Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 8. Dezember 2011
Aktenzeichen: I-2 U 79/11
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 08.12.2011, Az.: I-2 U 79/11)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 8. Dezember 2011 (Aktenzeichen I-2 U 79/11) das Urteil des Landgerichts Düsseldorf abgeändert. Das Landgericht hatte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt, dieser wurde nun in der Berufung zurückgewiesen. Die Verfugungsklägerin, also die Partei, die die einstweilige Verfügung beantragt hatte, konnte nicht glaubhaft machen, dass ein Verfügungsgrund vorliegt. Dies bedeutet, dass sie nicht belegen konnte, dass das betreffende Schutzrecht tatsächlich besteht und somit Gefahr besteht, dass es verletzt wird. Das Gericht hat klargestellt, dass eine einstweilige Verfügung nur dann erlassen werden kann, wenn sowohl der Bestand des Schutzrechts als auch die Frage der Schutzrechtsverletzung eindeutig zugunsten des Antragstellers beantwortet werden können. In diesem Fall konnte die Verfugungsklägerin den Bestand des Schutzrechts nicht ausreichend belegen, weshalb der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung abgewiesen wurde. Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfugungsklägerin und der Streitwert beträgt 250.000 Euro.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Düsseldorf: Urteil v. 08.12.2011, Az: I-2 U 79/11
Tenor
I. Auf die Berufung wird das am 28. Juli 2011 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Az. 4a O 88/11 - abgeändert:
Der Antrag der Berufungsbeklagten vom 12. Mai 2011 auf Er-lass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
III. Der Streitwert beträgt 250.000,-- Euro.
Gründe
I.
Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig und begründet. Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass der begehrten Unterlassungsverfügung ist unbegründet, so dass das anderslautende Urteil des Landgerichts aufzuheben und der entsprechende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen ist. Die Verfügungsklägerin vermochte nach dem Vorbringen der Verfügungsbeklagten in der Berufung einen Verfügungsgrund nicht glaubhaft zu machen, da der Rechtsbestand des Verfügungsgebrauchsmusters nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand zu unsicher ist und es deshalb an einem Verfügungsgrund fehlt.
1.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (InstGE 12, 114 - Harnkatheterset; InstGE 9, 140 - Olanzapin), dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung aus einem Patent oder Gebrauchsmuster, insbesondere wenn er auf Unterlassung gerichtet ist, nur in Betracht kommt, wenn sowohl der Bestand des Antragsschutzrechtes als auch die Frage der Schutzrechtsverletzung im Ergebnis so eindeutig zugunsten des Verfügungsklägers zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte, in einem etwa nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist (ebenso OLG Karlsruhe, InstGE 11, 143 - VA-LVG-Fernseher). Zweifel an der Schutzfähigkeit des Verfügungsschutzrechtes können das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ausschließen. Die Rechtsbeständigkeit muss das Verletzungsgericht in eigener Verantwortung einschätzen (Senat, InstGE 12, 114 - Harnkatheterset; InstGE 9, 140, 146 - Olanzapin). Es hat selbständig zu klären, ob der Sachvortrag des Verfügungsbeklagten ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür bietet, dass das Verfügungsschutzrecht ggfs. keinen Bestand haben wird. Seine Schutzunfähigkeit muss als Folge der Einwendungen des Verfügungsbeklagten aus Sicht des Verletzungsgerichts weder zwingend noch überwiegend wahrscheinlich, aber aufgrund einer in sich schlüssigen, vertretbaren und letztlich nicht von der Hand zu weisenden Argumentation des Verfügungsbeklagten möglich sein, um einem Verfügungsantrag den Erfolg versagen zu können. Grundsätzlich kann auch bei einem Patent von einem hinreichenden Rechtsbestand nur dann ausgegangen werden, wenn das Verfügungsschutzrecht bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (Senat, a.a.O. - Harnkatheterset; a.a.O. - Olanzapin). Erst recht gilt das für ein Gebrauchsmuster, das vor seinem Entstehen im Gegensatz zu einem Patent nicht in einem behördlichen Erteilungsverfahren auf seine Schutzfähigkeit überprüft worden ist, sondern auf der Grundlage der vom Anmelder erstellten Unterlagen eingetragen wird. Um ein Gebrauchsmuster für ein einstweiliges Verfügungsverfahren tauglich zu machen, bedarf es einer positiven Entscheidung der dafür zuständigen mit technischer Sachkunde ausgestatteten Instanzen im Löschungsverfahren. Von dem Erfordernis einer dem Verfügungskläger günstigen kontradiktorischen Rechtsbestandentscheidung kann nur in Ausnahmefällen abgesehen werden (vgl. hierzu Senat, InstGE 12, 114 - Harnkatheterset).
2.
Vor diesem Hintergrund kommt eine Bestätigung der einstweiligen Verfügung nicht in Betracht, da der Rechtsbestand des Verfügungsgebrauchsmusters nicht mit ausreichender Sicherheit positiv prognostiziert werden kann. Die Schutzfähigkeit des Verfügungsgebrauchsmusters wird von der Verfügungsbeklagten nach ihrem Vorbringen in der Berufung mit guten Gründen bezweifelt. Dass das Verfügungsgebrauchsmuster im Löschungsverfahren (teilweise) gelöscht wird, erscheint nicht nur möglich, sondern in hohem Maße wahrscheinlich.
a)
Das Verfügungsgebrauchsmuster schützt mit den Ansprüchen 1 und 5 einen Adapter für eine Tintenpatrone und ein System aus einem Adapter und einer Aufzeichnungsvorrichtung.
Nach den einleitenden Erläuterungen der Verfügungsgebrauchsmusterschrift sind Tintenstrahlaufzeichnungsvorrichtungen bekannt, die einen Patronenanbringungsabschnitt aufweisen, in den eine bekannte Tintenpatrone eingesetzt werden kann. Die Tintenpatrone weist danach eine Tintenkammer zur Aufnahme von Tinte auf und die Tinte kann, wenn die Tintenpatrone im Anbringungsabschnitt angebracht ist, von der Tintenkammer zum Aufzeichnungskopf mit einer Vielzahl von Düsen zum Ausstoß der Tinte geliefert werden. Eine solche Aufzeichnungsvorrichtung ist beispielsweise aus der JP-A-2007-144811 bekannt.
Die Verfügungsgebrauchsmusterschrift nimmt weiter Bezug auf aus dem Stand der Technik bekannte Aufzeichnungsvorrichtungen, mit denen eine Information von einer im Patronenanbringungsabschnitt angebrachten Tintenpatrone erhalten wird. Die Information kann sich auf eine Eigenschaft der Tintenpatrone beziehen, wie die Farbe der Tinte, die Menge der bevorrateten Tinte oder das Herkunftsland der Tintenpatrone. Die Information kann von der jeweiligen Tintenpatrone in der Form getragen sein, dass ein bestimmter Abschnitt der Tintenpatrone eine bestimmte Gestalt, Position oder einen bestimmten physikalischen Aufbau erhält. Beispielsweise sind aus der JP-A-3-213349 eine Tintenpatrone und eine Aufzeichnungsvorrichtung bekannt, bei denen die Aufzeichnungsvorrichtung einen beweglichen Träger eines optischen Sensors aufweist. Die Position des Trägers und damit des optischen Sensors hängt von dem jeweiligen Abschnitt der Tintenpatrone ab. Denn in Abhängigkeit von der Eigenschaft der Tintenpatrone kann die Position oder Gestalt des Abschnittes von einer zur anderen Tintenpatrone variieren. Mit Hilfe des optischen Sensors kann somit die Eigenschaft der Tintenpatrone bestimmt werden. In der JP-A-2005-28614 wird eine Aufzeichnungsvorrichtung mit einer Tintenpatrone offenbart, bei der ein an der Aufzeichnungsvorrichtung angeordneter optischer Sensor einen bestimmten Abschnitt der Tintenpatrone erfasst. Die physikalische Eigenschaft wie etwa die Lichtreflexion des bestimmten Abschnittes kann von einer zur anderen Tintenpatrone variieren. Infolgedessen kann die Aufzeichnungsvorrichtung die Eigenschaft der Tintenpatrone bestimmen.
An diesem geschilderten Stand der Technik sieht es die Verfügungsgebrauchsmusterschrift als nachteilig an, dass eine Vielzahl verschiedener Arten von Tintenpatronen hergestellt werden müsse, da die von der Tintenpatrone getragene Information und damit der bestimmte Abschnitt der Tintenpatrone variiert. Beispielsweise muss für jede Farbe der Tinte eine andere Tintenpatrone hergestellt werden. Gleiches gilt, wenn sich die Information auf das Herkunftsland der Tintenpatrone bezieht. Dadurch erhöhen sich die Herstellungskosten der Tintenpatrone und die Bestandssteuerung der Tintenpatrone wird verkompliziert.
Dem Verfügungsgebrauchsmuster liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, diese und andere Nachteile des Standes der Technik zu beseitigen.
Dies soll durch die Schutzansprüche 1 und 5 geschehen, deren Merkmale wie folgt gegliedert werden können:
Schutzanspruch 1:
1. Adapter (27, 107) für eine Tintenpatrone (25), wobei der Adapter dazu konfiguriert ist, entfernbar an einen Patronenanbringungsabschnitt (276) einer Aufzeichnungsvorrichtung (250) montiert zu werden, aufweisend:
2. einen Erfassungsabschnitt (189), der an dem Adapter (27, 107) positioniert ist,
3. wobei der Erfassungsabschnitt (189) konfiguriert ist, um Licht, das von einem optischen Sensor (230) des Patronenanbringungsabschnitts (276) ausgegeben wird, zu blockieren, wenn der Adapter (27, 107) in den Patronenanbringungsabschnitt (276) eingesetzt wird,
4. wobei der Adapter (27, 107) und die Tintenpatrone (25) separate Bauteile sind, und
5. wobei der Adapter (27, 107) eine Vorderwand (162) in Bezug auf eine Einsetzrichtung aufweist,
6. wobei der Adapter (27, 107) eine erste Öffnung (159) besitzt, die gegenüber der Vorderwand (162) ausgebildet ist, und
7. die Vorderwand eine zweite Öffnung (178) besitzt, die dort hindurch ausgebildet ist,
8. so dass die Tintenpatrone (25) in eine Unterbringungskammer (282) des Patronenanbringungsabschnitts (276) eingesetzt werden kann, nachdem das Einsetzen des Adapters (27, 107) in die Unterbringungskammer (282) des Patronenanbringungsabschnitts (276) vollendet ist, und
9. ein vorderer Abschnitt (28) der Tintenpatrone (25) über die erste Öffnung (159) in den Adapter (27, 107) eingesetzt wird und ein Tintenversorgungsabschnitt (90) in die zweite Öffnung (178) gelangt.
Schutzanspruch 5:
1. Ein System, aufweisend
2. einen Adapter (27, 107) gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4, und
3. eine Tintenpatrone (25), die dazu konfiguriert ist, entfernbar an einem Patronenanbringungsabschnitt (276) einer Aufzeichnungsvorrichtung (250) montiert zu werden.
Der in dem geltend gemachten Schutzanspruch 1 unter Schutz gestellte Adapter zeichnet sich - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - dadurch aus, dass der schutzbeanspruchte Adapter im Wesentlichen durch Funktionsangaben und nicht durch räumlichkörperliche Merkmale beschrieben wird. Zweck- und Funktionsangaben in einem Sachanspruch beschränken als solche dessen Gegenstand regelmäßig nicht (BGHZ 72, 236 = GRUR 1979, 149, 151 - Schießbolzen; BGH, GRUR 2006, 570 Tz. 21 - extracoronales Geschiebe; GRUR 2006, 923 Tz. 15 - Luftabscheider für Milchsammelanlage; GRUR 2009, 838 Tz. 15 - Bauschalungsstütze). Das bedeutet allerdings nicht, dass derartige Angaben damit bedeutungslos sind. Sie haben vielmehr regelmäßig die Aufgabe, den durch das Patent geschützten Gegenstand dahin zu definieren, dass er nicht nur die räumlichkörperlichen Merkmale erfüllen, sondern auch so ausgebildet sein muss, dass er für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendbar ist bzw. die im Patentanspruch angegebene Funktion erfüllen kann (vgl. BGHZ 112, 140, 155 f. = GRUR 1991, 436 - Befestigungsvorrichtung II; BGHZ 72, 236 = GRUR 1979, 149, 151 - Schießbolzen; BGH, GRUR 1981, 259, 260 - Heuwerbungsmaschine II; GRUR 2006, 923 - Luftabscheider für Milchsammelanlage; GRUR 2009, 838 - Bauschalungsstütze; BGH, Urt. v. 06.07.2010 - X ZR 115/07, Umdr. S. 11). Als Bestandteil des Schutzanspruchs nehmen Zweck- und Funktionsangaben insoweit regelmäßig an dessen Aufgabe teil, den geschützten Gegenstand zu bestimmen und damit zugleich zu begrenzen, wenn sie das Vorrichtungselement, auf das sie sich beziehen, als ein solches definieren, das so ausgebildet sein muss, dass es die betreffende Funktion erfüllen kann. Dies bedeutet im Streitfall, dass der schutzbeanspruchte Adapter mit einem solchen Patronenanbringungsabschnitt und insbesondere mit dem optischen Sensor einer Aufzeichnungsvorrichtung zusammenwirken kann. Entsprechend muss auch der erfindungsgemäße Adapter nach den räumlichen Vorgaben eines solchen Patronenanbringungsabschnitts und optischen Sensors gestaltet sein. Soweit die Verfügungsbeklagte in der Berufungsbegründung unter Verweis auf das Urteil des BGH "Acrylfasern" (GRUR 1985, 31) vorträgt, dass die funktionale Beschreibung der Merkmale sich nicht in der Angabe des technischen Problems erschöpfen dürfe, sondern auf die Lösung einer Aufgabe, ist dies keine Frage der Auslegung des Schutzanspruches, sondern der Schutzfähigkeit, so dass sich an dieser Stelle Ausführungen erübrigen.
Das vorstehende Verständnis hat zur Folge, dass der Adapter für eine Tintenpatrone so konfiguriert sein muss, dass er entfernbar an einem Patronenanbringungsabschnitt einer Aufzeichnungsvorrichtung angebracht werden kann (Merkmal 1). In Abhängigkeit vom jeweiligen Aufzeichnungsgerät - Drucker - und dessen Patronenanbringungsabschnitt soll der Adapter also eine räumlichkörperliche Gestaltung aufweisen, die es ermöglicht, ihn im Patronenanbringungsabschnitt anbringen und wieder entfernen zu können. Entsprechende Gestaltungen für einen solchen Adapter werden im Verfügungsgebrauchsmuster beschrieben (vgl. Seite 23 Zeile 20 bis Seite 25 Zeile 16 der Anlage Ast 5). Weiterhin soll der Adapter nach dem Merkmal 2 des Schutzanspruchs 1 einen Erfassungsabschnitt aufweisen. Es handelt sich hierbei um einen räumlichkörperlichen Bestandteil des Adapters, der, wie es der Wortlaut nahelegt, von einem optischen Sensor erfasst werden soll. Entsprechend dem Merkmal 3 wird diese Funktion - Erfassen durch einen optischen Sensor - näher beschrieben. Danach soll der Erfassungsabschnitt so konfiguriert sein, Licht, das von einem optischen Sensor des Patronenanbringungsabschnitts ausgegeben wird, zu blockieren, wenn der Adapter in den Patronenanbringungsabschnitt eingesetzt wird. Entsprechend muss daher der Erfassungsabschnitt eine räumlichkörperliche Ausgestaltung aufweisen, die ihn zur Wahrnehmung der geschilderten Funktion befähigt. Als Erfassungsabschnitt eignet sich beispielsweise ein an der oberen Wand des Adapters positioniertes Paar Vorsprünge, wie sie im Verfügungsgebrauchsmuster beschrieben werden: Diese können beim Einsetzen des Adapters in einem optischen Pfad eines optischen Sensors positioniert werden und so den Durchgang des Lichts blockieren (Seite 26 Zeile 11 bis Seite 27 Zeile 6 und Figuren 4, 8, 14 und 18 der Anlage Ast 5). Der optische Sensor kann in dem Fall ein Signal an die Steuerung des Aufzeichnungsgerätes geben, mit dem die Steuerung feststellen kann, dass der Adapter am Patronenanbringungsabschnitt angebracht ist (Seite 27 Zeilen 20 bis 24 der Anlage Ast 5). Schließlich sieht der Schutzanspruch 1 vor, dass Adapter und Tintenpatrone als separate Bauteile ausgeführt sind (Merkmal 4). Dies hat den Sinn, dass für einen Adapter mehrere gewöhnliche Tintenpatronen beispielsweise mit derselben Tintenfarbe nacheinander verwendet werden können, ohne dass der Adapter gewechselt werden muss, weil er die Information über die Tintenpatrone - beispielsweise die Farbe der Tinte - besitzt. Die Merkmale 5 bis 7 bestimmen die räumlichkörperliche Ausgestaltung des Adapters, soweit diese für das Zusammenwirken mit der Tintenpatrone maßgeblich sind. Hinsichtlich des Zusammenwirkens von Adapter und Tintenpatrone machen die Merkmale 8 und 9 räumlichkörperliche Vorgaben. Hinsichtlich der zeitlichen Abfolge des Einsetzens der beiden Bauteile und der Blockierung des Lichts eines optischen Sensors ist vorgegeben, dass die Tintenpatrone eingesetzt werden kann, nachdem das Einsetzen des Adapters in die Unterbringungskammer vollendet ist (Merkmal 8).
Der selbstständige Nebenanspruch 5 des Verfügungsgebrauchsmusters unterscheidet sich vom Schutzanspruch 1 dadurch, dass er nicht nur den Adapter, sondern ein System bestehend aus dem Adapter nach Schutzanspruch 1 und eine entsprechende Tintenpatrone zum Gegenstand hat. Diese muss lediglich entfernbar in einem Patronenanbringungsabschnitt einer Aufzeichnungsvorrichtung montiert werden können (Merkmal 3).
b)
Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 wird durch das europäische Patent EP 1 905 XXX, welches in deutscher Übersetzung der Gebrauchsmusterschrift 20 2006 020 XXY U1 entspricht und worauf nachfolgend Bezug genommen wird, neuheitsschädlich vorweggenommen.
Die Entgegenhaltung hat eine Vorrichtung zum Halten einer Tintenpatrone in einer Halterung eines Aufzeichnungsgerätes zum Gegenstand und offenbart ein Zwischenelement zur Verwendung mit einer Tintenpatrone, welches in einem Drucker angebracht werden kann und die Tintenpatrone halten soll. Das Zwischenelement löst, wie die Entgegenhaltung in der einleitenden Beschreibung ausführt, ein Problem bei der Fertigung von Tintenpatronen. Denn diese weisen, um in einem Drucker befestigt werden zu können, aufwendige Befestigungsmittel auf, die mit den entsprechenden Halterungen eines Druckers kompatibel sein sollen. Bei diesen Befestigungsmitteln handelt es sich beispielsweise um elastische Hebel oder Befestigungsvorsprünge. Da solche Befestigungsmittel aus einem Material mit hoher Qualität hergestellt werden müssen, sind Tintenpatronen, die über eine entsprechende Befestigung verfügen, vergleichsweise teuer. Die Entgegenhaltung beschreibt dann weiter, dass es noch bekannt sei, zwei Teile zu einer Tintenpatrone zu verbinden; ein Teil ist ein Rahmen, welcher an die Halterung des Geräts angepasst ist, wohingegen der zweite Teil als Tintentank ausgebildet ist. Beide Teile werden als Einheit verbunden und in die Halterung des Geräts eingesetzt. Hieran wird als nachteilig gesehen, dass das Auseinander- und Zusammenbauen der beiden Teile aufwendig ist.
Die Entgegenhaltung offenbart zur Vermeidung dieser Nachteile zur Befestigung einer Tintenpatrone in einem Drucker ein Zwischenelement, welches unabhängig von der Tintenpatrone handhabbar ist und in welches die Tintenpatrone auf einfache Weise eingesetzt werden kann, so dass die Herstellungskosten für die Produktion von Tintenpatronen gesenkt werden können, da zum einen eine aufwendige Herstellung von Befestigungsmitteln obsolet wird und zum anderen die Gestaltung der Tintenpatrone unabhängig von der Form der Halterung der Druckergeräte erfolgen kann. In den Figuren 13 bis 16, welche nachfolgend wiedergegeben werden, wird ein entsprechendes Zwischenelement gezeigt.
Die Figur 13 zeigt eine Draufsicht auf ein Zwischenelement (Bezugszeichen 130) und die Figuren 14 und 15 zwei Seitenansichten eines Zwischenelementes 130. Die Figur 16 zeigt einen Vertikalschnitt durch das Zwischenelement 130, welches an einer Halterung 11 eines Geräts angebracht ist und eine Tintenpatrone 12 im Inneren enthält. Das Zwischenelement wird aus vier Wänden 132, 133, 134 und 135 und einem Boden 131 gebildet und umgibt die Tintenpatrone vollständig. Der Boden 131 ist mit einem Langloch ausgebildet, durch welches ein Tintenzufuhranschluss 13 der Tintenpatrone 12 eine Tintenaufnahmevorrichtung 14 der Halterung 14 eines Geräts kontaktieren kann.
Das Zwischenelement offenbart den erfindungsgemäßen Adapter neuheitsschädlich. Es handelt sich bei dem Zwischenelement, wie zwischen den Parteien außer Streit steht, um einen Adapter für eine Tintenpatrone, welcher so konfiguriert ist, dass er entfernbar an einem Patronenanbringungsabschnitt einer Aufzeichnungsvorrichtung montiert werden kann (Merkmal 1).
Das Zwischenelement weist auch einen Erfassungsabschnitt auf, der an dem Zwischenelement positioniert wird und dergestalt konfiguriert ist, um Licht, das von einem optischen Sensor ausgegeben wird, zu blockieren, wenn das Zwischenelement in die Tintenaufnahmevorrichtung eingesetzt wird (Merkmale 2 und 3). Bei dem Erfassungsabschnitt handelt es sich - nach den Ausführungen der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung - um den Vorsprung 139 auf der Unterseite des Zwischenelements. Dieser ist geeignet, Licht eines optischen Sensors eines Druckers zu blockieren, wenn es in den Drucker eingeführt wird. Wie der Erfassungsabschnitt des erfindungsgemäßen Adapters des Verfügungsgebrauchsmusters wird auch der Vorsprung 139 der Entgegenhaltung zuerst in die Halterung bzw. nach Lesart des Verfügungsgebrauchsmusters in den Patronenanbringungsabschnitt des Druckers geschoben, so dass Licht, das von einem optischen Sensor des Druckers ausgeht, durch den Vorsprung blockiert werden kann.
Dass die Funktion des Vorsprungs, Licht zu blockieren, wie sie in Merkmal 3 des Schutzanspruchs 1 des Verfügungsgebrauchsmusters beschrieben ist, in der Entgegenhaltung nicht offenbart wird, ist bei der Beurteilung der Neuheit ohne Relevanz. Denn die Angabe eines neuen Zweckes oder einer neuen Wirkung oder Funktion verleiht dem Erzeugnis selbst, wenn dieses bekannt ist, grundsätzlich keine Neuheit (vgl. BGHZ 58, 280, 290 = GRUR 1972, 541 - Imidazioline; BGH, GRUR 1982, 548, 549 - Sitosterylglykoside; GRUR 1984, 644, 645 - Schichtträger; BPatG, GRUR 1991, 823; Senat, Urt. v. 20.01.2011, Az. I-2 U 92/10; Benkard/Melullis, Patentgesetz, 10. Aufl. § 3 PatG Rdn. 38). Ein anderer Verwendungszweck oder eine andere Funktion einer bekannten Vorrichtung schließen daher eine Vorwegnahme ebenso wenig aus wie eine neue Verwendung einer identischen Vorrichtung aus dem Schutzbereich eines Sachpatents heraus fällt. Neu kann hier allenfalls eine bisher unbekannte Verwendung des Bekannten sein. Der aufgefundene neue Verwendungszweck einer bekannten Vorrichtung erlaubt allein die Erteilung eines Verwendungspatents (Benkard/Melullis, a.a.O., § 3 PatG Rdn. 38 m. w. Nachw.). Selbst der Einsatz einer gleichen Vorrichtung auf einem weiteren, bisher nicht gebräuchlichen Fachgebiet kann deren Neuheit nicht begründen, solange er nicht auch zu einer Veränderung der Vorrichtung führt (Benkard/Mellulis, a.a.O., § 3 Rdn. 39). Auch die Darstellung bisher nicht bekannter Eigenschaften oder Wirkungen hebt einen bekannten Gegenstand nicht vom Stand der Technik ab. Das nachträgliche Auffinden einer überraschenden Wirkungsweise einer Vorrichtung begründet keine Neuheit für den Schutz der Vorrichtung als solche. Eine identische oder in der Sache übereinstimmende Vorwegnahme im Stand der Technik steht der Neuheit grundsätzlich auch dann entgegen, wenn damit ein anderes technisches Problem gelöst werden soll. Denn die Vorrichtung selbst war und ist in diesem Fall Stand der Technik (Benkard/Mellulis, a.a.O., § 3 Rdn. 39 m. w. Nachw.).
Der Vorsprung des Zwischenelements ist auch geeignet, Licht eines optischen Sensors zu blockieren. Die räumlichkörperliche Anordnung des Vorsprungs entspricht, wie bereits ausgeführt wurde, derjenigen des erfindungsgemäßen Erfassungsabschnitts. Wenn das Zwischenelement in die Halterung des Druckers geschoben wird, kann Licht, das von einem optischen Sensor im Drucker ausgestrahlt wird, durch den Vorsprung blockiert werden, was von der Verfügungsklägerin nicht in Abrede gestellt wurde. Das Zwischenelement und damit auch der Vorsprung werden aus einem Material gebildet, welches geeignet ist, Licht zu blockieren. In Absatz [0050] der Entgegenhaltung wird zur Materialbeschaffenheit des Zwischenelementes ausgeführt, dass dieses als ein Kunststoffteil hergestellt wird. Der Begriff des Kunststoffs ist zwar sehr breit; hierunter fallen sowohl lichtdurchlässige wie auch lichtundurchlässige Kunststoffe, so dass eine Eignung des Vorsprungs zur Blockade von Licht eines optischen Sensors je nach Eigenschaft des eingesetzten Kunststoffs ausgeschlossen sein könnte. Die Verfügungsbeklagte hat indes in der mündlichen Berufungsverhandlung vorgetragen, dass die Herstellung eines lichtdurchlässigen Kunststoffes - kostenerhöhende - Zusatzmaßnahmen bedingt. Dem ist die Verfügungsklägerin nicht entgegen getreten. Da mit der Verwendung eines Zwischenelementes gerade die Kosten für die aufwendige Herstellung einer Tintenpatrone reduziert werden sollen, sprechen gute Gründe für die Verwendung eines günstigeren lichtundurchlässigen Kunststoffs. Da auch die Funktion des Zwischenelements keine Verwendung eines lichtdurchlässigen Kunststoffs bedingt, da dieser, wie auch der Adapter nach dem Verfügungsgebrauchsmuster, lediglich als Aufnahme für eine Tintenpatrone dient, um deren Herstellungskosten zu senken, sind keine Anhaltspunkte zu erkennen, welche gegen eine Eignung des Vorsprungs des Zwischenelementes zur Blockade des Lichts eines optischen Sensors sprechen. Der Einwand der Verfügungsklägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung, dass es eines Erfassungsabschnittes und auch eines optischen Sensors bei dem offenbarten Zwischenelement nicht bedürfe, da dieses, wie in Absatz [0010] der Entgegenhaltung ausgeführt, über eine Speichereinrichtung zur Überwachung des verbleibenden Inhalts an Tinte in der Patrone verfüge, bleibt ohne Erfolg. Denn es mag zwar bei der konkreten Verwendung des Zwischenelementes als Adapter für eine Tintenpatrone keine technische Notwendigkeit bestehen, die Eignung des Vorsprungs zur Blockade von Licht eines optischen Sensors tatsächlich zu nutzen. Hierauf kommt es indes nicht an, da, wie ausgeführt, bei der Beurteilung der Neuheit einer Erfindung nur die grundsätzliche Eignung zur Wahrnehmung dieser Funktion maßgeblich ist und nicht die konkrete Verwendung.
Bei dem Zwischenelement und der Tintenpatrone handelt es sich ohne Zweifel auch um getrennte Bauteile (Merkmal 4). Das Zwischenelement zeigt überdies die in den Merkmalen 5 bis 7 beschriebene räumlichkörperliche Ausgestaltung eines erfindungsgemäßen Adapters. Das Zwischenelement weist eine Vorderwand in Bezug auf eine Einsetzrichtung auf; hierbei handelt es sich um den Boden 131 des Zwischenelementes, welcher in Figur 13 zu erkennen ist. Das Zwischenelement besitzt auch eine erste Öffnung, die gegenüber der Vorderwand ausgebildet ist. Hierbei handelt es sich um die durch die vier Wände 132 bis 135 gebildete Öffnung, in welcher eine Tintenpatrone aufgenommen werden kann. Die Vorderwand besitzt auch eine zweite Öffnung, die dort hindurch ausgebildet ist. In Absatz [0049] wird das Zwischenelement dahingehend beschrieben, dass der Boden 131 mit einem Langloch ausgebildet ist, mithin einer zweiten Öffnung gegenüber der Vorderwand. Das offenbarte Zwischenelement ist auch dergestalt ausgebildet, dass eine Tintenpatrone in den Hohlraum, welcher durch die vier Wände und den Boden gebildet wird, eingesetzt werden kann, nachdem das Zwischenelement in die Halterung des Druckers eingesetzt wurde (Merkmal 8). Als Vorteil des Zwischenelementes wird in der Einleitung der Offenbarung ausgeführt, dass dieses unabhängig von der Tintenpatrone handhabbar ist (vgl. Absatz [0005]), was vor dem Hintergrund des in der Entgegenhaltung in Absatz [0003] geschilderten Standes der Technik, wonach eine Tintenpatrone und ein Rahmen, der an die Halterung eines Druckers angepasst ist, nur als Einheit gehandhabt werden können, den Schluss zulässt, dass das Zwischenelement unabhängig von der Tintenpatrone in den Drucker eingesetzt werden kann und erst nach Vollendung dieses Einsetzvorgangs die Tintenpatrone eingesetzt wird. Eine solche Vorgehensweise wird überdies für das in den Figuren 1 und 2 sowie in den Absätzen [0033] bis [0035] dargestellte Ausführungsbeispiel beschrieben.
Entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin wird auch das Merkmal 9 durch die in der Entgegenhaltung offenbarte Vorrichtung beschrieben. Danach wird ein vorderer Abschnitt der Tintenpatrone über die erste Öffnung in den Adapter eingesetzt und ein Tintenversorgungsabschnitt gelangt in die zweite Öffnung. Die Offenbarung dieses Merkmals mag der Figur 16 nicht eindeutig entnommen werden können, da die in Figur 16 wiedergegebene Zeichnung die konkrete Anordnung der Tintenpatrone in dem Zwischenelement in Bezug auf den Drucker nicht detailgenau wiedergibt. In Absatz [0049] wird indes beschrieben, dass der Boden des Zwischenelements mit einem Langloch 136 ausgebildet ist, durch welches ein Tintenzufuhranschluss 13 der Tintenpatrone eine Tintenaufnahmevorrichtung der Halterung 14 eines Geräts kontaktieren kann. Die Tintenaufnahmeanschluss 13 ist der einzige Kontakt, welchen die Tintenpatrone mit der Halterung des Geräts eingeht. Ein Tintenversorgungsabschnitt der Tintenpatrone durchdringt mithin die Öffnung im Boden, das Langloch, und versorgt auf diese Weise den Drucker mit Tinte. Jedenfalls lässt das Langloch eine solche Durchdringung objektiv zu.
Demzufolge wird die Erfindung nach dem Schutzanspruchs 1 des Verfügungsgebrauchsmusters durch die Entgegenhaltung neuheitsschädlich beschrieben. Das gleich gilt für den Schutzanspruch 5, der ein System aus Tintenpatrone und Adapter unter Schutz stellt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
X Y Z
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 08.12.2011
Az: I-2 U 79/11
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