Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 17. Juni 2011
Aktenzeichen: 6 U 8/11
(OLG Köln: Urteil v. 17.06.2011, Az.: 6 U 8/11)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Köln hat in einem Urteil entschieden, dass eine Klausel in den Verträgen der Beklagten wirksam ist. Die Verbraucherzentrale Bundesverband hatte geklagt und die Unwirksamkeit der Klausel wegen Verstoßes gegen verschiedene gesetzliche Bestimmungen beanstandet. Das Landgericht hatte die Klage bereits abgewiesen und das Oberlandesgericht hat diese Entscheidung bestätigt.
Die Klausel betrifft eine "Einwilligungserklärung zur Übermittlung, Verarbeitung und Nutzung von Daten". Der Kläger hielt insbesondere die Auflistung der zu übermittelnden Daten, die Befreiung von der Schweigepflicht der Bank und die Formulierungen der Klausel für unwirksam. Das Oberlandesgericht hat jedoch entschieden, dass die Klausel den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
Nach Ansicht des Gerichts beruht die Einwilligung des Verbrauchers nicht auf Zwang und ist freiwillig. Die Klausel sei verständlich formuliert und der Zweck der Datenverwendung hinreichend bestimmt. Die übermittelten Daten sind deutlich aufgelistet und die Befreiung von der Schweigepflicht der Bank diene allein dazu, die Übermittlung der Daten zu ermöglichen.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers daher zurückgewiesen und die Kosten des Verfahrens dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wurde auf 12.000 € festgesetzt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Köln: Urteil v. 17.06.2011, Az: 6 U 8/11
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 15.12.2010 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 26 O 119/10 - wird zurückgewiesen.
2.)Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4.) Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beklagte verwendet eine formularmäßige "Einwilligungserklärung zur Übermittlung, Verarbeitung und Nutzung von Daten" mit folgendem Inhalt:
Die Q-Gruppe bietet ihren Kunden eine umfassende Beratung und Betreuung rund um die Themen Geld, Haus, Vorsorge. Um diese Beratung - auch über den Zweck des jeweils abgeschlossenen Vertrages hinaus - in allen Fragen zu Finanzdienstleistungen der Q-Gruppe zu ermöglichen, bin ich damit einverstanden, dass die Q den unten aufgeführten Gesellschaften der Q-Gruppe die dafür erforderlichen Angaben zur dortigen Datenverarbeitung und Nutzung übermittelt. Soweit die genannten Gesellschaften für diese Zwecke Berater einsetzen, die ausschließlich für die Q-Gruppe tätig sind, können diese Angaben zum gleichen Zweck auch an diese zuständigen Berater zur dortigen Datenverarbeitung und Nutzung übermittelt werden.
Übermittelt werden dürfen:
Personalien (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Familienstand, Beruf oder vergleichbare Daten)
Kontokorrent (Saldo/Limit oder vergleichbare Daten)
Karten (Produkt/Anzahl oder vergleichbare Daten)
Einlagen (Produktart, Guthaben, Verzinsung, Laufzeit oder vergleichbare Daten)
Kredite (Produktart, Verzinsung, Laufzeit oder vergleichbare Daten)
Verwahrungsgeschäfte (Kurswert oder vergleichbare Daten)
Beschränkt auf diesen Zweck entbinde ich die Deutsche Q AG zugleich vom Bankgeheimnis. Hiermit verbunden ist jedoch keine generelle Befreiung vom Bankgeheimnis.
Gesellschaften im Sinne dieser Einwilligungserklärung
Deutsche Q AG, Q Finanzberatung AG, C Bausparkasse AG, C Immobilien GmbH, C Direktservice GmbH
Die vorstehende Einwilligungserklärung ist freiwillig und kann - ohne Einfluss auf die Geschäftsbeziehung - jederzeit für die Zukunft widerrufen werden.
…
Der Kläger, die Verbraucherzentrale Bundesverband, hält Satz 2 und 3 dieser Klausel, die Auflistung der zu übermittelnden Daten und die (teilweise) Befreiung vom Bankgeheimnis jeweils wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 4a BDSG, § 242 BGB für unwirksam. Mit seiner Klage begehrt er - gestützt auf § 1 UKlaG -, der Beklagten die Verwendung dieser Klauseln in Verträgen mit Verbrauchern zu untersagen, und Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 200 € nebst Rechtshängigkeitszinsen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Klageantrag in vollem Umfang weiter. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen.
I. Der Kläger ist klagebefugt. Die erstinstanzlich von der Beklagten insoweit erhobenen Bedenken hat das Landgericht mit zutreffender Begründung für nicht durchgreifend erachtet. Die Beklagte ist hierauf in der Berufung nicht weiter eingegangen.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung der fraglichen Klauseln (und daher auch keinen Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten), denn die Klauseln, die das Landgericht zu Recht der Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB unterworfen hat, halten einer solchen stand.
Maßstab der Prüfung ist § 4a BDSG (vgl. BGH NJW 2010, 864 Tz. 16). Danach muss die Einwilligung auf einer freien Entscheidung des Betroffenen beruhen (§ 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG). Dies erfordert zunächst, dass die Einwilligung ohne Zwang erfolgt. Zudem muss der Verbraucher über Umfang und Folgen der Einwilligung hinreichend informiert sein. Beides ist der Fall.
1. Die Einwilligung beruht nicht auf Zwang. Ein solcher ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Einwilligung in einer Situation wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe seiner Daten verleitet wird (BGH, aaO., Tz. 21; NJW 2008, 3055 Tz. 21 mwN.). Es darf keine ins Gewicht fallende Hemmschwelle bestehen, die den Verbraucher davon abhalten kann, von seiner Entscheidungsmöglichkeit Gebrauch zu machen (BGH, aaO.). Mit dem Kläger ist zwar davon auszugehen, dass eine solcher Zwang bestünde, wenn der Verbraucher Satz 2 der Klausel dahin verstünde, dass seine Einwilligung in die Übermittlung, Verarbeitung und Nutzung von Daten Voraussetzung dafür ist, dass die Beklagte ihn im Rahmen der bereits bestehenden geschäftlichen Beziehungen vertragsgemäß berät. Es ist jedoch ausgeschlossen, dass ein verständiger Verbraucher die Klausel so versteht:
Es ist für einen verständigen Verbraucher ein ganz fernliegender Gedanke, dass ein Vertragspartner einer gesonderten Ermächtigung bedürfte, um seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Er wird es vielmehr als selbstverständlich voraussetzen, dass die Beklagte die ihr geschuldete Beratungsleistung erbringen kann und wird, ohne dass er hierzu weitere Erklärungen abgeben müsste. Der Verbraucher wird daher den einleitenden Satz, die Unternehmensgruppe der Beklagten biete eine umfassende Beratung und Betreuung rund um die Themen Geld, Haus, Vorsorge an, (richtig) dahin verstehen, dass die ihm vorliegende Einwilligungserklärung nicht bereits bestehende Verträge mit der Beklagten betrifft, sondern allein dazu dient, die Beratung über sonstige Dienstleistungsangebote zu ermöglichen. Dieses Verständnis wird dadurch verstärkt, dass sich das Beratungsangebot nicht nur auf die Beklagte selbst, sondern auf die gesamte "Q-Gruppe" bezieht. Der folgende Satz bestätigt dieses Verständnis, denn "diese Beratung" soll "in allen Fragen zu Finanzdienstleistungen der Q-Gruppe" erfolgen können. Zwar ist dem Kläger einzuräumen, dass Fragen zu bereits abgeschlossenen Verträgen auch unter den Begriff "alle Fragen" fallen können und dies durch die Formulierung, "auch über den Zweck des jeweils abgeschlossenen Vertrages hinaus" bestätigt werden könnte. Damit werden aber die selbstverständliche Verpflichtung und die damit einhergehende Berechtigung der Beklagten zu jener (vertraglich geschuldeten) Beratung nicht in Frage gestellt. Der Verbraucher wird daher den Begriff "auch" in der ihm "auch" zukommenden Wortbedeutung "zusätzlich" verstehen, wenn er sich über diesen häufig als nichtssagendes Füllwort verwendeten Begriff überhaupt Gedanken macht.
2. Auch inhaltlich sind die angegriffenen Klauseln nicht zu beanstanden. Insoweit erfordert § 4a Abs. 1 Satz 2 BDSG, dass der Verbraucher auf den vorgesehen Zweck der Verwendung der Daten hingewiesen wird; zudem muss die Einwilligung hinreichend bestimmt sein, d.h. erkennen lassen, unter welchen Bedingungen welche Daten genutzt werden dürfen, damit der Betroffene die Tragweite seines Einverständnisses erkennen kann (vgl. Simitis/Simitis, BDSG, 6. Aufl., § 4a Rdn. 77).
Diese Voraussetzungen hat das Landgericht zutreffend als erfüllt angesehen: Die Daten, auf die sich die Einwilligung bezieht, sind übersichtlich aufgelistet. Es ist für den verständigen Leser unzweifelhaft zu erkennen, dass sich die Einwilligung auf nahezu alle Vertragsdaten - mit Ausnahme der einzelnen Kontobewegungen - erstreckt. Dass die Einwilligung jeweils "vergleichbare Daten" einschließt, ist aus den vom Landgericht dargelegten Gründen ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch der Kläger räumt ein, dass es genügt, wenn der Verbraucher übersehen kann, auf welche Daten sich seine Einwilligung erstreckt (vgl. BGH NJW 2003, 1237, 1241). Dies ist durch die Beschränkung der Einwilligung auf "vergleichbare Daten" gewährleistet. Eine konkrete Bezeichnung der Daten ist dagegen nur im Anwendungsbereich des § 4a Abs. 3 BDSG erforderlich, wenn also sog. sensitive Daten im Sinne des § 3 Abs. 9 BDSG betroffen sind.
Die Erwägungen des Bundesgerichtshofs in der sog. Schufa-Entscheidung (NJW 1986, 46) sind insofern - entgegen der Ansicht des Klägers - auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen, denn dort erfasste die Klausel auch solche Daten, die materiell zu Unrecht zustande gekommen waren (wie etwa unberechtigt eingeleitete Mahnverfahren).
Auch der Verwendungszweck der Daten ist hinreichend beschrieben. Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass die von der Einwilligung abgedeckten Daten weitreichende Einsichten in das Privatleben des Verbrauchers gestatten und der Verwendungszweck "Beratung in allen Fragen zu Finanzdienstleistungen" eine sehr weitreichende Nutzung der Daten gestattet. Dies führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Klausel, denn es ist nicht zu beanstanden, wenn ein Kunde, sofern er sich - wie hier - freiwillig und hinreichend informiert dazu entscheidet, formularmäßig eine inhaltlich derart weitgehende Einwilligung erteilt. So hat der Bundesgerichtshof eine ähnlich weitreichende Einwilligung in der sog. Happy Digits-Entscheidung (NJW 2010, 864) unbeanstandet gelassen.
Der Umfang der Übermittlung der Daten ergibt sich aus der angegriffenen Klausel unzweideutig. Die Berater, denen die Daten übermittelt werden dürfen, sind konkret bezeichnet. Auch insofern ist die beschränkte Befreiung der Beklagten vom Bankgeheimnis nicht zu beanstanden. Diese kann - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht als Haftungsausschluss für den Fall eines Missbrauchs der Daten durch externe Berater verstanden werden. Die Befreiung vom Bankgeheimnis dient auch bei kundenfeindlichster Auslegung erkennbar allein dazu, die Übermittlung der Daten erst zu ermöglichen. Die Verantwortlichkeit der Beklagten dafür, dass die Daten dem vereinbarten Zweck entsprechend genutzt werden, wird dadurch nicht in Frage gestellt. Die Klausel enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte sich hierdurch von einer Haftung für ein Fehlverhalten ihrer Erfüllungsgehilfen freizeichnen wollte.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die datenschutzrechtlichen Anforderungen an eine formularmäßige Einwilligung sind höchstrichterlich geklärt (NJW 2010, 864); im Übrigen beruht die Entscheidung auf der Auslegung der Klausel.
4. Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 12.000 €.
OLG Köln:
Urteil v. 17.06.2011
Az: 6 U 8/11
Link zum Urteil:
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