Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 19. März 2010
Aktenzeichen: 6 W 832/10
(OLG München: Beschluss v. 19.03.2010, Az.: 6 W 832/10)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Antragstellerin ist Inhaberin eines europäischen Patents über eine Druckhilfe. Sie erhob den Vorwurf, dass die Antragsgegnerin mit ihrer Druckhilfe das Patent verletze. Das Landgericht ordnete daraufhin eine Besichtigung der Anlage der Antragstellerin an, um festzustellen, ob die merkmale des Streitpatents verwirklicht werden. Nachdem das Gutachten eines Sachverständigen vorlag, stellte das Landgericht fest, dass die Merkmale des Hauptanspruchs des Streitpatents nicht verwirklicht seien. Die Antragstellerin legte daraufhin eine sofortige Beschwerde ein und argumentierte, dass auch der unabhängige Anspruch 2 verletzt werde. Das Gericht wies die Beschwerde jedoch zurück und bestätigte die Kostenentscheidung des Landgerichts. Es entschied, dass die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Es erklärte weiterhin, dass bei der Kostenentscheidung auch das Ergebnis der Besichtigung berücksichtigt werden müsse und dass der Verdacht einer Verletzung des Anspruchs 2 nicht Gegenstand der Besichtigungsanordnung war. Es folgte der Argumentation des Landgerichts und war der Meinung, dass der Verletzungsverdacht in Bezug auf den Anspruch 2 nicht relevant sei. Das Gericht entschied, dass die Antragstellerin nicht dazu berechtigt war, den Widerspruch auf die Kosten zu beschränken. Es bestätigte auch, dass das Landgericht im Rahmen seiner Kostenentscheidung das Gutachten des Sachverständigen berücksichtigt hatte und dass die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens tragen müsse.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG München: Beschluss v. 19.03.2010, Az: 6 W 832/10
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 10.1.2010 - 7 O 7312/09 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents EP ... (Streitpatent, Anlage MBP 1) betreffend einen Presseur. Dessen Ansprüche 1 und 2 lauten:
1. Mit einer elektrischen Druckhilfe ausgerüsteter, mit einer Achse (6) versehener Presseur (5) eines Druckwerks, der in einem Maschinenrahmen (10) angeordnet ist und der über einem Stahlmantel (7) einen begrenzt leitfähigen Belag (8) aufweist, wobei dieser elektrisch aufladbar und die Achse (6) von dem Maschinenrahmen (10) elektrisch isoliert ist, wobei die Achse (6) einen elektrischen Anschluss aufweist, über den eine elektrische Spannung an diese und damit an den Stahlmantel anlegbar ist.
2. Mit elektrostatischer Druckhilfe ausgerüsteter, mit einer Welle (20) versehener Presseur (5) eines Druckwerks, der in einem Maschinenrahmen (10) angeordnet ist und über einem Stahlmantel (7) einen begrenzt leitfähigen Belag (8) aufweist, wobei dieser elektrisch aufladbar ist und die Welle von dem Maschinenrahmen (10) elektrisch isoliert ist, wobei die Welle (20) elektrisch leitend mit dem Stahlmantel verbunden ist und zum elektrischen Aufladen des begrenzt leitfähigen Belags (8) eine elektrische Spannung über ein an der Stirnseite der Welle angeordnetes Kugellager an diese anlegbar ist.
Mit dem Antrag vom 20.4.2009 machte die Antragstellerin geltend, aufgrund der Werbung der Firma E betreffend deren elektrostatische Druckhilfe E 1000, die im Betrieb der Antragsgegnerin im Einsatz sei, insbesondere der europäischen Patentanmeldung EP ... (Anlage MBP 10) ergebe sich eine potentielle Verletzung des Anspruchs 1 des Streitpatents, wenn die Firma E für die elektrostatische Druckhilfe das in der Anmeldung EP ... beschriebene Einspeisebauteil verwende.
Mit Beschluss vom 4.5.2009 des Landgerichts München I, ergänzt mit Beschluss vom 13.5.2009, ergingen folgende Anordnungen:
1. Durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachten soll festgestellt werden, wie der in der Betriebsstätte der Antragsgegnerin (nachfolgend: AG) eingesetzte Presseur der Riveria-Druckmaschine ESA der Firma E ... beschaffen ist. Dies soll die Antragstellerin (nachfolgend: AS) in die Lage versetzen sich darüber zu vergewissern, ob dieser Presseur von den Merkmalen des Europäischen Patents EP ... der AS Gebrauch macht, dessen Hauptanspruch durch die Kombination folgender Merkmale gekennzeichnet ist:
(0) Presseur eines Druckwerks, der mit elektrostatischer Druckhilfe ausgerüstet und mit einer Achse versehen ist.
(1.1) Der Presseur ist einem Maschinenrahmen angeordnet;
(1.2) Der Presseur weist einen begrenzt leitfähigen Belag über einem Stahlmantel auf;
(1.3) Der begrenzt leitfähige Belag ist elektrisch aufladbar;
(1.4) Die Achse des Presseurs ist von dem Maschinenrahmen elektrisch isoliert;
(1.5) Die Achse des Presseurs weist einen elektrischen Anschluss auf;
(1.6) Über den elektrischen Anschluss der Achse ist eine elektrische Spannung an diese und damit an den Stahlmantel des Presseurs anlegbar.
Wegen der weiteren Anordnungen Nr. 2 bis 12 wird auf den Beschluss vom 4.5.2009 Bezug genommen.
Am 25.6.2006 legte der beauftragte Sachverständige Patentanwalt Dr. R das Gutachten vom selben Tage über das Ergebnis der Besichtigung in der Betriebsstätte der Antragsgegnerin vor (Bl. 41/58 mit Anlagen), auf das Bezug genommen wird.
Mit Schriftsatz vom 6.7.2009, eingegangen am 7.7.2009, legte die Antragsgegnerin Widerspruch ein und beantragte, die einstweilige Verfügung vom 4.5.2009 mit Ausnahme der Anordnung zu I. 8 (Geheimhaltungsverpflichtung der anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin) aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in diesem Umfang zurückzuweisen. Der geltend gemachte Verletzungsvorwurf sei nicht begründet. Anspruch 1 des Streitpatents sei nicht verwirklicht, weil es an einem mit einer Achse versehenen Presseur fehle. Auch Anspruch 2 sei nicht verwirklicht, weil die besichtigte angegriffene Ausführungsform an ihrer Stirnseite weder ein Kugellager aufweise, noch werde die Spannung überhaupt über ein Kugellager zugeführt. Vielmehr erfolge die Spannungszufuhr über ein elektrisch leitendes Fluid beziehungsweise - im Sicherheitsfall - über einen Kontaktstift.
Mit Schriftsatz vom 1.10.2009 nahm die Antragsgegnerin zu dem Gutachten vom 25.6.2009 Stellung.
Auf den Hinweis des Gerichts vom 7.10.2009 erklärte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 26.10.2009 den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Mit Schriftsatz vom 2.12.2009 erklärte die Antragsgegnerin, sich einer Erledigterklärung von Seiten der Antragstellerin anzuschließen.
Mit Beschluss vom 12.1.2010 legte das Landgericht der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf. Zur Begründung wurde ausgeführt:
Zwar sei der Antrag nach § 140 c PatG bei Antragstellung zulässig und begründet gewesen, da eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür vorgetragen worden sei, dass die Antragsgegnerin von den Merkmalen des Hauptanspruchs des Streitpatents Gebrauch mache. Nach Vorlage des Gutachtens und damit im für die Kostenentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt bestehe jedoch die erforderliche maßgebliche Wahrscheinlichkeit nicht mehr. Hinsichtlich der Merkmale des Hauptanspruchs habe der Sachverständige festgestellt, dass die spezifischen Bedeutungen, die die Beschreibung des Streitpatents den Begriffen "Achse" und "Anschluss" auch nach Auffassung der Kammer zuweise, bei den Komponenten der besichtigten Anlage nicht verwirklicht seien. Die Ausführungen des Sachverständigen zu Anspruch 2 des Klagepatents seien demgegenüber nicht relevant; der Sachverständige sei ausweislich des Beschlusses vom 4.5.2009 - entsprechend dem Antrag vom 20.4.2009 - nur angewiesen worden, eine Übereinstimmung hinsichtlich der Merkmale des Anspruchs 1 zu untersuchen. Die Feststellung von Bauteilen, die Merkmale des selbständig nebengeordneten Anspruchs 2 verwirklichen könnten, sei nicht Streitgegenstand des Untersuchungsantrags.
Gegen den ihr am 20.1.2010 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der am 3.2.2010 bei Gericht eingegangen sofortigen Beschwerde (mit dem offensichtlich fehlerhaften Datum vom 9.12.2009).
Sie macht geltend: Gegenstand des Antrags vom 20.4.2009 sei es gewesen, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachten Beweis zu erheben, ob der in der Betriebsstätte der Antragsgegnerin eingesetzte Presseur von den Merkmalen des Streitpatents, insbesondere dem Hauptanspruch, Gebrauch mache. Zweck des Antrags sei es gewesen, ob bei dem Presseur der Antragsgegnerin die in dem Streitpatent als wesentlich herausgestellten Merkmale verwirklicht seien, nämlich
- ob bei dem eingesetzten Presseur die zur Aufladung des begrenzt elektrisch leitfähigen Belages erforderliche Spannung von innen über den Stahlmantel des Presseurs eingebracht wird; und
- ob zur Spannungsübertragung von einem ortsfest angeordneten Hochspannungsgenerator zu dem sich relativ zu dem Hochspannungsgenerator drehenden Stahlmantel des Presseurs mindestens ein Kugellager eingesetzt wird.
Dementsprechend sei die Beweisanordnung unter 1. des Tenors durch das Landgericht gefasst worden.
Demnach gehe es nicht nur darum, ob der von der Antragsgegnerin eingesetzte Presseur von Anspruch 1 des Streitpatents Gebrauch mache. Vielmehr habe die Frage beantwortet werden sollen, ob bei dem Presseur der Antragsgegnerin die in dem Verfügungspatent als wesentlich heraus gestellten Merkmale verwirklicht seien. Dies sei durch das Gutachten entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin bestätigt worden. So gebe die Antragsgegnerin selbst zu, dass es bei dem von ihr eingesetzten Presseur nicht das leitende Fluid allein sei, welches zur Spannungsübertragung eingesetzt werde. Vielmehr sollen nun auch zusätzliche Federkontaktstifte zur Spannungszuführung verwendet werden. Die Behauptung, es würden bewusst keine Kugellager zur Spannungszuführung verwendet, da sich diese Art der Spannungsführung angeblich in der Praxis als besonders verschleißanfällig erwiesen habe, sei aus der Luft gegriffen und nicht haltbar.
Jedenfalls liege eine Verletzung des Anspruchs 2 des Streitpatents vor. Die Einwendungen der Antragsgegnerin gegen das Gutachten seien unzutreffend. Die Auffassung, dass sich das Gutachten nur auf Anspruch 1 beziehe, sei unhaltbar.
Die Auffassung des Landgerichts, wonach es für den Erlass der Besichtigungsanordnung allein darauf ankommen könne, ob Patentanspruch 1 verwirklicht sei, sei mit Sinn und Zweck des § 140 c PatG nicht zu vereinbaren. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Benutzung der patentierten Erfindung als Voraussetzung für den Besichtigungsanspruch habe vorgelegen. Es dürfe zudem nicht übersehen werden, dass die Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen sei. So habe das Gutachten des Sachverständigen bestätigt, dass jedenfalls eine Verletzung des unabhängigen Anspruchs 2 in Betracht komme. Über die tatsächliche Verwirklichung der Merkmale der Ansprüche 1 und 2 des Streitpatents habe ein begründeter Verdacht vorgelegen. Dass dies ausreichend sein müsse, werde auch durch die Kontrollüberlegung gestützt, dass eine Besichtigungsanordnung, gestützt auf die Verletzung des Anspruchs 2, Aussicht auf Erfolg habe.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Landgerichts München I, Az.: 7 O 7312/09, vom 12.1.2010 aufzuheben und der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Da die Antragstellerin bereits vor Stellung des Besichtigungsantrages gewusst habe, dass die besichtigte Vorrichtung keine feststehende Achse aufweise, sondern vielmehr eine rotierende Welle, sei der von der Antragstellerin im Antrag allein geltend gemachte Anspruch 1 als Grundlage von vornherein nicht in Betracht gekommen. Dass dennoch nur Anspruch 1 gegenständlich gewesen sei, ergebe sich sowohl aus der Antragsfassung als auch aus der Begründung. Es sei ausschließlich zu dem Anspruch 1 (Achse) vorgetragen worden. Soweit die Antragstellerin demgegenüber Nr. 1 des Tenors zitiere, sei dies unvollständig, denn dort seien im Anschluss an das Zitat der Antragstellerin ausschließlich die Merkmale des Anspruchs 1 aufgeführt. Der Vortrag der Antragstellerin zu Anspruch 2 (Welle) sei daher von vorneherein irrelevant. Vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass es an Vortrag der Antragstellerin fehle, dass die Spannungszuführung über Kugellager an der Stirnseite erfolge. Schließlich erfolge die Spannungszuführung bei dem besichtigten Energieübertragungssystem auch nicht über ein Kugellager, welches sich in einem Federkontaktstift befindet.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 8.2.2010 nicht abgeholfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 91 a Abs. 2, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und, da form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1 und 2 ZPO), auch zulässig. In der Sache bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.
1. Gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO entscheidet das Gericht nach übereinstimmender Erledigterklärung über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Dass das Landgericht - worauf bereits in der Verfügung vom 7.10.2009 hingewiesen wurde und in dem Nichtabhilfebeschluss unter 5. nochmals hervorgehoben wurde - nur über die Kosten der Duldungsverfügung und nicht auch über die Kosten des Beweissicherungsverfahrens entschieden hat, entspricht der allgemeinen Auffassung, wonach trotz der Entscheidung in einem einheitlichen Beschluss die beiden "Bestandteile" unterschiedlichen Regelungen folgen (vgl. auch BGH, Beschl. v. 16.11.2009 - X ZB 37/08, Tz. 8 - Lichtbogenschnürung). Da dies auch von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen wird, sind hierzu keine weiteren Ausführungen veranlasst.
382. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei der nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO zu treffenden Kostenentscheidung nicht allein darauf abzustellen ist, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 140 c Abs. 1, Abs. 3 PatG - hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Patentverletzung gemäß § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG - bei Erlass des Beschlusses zu Recht als dargetan und glaubhaft gemacht angesehen worden waren, sodass dem Einwand der Antragsgegnerin, die Antragstellerin habe bereits zu dem Vorhandensein einer Achse nicht substantiiert vorgetragen, nicht nachgegangen werden muss.
393. Dass bei der Kostenentscheidung das Ergebnis der Besichtigung, d. h. das Sachverständigengutachten zu berücksichtigen ist, nämlich ob die für den Erlass der Besichtigungsanordnung ausreichende Wahrscheinlichkeit einer Patentverletzung bestätigt, widerlegt oder ob keine verwertbaren Erkenntnisse gewonnen wurden, entspricht der überwiegend vertretenen Meinung (vgl. Kühnen, Mitt. 2009, 211, 217; ders., in Schulte, PatG, 8. Aufl., § 140 c Rdn. 70 f; Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Aufl., Rdn. 458 f; Schramm/Oldekop, Der Patentverletzungsprozess, 6. Aufl., Kap. 9 Rdn. 181 f; a. A. Müller-Stoy, Nachweis und Besichtigung des Verletzungsgegenstandes im deutschen Patentrecht, 2008, Rdn. 279 ff; Fromm/Nordemann/Czychowski, UrhG, 10. Aufl., § 101 a Rdn. 34 a. E.). Inwiefern die daraus folgende Kostenbelastung des Schutzrechtsinhabers, falls durch die Besichtigung die Schutzrechtsverletzung nicht bestätigt wird, dem mit der Regelung des § 140 c PatG verfolgten Zweck zuwiderlaufen soll, ist nicht erkennbar (vgl. Kühnen/Geschke aaO Rdn. 459). Insbesondere kann die vom Landgericht vertretene Auffassung nicht als billigem Ermessen widersprechend qualifiziert werden. Dass der Antragsgegner stets die Kosten des Verfahrens bereits dann zu tragen hat, wenn die Voraussetzungen eines Besichtigungsanspruchs bei Erlass der Duldungsverfügung gegeben waren, kann der Regelung des § 140 c PatG nicht entnommen werden. Auch die Regelung in § 140 c Abs. 5 PatG stützt diese Sichtweise nicht. Auch wenn es sich bei der verschuldensunabhängigen Schadensersatzhaftung (vgl. hierzu Schulte/Kühnen, § 140 c Rdn. 81; Wandtke/Bullinger/Ohst, UrhG, 3. Aufl., § 101 a Rdn. 41) nicht um eine kostenrechtliche Bestimmung handelt (so Müller-Stoy aaO Rdn. 281; vgl. aber auch Wandtke/Bullinger/Ohst, § 101 a Rdn. 42), belegt diese jedoch, dass nicht allein auf den Erkenntnisstand bei Erlass der Besichtigungsanordnung abgestellt werden kann (vgl. auch Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 19 a Rdn. 49 m. w. N., der in der Regelung des inhaltlich mit § 140 c Abs. 5 PatG übereinstimmenden § 19 a Abs. 5 MarkenG gegenüber der früheren Rechtslage - § 945 ZPO - eine erhebliche Schlechterstellung sieht).
404. Die Antragsgegnerin war auch nicht gehalten, den Widerspruch auf die Kosten zu beschränken. Im Rahmen eines Kostenwiderspruchs kann nur die fehlende Veranlassung für ein gerichtliches Vorgehen im Sinne von § 93 ZPO geprüft werden unabhängig davon, dass für den Fall, dass eine vorherige Aufforderung zur Erfüllung des Besichtigungsanspruchs vor der gerichtlichen Geltendmachung als nicht zumutbar angesehen wird (vgl. hierzu Kühnen/Geschke, Rdn. 460; Müller-Stoy aaO Rdn. 280 Fn. 520; jeweils m. w. N.), sich der Besichtigungsschuldner auch nicht mit Erfolg auf § 93 ZPO berufen kann.
5. Zutreffend und mit eingehender Begründung hat das Landgericht im Nichtabhilfebeschluss der Argumentation der Beschwerde zum Gegenstand der Besichtigung eine Absage erteilt. Hierzu hat es ausgeführt:
"... Die Antragstellerin hat vorliegend die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung ihres selbständigen Hauptanspruchs 1 mit den im Tenor im einzelnen genannten Merkmalen vorgetragen und aufgrund dieses Vortrags eine Besichtigungsverfügung erwirkt, die auf die Feststellung der tatsächlichen Umstände, die Grundlage der genannten Merkmale sind, gerichtet war. Damit hat sie den Lebenssachverhalt eindeutig umrissen und den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens festgelegt. Da nach durchgeführter Beweisaufnahme nicht mehr mit ausreichender Wahrscheinlichkeit u. a. davon ausgegangen werden kann, der Verletzungsgegenstand verfüge über eine "Achse" und diese über einen "elektrischen Anschluss" i. S. der Merkmale 0, 1.4 und 1.5 der Merkmalsgliederung der Antragstellerin, ist zu diesem Streitgegenstand ein Verletzungsverdacht widerlegt.
Dass die Besichtigung quasi als Zufallsfund eine Verletzung des selbständigen Hauptanspruchs 2 des Klageschutzrechts nahelegt, wenn davon ausgegangen wird, dass die Zapfen des streitgegenständlichen Presseurs als "Welle" fungieren und die elektrische Spannungsübertragung - wofür der Gutachter nur Indizien mitteilt, da eine genaue Überprüfung nicht möglich war - weder durch Fluid noch durch Schleifkontakte, sondern durch ein "Kugellager" i. S. v. Anspruch 2 erfolgt, ändert an dem oben dargelegten Ergebnis nichts, da der Verdacht, der Verletzungsgegenstand könnte von dem selbständig nebengeordneten Anspruch 2 Gebrauch machen, nicht Grundlage und Gegenstand des Besichtigungsverfahrens und der hierzu ergangenen Duldungsanordnung war..."
44Gegenstand der Besichtigung war die im Tenor unter 1. genau bezeichnete Vorrichtung. Die Erforderlichkeit der Besichtigung wurde allein mit einer vermeintlichen Verwirklichung aller Merkmale des Anspruchs 1 begründet, wozu in der Antragsschrift und im Schriftsatz vom 29.4.2009 allein vorgetragen wurde. Die beiläufige Erwähnung des Anspruchs 2 auf Seite 7 der Antragsschrift bzw. die Ausführungen hinsichtlich der zweiten Ausführungsform "... oder die Welle ..." (Seite 6 vierter Absatz der Antragsschrift) ändern nichts daran, dass im Antrag und der dazu gegebenen Begründung allein auf eine Verletzung des Anspruchs 1 abgestellt wurde. Gegenstand der Besichtigung und der hierzu ergangenen Duldungsanordnung war folglich nur die Feststellung zum Vorhandensein der im Tenor unter 1. aufgeführten Merkmale. Nicht Gegenstand der Besichtigungsanordnung war die Feststellung der von der Beschwerde - abweichend von dem gestellten Antrag - formulierten zwei "wesentlichen Merkmale" (siehe vorstehend unter I.).
45Dass die Feststellungen des Sachverständigen zu der konstruktiven Beschaffenheit des besichtigten Presseurs die Verwirklichung aller Merkmale des Anspruchs 1 nicht belegen, wird auch von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen.
466. Ob der besichtigte Presseur von allen Merkmalen des Anspruchs 2 des Streitpatents Gebrauch macht, ist für die nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO zu treffende Kostenentscheidung ohne Bedeutung, da der Beweissicherungsantrag und die seiner Durchführung dienende Duldungsverfügung auf eine Verwirklichung des Anspruchs 2 nicht gestützt wurden.
6. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 97 ZPO.
7. Der Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahrens bedarf es nicht. Dieser ergibt sich aus den Kosten des Verfügungsverfahrens, die bis zur übereinstimmenden Erledigterklärung angefallen sind.
8. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde in Verfahren der einstweiligen Verfügung kommt nicht in Betracht (§ 574 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
OLG München:
Beschluss v. 19.03.2010
Az: 6 W 832/10
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