Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juli 2003
Aktenzeichen: 30 W (pat) 127/02
(BPatG: Beschluss v. 28.07.2003, Az.: 30 W (pat) 127/02)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 28. Juli 2003 (Aktenzeichen 30 W (pat) 127/02) eine Entscheidung der Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben. Bei der betreffenden Markenanmeldung handelte es sich um die international registrierte Marke "710 178 SUNVIEW" für die Waren "verres de lunettes". Die Markenstelle hatte den Schutz der Marke in Bezug auf die Waren "verres de lunettes ausgenommen Sonnenbrillengläser" verweigert, da die Marke jegliche Unterscheidungskraft fehle und beschreibend sei. Das Wort "SUNVIEW" setze sich aus den englischen Begriffen "SUN" für "Sonne" und "VIEW" für "Sicht, Blick" zusammen. Es habe daher die Bedeutung von "Sonnensicht/-blick" und weise darauf hin, dass mit den Brillengläsern ein Blick in die Sonne möglich sei.
Die Anmelderin hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass das Zeichen "SUNVIEW" ein reines Phantasiezeichen sei und in keiner Sprache verwendet werde. Die Kombination der beiden Begriffe sei sprachunüblich und daher für den deutschen Verkehrskreis nicht auf den ersten Blick verständlich. Die Anmelderin verweist auch auf Voreintragungen in den USA und Großbritannien, die zeigen sollen, dass die Kombination für englischsprachige Verkehrskreise mehrdeutig ist und daher auch für den deutschen Verbraucher nicht mehrdeutig sein kann.
Das Bundespatentgericht hält die Beschwerde in Bezug auf den Hauptantrag jedoch für unbegründet. Es folgt der Auffassung der Markenstelle, dass es sich bei der Marke "SUNVIEW" um eine beschreibende Angabe handelt, die jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Beide Begriffe zählen zum Grundwortschatz der englischen Sprache und sind für die deutschen Verkehrskreise ohne weiteres verständlich. Die Zusammensetzung der beiden Begriffe ist lexikalisch zwar nicht nachweisbar, aber in üblichen englischen Zusammensetzungen häufig. Die Marke "SUNVIEW" ist daher mit "Sonnenblick" zu übersetzen und beschreibend für die beanspruchten Brillengläser, da sie auf einen Blick in die Sonne hinweist.
Die Anmelderin argumentiert auch, dass die Marke sprachregelwidrig gebildet sei. Das Bundespatentgericht hält jedoch fest, dass es auf das Verständnis des deutschen Verbrauchers und nicht der englischen Verkehrskreise ankommt. Zudem kann die Verwendung der Kombination "SUNVIEW" in Zusammenschreibung belegt werden. Der durchschnittliche deutsche Verbraucher, dem Zusammensetzungen wie "Meeresblick" und "Panoramablick" bekannt sind, wird die Zusammenschreibung "SUNVIEW" nicht als sprachunüblich empfinden. Die Marke besitzt daher keine Unterscheidungskraft und es besteht ein Freihaltebedürfnis.
Die von der Anmelderin angeführten Voreintragungen in den USA und Großbritannien haben keinen Einfluss auf die Entscheidung. Für die markenrechtliche Beurteilung ist primär das inländische Sprachverständnis maßgeblich. Eine Voreintragung kann allenfalls in Zweifelsfällen als Indiz für die Schutzfähigkeit einer Marke dienen, jedoch nicht die eigenständige Prüfung ersetzen.
Die Beschwerde hat jedoch im Umfang des Hilfsantrags Erfolg. Durch die Beschränkung des Warenverzeichnisses auf "Brillengläser ausgenommen Sonnenbrillengläser" ist die Marke nicht mehr unmittelbar beschreibend. Es können jedoch keine hinreichend sicheren Feststellungen getroffen werden, dass der Marke die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt. Die Beschwerde wird daher im Umfang des Hilfsantrags erfolgreich sein.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 28.07.2003, Az: 30 W (pat) 127/02
Tenor
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. April 2002 aufgehoben, soweit der international registrierten Marke 710 178 der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland für die Waren "verres de lunettes ausgenommen Sonnenbrillengläser" verweigert worden ist.
II. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Für die IR-Marke 710 178 SUNVIEW wird in der Bundesrepublik Deutschland Schutzbewilligung begehrt für die Waren
"verres de lunettes".
Die Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat der schutzsuchenden IR-Marke den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verweigert mit der Begründung, der Marke fehle jegliche Unterscheidungskraft. Sie setze sich aus den englischen, allgemein verständlichen Begriffen "SUN" für "Sonne" und "VIEW" für "Sicht, Blick" zusammen. In der Gesamtheit habe der Begriff daher die Bedeutung von "Sonnensicht/-blick" und weise damit beschreibend darauf hin, daß mit den Brillengläsern ein Blick in die Sonne möglich sei.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Beschwerde trägt die Anmelderin vor, das Zeichen "SUNVIEW" sei ein reines Phantasiezeichen, das Wort werde weder in der deutschen noch in der englischen Sprache verwendet. Die Bestandteile seien sprachunüblich in Verbindung gesetzt worden, gerade diese Kombination sei den angesprochenen deutschen Verkehrskreisen auch wegen des vagen Sinngehalts insbesondere des Bestandteils "VIEW" nicht auf den ersten Blick verständlich.
Wegen des unklaren Bedeutungsgehalts seien für die Zusammensetzung im wesentlichen drei Übersetzungen im Deutschen möglich, nämlich "Lichtblick", "Sonnenbild" im Sinne von Darstellung der Sonne und eine "optimale" im Sinne von "sonnige Meinung". Die Kombination sei damit für Sonnenbrillen nicht beschreibend, im übrigen benötigten die Mitbewerber die Angabe nicht.
Darüber hinaus verweist die Markeninhaberin auf Voreintragungen in den USA und Großbritannien. Da die englischsprachigen Verkehrskreise die Kombination als mehrdeutig verstünden, dürften sie auch für den deutschen Verbraucher nicht mehrdeutig sein. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Bestandteile dürfe bei englischen Begriffen keine deutsche Regel angewendet werden, sondern die Regeln des Muttersprachlers. Für den deutschen Verbraucher seien aber zum Verständnis der Marke mehrere gedankliche Schritte erforderlich.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Hilfsweise schränkt sie das Warenverzeichnis ein durch den Zusatz:
"Ausgenommen Sonnenbrillengläser".
Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und den Inhalt des patentamtlichen Beschlusses Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde kann in der Sache nach dem Hauptantrag nicht zum Erfolg führen. Der IR-Marke ist nach den §§ 113, 107, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG i.V.m. Art. 5 MMA, Art. 6quinquies B Nr. 2 PVÜ der Schutz zu versagen, da es sich bei der Marke "SUNVIEW" für die gemäß Hauptantrag beanspruchten Waren um eine freihaltebedürftige, beschreibende Angabe handelt, der auch jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
Nach der genannten Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung u.a. der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können.
Die Marke setzt sich aus dem englischen Substantiv "SUN" für "Sonne, Sonnenschein" und "VIEW" für "1. Sicht, 2. (Aus)blick, Aussicht, 3. Besichtigung, 4. Ansicht, Meinung, 5. Ansicht (i.S.v. Perspektive), 6. Vorstellung" (vgl. Ponds Großwörterbuch Englisch - Deutsch) zusammen.
Beide Begriffe zählen zum Grundwortschatz der englischen Sprache und sind daher für die angesprochenen inländischen Verkehrskreise ohne weiteres verständlich. Die Zusammensetzung der beiden Begriffe ist zwar lexikalisch nicht nachweisbar, fügt sich jedoch in die üblichen Zusammensetzungen aus englischen Substantiven ein, die gerade im modernen Englisch häufig sind. Das Markenwort "SUNVIEW" ist mit "Sonnenblick" zu übersetzen.
Die einzelnen Bestandteile sind auch in ihrer Kombination in der Marke warenbeschreibend. In bezug auf die beanspruchten Waren ergibt sich somit für die angesprochenen inländischen Verkehrskreise die sinnvolle und zur Beschreibung der beanspruchten Waren geeignete Sachaussage, daß die so gekennzeichneten Brillengläser so ausgestaltet sind, daß sie durch eine ausreichende Abschirmung oder Schutz einen Blick in die Sonne ermöglichen.
Unter Berücksichtung der Anmeldewaren ergibt sich auch keine Mehrdeutigkeit, die der genannten beschreibenden Bedeutung entgegensteht. Zwar weist der Bestandteil "VIEW" wie oben dargelegt mehrere Bedeutungen auch im übertragenen Sinne auf, jedoch kann ein beschreibender Gehalt einer Marke nicht abstrakt beurteilt werden, sondern ist stets in bezug auf die konkreten Waren zu betrachten, so daß im Zusammenhang mit den hier vorliegenden Waren - Brillengläsern - andere Deutungen als die genannte nicht nahegelegt sind.
Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin liegt auch keine unter Umständen schutzbegründende sprachregelwidrige Bildung der Marke vor.
Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Markenbildung in der Zusammenschreibung der Bestandteile in der englischen Sprache üblich ist, da es insoweit auf das Verständnis des deutschen Verbrauchers und nicht der englischen Verkehrskreise ankommt.
Zudem läßt sich aufgrund der eigenen Feststellungen des Senats und anhand der von der Markeninhaberin vorgelegten Internet-Seiten zumindest auch die Verwendung der Kombination "SUNVIEW" in Zusammenschreibung neben der wohl gängigeren Verwendung in Getrenntschreibung belegen.
Dem deutschen Verbraucher, dem die Zusammensetzung von englischen Begriffen aus Kombinationen wie "Meeresblick, Panoramablick" und auch "Sonnenblick" auch in englischer Form insbesondere aus der Reisebranche bekannt ist, wird die Zusammenschreibung in "SUNVIEW" nicht als sprachunüblich auffallen. Beide Begriffe bleiben in der Zusammenschreibung in ihrem Sinn klar erkennbar und führen auch in der Zusammenschreibung nicht von der naheliegenden Bedeutung "Sonnenblick" und damit der unmittelbar beschreibenden Sachaussage weg.
Der Senat sieht damit bereits die Voraussetzungen eines aktuellen Freihaltebedürfnisses als gegeben an. Zwar ist die Bezeichnung für den Bereich der beanspruchten Waren lexikalisch nicht und im Internet nur in anderem Zusammenhang nachweisbar. Jedoch ist die Annahme eines gegenwärtigen Freihaltebedürfnisses nicht davon abhängig, daß die Bezeichnung für die jeweiligen Waren bereits nachweislich als beschreibende Angabe verwendet wird (vgl. BGH GRUR 1996, 770 MEGA). Vielmehr reicht es nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aus, daß sie dafür geeignet ist.
Im übrigen kommt es hinsichtlich des Freihaltebedürfnisses vor allem auf die Belange der Mitbewerber der Markeninhaberin an. Ob die angesprochenen Verkehrskreise die angemeldete Bezeichnung richtig verstehen werden, ist nur insoweit von Bedeutung als sie zur Warenbeschreibung dann nicht geeignet wäre, wenn von vornherein feststünde, daß sie für das angesprochene Publikum vollkommen unverständlich ist und bleiben wird (vgl. Althammer/Ströbele, MarkenG 6. Aufl. § 8 RdNr. 69). Das trifft im vorliegenden Fall nicht zu, da die Markenbezeichnung ohne weiteres verständlich ist. Unter diesen Voraussetzungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß Mitbewerber der Markeninhaberin von vornherein kein Interesse an der Verwendung des beanspruchten Ausdrucks haben könnten.
Auf diese Entscheidung haben auch die von der Markeninhaberin angeführten Voreintragungen in den USA und Großbritannien keinen Einfluß. Eine solche Voreintragung mag in Zweifelsfällen als Indiz für die Schutzfähigkeit einer Marke sprechen macht jedoch die eigenständige Prüfung nicht entbehrlich. Ist das Markenwort - wie im vorliegenden Fall - aus im Deutschen sprachüblichen Begriffen gebildet, ist für eine Indizwirkung kaum Raum. Denn bei der markenrechtlichen Beurteilung ist primär auf das inländische Sprachverständnis abzustellen. Lediglich dann, wenn es sich um eine rein fremdsprachige Wortbildung handelt, kann unter Umständen die ausländische Eintragung in einem Land, in dem diese Fremdsprache Muttersprache ist, eine gewisse Indizwirkung entfalten.
Die Beschwerde hat indes Erfolg gemäß Hilfsantrag. Durch die Beschränkung des Warenverzeichnisses auf "Brillengläser ausgenommen Sonnenbrillengläser" enthält die Marke keine unmittelbar beschreibende Sachangabe mehr, sondern ist in bezug auf die verbleibenden Waren indifferent und diffus.
Es lassen sich auch keine hinreichend sicheren Feststellungen treffen, daß es der Bezeichnung an der für eine Marke erforderlichen Unterscheidungskraft mangelt. Das wäre dann der Fall, wenn ihr im Zusammenhang mit den nunmehr noch beanspruchten Waren ein hinreichend bestimmter, im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungsgehalt zugeordnet werden könnte. Davon kann jedoch, wie ausgeführt, nicht ausgegangen werden. Im übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Marke aus sonstigen Gründen nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefaßt wird, so daß die Beschwerde im Umfang des Hilfsantrags Erfolg hat.
Dr. Buchetmann Schramm Hartliebwa/Fa
BPatG:
Beschluss v. 28.07.2003
Az: 30 W (pat) 127/02
Link zum Urteil:
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