Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 27. Mai 2003
Aktenzeichen: WpÜG 2/03
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 27.05.2003, Az.: WpÜG 2/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. Mai 2003 mit dem Aktenzeichen WpÜG 2/03 betrifft den Antrag einer Kapitalanlegerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Antragstellerin hält Vorzugsaktien der W. AG D. und ist der Meinung, dass das Übernahmeangebot der Firma P. & G. für diese Aktien unangemessen ist. Sie beantragt daher, dass die Bundesanstalt … das Übernahmeangebot widerruft und die Übernahme der Aktien untersagt.
Das Gericht lehnt den Antrag der Antragstellerin ab. Es sieht derzeit kein rechtliches Interesse der Antragstellerin, das den Eilantrag stützen könnte. Eine Entscheidung über den Hauptantrag kann nicht getroffen werden, da die Antragstellerin keine mündliche Verhandlung wünscht.
Das Gericht stellt die Frage, ob die Beschwerde und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig sind, bevor das Widerspruchsverfahren durchlaufen wurde. Es lässt diese Frage jedoch für den Eilantrag offen.
Das Gericht beurteilt den Antrag der Antragstellerin als unbegründet. Die Antragstellerin hat kein subjektiv-öffentliches Recht, das den geltend gemachten Eilantrag stützt. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) sieht kein Beschwerderecht der Antragstellerin vor.
Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf Beteiligung am Verfahren der Bieterin vor der Bundesanstalt. Die Entscheidung der Bundesanstalt hat für die Antragstellerin keine unmittelbaren Auswirkungen auf ihr Eigentum an den Aktien. Etwaige Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Übernahme sind gesellschaftsrechtlich und nicht über das WpÜG zu lösen. Das Gericht weist darauf hin, dass das WpÜG den Aktionären bereits verbesserte Rechte im Vergleich zur vorherigen Selbstregulierung bietet.
Das Gericht stellt außerdem fest, dass durch eine Entscheidung in diesem Verfahren keine rechtsgestaltende Wirkung für die Antragstellerin eintreten würde. Das Grundrecht auf Eigentum wird durch die Entscheidung der Bundesanstalt nicht verletzt, da die Antragstellerin weiterhin Aktionärin der W. AG bleibt.
Da die Antragstellerin keinen Anspruch auf Erlass eines angemessenen Übernahmeangebots besitzt, kann ihrem Eilantrag nicht entsprochen werden. Das Gericht weist außerdem darauf hin, dass eine Entscheidung im Interesse der Zielgesellschaft an einer schnellen Durchführung des Verfahrens nicht mit einem Stattgeben des Eilantrags vereinbar gewesen wäre. Eine Entscheidung über einen etwaigen Widerruf des Genehmigungsbescheids der Bundesanstalt oder Amtshaftungsansprüche sind nicht Gegenstand des Verfahrens.
Eine Kostenentscheidung für den Eilantrag ist nicht erforderlich. Eine vorherige Anhörung der Bundesanstalt war nicht notwendig. Eine mündliche Verhandlung war nicht erforderlich, da das WpÜG für ein Eilverfahren keine mündliche Verhandlung vorschreibt und das Eilverfahren den Senat im Hauptverfahren nicht bindet.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 27.05.2003, Az: WpÜG 2/03
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Antragstellerin tritt als Kapitalanlegerin an deutschen Börsen auf. Sie hält zurzeit Vorzugsaktien der W. AG D. Sie bringt vor, die P. & G. C., Ci., O., USA sowie die P. & G. Ge. M. GmbH mit Sitz in Sc. werde nach Vollzug eines Kaufvertrages mit den Familienaktionären der W. AG über 77,57 % des stimmberechtigten Kapitals verfügen. Am 28. April 2003 habe P. & G. ein freiwilliges Übernahmeangebot über den Erwerb aller Aktien der W. AG abgegeben und zwar der Stammaktien zu einem Preis von 92,25 € und der Vorzugsaktien zu einem Preis von 65 €. Die Frist zur Annahme des Angebots ende am 28.05.2003. Die von P. & G. eingereichte Angebotsunterlage sei durch Bescheid der Bundesanstalt ... vom 25.04.2003 genehmigt worden.
Die Antragstellerin hält dieses Angebot für die Vorzugsaktien nicht für angemessen, da die stimmrechtslosen Vorzugsaktien im Schnitt der vergangenen drei Jahre um 5,6 Prozentpunkte höher bewertet worden seien als die stimmberechtigten Stammaktien. Alle nach Veröffentlichung des Übernahmeangebots erstellten Gutachten hätten den Wert der W.-Vorzugsaktie im Durchschnitt höher als 65 € beurteilt. Das Angebot von P. & G. verstoße gegen § 31 Abs. 1 S. 1 WpÜG.
Durch Bescheid vom 09.05.2003 hat die Bundesanstalt ... den Antrag der Antragstellerin, die P. & G. zur Nachbesserung des Übernahmeangebotes für Aktien der W. AG gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 WpÜG zu verpflichten, als unzulässig abgelehnt. Ebenso als unzulässig abgelehnt hat die Bundesanstalt ... in diesem Bescheid den hilfsweise gestellten Antrag der Antragstellerin, das Übernahmeangebot der P. & G. für Aktien der W. AG gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG zu untersagen. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 22.05.2003 Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.
Die Antragstellerin erhebt hier mit Schreiben vom 22.05.2003 Beschwerde mit dem Ziel, die Bundesanstalt ... zu verpflichten, die Gestattung des Übernahmeangebots von P. & G. vom 28.04.2003 zu widerrufen, und die Übernahme der Aktien der W. AG zu untersagen.
Außerdem begehrt die Antragstellerin,
die Bundesanstalt ... im Weg der einstweiligen Anordnung € wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung € anzuweisen, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Gestattung des Übernahmeangebots von P. & G. für die Aktien der W. AG vom 25. April zu widerrufen und die Übernahme einstweilig zu untersagen, soweit nicht bis zum 27. Mai 2003 ein angemessenes Übernahmeangebot, das eine Gegenleistung von mindestens 76,00 € pro Vorzugsaktie vorsieht, von P. & G. vorgelegt wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Antragstellerin wird auf die Antragsschrift und deren Anlagen verwiesen.
Dem Eilantrag der Antragstellerin kann nicht entsprochen werden, da der Senat derzeit kein subjektiv-öffentliches Recht der Antragstellerin zu erkennen vermag, das den geltend gemachten Eilantrag stützen könnte. Über den Hauptantrag kann nicht entschieden werden, da insoweit kein Einverständnis der Antragstellerin vorliegt, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 54 WpÜG).
Es fragt sich bereits, ob eine Beschwerde und ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig ist, bevor das Widerspruchsverfahren nach § 41 ff WpÜG durchlaufen wurde. Aus Gründen der Prozessökonomie lässt der Senat diese Frage aber für den Eilantrag dahingestellt sein. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedenfalls unbegründet. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung könnte nur dann entsprochen werden, wenn eine Endentscheidung im Sinne des einstweiligen Rechtsschutzantrags wahrscheinlich wäre. Dies ist indessen nicht der Fall.
Die Antragstellerin hat lediglich € von den obigen Vorbehalten wegen des fehlenden Vorschaltverfahrens abgesehen - ein Recht auf gerichtliche Überprüfung des Bescheids der Bundesanstalt ..., denn sie ist Beteiligte des auf ihren Antrag in Gang gesetzten Verwaltungsverfahrens (§ 48 Abs. 2 WpÜG), das zum angegriffenen Bescheid vom 09.05.2003 führte. Der Senat folgt im Ergebnis der Ansicht der Bundesanstalt ..., dass die Antragstellerin keine Antragsbefugnis hat.
Da die Bundesanstalt ... die von P. & G. eingereichte Angebotsunterlage genehmigt hat, ist das Verfahren vor der Bundesanstalt ... mit einer P. & G. begünstigenden Entscheidung abgeschlossen worden. Das WpÜG sieht dagegen kein Beschwerderecht der Antragstellerin vor, denn an diesem Genehmigungsverfahren war die Antragstellerin nicht beteiligt (§§ 41, 48 WpÜG). Das WpÜG gibt der Antragstellerin keinen Anspruch auf Beteiligung in dem Verfahren der Bieterin vor der Bundesanstalt ... Ein etwaiger Beteiligungsanspruch der Antragstellerin im Verfahren der Bieterin vor der Bundesanstalt ... ergibt sich auch nicht aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz. Auch sonst ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich, auf den die Antragstellerin ihren Widerrufs- bzw. Untersagungsanspruch stützen könnte. Nicht zu entscheiden ist hier die Frage, ob die Bundesanstalt ... den Hinweisen der Antragstellerin von Amts wegen nachgehen muss. Mit einer solchen etwaigen Amtspflicht wäre jedenfalls kein klagbarer Anspruch im Sinne des geltend gemachten Eilantrags verbunden. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Die Antragstellerin gehört weder zu den €geborenen€ Beteiligten im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 1 € 3 VwVfG, noch liegt ein Fall des § 13 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG vor, denn die Bundesanstalt ... hat die Antragstellerin gerade nicht zu dem Übernahmeverfahren beigeladen.
Nach § 13 Abs. 2 S. 2 VwVfG hat die Behörde einen Dritten auf Antrag hinzuzuziehen, wenn der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für den Dritten hat. Eine rechtsgestaltende Wirkung hat die Entscheidung der Bundesanstalt ... indessen nicht, denn die Antragstellerin bleibt unabhängig von der Entscheidung der Bundesanstalt ... Aktionärin der W. AG.
Die Antragstellerin meint, dass sie ein subjektiv-öffentliches Recht auf das beantragte Tätigwerden der Bundesanstalt ... aus § 31 Abs. 1 WpÜG in Verbindung mit §§ 3 ff, insbesondere mit § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG herleiten könne. Nach diesen Vorschriften hat die Bundesanstalt ... das Angebot zu untersagen, wenn die angebotene Gegenleistung nicht angemessen ist (Geibel/Süßmann, WpÜG, § 31 Rn 26). Weder § 31 WpÜG noch sonstige Vorschriften des WpÜG oder der WpÜGAngVO sehen aber ein Verfahren vor, mit dessen Hilfe die Angemessenheit der Gegenleistung für die Aktionäre der Zielgesellschaft überprüfbar wäre (Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 31 Rn 86). Die Aktionäre sind vielmehr darauf verwiesen, ihre etwaigen Ansprüche auf eine angemessene Gegenleistung vor den Zivilgerichten durchzusetzen (KK-WpÜG/Kremer/Oesterhaus, § 31 Rn 105; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 31 Rn 88).
Entgegen der Annahme der Antragstellerin hat § 31 WpÜG keine drittschützende Wirkung mit der Folge eigener Antrags- und Beschwerderechte der Antragstellerin im Verwaltungs- bzw. im Beschwerdeverfahren. Eine solche Auslegung würde der Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufen. Ziel des Gesetzes war es, Rahmenbedingungen bei Unternehmensübernahmen und anderen öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren in Deutschland zu schaffen, die den Anforderungen der Globalisierung und der Finanzmärkte angemessen Rechnung tragen und hierdurch den Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Deutschland auch im internationalen Wettbewerb weiter stärken (Pötsch, Das neue Übernahmerecht, S. 16). Das WpÜG ist geschaffen worden, weil die Selbstregulierung in Deutschland nicht im gleichen Umfang zu einer Kapitalmarktusance geworden ist, wie in anderen Ländern (BT-Drucksache 14/7034, S. 1, 27).
Das WpÜG enthält etliche Normen, die sich für die Aktionäre vorteilhaft auswirken können, so z.B. die §§ 11, 14, 15, 20, 22, 27, 26, 35, 36, 37 WpÜG. Damit ist indessen noch nicht gesagt, dass der Gesetzgeber insoweit dem einzelnen Aktionär eine geschützte, im Verwaltungs- bzw. im Beschwerdeverfahren durchsetzbare Rechtsposition einräumen wollte (vgl. hierzu auch Geibel/Süßmann, WPÜG, § 4 Rn 13; KK-WpÜG/Giesbert, § 4 Rn 61; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 41 Rn 18). Die Bundesanstalt ... hat in ihrem ablehnenden Bescheid vielmehr zutreffend darauf hingewiesen, dass mit der Einführung eines geordneten Verfahrens durch das WpÜG schon eine Verbesserung der Rechtsstellung der Aktionäre einhergegangen ist.
Ein darüber hinausgehender gesetzgeberischer Wille ergibt sich weder in teleologischer Hinsicht aus weiteren Regelungen des WpÜG noch in historischer Hinsicht aus seiner Entstehungsgeschichte. Vielmehr wird an den Regelungen des § 4 Abs. 2 WpÜG, der Entwicklungsgeschichte des § 52 WpÜG und dem Wegfall des im Regierungsentwurf noch vorgesehenen § 42 deutlich, dass der Gesetzgeber eine Beschränkung der Verfahrensbeteiligten im Verwaltungsverfahren gewollt hat und damit notwendigerweise jedenfalls in den das Verwaltungsverfahren betreffenden Regelungen nicht von einer drittschützenden Wirkung ausgegangen ist (vgl. zur bürgerlich-rechtlichen Natur mancher Normen des WpÜG, Pötzsch, Das neue Übernahmerecht, S. 51).
§ 4 Abs. 2 WpÜG stellt ausdrücklich fest, dass die Bundesanstalt ... die ihr nach diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Während das WpÜG die Beteiligtenstellung für das Verfahren vor dem Beschwerdegericht nur schlicht dahingehend regelt, dass an dem Beschwerdeverfahren der Beschwerdeführer und das Bt. beteiligt sind (§ 52 WpÜG), lautete der Regierungsentwurf zum WpÜG (damals § 53) noch dahingehend, dass neben dem Beschwerdeführer und dem Bt. (jetzt: Bundesanstalt ...) auch die Personen und Personenvereinigungen beteiligt seien, die vom Bt. hinzugezogen worden seien. In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es weiter dazu, dass damit die Beteiligung derjenigen Personen und Personenvereinigungen geregelt sei, die das Bt. hinzugezogen habe, weil ihre rechtlichen Interessen berührt worden seien. Der Begriff der Hinzuziehung verweise auf § 13 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG. Eine allein wirtschaftliche Betroffenheit durch das Übernahmeverfahren sei hingegen nicht ausreichend für eine Beteiligung. Durch die Beteiligung der Personen und Personenvereinigungen, die vom Bt. hinzugezogen worden seien, solle sichergestellt werden, dass im Verwaltungsverfahren wie im Beschwerdeverfahren die gleichen Beteiligten erfasst seien (BT-Drucksache 14/7034, S. 66). Dieser Entwurf ist aber nicht Gesetz geworden. Der Finanzausschuss hat zu seinem Abänderungsvorschlag, der dem heutigen § 52 WpÜG entspricht, ausgeführt, die Neufassung der Vorschrift berücksichtige, dass in dem Verfahren vor dem Bt. ausschließlich der Adressat einer Verfügung beteiligt sei, bzw. derjenige, der geltend mache, einen Anspruch auf den Erlass einer Verfügung zu haben. Dementsprechend erfolge auch keine Hinzuziehung von Personen und Personenvereinigungen durch das Bt. (BT-Drucksache 14/7477, S. 52).
Ein besonderes Gewicht bei der Beurteilung dessen, was der Gesetzgeber durch das WpÜG an einklagbaren Individualrechten schaffen wollte, hat die Streichung des § 42 WpÜG-RegE. § 42 WpÜG-RegE sah eine Schadensersatzpflicht für den Missbrauch des Widerspruchs- oder Beschwerderechts vor, wenn sich Widerspruch oder Beschwerde als von Anfang an ungerechtfertigt herausstellen sollten. An Missbrauchsbeispielen nannte der Entwurf dabei insbesondere das Erwirken der Untersagung des Angebots durch vorsätzlich oder grob fahrlässig vorgetragene falsche Angaben, die Stellung eines Überprüfungsantrags mit dem Ziel, das Angebotsverfahren zu behindern oder Konkurrenten zu schädigen oder die Einlegung von Widerspruch bzw. Beschwerde in der Absicht, diese später gegen Geld oder andere Vorteile zurückzunehmen. Dieser Entwurf ist im Bundesrat kritisiert worden, u. a. weil unklar sei, wer anspruchsberechtigt sei. Daraufhin ist diese Missbrauchsklausel fallen gelassen worden, weil sie keinen praktischen Anwendungsbereich habe, da Dritte durch Verfügungen des Bt.s nicht in ihren Rechten verletzt sein und demzufolge keinen Widerspruch oder Beschwerde einlegen können, der als missbräuchlich zu qualifizieren wäre (Pötzsch, Das neue Übernahmerecht, S. 265, 266).
Beteiligungsrechte für Aktionäre am Verwaltungsstreitverfahren wären auch nur schwerlich mit dem Bestreben des Gesetzgebers zu vereinbaren, die Durchführung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmeverfahrens in möglichst kurzer Zeit zu ermöglichen (vgl. § 14 Abs. 1 und 2, § 3 Abs. 4 WpÜG). Angesichts der divergierenden Interessen der Aktionäre, wäre eine rasche Durchführung des Verwaltungsverfahrens oder des möglichen anschließenden Beschwerdeverfahrens kaum darstellbar. Dies zeigen auch die Erfahrungen mit den sich mitunter lange hinziehenden Spruchstellenverfahren nach §§ 304 ff AktG.
Ein solcher Ausschluss der Aktionäre vom Verwaltungsverfahren und der anschließenden gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit ist aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit allerdings nur möglich (Art. 19 Abs. 4, 20 GG), wenn die Verwaltungsentscheidung nicht unmittelbar in verfassungsrechtlich abgesicherte Positionen des Aktionärs eingreift. Wäre eine Grundrechtsposition des Aktionärs durch die Entscheidung unmittelbar betroffen, dann könnte sich ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Verfahrensteilhabe ergeben (Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Auf. 2001, § 13 Rn 39).
Dies ist hier aber nicht der Fall. Anteilseigner bzw. Aktionäre sind durch eine Entscheidung der Bundesanstalt ... zwar möglicherweise in ihren wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt, Art. 14 Abs. 1 GG ist jedoch nicht verletzt. Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 GG ist das Eigentum und nicht das Vermögen. Als Anteilseigentum unterfällt die Aktie zwar dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG. Das Eigentum ist jedoch vorliegend nicht verletzt worden, da die Entscheidung der Bundesanstalt ... das Eigentum an den Aktien der Antragstellerin nicht berührt. Die Antragstellerin ist lediglich mit der von der Bieterin angebotenen Gegenleistung nicht einverstanden, weil sie die Gegenleistung für zu niedrig hält. Etwaige Konflikte bei der Übernahme sind jedoch gesellschaftsrechtlich und nicht über das WpÜG zu lösen (so im Ergebnis auch KK€WpÜG/Giesberts, § 4 Rn 80).
Soweit die Antragstellerin meint, die verfassungskonforme Auslegung von § 4 Abs. 2 WpÜG ergebe, dass sie einen Anspruch auf Erteilung eines angemessenen Übernahmegebots besitzt, überspannt sie die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung. Eine verfassungskonforme Auslegung käme nämlich nur dann in Betracht, wenn bei anderer Auslegung das Gesetz verfassungswidrig wäre, d. h. der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch müsste sich unmittelbar aus der Verfassung, aber nicht eindeutig aus dem Gesetz ergeben. Dies sieht der Senat im Zusammenhang mit dem hier in Rede stehenden Anspruch aber aus den vorangegangenen Gründen nicht.
Es trifft auch nicht zu, dass § 48 Abs. 3 WpÜG bei diesem Gesetzesverständnis € wie die Antragstellerin wohl meint - ohne Anwendungsbereich wäre. Zu denken ist hier z.B. an die Nichtentscheidung über einen Antrag eines Bieters zur Befreiung vom Pflichtangebot.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen konnte der Senat dem Eilantrag der Antragstellerin nicht stattgeben. Das gerichtliche Beschwerdeverfahren ist nicht dazu da, den Bieter im Hinblick auf die Möglichkeit des § 21 WpÜG zu einem höheren Angebot zu veranlassen. Darüber hinaus wäre ein Stattgeben auch nicht mit dem legitimen Interesse der Zielgesellschaft an der raschen Durchführung des Verfahrens vereinbar gewesen (§ 3 Abs. 4 WpÜG). Wegen der Ablehnung des Eilantrags erübrigt sich derzeit ein Eingehen auf die Frage, ob ein Widerruf des P. & G. von der Bundesanstalt ... erteilten Genehmigungsbescheids bzw. die Aufforderung zur Nachbesserung überhaupt möglich wäre oder ob die Antragstellerin im Verfahren vor der Bundesanstalt ... ordnungsgemäß vertreten war. Der Senat hatte sich auch nicht mit der Frage zu befassen, ob die Bundesanstalt ... den Genehmigungsbescheid unter Beachtung der Vorschriften des WpÜG erlassen hat, insbesondere ob der Übernahmepreis von 65 € für die Vorzugsaktie eine angemessene Gegenleistung i. S. v. § 31 WpÜG ist. Auch etwaige Amtshaftungsansprüche sind nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nach dem WpÜG.
Eine Kostenentscheidung für den im Rahmen des Hauptverfahrens gestellten Eilantrag war nicht veranlasst.
Einer vorherigen Anhörung der Bundesanstalt ... bedurfte es nicht, da diese durch den Ausgang der Entscheidung nicht benachteiligt ist. Von einer mündlichen Verhandlung hat der Senat abgesehen, da diese durch das WpÜG für ein Eilverfahren nicht vorgeschrieben ist, die Hauptsache auch trotz der Eilentscheidung betrieben werden kann, die Eilentscheidung den Senat im Hauptsacheverfahren nicht bindet und es sich bei diesem einstweiligen Anordnungsverfahren auch nur um Rechtsfragen gehandelt hat.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 27.05.2003
Az: WpÜG 2/03
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