Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 9. Juli 2003
Aktenzeichen: 2 StR 146/03

(BGH: Beschluss v. 09.07.2003, Az.: 2 StR 146/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 9. Juli 2003, Aktenzeichen 2 StR 146/03, den Anträgen der Angeklagten B. und C. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung von Fristen stattgegeben. Der Angeklagte B. hatte die Frist zur Begründung der Revision versäumt, während der Angeklagte C. die Frist zur Erhebung von Verfahrensrügen nicht eingehalten hatte. Beide Angeklagten müssen die Kosten der Wiedereinsetzung tragen.

Im Fall des Angeklagten B. wurde festgestellt, dass die Versäumung der Frist nicht auf sein Verschulden zurückzuführen war, daher wurde ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Beim Angeklagten C. hatte sein Pflichtverteidiger am letzten Tag der Frist Verfahrensrügen und Ausführungen zur Sachrüge vorgelegt, jedoch war der Schriftsatz nicht vom Pflichtverteidiger selbst, sondern von einem bevollmächtigten Sozius unterzeichnet worden, was nicht zulässig war. Nachdem der Pflichtverteidiger auf diesen Fehler aufmerksam gemacht wurde, beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diesem Antrag wurde stattgegeben.

Normalerweise kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, um versäumte Verfahrensrügen nachzuholen, nicht in Betracht, wenn die Revision anderweitig form- und fristgerecht begründet wurde. Da die Verfahrensrügen jedoch bereits zum Zeitpunkt des Fristablaufs bei Gericht vorlagen, wenn auch formell nicht gültig aufgrund der fehlenden Unterschrift, und kein neuer Revisionsangriff vorgebracht werden soll, sondern nur ein Formfehler behoben werden soll, wurde dem Interesse des Angeklagten, seine Beschwerden vollständig vorzutragen, größeres Gewicht beigemessen. Dies entspricht einer vorherigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs in einem ähnlichen Fall. Somit wurde auch dem Antrag des Angeklagten C. auf Wiedereinsetzung entsprochen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 09.07.2003, Az: 2 StR 146/03


Tenor

1.

Dem Angeklagten B. wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 10. Mai 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2.

Dem Angeklagten C. wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der von Rechtsanwalt O. mit Schriftsatz vom 10. Februar 2003 vorgetragenen Verfahrensrügen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

3.

Die Angeklagten haben die Kosten der Wiedereinsetzung zu tragen.

Gründe

I.

Dem Beschwerdeführer B. war auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren, da die Versäumung der Frist nicht auf seinem Verschulden beruht.

II.

Mit der Revisionseinlegung am 14. Mai 2002 hatte der Pflichtverteidiger des Angeklagten C. , Rechtsanwalt O. , die allgemeine Sachrüge erhoben. Mit am 10. Februar 2003, dem Tage des Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz des Pflichtverteidigers war die Revision weiter mit Verfahrensrügen und Ausführungen zur Sachrüge begründet worden. Dieser Schriftsatz war von einem Sozius der Anwaltskanzlei unterzeichnet worden, weil Rechtsanwalt O. am letzten Tag der Frist "büroabwesend" war. Der Pflichtverteidiger ging davon aus, daß eine Unterbevollmächtigung insoweit zulässig sei. Auf sein Versehen aufmerksam gemacht, beantragt er nunmehrunter Beifügung einer von ihm unterschriebenen Revisionsbegründungsschrift -Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Dem rechtzeitig angebrachten Gesuch war zu entsprechen.

Die Verfahrensrügen waren nicht rechtzeitig im Sinne von § 345 Abs. 2 StPO erhoben worden, weil der Schriftsatz nicht vom Pflichtverteidiger, sondern von einem zu diesem Zweck bevollmächtigten Sozius unterzeichnet worden war, auf den der Pflichtverteidiger seine Befugnisse nicht wirksam übertragen konnte (BGHR StPO § 349 Abs. 1 Einlegungsmangel 2; BGH StV 1981, 393). Anhaltspunkte dafür, daß der Sozius als allgemeiner Vertreter des Pflichtverteidigers gemäß § 53 Abs. 2 BRAO tätig geworden war, sind nicht ersichtlich.

Zwar kommt, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung der Verfahrensrügen grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die Revision in anderer Weise form-und fristgerecht begründet wurde (BGHSt 1, 44; 31, 161, 163; NStZ 1981, 110; Beschl. v. 13.2.2002 -2 StR 523/01; Beschl. v. 20.9.2002 -2 StR 306/02; Beschl. v. 14.1.2003 -5 StR 354/02). Anders aber als in den Fällen, in denen nach Fristablauf neue Revisionsangriffe durch bisher nicht erhobene Verfahrensrügen geführt werden sollen, lagen hier die Verfahrensrügen bei Ablauf der Revisionsbegründungsfrist dem Gericht -wenn auch mangels wirksamer Unterschrift nicht formgültig erhoben -vor. Da damit der Sache nach keine Verfahrensrügen nachgeschoben worden sind, sondern lediglich ein Formfehler beseitigt werden soll, erscheint es gerechtfertigt, dem Interesse des Angeklagten, seine Beschwerden erschöpfend vorzubringen, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Rechtsmittelfristen größeres Gewicht beizumessen. Dies hat der Bundesgerichtshof bereits für den Fall entschieden, bei dem ein an sich rechtzeitig eingegangener Schriftsatz mit weiteren Verfahrensrügen versehentlich nicht unterzeichnet war (BGHSt 31, 161, 163). Nichtsanderes kann für die unzulässige Unterzeichnung der Revisionsbegründung durch einen Sozius des Pflichtverteidigers gelten, denn auch in diesem Fall fehlt eine "rechtswirksame" Unterschrift.






BGH:
Beschluss v. 09.07.2003
Az: 2 StR 146/03


Link zum Urteil:
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