Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Februar 2004
Aktenzeichen: 6 W (pat) 87/01

(BPatG: Beschluss v. 03.02.2004, Az.: 6 W (pat) 87/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat auf die Beschwerde der Anmelderin den Beschluss der Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Juni 2001 aufgehoben und das Patent erteilt. Der Schwingungsdämpfer wurde am 19. Mai 1999 angemeldet und die Anmelderin hat neue Patentansprüche und Beschreibungsseiten in der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2004 vorgelegt. Der Patentanspruch 1 beschreibt einen Schwingungsdämpfer mit bestimmten Merkmalen, der eine ausreichende Steifigkeit und Dämpfungsarbeit auch bei kleinen Arbeitshüben ermöglicht. Das Gericht hat festgestellt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs neu und erfinderisch ist. Es wurde kein Stand der Technik gefunden, der einen Schwingungsdämpfer mit den gleichen Merkmalen zeigt. Die Patentansprüche 2 bis 6 basieren auf dem Patentanspruch 1 und sind ebenfalls gewährbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 03.02.2004, Az: 6 W (pat) 87/01


Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Juni 2001 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Schwingungsdämpfer Anmeldetag: 19. Mai 1999 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2004, Beschreibung Seiten 4 bis 10, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2004, 1 Blatt Zeichnungen mit Figur 1 lt. Offenlegungsschrift.

Gründe

I.

Die Beschwerde der Anmelderin ist gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Juni 2001 gerichtet, mit dem die vorliegende Anmeldung aus den Gründen des Bescheides vom 14. Januar 2000 zurückgewiesen worden war. In dem Bescheid war ausgeführt worden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht patentfähig sei, da er gegenüber dem Stand der Technik nicht neu sei.

Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind zum Stand der Technik folgende Druckschriften berücksichtigt worden:

D1: deutsche Offenlegungsschrift DE-OS 21 62 540 D2: deutsche Offenlegungsschrift DE 25 40 701 A1 D3: deutsche Offenlegungsschrift DE 35 22 093 A1 D4: deutsche Patentschrift DD 301 409 A7 D5: österreichische Patentschrift AT 347 800 D6: japanische Druckschrift JP 10 121 775 A (Abstract)

D7: deutsche Offenlegungsschrift DE 38 20 545 A1.

Außerdem ist in den Anmeldungsunterlagen noch die deutsche Offenlegungsschrift DE-OS 18 03 588 genannt worden.

Gegen den vorgenannten Beschluss hat die Anmelderin mit Schreiben vom 23. Juli 2001, eingegangen am 25. Juli 2001, Beschwerde eingelegt. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 6 sowie neue Beschreibungsseiten 4 bis 10 vorgelegt und beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und ein Patent mit den neu eingereichten Unterlagen, Figur aus der Offenlegungsschrift, zu erteilen.

Der Patentanspruch 1 lautet:

"Schwingungsdämpfer mit einem Arbeitszylinder sowie an den Enden angeordneten Befestigungselementen, einem an einer Kolbenstange befestigten Arbeitskolben, der den Arbeitszylinder in zwei Arbeitsräume unterteilt, Dämpfungsventilen zur Erzeugung einer Dämpfungskraft in mindestens einer Bewegungsrichtung, wobei die Kolbenstange durch den gesamten Arbeitszylinder hindurch verläuft und die beiden Endbereiche durchdringt, dadurch gekennzeichnet, dass der statische Systemdruck in den Arbeitsräumen (1, 2) über mindestens ein Druckelement (3) erhöhbar ist, wobei das Druckelement (3) über mindestens eine Strömungsverbindung (8) mit den Arbeitsräumen (1, 2) in Verbindung steht und die jeweilige Strömungsverbindung (8) mit einem Rückschlagventil (5) versehen ist, wobei die Rückschlagventile (5) bei Auftreten eines dynamischen Druckes in einem der Arbeitsräume (1, 2) eine Beaufschlagung des Druckelementes (3) verhindern, und über eine Verbindung (14) der erhöhte Systemdruck zu beiden Stirnseiten durch die Strömungsverbindung (8) und deren zugehörige Rückschlagventile (5) in die Arbeitsräume (1, 2) gelangt, und dass die Dämpfungsventile (7) in einer die beiden Arbeitsräume (1, 2) verbindenden, außerhalb der Arbeitsräume (1, 2) verlaufenden Leitung (10) angeordnet sind."

Laut Beschreibung (S. 5, Abs. 3) soll die Aufgabe gelöst werden, einen Schwingungsdämpfer zu schaffen, bei dem eine ausreichende Steifigkeit erreicht wird und bei dem auch bei kleinen Arbeitshüben eine ausreichende Dämpfungsarbeit ausgeführt werden kann.

Hinsichtlich der auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und im Hinblick auf die geltenden Unterlagen auch begründet.

1. Die Gegenstände der geltenden Patentansprüche 1 bis 6 sind in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen offenbart, die Patentansprüche sind somit zulässig. Der geltende Patentanspruch 1 ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 3, 4, 6, 7 und S. 7, letzter Abs. der Beschreibung. Die geltenden Patentansprüche 2 bis 6 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 8 bis 11.

2. Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG § 1 bis 5 dar.

a. Der Schwingungsdämpfer nach Patentanspruch 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu. Denn keine der entgegengehaltenen Druckschriften zeigt einen Schwingungsdämpfer mit sämtlichen im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen, wie sich auch aus den folgenden Ausführungen ergibt.

b. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

Der der Erteilung zugrundeliegende Patentanspruch 1 beschreibt einen Schwingungsdämpfer, bei dem zum Zwecke einer hydraulischen Einspannung des Kolbens der statische Systemdruck in den Arbeitsräumen über mindestens ein Druckelement erhöhbar ist. Um einerseits im statischen Zustand beide Seiten des Kolbens mit dem erhöhten Systemdruck zu beaufschlagen und um andererseits eine arbeitsraumseitige Druckbeaufschlagung des Druckelements bei Auftreten einer dynamischen Belastung bzw. eines dynamischen Druckes zu unterbinden und eine gedämpfte Bewegung des Kolbens zu ermöglichen, sind zwei funktional getrennte und voneinander unabhängige Strömungswege zwischen den Arbeitsräumen vorgesehen. Der eine Strömungsweg - bestehend aus den in der einzigen Figur mit den Positionsziffern 3, 5, 8 und 14 bezeichneten Elementen - dient zum einen dazu, dass ein hoher statischer Systemdruck in den beiden Arbeitsräumen über mindestens ein Druckelement wirksam wird und verhindert zum anderen bei Auftreten eines dynamischen Drucks in einem der Arbeitsräume aufgrund seiner Ausgestaltung mit Rückschlagventilen eine Beaufschlagung des Druckelementes. Der andere Strömungsweg - bestehend aus den in der einzigen Figur mit den Positionsziffern 7 und 10 bezeichneten Elementen - dient dazu, über die dort vorgesehenen Dämpfungsventile eine gedämpfte Bewegung des Kolbens bei einer dynamischen Belastung zu ermöglichen.

Eine Ausgestaltung, bei welcher die Strömungswege in dieser Weise konzipiert sind und mit der nicht nur eine hohe hydraulische Einspannung des Kolbens, sondern auch im Fall einer dynamischen Belastung insbes. bei kleinen Arbeitshüben des Kolbens eine ausreichende Dämpfungssteifigkeit gewährleistet wird, ist im Stand der Technik ohne Vorbild und kann selbst bei einer Gesamtzusammenschau dort nicht entnommen werden. Denn selbst dann, wenn bei Schwingungsdämpfern nach dem Stand der Technik zwei verschiedenen Strömungswege vorgesehen sind, ist dort keine derartige funktionale Trennung der beiden Strömungswege verwirklicht.

Die deutsche Offenlegungsschrift DE 18 03 588 zeigt einen gattungsgleichen Schwingungsdämpfer mit einem an einen Druckspeicher angeschlossenen Ausgleichsraum 12, welcher die beiden Arbeitsräume 8, 9 koaxial umschließt und über den der Flüssigkeitsausgleich erfolgt (vgl. die einzige Figur). Von dort kann jedoch keine Anregung ausgehen, zwei funktional getrennte und voneinander unabhängige Strömungswege vorzusehen.

Zu einer solchen Maßnahme wird der Fachmann, ein mit der Konstruktion von Schwingungsdämpfern befasster Fachhochschulingenieur, auch nicht bei Kenntnis des übrigen Standes der Technik angeregt.

Aus der deutschen Offenlegungsschrift DE-OS 21 62 540 ist ein Schwingungsdämpfer bekannt, bei dem ein Druckelement 18 vorgesehen ist, mittels dessen der statische Systemdruck in den Arbeitsräumen erhöhbar ist. Jeder der beiden Arbeitsräume ist über ein Rückschlagventil 21 und eine Rohrleitung 17 mit dem Druckelement 18 verbunden, so dass der erhöhte Systemdruck zu beiden Stirnseiten der Arbeitsräume gelangt (vgl. Fig. 1 bis 4). Dabei wirkt die Dämpfungsvorrichtung mit dem Rückschlagventil 21 als hydraulischer Puffer, um beim Überschreiten eines vorbestimmten Wertes der Hubgeschwindigkeit des Arbeitskolbens eine weitere Bewegung des Arbeitskolbens zu verhindern, während dem Rückschlagventil 21 bei einer Bewegung des Arbeitskolbens unterhalb des vorbestimmten Wertes eine gewisse Drosselwirkung bei der Bewegung des Arbeitskolbens zukommt. Bei diesem Stand der Technik ist somit für die Druckbeaufschlagung in den Arbeitsräumen und für den Austausch von Dämpfungsflüssigkeit bei einer Bewegung des Arbeitskolbens infolge dynamischer Belastung ein und der selbe Strömungsweg zuständig.

Die deutsche Offenlegungsschrift DE 25 40 701 A1 offenbart ebenfalls einen Schwingungsdämpfer, bei dem der statische Systemdruck in den Arbeitsräumen erhöhbar ist (vgl. S. 4, Abs. 4). Dort sind aber weder Vorkehrungen getroffen, die bei Auftreten einer dynamischen Belastung eine Druckbeaufschlagung des Druckelementes verhindern, noch sind dort getrennte Strömungswege vorgesehen. Dort stehen vielmehr die beiden Arbeitsräume und das Druckelement über Kanäle 24, 25, 26, 31 und ein Drosselventil 21 in Verbindung und bilden so eine einzigen gemeinsamen Strömungsweg.

Gleiches gilt auch für den in der deutschen Offenlegungsschrift DE 35 22 093 A1 gezeigten und erläuterten Schwingungsdämpfer. Als Unterschied gegenüber dem Schwingungsdämpfer nach der deutsche Offenlegungsschrift DE 25 40 701 A1 ist dort lediglich noch ein Rückschlagventil 62 vorgesehen, welches eine Druckbeaufschlagung des Druckelementes 70 durch die Dämpfungsflüssigkeit verhindert. Getrennte Strömungswege sind aber auch dort nicht verwirklicht.

Die österreichische Patentschrift AT 347 800 offenbart einen Schwingungsdämpfer, bei dem einerseits der statische Systemdruck in den Arbeitsräumen erhöht werden kann (vgl. S. 2, Z. 34 bis 38) und andererseits mit den Durchtrittsöffnungen 9, 10 und den mit Kolben versehenen Ventilen zwei getrennte Strömungswege vorgesehen sein können (vgl. S. 4, Z. 10 bis 21 sowie Ansprüche 1 und 2). Diese Strömungswege dienen aber beide dem gleichen Zweck, nämlich dem Transport der Dämpfungsflüssigkeit zwischen den beiden Arbeitsräumen. Dort sind somit zwar zwei Strömungswege vorgesehen, eine funktionale Trennung im Sinne des Patentanspruchs 1 ist aber ebenfalls nicht verwirklicht und auch durch diese Ausführung nicht nahegelegt.

Einen weiteren Schwingungsdämpfer zeigt der japanische Abstract JP 10 121 775 A. Diese Druckschrift erläutert zwei Arbeitsräume und schematisch eine hydraulische Schaltung mit einem Ausgleichsraum 18, bei der jeder Arbeitsraum über ein Drosselrückschlagventil 20a, 21, 20b, 21b mit dem Ausgleichsraum verbunden ist. Zusätzlich sind in dem Arbeitskolben Ventile 17a, 17b vorgesehen (vgl. die einzige Figur), die in Schließlage federbelastet sind und druckgesteuert öffnen. Bei einer Bewegung des Arbeitskolbens strömt die Dämpfungsflüssigkeit sowohl durch die Ventile 17a, 17b im Arbeitskolben als auch durch die Drosselrückschlagventile 20a, 21, 20b, 21b, so dass auch hier keine funktionale Trennung der beiden Strömungswege erfolgt.

Die deutsche Patentschrift DD 301 409 A7 und die deutsche Offenlegungsschrift DE 38 20 545 A1 liegen erkennbarerweise noch weiter vom Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ab als der vorstehend abgehandelte Stand der Technik, da sie ebenfalls keine getrennten Strömungswege offenbaren.

Zusammengefasst ergibt sich, dass der Stand der Technik jeweils für sich allein betrachtet aufgrund anderer konstruktiver Ausgestaltung nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 führen kann. Aber auch eine Zusammenschau kann nicht zu der im Patentanspruch 1 beanspruchten Lösung führen, da die Entgegenhaltungen dem Fachmann für den grundlegenden Gedanken, nämlich zwei funktional getrennte und voneinander unabhängige Strömungswege mit unterschiedlichen Wirkungen vorzusehen, keine Anregungen geben, die zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 führen.

Der Patentanspruch 1 ist somit gewährbar. Das gleiche gilt für die auf diesen Patentanspruch rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6, die auf Merkmale zur Weiterbildung des Schwingungsdämpfers nach Patentanspruch 1 gerichtet sind.

Lischke Sperling Fink Schneider Cl






BPatG:
Beschluss v. 03.02.2004
Az: 6 W (pat) 87/01


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