Landgericht München I:
Urteil vom 8. Dezember 2009
Aktenzeichen: 9 HKO 9435/09, 9 HKO 9435/09

(LG München I: Urteil v. 08.12.2009, Az.: 9 HKO 9435/09, 9 HKO 9435/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Klägerinnen, private Geschäftsbanken, haben gegen die Beklagte, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, einen Unterlassungsanspruch sowie daraus ergebende Folgeansprüche aufgrund von kartellrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Verstößen geltend gemacht. Die Beklagte sperrte ihre Geldautomaten für VISA-Karten, die von den Klägerinnen ausgegeben wurden. Die Klägerinnen sind der Meinung, dass dies kartellrechtlich unzulässig sei und eine unbillige Behinderung darstelle. Sie fordern daher von der Beklagten die Unterlassung der Sperrung und Schadenersatz.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es wurde festgestellt, dass die Beklagte nicht marktbeherrschend ist und daher keine Verstöße gegen das Kartellrecht vorliegen. Zudem haben die Kunden der Klägerinnen alternative Möglichkeiten, an Bargeld zu gelangen, unter anderem durch andere Geldautomaten oder das Abheben an den Schaltern der Beklagten. Eine unbillige Behinderung oder eine Ungleichbehandlung ohne sachlich gerechtfertigten Grund wurde nicht festgestellt. Daher sind auch die geltend gemachten Folgeansprüche der Klägerinnen auf Auskunft und Schadensersatz unbegründet. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerinnen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wenn die Beklagte eine Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000 Euro erbringt.

Insgesamt wurde die Klage abgewiesen, da sowohl kein Verstoß gegen kartellrechtliche Bestimmungen als auch gegen das Wettbewerbsrecht vorliegt. Die Beklagte ist nicht marktbeherrschend und die Sperrung der Geldautomaten stellt keine unbillige Behinderung dar. Darüber hinaus haben die Klägerinnen alternative Möglichkeiten, ihren Kunden Bargeld zur Verfügung zu stellen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG München I: Urteil v. 08.12.2009, Az: 9 HKO 9435/09, 9 HKO 9435/09


Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung der Beklagten in Höhe von Euro 6.000,00 vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerinnen machen gegen die Beklagte einen kartellrechtlichen Unterlassungs-, sowie hieraus sich ergebende Folgeansprüche geltend.

Die Klägerinnen sind privatrechtlich organisierte Geschäftsbanken. Die Beklagte ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts in der Trägerschaft ihrer öffentlich-rechtlichen Träger, nämlich der Stadt I des Landkreises E und des Landkreises P.

Die Parteien des Rechtsstreits stehen untereinander im Wettbewerb um die Gewinnung von Kunden für den Abschluss von Girokontoverträgen.

Sämtliche Parteien sind Mitglieder der VISA-Organisation, die weltweit den Einsatz der mit einem der verschiedenen VISA-Logos versehenen Kreditkarten organisiert und reguliert. Die Kreditkarten können unter Eingabe der PIN des jeweiligen Nutzers zur Abhebung von Bargeld an allen VISA-zertifizierten Geldautomaten genutzt werden.

Die Beklagte sperrte ab 1.11.2008 ihre Geldautomaten für die VISA-Karten, die die Klägerinnen ausgegeben haben.

Die Klägerinnen sind der Meinung, dass diese Verhaltensweise der Beklagten aus kartellrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Gründen unzulässig sei und deswegen zu unterlassen sei.

Zunächst stünde den Klägerinnen ein Unterlassungsanspruch aus §§ 33, 20 Abs. 1 GWB zu.

Die Beklagte verstoße zunächst gegen die VISA-Regularien, die im Grundsatz vorschreiben würden, dass die Betreiber von Geldautomaten jegliche VISA-Karten akzeptieren, d.h. Bargeld zur Auszahlung an diesem Geldautomaten bringen müssten!

Außerdem sei die Beklagte in ihrem Tätigkeitsgebiet marktbeherrschend. Als solches marktbeherrschendes Unternehmen unterliege sie den Beschränkungen der §§ 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB und 20 Abs. 1 GWB. Danach sei es der Beklagten verboten, die Klägerinnen als andere Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen zugänglich ist, bei der Barabhebung an den Automaten der Beklagten mit den VISA-Karten der Klägerinnen unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich zu behandeln. Die Beklagte lasse nämlich Barabhebungen mit VISA-Karten anderer Institute an ihren Automaten weiterhin zu.

Der sachlich relevante Markt im streitgegenständlichen Fall sei zunächst vordergründig der Markt für die Gewinnung von Kunden für den Abschluss von Privatgirokontoverträgen und hier im Besonderen für die Einrichtung und Vorhaltung von Geldautomaten für die Nutzung durch eigene oder fremde Kunden.

Der räumlich relevante Markt entspreche dem Geschäftsbezirk der Beklagten, nämlich den Städten und Landkreisen, in denen die Beklagte tatsächlich tätig ist.

Auf diesem räumlich und sachlich relevanten Markt habe die Beklagte eine marktbeherrschende Stellung inne. Kein anderes Institut als die Beklagte biete eine auch nur annähernd vergleichbare Zahl von Geldautomaten. Die Beklagte sei damit mindestens nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2. Alternative GWB marktbeherrschend.

Diese marktbeherrschende Stellung nutze die Beklagte aus, um die Klägerinnen in einem, - einem anderen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr, unbillig - zu behindern. Bei den Klägerinnen einerseits und der Beklagten andererseits handele es sich um gleichartige Unternehmen i.S. von § 20 Abs. 1 GWB. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen handele es sich bei der Sperrung der Geldautomaten der Beklagten für VISA-Karten der Klägerinnen um eine unbillige Behinderung.

Die durch die Beklagte vorgenommene Ungleichbehandlung erfolge auch ohne jeden sachlich gerechtfertigten Grund, sodass auch ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 33, 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB gegeben sei.

Außerdem hätten die Klägerinnen gegen die Beklagte auch einen Unterlassungsanspruch aus § 4 Nr. 10 UWG wegen Behinderungswettbewerbs.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Klägerinnen, insbesondere zu den tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen zur Begründung ihrer geltend gemachten Ansprüche wird auf die umfangreichen Schriftsätze der Klägerinnen nebst Anlagen hingewiesen.

Die Klägerinnen stellten deshalb folgende Anträge:

1. Die Beklagte hat es zu unterlassen, durch elektronische, technische oder sonstige Vorrichtungen oder sonstige Maßnahmen gleicher Wirkung an Geldautomaten, die sie zur Nutzung von VISA-Kreditkarten zum Zweck der Abhebung von Bargeld bereitstellt, insbesondere durch Auslesen und Sperren der für die Klägerinnen zu 1. bis 3. geltenden sog. Banking Identification Numbers (BIN, Bankidentifikationsnummern)

- BIN 490829, 454304, 450947, 492044 (Klägerin zu 1.)

- BIN 4546, 4129, 4901, 4568 (Klägerin zu 2.)

- BIN 420567, 453244, 453208 (Klägerin zu 3.),

die Abhebung von Bargeld bis zu Euro200,00 unter Einsatz von VISA-Kreditkarten, die von einer der Klägerinnen ausgegeben wurden, zu verhindern oder sonst unmöglich zu machen.

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von Euro 250.000,00 und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

3. Die Beklagte hat der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die in Ziffer .1. genannten Handlungen seit dem 1.11.2008 vorgenommen hat, insbesondere unter Angabe der Zahl der vergeblichen Abhebungen mit den von den Klägerinnen mit den oben genannten BIN ausgegebenen VISA-Karten.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der diesen nach den nach Ziffer 1. zu unterlassenden Handlungen bisher entstanden ist und noch entstehen wird.

5. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Dagegen beantragte die Beklagte,

die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Zur Begründung trug sie zusammengefasst folgendes vor:

Die Beklagte habe in einer mit den VISA-Regularien konformenweise und in enger Abstimmung mit VISA-Europe den Zugang zu ihren Geldautomaten für VISA-Karten der Klägerinnen beschränkt.

Den Kunden der Klägerinnen stünden im Geschäftsgebiet der Beklagten zahlreiche Ausweichmöglichkeiten auf Geldautomaten anderer Kreditinstitute zur Verfügung, an denen sie mit ihren VISA-Karten Bargeld abheben könnten. Die Klägerinnen würden selbst vortragen, dass im Tätigkeitsgebiet der Beklagten mindestens 18 weitere Kreditinstitute Geldautomaten aufgestellt hätten, die den Kunden der Klägerinnen als Ausweichmöglichkeiten zur Abhebung von Bargeld mit der VISA-Karte zur Verfügung stünden. Außerdem stünden weitere Geldbeschaffungsmöglichkeiten bei insgesamt 5 R-Märkten zur Verfügung.

Die Beklagte habe keine Marktbeherrschungsposition auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt. Der sachlich relevante Markt, ist nämlich ein Markt für das Privatkundengeschäft, bzw. bestenfalls enger umgrenzt ein Markt für den Vertrieb von Privatgirokonten, der sowohl das Geschäft mit Girokonten als auch als Teilbereich das Geschäft mit Kreditkarten umfasse.

Der räumlich relevante Markt sei nach Meinung der Beklagten der deutschlandweite Markt für das Privatkundengeschäft, bzw. der deutschlandweite Markt für den Vertrieb von Privatgirokonten.

Auf diesem relevanten Markt habe die Beklagte aber keine marktbeherrschende Stellung.

Es liege entgegen der Meinung der Klägerinnen auch keine unbillige Behinderung vor. Den Klägerinnen stünde eine Vielzahl anderer Möglichkeiten zur Verfügung, um ihre Kunden mit Bargeld, auch unter Benützung der VISA-Karten, zu versorgen.

Der Beklagten stünde letztlich auch ein sachlich gerechtfertigter Grund für ihre Handlungsweise zur Seite.

Zusammenfassend führte die Beklagte damit aus, dass den Klägerinnen weder ein Unterlassungsanspruch aus GWB, noch ein solcher aus UWG zustünde, weshalb auch die geltend gemachten Folgeansprüche unbegründet seien.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beklagten in tatbestandsmäßiger Hinsicht und ihrer rechtlichen Begründung wird auf ihre ebenfalls umfangreichen Schriftsätze nebst Anlagen hingewiesen.

Eine Beweisaufnahme fand nicht statt.

Gründe

Die zulässige Klage erwies sich in vollem Umfang als unbegründet, sodass sie abzuweisen war. Im Einzelnen ist hierzu auszuführen:

1. Der Unterlassungsanspruch aus §§ 33, 20 Abs. 1 GWB besteht nicht.

a) Die beiden Tatbestände des § 20 Abs. 1 GWB, das Verbot unbilliger Behinderung und das Verbot unterschiedlicher Behandlung ohne sachlich gerechtfertigen Grund, überschneiden sich teilweise und lassen sich nicht scharf voneinander abgrenzen, wofür allerdings auch im Hinblick auf die gleichen Rechtsfolgen kein praktisches Bedürfnis besteht. Die Feststellung der Unbilligkeit hat zu erfolgen aufgrund einer Abwägung der Interessen der Beteiligten, auch unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB.

Auf der Seite des vermeintlich behindernden Normadressaten, hier der Beklagten, sind grundsätzlich alle Interessen berücksichtigungsfähig, dazu gehört vor allem das Interesse an unternehmerischem Freiraum, denn § 20 Abs. 1 GWB hindert ein Unternehmen nicht daran, dass es sein Bezugs- und Absatzsystem nach eigenem Ermessen so gestaltet, wie es dies für richtig und wirtschaftlich sinnvoll hält (vgl. Löwenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht 200.6, Rn. 71 zu § 20 GWB). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt ein Verstoß seitens der Beklagten gegen § 20 GWB nicht vor:

b) Der im streitgegenständlichen Fall einschlägige sachlich relevante Markt ist entgegen der einschränkenden Beurteilung der Klägerinnen nicht der Markt für die Einrichtung und Vorhaltung von Geldautomaten, bzw. für die Gewinnung von Kunden für Abschlüsse von Privatkunden-Giroverträgen, sondern derweitereMarkt des gesamten Privatkundengeschäfts, bzw. des Vertriebs von Privatgirokonten.

Die Parteien stehen sich auf dem deutschlandweiten Markt für das Bankgeschäft mit Privatkunden gegenüber. Die sachliche Marktabgrenzung richtet sich nach dem so genannten Bedarfsmarktkonzept. Danach ist entscheidend auf die Sicht der Marktgegenseite, hier der Kunden der Banken und Sparkassen abzustellen. Diese fragen jedoch nicht nur losgelöst die Bargeldbeschaffung an Geldautomaten nach, sondern eine ganze Reihe von weiteren Dienstleistungen. Hierzu gehören neben der Führung eines Girokontos auch z.B. das Anlagengeschäft, das Kreditkartengeschäft und die Abwicklung von Zahlungsverkehr über ein Girokonto.

Die Bargeldbeschaffung an einem Geldautomaten ist demnach keine losgelöste Dienstleistung der Banken und Sparkassen, die die Annahme eines eigenständigen sachlich relevanten Marktes rechtfertigen würde. Diese Art der Bargeldbeschaffung an Geldautomaten ist demnach lediglich ein Teil eines umfassenden Service-Paketes. Das Einrichten und Vorhalten von Geldautomaten ist eine Dienstleistung, die einen Ausschnitt aus dem Privatkundengeschäft darstellt und die sachlich dem umfassenderen Markt für das Privatkundengeschäft zuzuordnen ist. Der Umstand, dass es sowohl mit EC-Karten, als auch mit Kreditkarten möglich ist, Bargeld an einem Geldautomaten zu beziehen, gibt keinen Hinweis darauf, das kartellrechtlich gesehen ein sachlich eigenständiger Markt für die Einrichtung und Vorhaltung von Geldautomaten abzugrenzen wäre. Dieser von den Klägerinnen angenommene enge sachlich relevante Markt besteht tatsächlich nicht.

c) Auch der räumlich relevante Markt entspricht nicht dem, wie ihn die Klägerinnen sehen, nämlich lediglich im Geschäftsbezirk der Beklagten (Stadt I Landkreise E und P).

Wie unter b) dargestellt handelt es sich bei dem sachlich relevanten Markt um das Privatkundengeschäft, bzw. den Vertrieb von Privatgirokonten. Hierbei handelt es sich aber um einen nationalen, d.h. deutschlandweiten Markt. Dieses folgt bereits daraus, dass die Klägerinnen unstreitig deutschlandweit tätig sind. Weiter folgt dieses daraus, dass wegen der zwischenzeitlich erfolgten technischen Entwicklungen wie Telebanking und Online-Banking, das stark an Bedeutung gewonnen hat, die Anzahl der Wettbewerber auf den nationalen Märkten für das Privatkundengeschäft erheblich erweitert worden ist. Damit ist aber die Bedeutung der regionalen Verankerung eines Kreditinstituts wie der Beklagten in den Hintergrund getreten.

d) Auf der Grundlage dieser dargelegten sachlich und räumlich relevanten Märkte ist aber festzustellen, dass die Beklagte nicht marktbeherrschend ist. Eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten auf den deutschlandweiten Märkten wurde von der Klägerin weder dargelegt noch behauptet. Eine solche marktbeherrschende Stellung ist auch im Hinblick auf die geografische Reichweite dieses relevanten Marktes überhaupt nicht ersichtlich.

e) Selbst wenn man aber zugunsten der Klägerinnen sowohl den von ihnen angenommenen sachlich und räumlich relevanten Markt als zutreffend unterstellt und sogar - entgegen dem substantiierten Vortrag der Beklagten € hierbei eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten annimmt, scheitert der Unterlassungsanspruch aus § 20 Abs. 1 GWB:

aa) Es liegt keine Behinderung der Klägerin vor.

Die Beklagte hat zunächst ihre beabsichtigte Sperrung der VISA-Karten bestimmter Emittenten mit VISA-Europe abgestimmt. Insoweit wird auf das Schreiben der Beklagten vom 13.5.2008 (Anlage B7) und auf das Schreiben von VISA-Europe vom 23.6.2008 (Anlage B8) verwiesen. Durch dieses Schreiben wurde die von der Beklagten angezeigte selektive Zugangsbeschränkung genehmigt.

53Außerdem haben die Kunden der Klägerinnen ohne weiteres die Möglichkeit, mit von den Klägerinnen ausgegebenen EC- oder anderen Kreditkarten Bargeld abzuheben. Damit werden die Kunden der Klägerinnen aber nicht vom Zugang zu den Geldautomaten der Beklagten ausgeschlossen. Ausschlaggebend aus Sicht der Kunden ist allein die Möglichkeit der Bargeldbeschaffung, wobei die dabei zu benutzenden EC-Karten und Kreditkarten aus der Sicht der Kunden austauschbar sind. Außerdem könnten die Kunden der Klägerinnen mit ihren VISA-Karten auch bargeldlos bezahlen, sodass sie mit Hilfe dieser Karten überhaupt kein Bargeld benötigen würden. Die Bargeldabhebung mit einer Kreditkarte ist eine nur untergeordnete Funktion der Kreditkarten. An der Möglichkeit der Kunden der Klägerinnen zum Einsatz der VISA-Karten zur bargeldlosen Bezahlung im Handel ändert sich durch die Zugangsbeschränkung zu Geldautomaten. überhaupt nichts.

54Weiter liegt eine Behinderung der Kunden der Klägerinnen auch deshalb, nicht vor, weil diese Kunden weiterhin die Möglichkeit haben, sich bei der Beklagten Bargeld zu beschaffen. Außerdem stehen den Kunden der Klägerinnen im Geschäftsgebiet der Beklagten die Geldautomaten von mindestens 18 anderen Instituten zur Verfügung. Auch die Möglichkeit, an den Schaltern der Beklagten mit den VISA-Karten der Klägerinnen manuell Bargeld abzuheben, besteht weiterhin. Dass es hierbei zu geringfügigen Zeitverzögerungen kommen kann oder kommt, liegt in der Natur der Sache, nämlich in den VISA-Regularien.

55Letztlich muss auch noch ausgeführt werden, dass neben diesen sämtlichen genannten Möglichkeiten der Bargeldbeschaffung für Kunden der Klägerinnen auch letztlich noch die naheliegendste Möglichkeit gegeben ist, nämlich die, dass die Klägerinnen selbst für ausreichende zusätzliche Geldautomaten sorgen. Wenn die Klägerinnen hierzu in der Klageschrift auf Seite 24 ausführen, dass der damit verbundene Aufwand zu teuer sei, so stellt dieses keinen Grund dar, eine Behinderung der Klägerinnen durch die Beklagte anzunehmen. Das Gericht geht insoweit zwar nicht so weit wie die Beklagte; die Klägerinnen als "Drittbrettfahrer" zu bezeichnen, die Klägerinnen müssen sich in diesem Zusammenhang allerdings schon vorhalten lassen, weshalb sie nicht für ausreichende Geldautomaten für ihre eigenen Kunden sorgen.

bb) Aus obigen Ausführungen folgt demnach zwangsläufig, dass eine Behinderung, wenn sie denn-wie nicht € gegeben wäre, keinesfalls unbillig wäre. Ob eine Maßnahme unbillig ist, kann nur aufgrund einer Interessenabwägung beurteilt werden, in die die. Interessen der Parteien und die auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichtete Zielsetzung des Gesetzes einzubeziehen sind.

Wie oben ausgeführt, haben die Kunden der Klägerinnen zahlreiche Möglichkeiten, mit den von den Klägerinnen ausgegebenen EC-Karten und anderen Kreditkarten Geld an den Automaten der Beklagten abzuheben, sogar mit den VISA-Karten Bargeld an den Schaltern der Beklagten abzuheben, bei zahlreichen anderen Kreditinstituten auch mit VISA-Karten Geld abzuheben und auch weiterhin bargeldlos zu bezahlen.

58Im Rahmen der Interessenabwägung ist dabei auch zu berücksichtigen, dass der Zugang von Fremdkunden zu den eigenen Geldautomaten auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruht. An diesem nehmen die Klägerinnen als Direktbanken jedoch überwiegend nicht teil, so dass es der Beklagten nicht zuzumuten ist, einen Wettbewerber zum eigenen Schaden zu fördern.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, alles zu tun, damit die Klägerinnen ihre eigenen geschäftspolitischen Strategien umsetzen können. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf die Verwirklichung ihres eigenen bestimmten Geschäftsmodells.

Eine Unbilligkeit des Handelns der Beklagten ist demnach nicht zu sehen.

cc) Es liegt auch keine Ungleichbehandlung ohne sachlich gerechtfertigten Grund vor.

62Die Beklagte hat nachvollziehbar vorgetragen, dass sie die Klägerinnen als scharfe Wettbewerber erkannt hat. Die Klägerinnen und die Beklagte stehen sich auf dem sachlich relevanten Markt für das Privatkundengeschäft gegenüber. Auf diesem Geschäft verfolgen die Klägerinnen aber gerade das Geschäftsmodell, mit möglichst wenigen eigenen Geldautomaten unter Nutzung der Geldautomaten ihrer Konkurrenten, den Wettbewerb zu bestreiten. Sie beabsichtigen dabei, mit möglichst wenigen eigenen Investitionen die Geldautomaten der Konkurrenten, hier der Beklagten, also deren Eigentum zu benutzen. Das Verhalten der Beklagten, dieses zu unterbinden, widerspricht aber nicht dem Kartellrecht, weil auch ein marktbeherrschendes Unternehmen - wenn die Beklagte ein solches wäre - nicht verpflichtet wäre, die Klägerinnen in gleicher Weise zu behandeln wie andere Wettbewerber.

Zusammenfassend ergibt sich deshalb, dass der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch aus § 20 Abs. 1 GWB aus mehrfachen Gründen nicht gegeben ist.

2. Aus den obigen Ausführungen folgt auch, dass der weiter geltend gemachte Anspruch aus § 19 Abs. 1 und Abs. 4 GWB nicht gegeben ist, weil die Beklagte nicht Normadressatin der genannten Vorschrift ist. im Übrigen ist auch hier auszuführen, dass selbst bei Annahme einer Normadressatenschaft der Beklagten einemissbräuchlicheAusnutzung oder ein Missbrauchohne sachlich gerechtfertigten Grundnicht vorliegen würden, wie aus den ausführlichen Darstellungen unter Ziffer 1 folgt.

3. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §4 Nr. 10 UWG besteht ebenfalls nicht. Ein solcher Anspruch würde nur bestehen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, einen Mitbewerber an seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch vom Markt zu verdrängen.

Die streitgegenständliche Sperrung der Geldautomaten der Beklagten für VISA-Karten der Klägerinnen ist weder geeignet, die Klägerinnen vom Markt zu verdrängen, noch sie so zu beeinträchtigen, dass sie ihre Leistungen durch eigene Anstrengungen nicht mehr angemessen zur "Geltung bringen können. Wie oben dargestellt, können die Klägerinnen ihren Kunden weiterhin die Bargeldabhebung an Geldautomaten mittels der von ihnen ausgegebenen VISA-Karte auch im räumlichen Bezirk der Beklagten ermöglichen, sei es durch Geldautomaten anderer Banken, sei es durch Betreiben eigener Geldautomaten. Die Klägerinnen sind deshalb auf die Geldautomaten der Beklagten nicht angewiesen, um ihre Leistungen angemessen zur Geltung zu bringen.

Auch eine Diskriminierung liegt nicht vor. Der Zugang zu den Geldautomaten der Beklagten ist für die gesamte Unternehmenstätigkeit der Klägerinnen nicht von existentieller Bedeutung. Niemand ist - wie oben bereits ausgeführt - verpflichtet, einen Wettbewerber, zum eigenen Schaden zu fördern.

Damit scheidet aber ein Anspruch aus UWG-Recht aus.

4. Aus den obigen Ausführungen folgt weiter zwangsläufig, dass die weiteren geltend gemachten Ansprüche der Klägerinnen auf Auskunft und Schadensersatz nicht gegeben sind. Die Klage war vielmehr in vollem Umfang als unbegründet abzuweisen.

5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO.






LG München I:
Urteil v. 08.12.2009
Az: 9 HKO 9435/09, 9 HKO 9435/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/f1dbb1eedb74/LG-Muenchen-I_Urteil_vom_8-Dezember-2009_Az_9-HKO-9435-09-9-HKO-9435-09




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