Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Dezember 2003
Aktenzeichen: 14 W (pat) 309/02
(BPatG: Beschluss v. 16.12.2003, Az.: 14 W (pat) 309/02)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In dieser Gerichtsentscheidung geht es um das Patent mit der Bezeichnung "Dentallegierung, insbesondere Universallegierung für Spezialkeramik" (Patentnummer: 100 42 316). Der Text beschreibt den Hintergrund des Falls, in dem gegen dieses Patent Einspruch erhoben wurde. Der Einspruch beruhte auf der Behauptung, dass das Streitpatent nicht neu sei und keinen erfinderischen Schritt darstelle. Die Einsprechende beantragte daher den Widerruf des Patents, während die Patentinhaberin dessen Aufrechterhaltung beantragte.
Das Gericht hat festgestellt, dass der Einspruch frist- und formgerecht erhoben wurde und zulässig ist. Es stellte weiterhin fest, dass das Streitpatent neu ist, da es in den vorhandenen Dokumenten keine ähnlichen Zusammensetzungen gibt. Die Behauptung der Einsprechenden, dass eine ähnliche Dentallegierung bereits in einer anderen Veröffentlichung beschrieben wurde, wurde vom Gericht zurückgewiesen, da dieses Dokument nicht genügend Informationen über die genaue Zusammensetzung der Legierung enthält.
Das Gericht kam auch zu dem Schluss, dass das Streitpatent auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Keines der vorliegenden Dokumente gibt Anregungen für die Herstellung der beanspruchten Legierung, die medizinisch unbedenklich, stabil und haltbar ist und eine hohe Härte aufweist. Die Einsprechende argumentierte, dass das Ändern der in einem der Dokumente beschriebenen Legierung zu der patentierten Legierung nur wenige Versuche erfordert habe. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass der Fachmann aus diesem Dokument nicht darauf schließen kann, dass das Hinzufügen aller dort genannten Metalle zu einer neuen Legierung mit den gewünschten Eigenschaften führen würde.
Aufgrund dieser Feststellungen hat das Gericht entschieden, das Patent aufrechtzuerhalten.
Dieser Beschluss bedeutet, dass das Patent 100 42 316 weiterhin gültig ist und die beanspruchte Dentallegierung als neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen wird.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 16.12.2003, Az: 14 W (pat) 309/02
Tenor
Das Patent 100 42 316 wird aufrechterhalten.
Gründe
I.
Die Erteilung des Patentes 100 42 316 mit der Bezeichnung
"Dentallegierung, insbesondere Universallegierung für Spezialkeramik"
ist am 21. März 2002 veröffentlicht worden.
Gegen dieses Patent ist mit dem am 19. Juni 2002 per Telefax eingegangenen Schriftsatz Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des Streitpatentes sei gegenüber dem insbesondere durch die Entgegenhaltungen
(1) US 5 423 680 und
(2) "Bio-Alpha-Trend", Technisches Datenblatt "Legierungstabelle TRENDGOLD", 1999, Binder Dental GmbH belegten Stand der Technik aufgrund fehlender Neuheit, zumindest aber aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.
Die Einsprechende beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten entgegen und beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Der unverändert geltende, erteilte einzige Patentanspruch lautet:
"Dentallegierung, insbesondere Universallegierung für Spezialkeramik, deren Hauptbestandteile Gold, Silber und Platin sind und die darüber hinaus Beimetalle enthält, dadurch gekennzeichnet, daß sie folgende Zusammensetzung aufweist:
Gold (Au) 71,0 - 78,0 Gew.-%
Silber (Ag) 7,0 - 13,0 Gew.-%
Platin (Pt) 7,0 - 12, 0 Gew.-%
Zink (Zn) 0,5 - 5,0 Gew.-%
Niob (Nb) 0,1 - 5,0 Gew.-%
Iridium (Ir) 0,1 - 2,0 Gew.-%
Rhodium (Rh) 0,1 - 2,0 Gew.-%
Tantal (Ta) 0,1 - 2,0 Gew.-%."
Zu weiteren Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.
II.
1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Ziff 1 PatG idF des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7 Nr 37 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.
2. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen; er ist daher zulässig. Es können aber weder die geltend gemachten Widerrufsgründe greifen, noch sind andere Widerrufsgründe ersichtlich.
3. Der erteilte Patentanspruch ist zulässig. Er geht inhaltlich auf den ursprünglich eingereichten einzigen Patentanspruch zurück.
4. Die Dentallegierung gemäß erteiltem Patentanspruch ist neu, weil in keinem der im Verfahren befindlichen Dokumente Zusammensetzungen wie sie im Patentanspruch des Streitpatentes angegeben werden, beschrieben sind.
Dem Vorbringen der Einsprechenden, die mit dem Streitpatent beanspruchte Dentallegierung sei durch die Entgegenhaltung (1) bereits vorweggenommen, kann nicht beigetreten werden. Es ist ihr zwar darin zuzustimmen, daß in der Entgegenhaltung (1) sämtliche Bestandteile der im erteilten Patentanspruch angegebenen Dentallegierung genannt werden, ihrer Auffassung jedoch, daß sich für den Fachmann, hier einem Diplom-Chemiker mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Dentallegierungen, aus dieser Schrift die Einsatzmengen für Tantal und Niob zwangsläufig ergäben, kann sich der Senat nicht anschießen. Gemäß (1) werden diese Elemente in einer Gruppe zusammen mit Silber und Platin zur Regulierung des Wärmeausdehnungskoeffizienten genannt, wobei bevorzugt mindestens ein Mitglied der Gruppe zur Herstellung der Dentallegierungen verwendet wird. Der Anteil der die Wärmeausdehnung beeinflussenden, gegebenenfalls alle vier Elemente umfassenden Komponente an der Zusammensetzung der in dieser Entgegenhaltung beschriebenen Dentallegierungen liegt sodann bei 5 bis 50 Gew.-% (vgl Patentanspruch 1 iVm Sp 3 Z 29 bis 45 und Sp 4 Z 26 bis 28). Während nun aber gemäß (1) darüber hinaus für Silber und Platin konkrete Mengenbereiche von 5 bis 10 Gew.-% bzw 10 bis 15 Gew.-% für den Fall genannt werden, in dem nur diese beiden Elemente zur Bereitstellung einer Dentallegierung eingesetzt werden (Sp 4 Z 28-33), enthält die Druckschrift dagegen keine konkreten Hinweise dahingehend, welche Bemessungsregeln dann einzustellen sind, wenn zusätzlich auch die Verwendung von Tantal und Niob in Erwägung gezogen wird.
Zwar wird in (1) im Zusammenhang mit Tantal darauf verwiesen, daß dieses Metall nur in kleiner Menge eingesetzt werden sollte, wenn beabsichtigt ist, die Legierung unter Anwendung einer Gasflamme zu verarbeiten (vgl Sp 4 Z 52 bis 54); aus dem Inhalt des Dokument ist aber nicht ersichtlich, wie die Angabe "geringe Menge" im Hinblick auf den angegebenen Gesamtbereich von 5 bis 50 Gew.-% zu definieren ist. Darüber hinaus sind der Entgegenhaltung (1) aber auch hinsichtlich des zweiten in Rede stehenden Elementes, des Niobs, weder Angaben bzw Parameter zu entnehmen, die dem Fachmann als Hinweis dafür dienen könnten, in welchen Mengenbereichen sich dessen Anteil zu bewegen habe, wenn auch dieses einen Bestandteil einer Dentallegierung, die Gold, Silber und Platin enthält, bilden sollte.
Somit vermittelt (1) dem Fachmann nach Auffassung des Senates an keiner Stelle die Lehre, Tantal und Niob von vornherein in von den alternativ genannten Elementen Silber und Platin abweichenden Mengenanteilen bzw in Mengen, die sich in einem Bereich kleiner 5 Gew.-% bewegen, einzusetzen, wenn er vor die Aufgabe gestellt ist, den Wärmeausdehnungskoeffizienten zu variieren. Vielmehr kann er dieser Entgegenhaltung lediglich entnehmen, daß Tantal und Niob sowohl alleine als auch in jeder beliebiger Kombination mit den drei weiteren genannten Metallen verwendet werden können und ihr Anteil an der Dentallegierung dabei gegebenenfalls auch zusammen mit Silber, Platin und/oder Tantal einen beliebigen Wert innerhalb des angegebenen Gesamtbereiches von 5 bis 50 Gew.-% annehmen kann.
In der Entgegenhaltung (1) ist ein Mengenbereich für die Elemente Tantal und Niob daher nicht konkret angegeben, so daß der Fachmann die Bemessungsregeln, die für diese beiden Metalle im Patentanspruch des Streitpatentes angegeben werden, auch bei aufmerksamer Lektüre des Dokumentes weder in Gedanken gleich mitliest, noch aus dem Inhalt ohne weiteres herleiten kann. Auch hat die Einsprechende dem Senat nicht dargelegt, daß es sich bei dem Einhalten dieser in Rede stehenden Bemessungsregeln zur Herstellung der Dentallegierung gemäß Streitpatent um Maßnahmen handelt, die zum allgemeinen Fachwissen des Fachmannes gehören. Daher ist die Dentallegierung gemäß Streitpatent nicht einfach unter die im Patentanspruch 1 der Druckschrift (1) angegebene Zusammensetzung subsumierbar. Dies träfe nämlich nur dann zu, wenn die in der entgegenstehenden Druckschrift genannte Legierung stoff- und mengenmäßig eindeutig beschrieben wäre, dh deren einzelne Komponenten konkret formuliert wären. Mit (1) werden jedoch - wie vorstehend dargelegt - für eine Zusammensetzung, die neben Silber und Platin auch Niob und Tantal enthält, keine auf die einzelnen Komponenten bezogenen Bemessungsregeln angegeben, von denen die im erteilten Patentanspruch jeweils für Niob und Tantal genannten eine Teilmenge darstellen könnten. Vielmehr stellen die im Streitpatent angegebenen Mengenbereiche einen Ausschnitt aus einem in (1) genannten Gesamtbereich dar, der hinsichtlich Tantal und Niob als undifferenziert angesehen werden muß. Damit werden die im Streitpatent für Niob und Tantal angegebenen Bemessungsregeln, in einer Dentallegierung, deren Hauptbestandteile Gold, Silber und Platin sind, Tantal mit einem Anteil von 0,1 bis 2,0 Gew.-% und gleichzeitig Niob in einem Bereich von 0,1 bis 5,0 Gew.-% einzusetzen, mit diesem Dokument nicht vermittelt. Aus den vorstehend genannten Gründen ist die gemäß Streitpatent beanspruchte Dentallegierung daher gegenüber der Entgegenhaltung (1) als neu anzusehen (BGH GRUR 1981 812 - Etikettiermaschine sowie BGH GRUR 1992 842, 844 re Sp - Chrom-Nickel-Legierung.
Auch das Argument der Einsprechenden, der Fachmann lande beim Nacharbeiten der mit (1) angegebenen Lehre zwangsläufig bei Dentallegierungen, die Niob im Bereich nur weniger Prozente enthalten, kann so nicht gefolgt werden. Selbst, wenn der Fachmann von einer Dentallegierung ausgehen sollte, die alle vier Elemente - Silber, Platin, Tantal und Niob - gleichzeitig enthält, und er annimmt, daß das Konzentrationsoptimum dieser Komponenten immer irgendwo in der Mitte der Bereichsangabe 5 bis 50 Gew.-% liegt, ergeben sich ihm die im Patentanspruch gemäß Streitpatent genannten Bemessungsregeln nicht von selbst. Es ist nämlich anhand von (1) nicht ersichtlich, weshalb der Fachmann - wie die Einsprechende vorträgt - veranlaßt sein sollte, Mengenbereiche als unter allen Bedingungen optimal und daher nicht variierbar zu betrachten, die nach diesem Dokument lediglich für eine bevorzugte Kombination, die nur Silber und Platin enthält, angegeben werden.
Die weiteren im schriftlichen Verfahren genannten, aber im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht mehr angezogenen Entgegenhaltungen - nämlich
(3) "Degunorm", technisches Datenblatt "Dentallegierungen", 5. Auflage, 1997, Degussa AG
(4) Chemical Abstracts 128; 299 491 und 127: 253 122, Legierung Nr. 195528-24-6
(5) Heraeus Infoblatt "Keramikgold PKF", Ausgabe Juni 197
(6) Technische Datentabelle Edelmetall-Dentallegierungen, Ausgabe 3/1999, Heraeus Kulzer GmbH & Co. KG
(7) Metals Handbook Ninth Edition, Vol 2, Properties and Selections: Monterrous Alloys and Pure Metals, W.H. Cubberly et al., American Society For Metals, 1979, S 777 bis 779 und 799 bis 804
(8) Ep 0 691 123 B2 -
sind gleichfalls nicht dazu geeignet, die Neuheit in Frage zu stellen. Es werden nämlich in keiner Zusammensetzungen genannt, deren Merkmale mit jenen der Dentallegierung gemäß Streitpatent übereinstimmen.
5. Die beanspruchte Dentallegierung gemäß erteiltem Patentanspruch beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn durch keine der im Verfahren genannten Druckschriften wird ein Stand der Technik vermittelt, der die beanspruchte Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe nahe legt.
Die dem Streitpatent sinngemäß zugrunde liegende Aufgabe besteht darin, Dentallegierungen bereitzustellen, die medizinisch und gesundheitlich unbedenklich sind, sowie eine ausreichende Stabilität und Haltbarkeit und zugleich eine hohe Härte aufweisen. Im weiteren soll ihr Wärmeausdehnungskoeffizient mit jenem der keramischen Werkstoffe harmonieren, mit denen sie verarbeitet werden (vgl Sp 1 Z 7 bis 31 und Sp 2 Z 39 bis 44).
Gelöst wird diese Aufgabe durch die Bereitstellung der im erteilten Patentanspruch angegebenen Dentallegierung.
Anregungen eine Dentallegierung bereitzustellen, wie sie im erteilten Patentanspruch gemäß Streitpatent angegeben wird, werden aber weder mit den in der mündlichen Verhandlung aufgegriffenen Entgegenhaltungen (1) und (2) noch mit den weiteren im Verfahren genannten Druckschriften gegeben. Eine Dentallegierung, die gleichfalls gesundheitlich unbedenklich ist und eine Vickershärte von 230 aufweist, ist zwar aus der Entgegenhaltung (2), die unstreitig den nächstliegenden Stand der Technik darstellt, bekannt. Diese unterscheidet sich von der Legierung nach Streitpatent jedoch darin, daß sie kein Niob enthält und ihr Wärmeausdehnungskoeffizient mit einem Wert von 15,8 bis 16,1 unterhalb des im Streitpatent angegebenen Bereiches liegt (vgl (2) "Biotrend alpha" sowie Streitpatentschrift Sp 3 Z 14). Angaben, die über die qualitative und quantitative Zusammensetzung sowie über die für die Verwendung maßgeblichen Eigenschaften hinausgingen, enthält dieses Dokument nicht. Somit vermittelt es dem Fachmann auch keine Hinweise dahingehend, welche Maßnahmen er zu ergreifen hat, wenn er vor die Aufgabe gestellt ist, ausgehend von der in (2) beschriebenen Dentallegierung, den Wärmeausdehnungskoeffizienten zu erhöhen.
Als Maßnahme, diesen Koeffizienten zu beeinflussen, ist es zwar aus der Entgegenhaltung (1) bekannt, auf Gold basierenden Dentallegierungen eines oder mehrere Metalle aus der Gruppe Silber, Platin, Tantal und Niob zuzufügen. Die Lehre jedoch, alle vier Elemente gleichzeitig in einer Legierung einzusetzen, um damit deren Wärmeausdehnung in dem gemäß Streitpatent gewünschten Maße einzustellen, wird auch mit dieser Schrift nicht vermittelt. Nach (1) sind es vielmehr nur die Elemente Silber und Platin, die bevorzugt zur Einstellung der Wärmeausdehnung verwendet werden, um Werte in einem Bereich von 15.0 bis 17.0 zu erzielen. In diesem Zusammenhang wird auch die diametrale Wirkungsweise dieser beiden Metalle auf die in Rede stehende Eigenschaft der Legierung näher erläutert. Während nämlich Platin den Schmelzpunkt der Zusammensetzung erhöht, wird dieser durch Silber erniedrigt. Entsprechende Ausführungen bezüglich Tantal oder Niob bzw Ausführungen, inwiefern diese beiden Elemente neben Silber und Platin zur Einstellung des Wärmeausdehnungskoeffizienten überhaupt in Erwägung gezogen werden sollten, enthält dieses Dokument dagegen nicht (vgl Patentanspruch 1 iVm Beschreibung Sp 4 Z 26 bis 48 und Sp 6 Tabelle II). Vielmehr gehen die Angaben zu Niob in der Beschreibung von (1) nicht über den Inhalt des Patentanspruches 1 hinaus, auch wird Tantal dort lediglich im Zusammenhang mit einer möglichen Weiterverarbeitungsmethode erwähnt. Rückschlüsse, inwieweit ein Zusatz von Tantal bzw sowohl von Tantal als auch gleichzeitig von Niob dazu geeignet sein könnte, den Wärmeausdehnungskoeffizienten einer Dentallegierung wie sie in (2) beschrieben ist, in der gewünschten Richtung zu verändern, sind daher aus dieser Schrift nicht zu ziehen (vgl Sp 4 Z 49 bis 54).
Die Einsprechende hat nun in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, ausgehend von (2) habe es in Kenntnis von (1) lediglich einiger weniger Versuche bedurft, um zu der im erteilten Patentanspruch angegebenen Dentallegierung zu kommen. Nachdem nämlich in (1) mehrere Elemente, dh neben Silber und Platin auch Tantal und Niob zur Veränderung des Wärmeausdehnungskoeffizienten genannt seien, aus dieser Schrift auch bekannt sei, daß der Gehalt des Tantals niedrig zu halten sei und der Fachmann darüber hinaus den Gehalt an Silber und Platin nicht verändern werde, um die Beeinflussung der weiteren Eigenschaften der Legierung zu vermeiden, bleibe nur die Zugabe von Niob als weitere Komponente, wenn er die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe lösen wolle. Dabei werde er die Versuche so anlegen, daß er dieses Element zunächst nur in geringen Konzentrationen, dh weit unterhalb der 5 Gew.-%, zugeben werde. Bereits nach wenigen Versuchen sei er sodann im mit dem Patentanspruch angegebenen Bereich. Diese Argumentation ist jedoch rückschauend und kann daher zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhaltes führen. Der Fachmann erhält mit (1) nämlich schon deshalb keine Anregung, alle Mitglieder der dort in einer Gruppe angegebenen Metalle Silber, Platin, Tantal und Niob zugleich einzusetzen, weil - wie vorstehend ausgeführt - die Kombination der zwei Elemente Silber und Platin bereits als optimal beschrieben wird und somit augenscheinlich als ausreichend angesehen wird, um Dentallegierungen mit den gemäß (1) gewünschten Eigenschaften bereitzustellen. In Kenntnis von (1) wird der Fachmann daher, wollte er die aus (2) bekannte Zusammensetzung lediglich hinsichtlich einer Eigenschaft verändern, zunächst die Konzentrationen der dort angegebenen Bestandteile variieren, bevor er durch die Zugabe einer weiteren Komponente Gefahr läuft, Legierungen zu erhalten, deren Eigenschaften sich insgesamt durch das Zusammenwirken einer sodann neuen Zusammensetzung in nicht gewünschtem Maße verändern.
Aus den vorstehend genannten Gründen kann daher der Auffassung der Einsprechenden nicht beigetreten werden, die Bereitstellung der beanspruchten Mittel habe ausgehend von (2) iVm (1) nahegelegen. Nachdem die Eigenschaften von Legierungen bekanntlich in erheblichem Maße von dem Zusammenwirken aller Komponenten in Verbindung mit deren quantitativer Zusammensetzung bestimmt werden, ist es als überraschend und als Anzeichen für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu werten, daß bei der aus der Entgegenhaltung (2) bekannten Dentallegierung nur mit einem Zusatz von Niob im angegebenen Mengenbereich unter Beibehaltung der übrigen Eigenschaften gezielt die Wärmeausdehnung in gewünschter Weise verändert werden konnte.
Auch die Berücksichtigung der weiteren dem Senat vorliegenden, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen Druckschriften führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhaltes.
6. Die Dentallegierung nach dem erteilten, einzigen Patentanspruch erfüllt somit alle Kriterien der Patentfähigkeit. Der Patentanspruch ist daher rechtsbeständig.
Schröder Harrer Proksch-Ledig Gerster Hu
BPatG:
Beschluss v. 16.12.2003
Az: 14 W (pat) 309/02
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