Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht:
Beschluss vom 2. August 2001
Aktenzeichen: 1 MN 1194/01
(Niedersächsisches OVG: Beschluss v. 02.08.2001, Az.: 1 MN 1194/01)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Gemeinde hat einen behebbaren Mangel gemäß § 215a BauGB behoben und daraufhin einen Änderungsantrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO gestellt. Im Allgemeinen werden ihr im Falle des Erfolgs die Kosten des Änderungsverfahrens nicht entsprechend § 155 Abs. 5 oder § 156 VwGO auferlegt.
Der Senat hatte den Bebauungsplan der Gemeinde auf Antrag der Antragsgegner bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug gesetzt. Die Begründung dafür war, dass die Eingriffe in Natur und Landschaft noch nicht ausreichend geregelt waren. Nachdem entsprechende Verträge abgeschlossen sind, hat der Rat der Gemeinde die Planbegründung beschlossen und den Plan erneut als Satzung beschlossen.
Die Gemeinde beantragt die Änderung der Eilentscheidung des Gerichts. Der Senat ändert den Beschluss von 2000 bis auf die Kostenentscheidung und legt die Kosten des Änderungsverfahrens den Antragsgegnern auf.
Der Antrag ist zulässig. Eilentscheidungen können in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO mit Ausnahme der Kostenentscheidung geändert werden, wenn veränderte Umstände vorliegen, die im ursprünglichen Verfahren nicht vorgetragen wurden. Dies gilt auch, wenn die Gemeinde einen Mangel geheilt hat und den Plan erneut in Kraft setzt.
Die Maßnahmen der Gemeinde haben die Mängel geheilt, die den Senat zu teilweise günstigen Entscheidungen für die Antragsgegner bewogen haben. Die städtebaulichen Verträge wurden rechtsverbindlich geschlossen und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der erforderliche Ausgleich nicht geschaffen werden kann.
Die Eilentscheidung des Gerichts kann keine weitere Bestand haben und wird für die Zukunft geändert, mit Ausnahme der Kostenentscheidung.
Die Kostenentscheidung für das Änderungsverfahren ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO. Eine Anwendung von § 155 Abs. 5 oder § 156 VwGO ist nicht möglich.
Die Gemeinde hat keine prozessbezogene Pflicht verletzt, die zu einer neuen Kostenlast oder einem neuen Verfahren geführt hätte. Das Kostenrisiko ergibt sich aus dem Abänderungsverfahren.
Außergerichtliche Kosten der Äußerungsberechtigten können nicht erstattungsfähig erklärt werden, da ihre Stellung nicht der eines Beigeladenen entspricht.
Der Streitwert für das Änderungsverfahren wird nach dem wirtschaftlichen Interesse der Gemeinde bestimmt, das darin besteht, sowohl die kommunale Planungshoheit zu verteidigen als auch Ausgleichsansprüche zu minimieren.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
Niedersächsisches OVG: Beschluss v. 02.08.2001, Az: 1 MN 1194/01
Behebt die Gemeinde einen nach § 215a BauGB heilbaren Mangel und stellt daraufhin in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 7 VwGO einen Abänderungsantrag, sind ihr im Falle seines Erfolgs die Kosten des Abänderungsverfahrens im allgemeinen nicht entsprechend § 155 Abs. 5 oder § 156 VwGO aufzuerlegen.
Gründe
Auf Antrag der Antragsgegner hat der Senat den im Tenor genannten Bebauungsplan der Antragstellerin, an dessen Geltungsbereich das Grundstück der Antragsgegner westlich angrenzt, mit Beschluß vom 15. 11. 2000 bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug gesetzt. Zur Begründung hatte er -- ebenso wie im Normenkontrollurteil vom 28.11.2000 in der Sache 1 K 3750/99 -- ausgeführt, die von den Antragsgegnern hauptsächlich erhobenen Rügen wie namentlich fehlende Erforderlichkeit und Abwägungsmangelhaftigkeit des Planes griffen zwar nicht durch. Der -- hier grundsätzlich mögliche -- Ausgleich der Eingriffe in Natur und Landschaft sei indes noch nicht mit der gebotenen Rechtsverbindlichkeit geregelt worden. Denn die dafür in Aussicht genommenen Verträge seien noch nicht abgeschlossen bzw. zwar abgeschlossen, jedoch noch nicht vom Rat in seinen Willen aufgenommen worden.
Nachdem entsprechende Verträge abgeschlossen worden sind, hat der Rat der Antragstellerin am 27. März 2001 die Planbegründung in ihrer neuen Fassung beschlossen, die bisher abgeschlossenen städtebaulichen Verträge gebilligt und den angegriffenen Plan erneut als Satzung beschlossen.
Die Antragstellerin begehrt die Abänderung der Eilentscheidung des Senats vom 15. November 2000. Die Antragsgegner erkennen den Anspruch an und verwahren sich gegen eine ihnen ungünstige Kostenentscheidung.
Der Senat hat seinen Beschluß vom 15. 11. 2000 bis auf die Kostenentscheidung geändert und die Kosten des Abänderungsverfahrens den Antragsgegner auferlegt.
Der Antrag ist statthaft. Die vom 6. Senat des OVG (vgl. Beschl. vom 15.8.1983 -- 6 D 7/83 --, NVwZ 1984, 185) eingeschlagene Linie hat -- soweit ersichtlich -- allgemeine Zustimmung gefunden (vgl. z.B. OVG Münster, Beschl. vom 20.7.1998 -- 11 a B 993/98.NE -- NVwZ-RR 1999, 473 = BRS 60 Nr. 63; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner-Gerhardt, VwGO, Komm. § 47 RdNr. 186 m. w. N.). Danach können auch Eilentscheidungen nach § 47 Abs. 6 VwGO, ohne dass dies im Wortlaut dieser Vorschrift einen Niederschlag gefunden hätte, in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO mit Ausnahme ihrer Kostenentscheidung auf Antrag für die Zukunft geändert werden. Voraussetzung ist, dass veränderte oder solche Umstände eingetreten sind, die im ursprünglichen Verfahren nicht vorgetragen worden waren. Das gilt namentlich dann, wenn die Gemeinde -- wie hier -- einen Mangel durch ein ergänzendes Verfahren nach § 215 a Abs. 1 BauGB heilt und daraufhin den Bebauungsplan erneut in Kraft setzt.
Die nunmehr von der Antragsgegnerin getroffenen Maßnahmen haben die -- einzigen -- Mängel, welche den Senat zu den Antragsgegnern teilweise günstigen Entscheidungen bewogen hat, geheilt. Die städtebaulichen Verträge sind unter dem 18. Februar 1999, modifiziert unter dem 22./26. März 2001 in rechtsverbindlicher Weise geschlossen worden. Danach sind die Eigentümer des Plangrundstücks, denen zugleich das für die Ausgleichsmaßnahmen vorgesehene Flurstück 78, Flur 5 der Gemarkungen M gehört, verpflichtet, im Einzelnen hinreichend bestimmt bezeichnete Anpflanzungsmaßnahmen innerhalb einer bestimmten Zeit durchzuführen und dafür Sorge zu tragen, dass dieser Zustand auf unabsehbare lange Zeit aufrecht erhalten wird. Es bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, hierdurch werde der von der Antragstellerin bilanzierte Eingriffs-"Erfolg" von etwa 9.906 Bewertungspunkten (ermittelt nach der "Arbeitshilfe zur Ermittlung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in der Bauleitplanung" des Niedersächsischen Städtetages 1996) nicht geschaffen werden können. Insoweit haben die Antragsteller substantiierte Einwendungen auch nicht erhoben.
Der Plan ist mit seiner neuen Begründung im Amtsblatt für den Landkreis Hannover Nr. 16, S. 130 bereits bekannt gemacht worden. Das war zulässig und zur Abänderungsantragstellung auch geboten (vgl. BVerwG, B. v. 6.5.1993 -- 4 N 2.92 --, BVerwGE 92, 266 = BRS 55 Nr. 27).
Danach kann die Eilentscheidung des Senats vom 15. November 2000 keinen weiteren Bestand haben und ist -- mit Ausnahme der Kostenentscheidung (vgl. Eyermann-- J. Schmidt, VwGO, Komm. 11. Aufl., § 80 RdNr. 108) -- für die Zukunft zu ändern.
Die Kostenentscheidung für das Abänderungsverfahren folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO. Für eine von den Antragsgegnern für richtig gehaltene Anwendung des § 155 Abs. 5 oder des § 156 VwGO ist kein Raum.
§ 155 Abs. 5 VwGO lässt -- im Übrigen nur nach Ermessen des Gerichts -- zu, bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen, dass einer der Beteiligten eine prozessbezogene Pflicht schuldhaft verletzt und dies weitere kostenträchtige Verfahrensschritte oder gar neue verwaltungsgerichtliche Verfahren zur Folge gehabt hat (vgl. Eyermann-Rennert, a.a.O., § 155 RdNr. 13). Typische Fälle sind etwa, dass die Behörde eine unzutreffende Auskunft oder Rechtsbehelfsbelehrung erteilt, den angegriffenen Bescheid nicht begründet oder den Betroffenen vor seinem Erlass nicht anhört. All dies ist geeignet, in dem betroffenen Bürger das Bestreben zu wecken, nunmehr ein Gerichtsverfahren zu betreiben, anderenfalls er der erteilten Auskunft oder Rechtsbehelfsbelehrung zuwider Rechtsnachteile oder aber befürchten muss, weiterhin über die wahren Beweggründe der Behörde in Unkenntnis zu bleiben oder sich dieser gegenüber nicht ausreichend Gehör verschaffen zu können. Eine solche prozessbezogene Pflicht hat die Antragstellerin hier nicht verletzt. Sie hat zwar einen materiellen Fehler dadurch begangen, dass sie die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen seinerzeit noch nicht in einer § 8 a BNatSchG/§ 1 a BauGB genügende verbindliche Form gekleidet hatte. Das ist aber keine Maßnahme, welche entsprechend den oben genannten Beispielsfällen die Antragsgegner gleichsam dazu getrieben hätte, das Eil-(und gleichzeitig das Normenkontroll-)verfahren zu betreiben (vgl. auch BVerwG, Beschl. vom 8.3.1999 -- 6 B 121.98 --, NVwZ-RR 1999, 587, 588 am Ende). Deswegen ist der Fall auch nicht demjenigen vergleichbar, den das Bundesverwaltungsgericht mit Urt. vom 13.5.1987 (-- 6 C 6.86 --, NVwZ 1987, 802, 805 insoweit in BVerwGE 77, 240, 250 nicht abgedruckt) entschieden hätte. Seinerzeit war die Behörde durch § 15 KDVG schon wegen des pflichtwidrigen Fernbleibens von der persönlichen Anhörung verpflichtet gewesen, den Antrag des Wehrpflichtigen auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen abzulehnen. Eine derartige prozessuale Notwendigkeit bestand hier für die Antragsgegner nicht.
§ 155 Abs. 5 VwGO ist auch nicht dazu geschaffen, jedwedes behördliche Fehlverhalten mit Kostenlasten zu sanktionieren. Das ist hier im Übrigen schon dadurch geschehen, dass die Antragstellerin die Kosten des Eilverfahrens 1 M 3238/00 vollen Umfangs auferlegt bekommen hatte. Zureichenden Anlass, diese Kostensanktion auch für das Abänderungsverfahren zu perpetuieren, bietet § 155 Abs. 5 VwGO nicht. Jedenfalls wäre eine dahingehende Ermessensentscheidung sachlich nicht veranlasst.
§ 156 VwGO lässt eine den Antragsgegnern günstige Kostenentscheidung nur unter den kumulativen Voraussetzungen zu, dass sie -- was hier nur vorsorglich geschehen ist -- den Anspruch sofort anerkennen und durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung des Abänderungsantrages gegeben haben. Zumindest das letztere ist nicht der Fall. Die Antragstellerin durfte vielmehr annehmen, nur durch den Abänderungsantrag erreichen zu können, dass ihr Bebauungsplan in der nunmehr beschlossenen Fassung durch die Äußerungsberechtigte auch ausgenutzt werden kann (vgl. RG, Urt. vom 22.10.1927 -- V 40/27 --, RGZ 118, 261, 264; vgl. auch Eyermann-Rennert, a.a.O., § 156 RdNr. 3 und Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 156 RdNr. 3). Ohne gerichtliche Entscheidung hätte der Eilbeschluss des Senats vom 15.11.2000 weiterhin Bestand gehabt, zumindest aber den Rechtsschein erweckt, der Bebauungsplan der Antragstellerin Nr. 7/13 "Sondergebiet Altenheim" dürfe nicht vollzogen, d.h. ausgenutzt werden. Die Notwendigkeit, dies klarzustellen, war durch den Teilerfolg des ersten Eilantrages der Antragsgegner erforderlich geworden. Das hat sich kostenmäßig bereits dadurch zu deren Vorteil ausgedrückt, dass die Kosten des ersten Eilverfahrens vollständig der Antragstellerin auferlegt worden waren. Gerade dadurch hatte sich indes das nun realisierte Kostenrisiko aufgetan, dass ein Abänderungsverfahren mit dementsprechend neuer Kostenlastentscheidung nach § 154 Abs. 1 VwGO erforderlich wird.
Unbillig ist dieses Ergebnis zudem deshalb nicht, weil es im vorliegenden Verfahren allein um die Gerichtskosten gehen kann. Den Rechtsanwälten stehen für ihre Tätigkeit im Abänderungsverfahren wegen § 40 Abs. 2 BRAGO keine neuen Gebühren zu; das erste Eilverfahren und das Abänderungsverfahren stellen kostenrechtlich dieselbe Angelegenheit dar (vgl. Nds. OVG, B. v. 5.2.1998 -- 7 O 629/98 -- unter anderem unter Hinweis auf BayVGH, B. v. 7.12.1983 -- 20 C 83 D. 1 und 2 --, BayVBl. 1984, 414; B. v. 13.6.2000 -- 1 M 3210/97 --, V. n. b.; OVG Münster, B. v. 26.6.2000 -- 18 E 325/00 --, DVBl. 2001, 315 = NJW 2001, 843). Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten bleibt den Antragsgegnern durch den Tenor indes (ausdrücklich) erhalten.
Außergerichtliche Kosten der Äußerungsberechtigten können nicht in entsprechender Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig erklärt werden, weil ihre Stellung nicht der eines Beigeladenen entspricht.
Der Streitwert für das Abänderungsverfahren ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG (nicht mehr nach dem Interesse, welches die Antragsgegner an der ihnen günstigen Entscheidung hatten, sondern) nach dem wirtschaftlichen Interesse zu bestimmen, welches die Antragstellerin an einem ihr günstigen Verfahrensausgang hat (Senatsbeschluss vom 26.3.1999 -- 1 O 867/99 --, NVwZ-RR 1999, 813 = NdsRpfl. 2000, 41). Sie verteidigt mit diesem Abänderungsantrag nicht nur ihr kommunale Planungshoheit, welche unter Umständen eine geringere Streitwertfestsetzung rechtfertigt/erzwungen haben würde, sondern erstrebt daneben zugleich, Ausgleichsansprüche der Äußerungsberechtigten zumindest zu minimieren. In Ermangelung näherer Angaben zur Höhe etwaiger Schadensersatzforderungen ist es jedoch gerechtfertigt, den Streitwert ebenso zu bestimmen wie für das erste Eilverfahren.
Niedersächsisches OVG:
Beschluss v. 02.08.2001
Az: 1 MN 1194/01
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