann auch unter diesem Gesichtspunkt nicht angenommen werden, daß der angemeldeten Marke jede Unterscheidungskraft fehlt.

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BPatG:
Beschluss v. 10.06.2003
Az: 24 W (pat) 242/01


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