Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Oktober 2003
Aktenzeichen: 5 W (pat) 12/02

(BPatG: Beschluss v. 29.10.2003, Az.: 5 W (pat) 12/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat einen Beschluss vom 29. Oktober 2003 getroffen mit dem Aktenzeichen 5 W (pat) 12/02. In dem Beschluss wurde die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Oktober 2002 zurückgewiesen.

Der Antragsgegner war der Inhaber eines Gebrauchsmusters mit dem Namen "Scheibenegge", das am 16. August 1997 angemeldet und am 23. Oktober 1997 eingetragen wurde. Die Schutzdauer des Gebrauchsmusters wurde auf 6 Jahre verlängert. Im März 1999 gab der anwaltliche Vertreter des Antragsgegners bekannt, dass er die Vertretung niedergelegt habe und alle künftige Korrespondenz direkt mit dem Antragsgegner zu führen sei.

Die Antragstellerin stellte am 6. Mai 2002 einen Antrag auf Löschung des Gebrauchsmusters. Diesen Antrag reichte die Gebrauchsmusterabteilung am 15. Juni 2002 per Einschreiben direkt beim Antragsgegner ein. Im begleitenden Schreiben wurde der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass sein Gebrauchsmuster gelöscht wird, falls er dem Antrag nicht innerhalb eines Monats widerspricht. Da kein Widerspruch eingegangen war, wurde dem Antragsgegner mit Bescheid vom 20. August 2002 mitgeteilt, dass sein Gebrauchsmuster gelöscht wird.

Mit einer weiteren Eingabe seines anwaltlichen Vertreters bat der Antragsgegner am 20. September 2002 um Wiedereinsetzung in die abgelaufene Widerspruchsfrist und widersprach gleichzeitig dem Löschungsantrag. Als Begründung für seinen Antrag auf Wiedereinsetzung gab der Antragsgegner an, dass ihm zwei verschiedene Löschungsanträge zugestellt wurden und er glaubte, dass es sich um denselben Antrag handelte. Die Gebrauchsmusterabteilung wies den Antrag auf Wiedereinsetzung am 30. Oktober 2002 zurück.

Der Antragsgegner legte daraufhin Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung des Beschlusses der Gebrauchsmusterabteilung. Er argumentierte, dass er in Angelegenheiten bezüglich Gebrauchsmustern unerfahren sei und deshalb nicht die genaue Überprüfung der Aktenzeichen durchgeführt habe.

Das Bundespatentgericht kam zu dem Schluss, dass der Antragsgegner nicht ohne Verschulden daran gehindert war, die Widerspruchsfrist einzuhalten. Der Antragsgegner habe das zugestellte Schreiben der Gebrauchsmusterabteilung sorgfältig lesen und den genauen Inhalt überprüfen müssen. Da er in diesem Fall keine anwaltliche Vertretung hatte, hätte er besonders sorgfältig sein müssen. Außerdem war die Nummer des angegriffenen Gebrauchsmusters klar angegeben, was der Antragsgegner als erfahrener Gebrauchsmusterinhaber hätte wissen müssen.

Das Bundespatentgericht wies die Beschwerde daher zurück und bestätigte die Entscheidung der Gebrauchsmusterabteilung.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 29.10.2003, Az: 5 W (pat) 12/02


Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.

Gründe

I Der Antragsgegner war der eingetragene Inhaber des am 16. August 1997 angemeldeten und am 23. Oktober 1997 mit der Bezeichnung "Scheibenegge" eingetragenen Gebrauchsmusters 297 14 699. Die Schutzdauer des Gebrauchsmusters wurde auf 6 Jahre verlängert.

Mit Schreiben vom 3. März 1999 hatte der anwaltliche Vertreter des Antragsgegners dem Deutschen Patent- und Markenamt mitgeteilt, daß er in Sachen dieses Gebrauchsmusters die Vertretung niedergelegt habe und alle künftige Korrespondenz direkt mit dem Antragsgegner zu führen sei.

Am 6. Mai 2002 hat die Antragsstellerin beim DPMA Antrag auf Löschung des Gebrauchsmusters 297 14 699 gestellt. Diesen Antrag hat die Gebrauchsmusterabteilung am 15. Juni 2002 per Einschreiben direkt dem Antragsgegner zugestellt. In dem formularmäßigen Begleitschreiben vom 10. Juni 2002 ist der Antragsgegner ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß sein Gebrauchsmuster gelöscht werde, falls er dem Löschungsantrag nicht innerhalb eines Monats widerspreche. Für den weiteren Inhalt dieses Anschreibens wird Bezug genommen auf die Akten. Nachdem danach kein Widerspruch eingegangen war, hat die Gebrauchsmusterstelle dem Antragsgegner mit Bescheid vom 20. August 2002 mitgeteilt, daß sein Gebrauchsmuster nunmehr gelöscht werde.

Mit Eingabe seines sodann erneut bestellten, anwaltlichen Vertreters vom 20. September 2002, eingegangen bei der Gebrauchsmusterabteilung am 21. September 2002, hat der Antragsgegner um Wiedereinsetzung in die am 15. Juli 2002 abgelaufene Widerspruchsfrist gebeten und gleichzeitig dem Löschungsantrag vom 6. Mai 2002 widersprochen. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages hat der Antragsgegner wie folgt vorgetragen: Unter dem anderen Aktenzeichen Lö I 60/02 sei dem anwaltlichen Vertreter des Antragsgegners am 17. Juni 2002 ein weiterer Löschungsantrag der Antragstellerin zugestellt worden, der gegen ein anderes Gebrauchsmuster des Antragsgegners mit der Nummer 200 20 593.5 gerichtet gewesen sei. Auf eine entsprechende Anfrage seines Vertreters hin habe der Antragsgegner diesen damit beauftragt, gegen diesen Löschungsantrag Widerspruch einzulegen. Die große zeitliche Nähe zwischen den Zustellungen der beiden verschiedenen Löschungsanträge sowie die Ähnlichkeit zwischen den beiden zugestellten Bescheiden der Gebrauchsmusterabteilung und der Umstand, daß die eine Zustellung an einen anwaltlichen Vertreter und die andere an den Antragsgegner selbst erfolgte, hätten bei dem Antragsgegner den Irrtum entstehen lassen, daß es sich um ein und denselben Löschungsantrag handelte.

Mit Beschluß vom 30. Oktober 2002 hat die Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patent- und Markenamts den Antrag des Antragsgegners auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet zurückgewiesen mit der Begründung, daß der Antragsgegner die Versäumung der Frist für den Widerspruch gegen den Löschungsantrag vom 6. Mai 2002 selbst zu vertreten habe. Der Antragsgegner habe bei der Behandlung der beiden Löschungsanträge nicht die in eigenen Angelegenheiten übliche Sorgfalt angewandt. Die Zustellung des Bescheides vom 10. Juni 2002 per Einschreiben und der Inhalt des zugestellten Schreibens hätten für den Antragsgegner ohne weiteres erkenntlich gemacht, daß es sich um ein Schreiben von besonderer Tragweite handelte. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte der Antragsgegner erkennen können, daß es sich um ein anderes Aktenzeichen handelte, also um ein anderes Verfahren, und unklar war, ob dieses Schreiben auch seinem anwaltlichen Vertreter zugestellt worden war.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsgegner seinen Wiedereinsetzungsantrag weiter. Er trägt vor, in Gebrauchsmusterangelegenheiten unerfahren zu sein. Eine genaue Überprüfung der jeweiligen Aktenzeichen habe ihm in diesem Fall jedenfalls deswegen nicht oblegen, weil ihm und seinem anwaltlichen Vertreter beinah gleichzeitig zwei verschiedene Löschungsanträge zugestellt worden seien und er die anwaltliche Wahrnehmung seiner Interessen in einem dieser beiden Fälle sofort veranlaßt habe.

Der Antragsgegner beantragt, den Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Oktober 2002 aufzuheben und dem Antragsgegner Wiedereinsetzung in die Frist für die Einlegung des Widerspruchs gegen den Löschungsantrag vom 6. Mai 2002 zu bewilligen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung der Gebrauchsmusterabteilung II für begründet und trägt - insoweit unstreitig - vor, daß sie den Antragsgegner vor Einleitung des patentamtlichen Löschungsverfahrens ernsthaft und nachdrücklich zur Löschung beider Gebrauchsmuster aufgefordert habe. Bei Zustellung der beiden Löschungsanträge hätte dem Antragsgegner daher bewußt gewesen sein müssen, daß beide Gebrauchsmuster streitig geworden waren.

II Die Beschwerde ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Die Gebrauchsmusterabteilung hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Frist für die Einlegung des Widerspruchs gegen den Löschungsantrag der Antragstellerin vom 6. Mai 2002 zu Recht gem § 21 Abs 1 GebrMG iVm § 123 PatG zurückgewiesen. Denn es kann nicht festgestellt werden, daß der Antragsgegner ohne Verschulden daran gehindert gewesen wäre, die Widerspruchsfrist einzuhalten.

Der Antragsgegner hat den Löschungsantrag vom 6. Mai 2002 nicht mit der üblichen Sorgfalt eines ordentlichen Verfahrensbeteiligten behandelt. Vergeblich macht er geltend, die Gebrauchsmusterabteilung habe angesichts der konkreten Umstände zu hohe Anforderungen an seine Sorgfaltspflicht gestellt. Unstreitig hat die Gebrauchsmusterabteilung den gegen das hier in Rede stehende Gebrauchsmuster gerichteten Löschungsantrag dem Antragsgegner ordnungsgemäß zugestellt. Schon deswegen hatte der Antragsgegner Anlaß, das ihm zugestellte Schriftstück sorgfältig zu lesen und sich seines konkreten Inhalts genau zu vergewissern. Daß diese Zustellung mit der Zustellung eines Löschungsantrags desselben Antragstellers an seinen Anwalt zeitlich zusammenfiel, weshalb er nach dem Gespräch mit diesem über den dort einzulegenden Widerspruch irrtümlich auch die vorliegende Sache als abgedeckt angesehen habe, vermag ihn nicht zu entschuldigen. Denn er mußte bedenken, daß er in allen Belangen, die das vorliegend angegriffene Gebrauchsmuster betrafen, ohne anwaltliche Vertretung war und daß den Zustellungen bei ihm und bei seinem Anwalt ein Schriftverkehr zwischen beiden Verfahrensbeteiligten vorausgegangen war, in dessen Verlauf die Antragstellerin den Antragsgegner zur Löschung nicht nur von einem, sondern von zwei Gebrauchsmustern aufgefordert hatte. Mit diesem Streit über beide Gebrauchsmuster verstärkten sich die Sorgfaltspflichten des Antragsgegners bei der Zustellung eines Löschungsantrages bei ihm dahingehend, auf Löschungsanträge gegen jedes der beiden Schutzrechte gefaßt zu sein und Bedacht auf die dann gegebenenfalls erforderliche doppelte Verteidigung zu nehmen.

Für den Antragsgegner war der Umstand, daß die bei ihm und bei seinem Anwalt zugestellten Löschungsanträge jeweils verschiedene Gebrauchsmuster betrafen, auch dann ohne weiteres in Erfahrung zu bringen, wenn er im übrigen nur über wenig Erfahrung in Gebrauchsmustersachen verfügte. Denn das ihm zugestellte Schreiben der Gebrauchsmusterabteilung vom 10. Juni 2002 enthielt nicht nur oben rechts im Briefkopf das maßgebliche Aktenzeichen. In dem eigentlichen Text des Anschreibens war außerdem die Nummer des angegriffenen Gebrauchsmusters in klarer Trennung von den Angaben über das Aktenzeichen mitgeteilt worden. Daß diese Nummer ein wesentliches Identifikationsmerkmal des in Rede stehenden Gebrauchsmusters war, mußte der Antragsgegner als sorgfältiger Gebrauchsmusterinhaber wissen.

Sofern der Antragsgegner in der Vorstellung gehandelt haben sollte, daß seine Kenntnisse für eine angemessen sorgfältige Behandlung des zugestellten Schriftstückes nicht ausreichten, hätte er für die Beurteilung des bei ihm zugestellten Bescheides anwaltliche Beratung einholen müssen und können. Wenn sich bei dem mit seinem Anwalt nach Erhalt des Löschungsantrag in der vorliegenden Sache durchgeführten Telefongespräche beide damit zufrieden gegeben haben, daß Widerspruch eingelegt werden solle, ohne für den Gesprächspartner unzweideutig zum Ausdruck zu bringen, welches der beiden umstrittenen Gebrauchsmuster nun davon betroffen sein solle, so ist dies eine Sachbehandlung, die der üblicherweise zu verlangenden Sorgfalt nicht entspricht.

Goebel Hübner Werner Pr






BPatG:
Beschluss v. 29.10.2003
Az: 5 W (pat) 12/02


Link zum Urteil:
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