Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 11. November 1998
Aktenzeichen: 17 W 365/98
(OLG Köln: Beschluss v. 11.11.1998, Az.: 17 W 365/98)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die vorliegende Gerichtsentscheidung des Oberlandesgerichts Köln betrifft eine gebührenrechtliche Fragestellung. Im Mittelpunkt steht die Frage, wann von einer einzigen Angelegenheit im Sinne des Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) auszugehen ist und wann mehrere Angelegenheiten vorliegen. Nach der Entscheidung des Gerichts liegt eine Angelegenheit vor, wenn die weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen einen inneren Zusammenhang haben und inhaltlich sowie in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Zudem wird klargestellt, dass der Auftrag zur gemeinsamen Rechtsverfolgung gegen mehrere als Gesamtschuldner haftende Personen stets dieselbe Gebührenangelegenheit begründet, sofern sich die Tätigkeiten im Rahmen des Auftrags halten.
Im konkreten Fall hat das Gericht die Beschwerde einer Klägerin zurückgewiesen. Die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin. Begründet wird die Entscheidung damit, dass die anwaltliche Vertretung der Klägerin im streitigen Verfahren als dieselbe Gebührenangelegenheit im Sinne der BRAGO anzusehen ist. Hierbei wurde berücksichtigt, dass die Klägerin im vorangegangenen Mahnverfahren gesonderte Vordrucke verwendet hat, die zu getrennten Mahnbescheiden geführt haben, jedoch im nachfolgenden Streitverfahren eine einheitliche Angelegenheit vorlag. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sowohl die Mahnabteilung des Amtsgerichts angeschrieben als auch die anwaltliche Vertretung und die Abgabe an das Landgericht beantragt. Dadurch wurde der Wille der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten erkennbar, gegen beide Beklagte gemeinsam und in einem einheitlichen Verfahren vorzugehen. Daher sind die Gebühren nur einmal angefallen.
Die Klägerin hat zudem eine Erhöhung der Verhandlungsgebühr beantragt, jedoch ohne Rechtsgrundlage. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO (Zivilprozessordnung).
Der Streitwert des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens beträgt 707,25 DM.
Die vorliegende Gerichtsentscheidung beantwortet eine Frage des Gebührenrechts und klärt, wann von einer einzigen Angelegenheit auszugehen ist. Sie stützt sich auf die Bestimmungen der BRAGO und legt dar, dass im vorliegenden Fall alle Tätigkeiten des Anwalts im Rahmen eines einheitlichen Prozessauftrags erbracht wurden. Das Gericht weist die Beschwerde der Klägerin zurück und legt fest, dass die Kosten des Verfahrens von der Klägerin zu tragen sind. Es wird zudem klargestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine Erhöhung der Verhandlungsgebühr hat. Der Streitwert des Verfahrens beträgt 707,25 DM.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Köln: Beschluss v. 11.11.1998, Az: 17 W 365/98
Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Für die Frage, wann von einer einzigen Angelegenheit auszusehen ist oder wann mehrere Angelegenheiten vorliegen, ist insbesondere der Inhalt des dem Anwalt erteilten Auftrages maßgebend. In der Regel betreffen die weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein und dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, daß von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Mühewaltung gesprochen werden kann. Der Auftrag zur gemeinsamen Rechtsverfolgung gegen mehrere als Gesamtschuldner haftende Personen begründet deshalb für den Anwalt des Gläubigers stets dieselbe Gebührenangelegenheit, wenn und soweit sich die darauf abzielenden Tätigkeiten im Rahmen des Auftrags halten.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Gründe
Die Erinnerung gilt aufgrund ihrer Vorlage an den Senat als sofortige Beschwerde (§ 11 Abs. 2 Rechtspflegergesetz in der bis zum 30. September 1998 geltenden Fassung); sie begegnet keinen verfahrensrechtlichen Bedenken, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Rechtspfleger hat zutreffend als zu erstattende erstinstanzliche Prozeßkosten der Klägerin lediglich eine 10/10 Prozeßgebühr und eine 10/10 Verhandlungsgebühr (nebst Zuschlägen) gegen die Beklagten festgesetzt.
Der Umstand, dass die Klägerin in dem vorangegangenen, ohne anwaltlichen Beistand betriebenen Mahnverfahren bei der Stellung ihres gegen die Beklagten gerichteten Antrags auf Erlaß eines Mahnbescheids gesonderte Vordrucke verwendet hat, und dass deswegen gegen die als Gesamtschuldner in Anspruch genommenen Beklagten getrennte Mahnbescheide ergangen sind, ändert nichts daran, dass es sich jedenfalls bei dem nachfolgenden Streitverfahren um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 13 Abs. 2 BRAGO gehandelt hat, mit der Folge, dass dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, der erstmals nach Einlegung des Widerspruchs durch die Beklagten und damit nach Beendigung des Mahnverfahrens für die Klägerin tätig geworden ist, die Gebühren nur einmal erwachsen sind. Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, dass der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Für die Frage, wann von einer einzigen Angelegenheit auszugehen ist oder wann mehrere Angelegenheiten vorliegen, ist insbesondere der Inhalt des dem Anwalt erteilten Auftrags maßgebend (vgl. BGH NJW 1987, 315). In der Regel betreffen die weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein und dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Mühewaltung gesprochen werden kann (vgl. BGH LM § 6 BRAGebO Nr. 1). Der Auftrag zur gemeinsamen Rechtsverfolgung gegen mehrere als Gesamtschuldner haftende Personen begründet deshalb für den Anwalt des Gläubigers stets dieselbe Gebührenangelegenheit, wenn und soweit sich die darauf abzielenden Tätigkeiten im Rahmen des Auftrags halten. Gemessen an diesen Grundsätzen kann indessen ernstlich nicht bezweifelt werden, dass die anwaltliche Vertretung der Klägerin im streitigen Verfahren dieselbe Gebührenangelegenheit betroffen hat. Denn abgesehen davon, dass die Mahnverfahren aufgrund einer einheitlichen Abgabeverfügung an das für die Durchführung des streitigen Verfahrens zuständige Landgericht Köln abgegeben worden sind, und dass das Landgericht das Streitverfahren von Anfang an als ein einheitliches Verfahren behandelt hat, hat der für die Klägerin im streitigen Verfahren entfalteten anwaltlichen Tätigkeit fraglos nur ein Prozeßauftrag zugrundegelegen. Das belegt insbesondere die Tatsache, dass der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin die Mahnabteilung des Amtsgerichts in beiden Mahnsachen gleichzeitig, nämlich unter dem 4. März 1997 angeschrieben, die anwaltliche Vertretung der Klägerin angezeigt und - nach Gutschrift der mit gleicher Post eingezahlten zweiten Hälfte der Gerichtskosten - die Abgabe an das Landgericht Köln beantragt hat. Der dadurch erkennbar gewordene Wille der Klägerin und ihres Prozeßbevollmächtigten, gegen beide Beklagten gemeinsam und in einem einheitlichen Verfahren vorzugehen, hat die Rechtsverfolgung gegen beide Beklagten - wenn nicht schon im Mahnverfahren, so doch - spätestens im Zeitpunkt der Überleitung in das Streitverfahren zu einer einzigen gebührenrechtlichen Angelegenheit zusammenwachsen lassen.
Für die von der Klägerin geltend gemachte 3/10-Erhöhung der ihrem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten erwachsenen Verhandlungsgebühr ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Auch die Prozeßgebühr des erstinstanzlichen Prozeßanwalts der Klägerin hat sich nicht erhöht, weil er im vorangegangenen Rechtsstreit nur für einen Auftraggeber tätig gewesen ist, so dass es an der für den Anfall des Mehrvertretungszuschlages nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO erforderlichen Voraussetzungen einer anwaltlichen Vertretung mehrerer Auftraggeber in derselben Angelegenheit zum selben Gegenstand fehlt. Es muß mithin bei dem angefochtenen Beschluß verbleiben. Auf die zutreffenden Gründe des unter dem 6. Januar 1998 ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlusses und der Nichtabhilfeverfügung der Rechtspflegerin vom 13. Oktober 1998 wird ergänzend Bezug genommen (§ 543 ZPO in entsprechender Anwendung).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Streitwert des Erinerungs- und Bescherdeverfahrens: 707,25 DM.
OLG Köln:
Beschluss v. 11.11.1998
Az: 17 W 365/98
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