Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Oktober 2006
Aktenzeichen: 19 W (pat) 10/04
(BPatG: Beschluss v. 09.10.2006, Az.: 19 W (pat) 10/04)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in diesem Urteil die Beschwerde der Patentinhaberin abgelehnt. Es handelt sich um eine Entscheidung, in der es um ein Patent für einen Verbinder für Schleifleitungsteilstücke geht. Das Patent wurde vom Deutschen Patent- und Markenamt widerrufen, da der Gegenstand des Patentanspruchs nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Im Gerichtsverfahren hat die Patentinhaberin Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt. Sie beantragt, dass der Beschluss aufgehoben wird und das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten wird. Alternativ beantragt sie, das Patent auf bestimmte Unterlagen zu beschränken.
Die Einsprechende hat schriftlich beantragt, dass die Beschwerde der Patentinhaberin zurückgewiesen wird. Sie war jedoch nicht zur Verhandlung erschienen, und es wurde ein Tele-Fax-Schreiben vorgelegt, in dem die Zurücknahme des Einspruchs erklärt wurde.
Das Gericht hat entschieden, dass der erteilte Patentanspruch nach Hauptantrag und nach Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Es wurde festgestellt, dass der im Streit stehende Verbinder schon in einer früheren Veröffentlichung beschrieben wurde und daher nicht als erfinderisch angesehen werden kann.
Das Gericht hat auch festgestellt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs nach Hauptantrag auch in den Unteransprüchen enthalten ist. Daher wurden auch die Unteransprüche abgelehnt.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Einsprechende zum Zeitpunkt der Verhandlung immer noch als Teil des Verfahrens angesehen wurde.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 09.10.2006, Az: 19 W (pat) 10/04
Tenor
Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.
Gründe
I Das Deutsche Patent- und Markenamt - Patentabteilung 54 - hat das auf die am 19. Februar 1998 eingegangene Anmeldung erteilte Patent 198 07 792 mit der Bezeichnung "Verbinder für zwei aufeinanderfolgende Schleifleitungsteilstücke", im Einspruchsverfahren durch Beschluss vom 5. November 2003 mit der Begründung widerrufen, dass der Gegenstand des am 9. Oktober 2000 eingereichten Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Das für die Entscheidung des Senats maßgebliche Aktenexemplar dieses Beschlusses wurde von Mitgliedern der Patentabteilung 54 unterschrieben. Die den Beteiligten zugestellte Abschrift des Beschlusses unterscheidet sich vom Aktenexemplar dadurch, dass dort "Patentabteilung 34" angegeben ist.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
Der erteilte Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet unter Einfügung der Gliederungsbuchstaben a) bis d):
"a) Verbinder für zwei aufeinanderfolgende aus Kunststofflängsprofilen gebildete Schleifleitungsteilstücke, in denen Stromschienen angeordnet sind und ein Stromabnehmerwagen verfahrbar ist, b) mit einer Verbindungsmuffe, welche die in einem vorbestimmten Bereich in Längsrichtung frei verschiebbaren Enden der Kunststofflängsprofile formschlüssig umfasst, dadurch gekennzeichnet, c) dass die Verbindungsmuffe (1) quer zu ihrer Längsrichtung geteilt ist und aus zwei lösbar miteinander verbindbaren Kunststoffhälften (1a) besteht, d) wobei jede Kunststoffhälfte (1a) vor dem Verbinden der Schleifleitungsteilstücke (2) auf das jeweils zugehörige Ende aufschiebbar ist. "
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag (Eingabe vom 6. Oktober 2006) unterscheidet sich von dem Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag dadurch, dass im Merkmal a) ersetzt ist "für zwei aufeinanderfolgende" durch "zweier aufeinanderfolgender" und vor dem Wort "Stromschienen" das Wort "jeweils" eingefügt ist und dass dem Merkmal c) die Merkmale
"e) dass die Stromschienen (5) der zu verbindenden Schleifleitungsteilstücke (2) jeweils über Stromschienenverbinder (10) verbindbar sind, f) dass die Stromschienenverbinder (10) und die Enden der Schleifleitungsteilstücke (2) im Übergangsbereich von der Verbindungsmuffe (1) umgeben sind und"
vorangestellt sind.
Die Patentinhaberin ist trotz ordnungsgemäßer Ladung ankündigungsgemäß nicht erschienen.
Die Patentinhaberin stellt schriftsätzlich (6. Oktober 2006 i. V. m. 22. Dezember 2006 den Antrag:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. November 2003 wird aufgehoben.
Das Patent wird im erteilten Umfang aufrecht erhalten.
hilfsweise:
Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:
Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Eingabe vom 6. Oktober 2006, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.
Die Einsprechende stellt schriftsätzlich den Antrag:
Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.
Die Einsprechende ist trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist ein Tele-Fax-Schreiben dem Senat vorgelegt worden, mit dem die Zurücknahme des Einspruchs erklärt wurde; das zugehörige Original, das eine Überprüfung insbesondere der Eigenhändigkeit des Tele-Fax-Schreibens ermöglicht hätte, lag nicht vor.
Wegen der Ausführungen der Beteiligten und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Beschwerde ist zulässig, hat aber keinen Erfolg, weil der jeweilige Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Als zuständiger Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur der Elektrotechnik mit maschinenbaulichen Kenntnissen, mit speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet des Aufbaus und der Konstruktion von Stromschienen aller Art und mit Kenntnissen in der Kunststoff- und Metallverarbeitung anzusehen.
1. Zugänglichkeit des Wampfler-Kataloges für die Öffentlichkeit Die Einsprechende bestreitet im Schriftsatz vom 6. Oktober 2006 (S. 3 Abs. 1) die Offenkundigkeit des Katalogs der Firma Wampfler "isolierte schleifleitung system wampfler" programm 813, Druckvermerk auf dem Deckblatt: 813-1d-90.04, Druckvermerk auf der letzten Seite: 94.08. Sie gibt jedoch keine Gründe an, weshalb der Katalog nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sein sollte.
Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises geht der Senat davon aus, dass der im Original vorliegende mehrfarbig auf Glanzpapier gedruckte und geheftete Katalog in einer größeren Auflage gedruckt und alsbald der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, wobei er zusätzlich berücksichtigt, dass beide Druckvermerke auf ein lange vor dem Anmeldetag liegendes Datum verweisen. Der Anscheinsbeweis kann nicht durch bloßes unsubstantiiertes Bestreiten entkräftet werden; der Wampfler-Katalog a. a. O. stellt damit eine öffentlich zugängliche Beschreibung des Standes der Technik dar.
2. Zum Hilfsantrag Der Verbinder nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aus dem DE-GM 67 53 186 ist bekannt ein
"a) Verbinder (S. 1 Abs. 4) zweier aufeinanderfolgender aus Kunststofflängsprofilen (Kunststoffgehäuse 1) gebildeter Schleifleitungsteilstücke, in denen jeweils Stromschienen (6) angeordnet sind und ein Stromabnehmerwagen (11) verfahrbar ist (S. 2 vorle. Abs.), b) mit einer Verbindungsmuffe (3), welche die in einem vorbestimmten Bereich in Längsrichtung frei verschiebbaren Enden der Kunststofflängsprofile (1) formschlüssig umfasst (Fig. 1 u. 2 i. V. m. S. 2 vorle. Abs.), e) wobei die Stromschienen (6) der zu verbindenden Schleifleitungsteilstücke jeweils über Stromschienenverbinder verbindbar sind (Auf S. 1 Abs. 3 ist angegeben, dass beim Stand der Technik die Stromschienen an den Stoßstellen einwandfrei verbunden sein müssen; der Fachmann versteht hier unter "einwandfreien Verbindungen" starre, durch Stromschienenverbinder (unter die auch stoffschlüssige Materialverbindungen fallen) hergestellte Verbindungen und liest - wegen der dort (S. 2 Abs. 5) zu schaffenden Möglichkeit des Ausdehnens bzw. Schrumpfens der Kunststoffgehäuse - auch bei dem in der Druckschrift gezeigten Ausführungsbeispiel (Fig. 1) solche Stromschienenverbinder an den Stoßstellen der Stromschienen 6 bei der Aussparung 2 mit), f) wobei die Stromschienenverbinder (bei Aussparung 2) und die Enden der Schleifleitungsteilstücke im Übergangsbereich von der Verbindungsmuffe (3) umgeben sind (Fig. 1 und 2)."
Die patentgemäße Teilaufgabe, einen Verbinder für zwei aufeinanderfolgende Schleifleitungsstücke zu schaffen, bei dem es trotz der unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Metall und Kunststoff, insbesondere PVC, zu keinen Verwerfungen und Verformungen kommt (Streit-PS Sp. 2 Z. 11 bis 16), ist durch das DE-GM 67 53 186 (vgl. dort die Aufgabe S. 1 vorle. Abs.) bereits gelöst.
Ausgehend von einem Verbinder, wie er in dem DE-GM 67 53 186 beschrieben ist, stellt sich die weitere patentgemäße Teilaufgabe, die Montage durch Vorkonfektionierung zu vereinfachen (Streit-PS Sp. 2 Z. 16, 17), in der Praxis von selbst, da es sich hierbei um ein Montageaufwand und -kosten verringerndes allgemeines Bedürfnis handelt.
Hierzu gibt der unmittelbar auf dem einschlägigen Fachgebiet des Fachmanns gelegene Wampfler-Katalog a. a. O. dem Fachmann den Hinweis, zum Zwecke der Vorkonfektionierung (S. 11 Montagehinweis 3. Satz) eine Verbindungsmuffe vorzusehen,
- die - übereinstimmend mit Merkmal c) - quer zu ihrer Längsrichtung geteilt ist (S. 11 Abb. li. oben: Schienenverbinder 081321 quer geteilt) und aus zwei lösbar miteinander verbindbaren Kunststoffhälften (S. 11 Montagehinweis: 3. Satz: Verbinderkappen-Hälfte) besteht,
- wobei - in Übereinstimmung mit Merkmal d) - jede Kunststoffhälfte vor dem Verbinden der Schleifleitungsteilstücke (S. 11 Abb. li. oben) auf das jeweils zugehörige Ende aufschiebbar ist (S. 11 Montagehinweis 3. Satz).
Dem Fachmann sind nicht nur Kastenschleifleitungen gemäß DE-GM 67 53 186 sondern auch Einzelschleifleitungen gemäß Wampfler-Katalog bekannt, so dass der Wampfler-Katalog - entgegen der Auffassung der Patentinhaberin nicht als gattungsfremd anzusehen ist. Ihm ist nach Überzeugung des Senats zuzutrauen, dass er erkennt, dass das Prinzip der Vorkonfektionierung allgemein gültig ist und sich auch bei Schleifleitungsteilstücken, in denen ein Stromabnehmerwagen verfahrbar ist (Kastenschleifleitungen), anwenden lässt. Denn im Zusammenhang mit der Verbesserung der Vorkonfektionierung kommt es nicht darauf an, um welche Art von Schleifleitungsteilstücken es sich handelt.
Der Fachmann muss somit nicht erfinderisch tätig werden, um angesichts des Standes der Technik zu einem Verbinder gemäß dem Patentanspruch 1 des Hilfsantrags zu gelangen.
3. Zum Hauptantrag Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist vom Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag umfasst. Er enthält aus den zum Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag angegebenen Gründen nichts Erfinderisches.
4. Mit dem jeweiligen Patentanspruch 1 nach Hauptantrag und nach dem Hilfsantrag fallen auch die auf den jeweiligen Patentanspruch 1 nach Hauptantrag und nach Hilfsantrag rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9.
Die Einsprechende war zum Verhandlungszeitpunkt noch als am Verfahren beteiligt anzusehen (Schulte, PatG, 7. Aufl. Einl. 289).
BPatG:
Beschluss v. 09.10.2006
Az: 19 W (pat) 10/04
Link zum Urteil:
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