Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Januar 2011
Aktenzeichen: 15 W (pat) 366/05

(BPatG: Beschluss v. 24.01.2011, Az.: 15 W (pat) 366/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 24. Januar 2011 das Patent "Vorrichtung und Verfahren zum Messen des Zustandes von Ölen und Fetten" beschränkt aufrecht erhalten. Gegen die Patenterteilung hatte die Firma T... AG Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Sie stützte den Einspruch auf verschiedene Dokumente und Druckschriften. Die Patentinhaberin widersprach dem Einspruch und beantragte, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten. In der mündlichen Verhandlung wurden ein Hauptantrag und ein Hilfsantrag mit geänderten Patentansprüchen vorgelegt. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die geänderten Patentansprüche sowohl in formaler als auch in materieller Hinsicht den Anforderungen genügen. Die Messvorrichtung und das Verfahren nach dem Hauptantrag sind neu und beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das Gericht sah keine Notwendigkeit, weitere Beweise zu erheben, da der Einspruch zurückgenommen wurde. Die Patentinhaberin beantragte, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der geänderten Patentansprüche des Hauptantrags.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 24.01.2011, Az: 15 W (pat) 366/05


Tenor

Das Patent wird beschränkt aufrecht erhalten auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 16 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung und Zeichnungen wie Patentschrift.

Gründe

I.

Auf die am 28. Dezember 2001 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patentund Markenamt das Patent 101 63 760 mit der Bezeichnung

"Vorrichtung und Verfahren zum Messen des Zustandes von Ölen und Fetten"

erteilt. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 11. August 2005. Die Patentansprüche lauten in der erteilten Fassung wie folgt:

Gegen die Patenterteilung hat die Firma T... AG in L..., mit Schriftsatz vom 10. November 2005, eingegangen am 10. November 2005, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, hilfsweise mündliche Verhandlung anzuberaumen. Sie stützt den Einspruch auf folgende Dokumente bzw. Druckschriften

(1)

US 2001 0019271 A1

(2)

Testo-Firmenprospekt "Der aw-Wert ist jetzt leicht messbar", März 2001.

(3)

Konstruktionszeichnungen des aw-Wertfühlers nach D3, 13. Nov. 1998.

(4)

Testo-Firmenprospekt "Industrielle Temperaturund Feuchte-Messwertumformer mit Garantie", Hygrotest 600 und 650, Mai 2001.

(5)

Konstruktionszeichnungen zu Hygrotest 650, 28. Januar 2000.

(6)

Konstruktionszeichnungen zu Hygrotest 600, 6. Juni 2001.

(7)

Konstruktionszeichnungen zu variablem Temperaturund Feuchtefühler für ein Vorgängermodell von Hygrotest 600 und 650, 26. Juli 1991.

(8)

DE 43 24 659 C1.

(9)

DE 100 15 516 A1.

Insbesondere hat die Einsprechende ausgeführt, dass sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents bereits durch die vorveröffentlichte Druckschrift (1) vorweggenommen seien. Bezüglich ihres Vorbringens, der Gegenstand des Streitpatents sei durch die Druckschriften bzw. Dokumente 2 bis 7 vorweggenommen, hat sie Zeugenbeweis angeboten durch Herrn L..., Mitarbeiter der Einsprechenden, nebst Vorführung eines Originalgeräts der Serien Hygrotest 600 und 650 (vgl. Schrifts. v. 10. November 2005 S. 6 Abs. 4 und vom 22. August 2006 S. 7 Abs. 2).

Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen der Einsprechenden mit Schriftsatz vom 24. Februar 2006 widersprochen und beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, hilfsweise mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Mit Schriftsatz vom 26. März 2007 hat die Einsprechende den Einspruch zurückgenommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2011 hat die Patentinhaberin einen Hauptantrag mit Patentansprüchen 1 bis 16 sowie einen Hilfsantrag mit Patentansprüchen 1 bis 11 überreicht.

Die Patentanspruchsfassung gemäß Hauptantrag mit den Patentansprüchen 1 bis 16 lautet wie in der mündlichen Verhandlung überreicht und mit Schriftsatz vom 12. April 2011 wegen einer sprachlichen Ungenauigkeit modifiziert:

1.

Meßvorrichtung zum Messen des Zustandes eines Meßgutes, bestehend aus Ölen oder Fetten, mit einem Sensor (2) zum Messen einer elektrischen Eigenschaft des Meßgutes, wobei der Sensor (2) auf einem Träger (21) aufgebracht ist und der Sensor (2) über eine oder mehrere elektrische Leitungen (3) mit einer Meßelektronik (32) in Verbindung steht, mit einem Gehäuse (11) zum Auswerten oder Anzeigen des Messergebnisses, mit einem rohrförmigen Ansatz (12) zwischen dem Gehäuse (11) und dem Sensor (2), dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens eine der elektrischen Leitungen (3) auf einem Trägerteil (31) im Ansatz (12) angeordnet ist, und dass das Gehäusenahe Ende des Trägerteils (31) wenigstens Teile der Meßelektronik (32) in Form eines Vorverstärkers (39) trägt, wobei das Trägerteil (31) aus einem nichtmetallischen Werkstoff besteht.

2.

Meßvorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Träger (21) einteilig mit dem Trägerteil (31) ausgebildet ist.

3.

Meßvorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Sensor (2) ein Kondensator (22) ist.

4.

Meßvorrichtung nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Kondensator (22) ein Interdigital-Kondensator (IDK) ist.

5.

Meßvorrichtung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass das Trägerteil (31) aus einem nichtleitenden Werkstoff besteht.

6.

Meßvorrichtung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass das Trägerteil (31) aus Keramik besteht.

7.

Meßvorrichtung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die elektrische Leitung

(3) auf dem Trägerteil (31) aufgedruckt ist.

8.

Meßvorrichtung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass der Sensor (2) von einer Abschirmung (5) umgeben ist, die den Sensor gegen Einflüsse der Umgebung des Messortes auf seine kapazitiven Eigenschaften abschirmt.

9.

Meßvorrichtung nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Abschirmung (5) im wesentlichen in der Ebene angeordnet ist, in der sich der Sensor (2) erstreckt und den Sensor (2) in dieser Ebene wenigstens teilweise umgibt.

10.

Meßvorrichtung nach Anspruch 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Abschirmung (5) aus einem metallischen Werkstoff besteht.

11.

Meßvorrichtung nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass die Abschirmung (5) wenigstens teilweise von einem Fortsatz (51) des Ansatzes (12) gebildet wird.

12 Meßvorrichtung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass auf dem Träger (21) ein Temperaturfühler (6) angeordnet ist.

13.

Verfahren zum Messen des Zustandes eines Meßgutes, bestehend aus Ölen oder Fetten, wobei mittels eines Sensors die Dielektrizitätskonstante von Öl oder Fett bestimmt wird, wobei der Sensor mit dem flüssigen Meßgut in Kontakt gebracht wird, und dabei das Meßgut eine Temperatur hat, bei der es im flüssigen Zustand vorliegt, dadurch gekennzeichnet, dass der Sensor (2) eine niedrige Temperatur als das Meßgut besitzt und die Messung der Dielektrizitätskonstanten des Meßgutes vorgenommen wird, während sich der Sensor (2) der Temperatur des Meßgutes anpasst und aus dem Wert der Dielektrizitätskonstanten der Zustand des Meßgutes ermittelt wird, wobei die Messung bei einer vorgegebenen Temperatur vorgenommen wird, bevor der Sensor (2) die Temperatur des Meßgutes annimmt.

14.

Verfahren nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass während der Messung eine Überwachung der Temperatur des Meßgutes erfolgt.

15.

Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 13 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass aus dem gemessenen zeitlichen Verlauf der Änderung der Temperatur des Sensors

(2) und/oder des Meßgutes die Temperatur des Meßgutes ermittelt wird.

16.

Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 13 bis 15, dadurch gekennzeichnet, dass aus dm gemessenen Wert der Dielektrizitätskonstanten deren tatsächlicher Wert für die Temperatur des Meßgutes ermittelt wird.

Der Vertreter der Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 16 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung, hilfsweise auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 11 gemäß Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung und Zeichnungen wie Patentschrift.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Das Bundespatentgericht bleibt auch nach Wegfall des § 147 Abs. 3 PatG für die Entscheidung über die Einsprüche zuständig, die in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 eingelegt worden sind. Es bestehen weder Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 147 Abs. 3 PatG (BGH GRUR 2007, 859 -Informationsübermittlungsverfahren I), noch berührt die Aufhebung der Bestimmung ihre Geltung für alle bereits tatbestandlich erfassten Fälle (BPatG 19 W (pat) 344/04 und 23 W (pat) 313/03). Nach dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz der perpetuatio fori (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) besteht eine einmal begründete gerichtliche Zuständigkeit vielmehr fort, solange der Gesetzgeber nichts anderes bestimmt hat (BGH GRUR 2007, 862 -Informationsübermittlungsverfahren II; bestätigt durch: BGH GRUR 2009, 184 -Ventilsteuerung).

Nach Rücknahme des Einspruchs endet die Verfahrensbeteiligung der Einsprechenden, das Einspruchsverfahren wird gemäß § 61(1) 2 PatG von Amts wegen ohne die Einsprechende fortgesetzt. Das Patentgericht erforscht dabei den Sachverhalt innerhalb der gestellten Sachanträge von Amts wegen und ist dabei nicht an das Vorbringen der Beteiligten gebunden (§ 87 (1) PatG).

III.

Der rechtzeitig und formgerecht eingelegte Einspruch genügte den Erfordernissen des § 59 Abs. 1 PatG und war zulässig. Denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Einspruch nach § 21 Abs. 1 PatG rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt worden, so dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der geltend gemachten Widerrufsgründe, hier die angegriffene Neuheit und erfinderische Tätigkeit, ohne eigene Ermittlungen ziehen konnten (§ 59 Abs. 1 PatG).

Das ohne die Einsprechende fortzusetzende Verfahren führt zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung der Patentansprüche 1 bis 16 gemäß Hauptantrag.

1. In formaler Hinsicht bestehen gegen die in den Anspruchsfassungen gemäß Hauptund Hilfsantrag vorgenommenen Änderungen und damit betreffend deren Zulässigkeit und ursprüngliche Offenbarung keine Bedenken. Sie ergeben sich aus den Ansprüchen 1 i. V. m. 5, Beschreibung [0013], [0022], [0038] bis [0040], daran anschließend die Unteransprüche 2 bis 4 sowie 6 bis 13, bzw. Anspruch 14 i. V. m. 15 und 16, daran anschließend die Unteransprüche 17 bis 19 der erteilten Fassung bzw. Ansprüche 1, 3 und 6 i. V. m. § 4 Abs. 2, S. 9, Abs. 2, S. 13, Abs. 2 bis S. 14, Abs. 2, daran anschließend die Unteransprüche 2, 4, 5, 7 bis 9 sowie 18 bis 22, bzw. Anspruch 23 i. V. m. den Ansprüchen 24 und 25, daran anschließend die Unteransprüche 26 bis 28 der ursprünglichen Fassung.

Die im Übrigen nicht angegriffene Ausführbarkeit ist im Hinblick auf das anhand von 5 Figuren dargestellte Ausführungsbeispiel gegeben (vgl. DE 101 63 760 B4 [0029] bis [0052]).

2. Eine Messvorrichtung gemäß Patentanspruch 1 in der nach Hauptantrag verteidigten Fassung weist folgende Merkmale auf:

1) Messvorrichtung zum Messen des Zustandes eines Messgutes bestehend aus Ölen und Fetten, 2) mit einem Sensor zum Messen einer elektrischen Eigenschaft des Messgutes 3) der Sensor ist auf einen Träger aufgebracht, 4) mit einem Gehäuse zum Auswerten oder Anzeigen des Messergebnisses, 5) mit einem Trägerteil, das wenigstens Teile der Messelektronik am gehäusenahen Ende des Trägerteils trägt, 5.1) in Form eines Vorverstärkers, 5.2) das Trägerteil besteht aus einem nichtmetallischen Werkstoff, 6) mit einem rohrförmigen Ansatz zwischen dem Sensor und dem Gehäuse, 7) der Sensor steht mit einer Messelektronik in Verbindung über eine oder mehrere elektrische Leitungen, 7.1) wenigstens eine der elektrischen Leitungen ist auf dem Trägerteil im Ansatz angeordnet.

Ein Verfahren gemäß Patentanspruch 13 in der nach Hauptantrag verteidigten Fassung weist folgende Merkmale auf:

A) Verfahren zum Messen des Zustandes eines Messgutes bestehend ausÖlen und Fetten, wobei B) mittels eines Sensors die Dielektrizitätskonstante von Öl oder Fett bestimmtwird, C) der Sensor mit dem flüssigen Messgut in Kontakt gebracht wird, C.1) und das Messgut eine Temperatur hat, bei der es flüssig ist, D) der Sensor eine niedrigere Temperatur als das Messgut hat, E) die Messung der Dielektrizitätskonstanten vorgenommen wird, währendsich der Sensor der Temperatur des Messgutes anpasst, E.1) die Messung wird vorgenommen, bevor der Sensor die Temperatur des Messgutes annimmt, E.2) die Messung erfolgt bei einer vorgegebenen Temperatur, F) aus dem Wert der Dielektrizitätskonstanten der Zustand des Messgutes ermittelt wird.

3. Eine Messvorrichtung zum Messen des Zustandes eines Messgutes gemäß Patentanspruch 1 sowie ein Verfahren zum Messen des Zustandes eines Messgutes gemäß Patentanspruch 13, jeweils nach Hauptantrag, weist gegenüber den im Verfahren befindlichen Druckschriften die erforderliche Neuheit auf und beruht demgegenüber auch auf einer erfinderische Tätigkeit.

a) Aus dem vorgebrachten Stand der Technik kommen die Druckschriften (1) und (9) dem Gegenstand des Streitpatents am nächsten.

Die Druckschrift US 2001/0019271 A1 (1) betrifft ein System und ein Verfahren zur Bestimmung der Zusammensetzung und der Mikrostruktur von Materialien (vgl.

z. B. (1) Ansprüche 1 und 9) bzw. zum Erfassen und Überwachen von Substanzen (vgl. (1) Titel).

Das System bzw. die Messvorrichtung gemäß (1) umfasst verschiedene Arten von Messfühlern/Sensoren zum Messen von elektrischen Eigenschaften des Messgutes, insbesondere auch von dessen Dielektrizitätskonstante, darunter planare Messfühler (vgl. (1) S. 6 li Sp. Abs. 3 bis re Sp. le Abs.), kegelförmige bzw. konische, sich verjüngende Messfühler bzw. Messstäbe, alternativ ausgebildet als koaxiales Gehäuse mit konischem dielektrischem Mantel um einen zentral angeordneten Stab am Eintrittsort der Probenflüssigkeit (vgl. (1) S. 7 re Sp. Abs. 2 bis S. 8 li Sp. Abs. 2), Messfühler mit einem selektiven Absorber bzw. Rezeptor, z. B. Al2O3 zur Feuchtebestimmung (vgl. (1) S. 8 li Sp. Abs. 3 bis S. 9 li Sp. Abs. 3), Messfühler mit integriertem Heizer zur Desorption des absorbierten Materials (vgl.

(1) S. 9 li Sp. Abs. 4 bis S. 10 li Sp. Abs. 2), Patch-Sonden, d. h. Messfühler ohne direktem Kontakt zum Messgut (vgl. (1) S. 12 li Sp. le Abs. bis re Sp. vorle Abs.), schaltbare Messfühler bzw. Sonden (vgl. (1) S. 13 re Sp. Abs. 2 bis S. 14 li Sp. Abs. 2).

Da solche Messvorrichtungen mit einem Sensor zum Messen von elektrischen Eigenschaften des Messgutes gemäß (1) als generell geeignet zur Lebensmittelanalyse und zum Überwachen von Lebensmittelverarbeitungsverfahren, insbesondere auch als geeignet zum Vermessen von fetthaltigem Messgut unter Einsatz eines planaren Messfühlers bzw. einer derartigen Sonde beschrieben sind (vgl. (1) S. 23 re Sp. vorle Abs, insbes S. 24 li Sp. le Abs.), ist die Druckschrift (1) entgegen den Ausführungen der Patentinhaberin -als gattungsgemäß zu erachten (Merkmale 1 und 2).

Auch der für gattungsgemäße Messvorrichtungen eigentlich selbstverständliche Sachverhalt, wonach der Messfühler bzw. Sensor über eine oder mehrere elektrische Leitungen mit einer Messelektronik in Verbindung steht (Merkmal 7) und wonach eine Messvorrichtung in der Regel auch ein Gehäuse zum Auswerten oder Anzeigen des Messergebnisses aufweist (Merkmal 4), lässt sich unmittelbar aus

(1) entnehmen (vgl. (1) S. 14 li Sp. Abs. 4 bis Abs. 6 betreffend einen planaren Messfühler, i. V. m. S. 16 li Sp. Abs. 5 bis re Sp. Abs. 1 i. V. m. Blatt der Fig. 1 bis 2;Fig.6undFig.10 i.V.m.S.14reSp.Abs.6und10i.V.m.S.15reSp.vorle Abs.).

Bei näherer Betrachtung ergibt sich die Anbringung des Sensors bzw. Messfühlers auf einem Träger, der zudem auch Teile der Messelektronik trägt, wobei kein Unterschied zwischen Träger und Trägerteil zu erkennen ist (vgl. (1) Fig. 1 bis 3, insbes 3A) und der Träger bzw. das Trägerteil für den Sensor aus einem nichtmetallischen, nichtleitenden Werkstoff, beispielsweise aus Aluminiumoxid, ausgebildet sein kann (vgl. (1) z. B. S. 16 re Sp. Abs. 2), sodass die Merkmale 3, 5.2 und auch teilweise das Merkmal 5 erfüllt sind.

Nicht zu entnehmen sind der Druckschrift (1) jedoch diejenigen Ausgestaltungen des Merkmals 5 gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents, die sich auf die Anbringung von Teilen der Messelektronik, insbesondere in Form eines Vorverstärkers (Merkmal 5.1), am gehäusenahen Ende des Trägerteils beziehen.

Auch die Gesamtheit der Verfahrensmerkmale gemäß Patentanspruch 13 geht nicht aus der Druckschrift (1) hervor, insbesondere nicht die Merkmale D, E, E.1 und E.2, sodass -neben der Neuheit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 auch die Neuheit des Verfahrens des Patentanspruchs 13 gemäß Hauptantrag gegenüber (1) anzuerkennen ist.

Die Gegenstände der zueinander in Nebenordnung stehenden Patentansprüche 1 und 13 sind in der nunmehr eingeschränkten Fassung auch abgegrenzt und damit neu gegenüber der Lehre der vorveröffentlichten, auf die Patentinhaberin des Streitpatents zurückgehende Druckschrift DE 100 15 516 A1 (9).

Das bezeichnungsgemäße Verfahren gemäß (9) zum Messen des Zustandes von Ölen und Fetten (Merkmal A) benutzt einen Sensor zur Bestimmung der Dielektrizitätskonstante von Öl oder Fett (vgl. (9) z. B. Sp. 7 Z. 56 bis 58 -Merkmal B), wobei der Sensor mit dem flüssigen Messgut in Kontakt gebracht wird und das Messgut deshalb -trivialerweise -eine Temperatur hat, bei der es flüssig ist (vgl.

(9) z. B. Sp. 7 Z. 4 bis 6 -Merkmale C, C.1), wobei der Sensor eine niedrigere Temperatur als das Messgut hat und sich der Temperatur des Messguts anpasst (vgl. (9) z. B. Sp. 6 Z. 57 bis 66 i. V. m. Anspr. 29 -Merkmale D und E). Aus dem geänderten Wert der Dielektrizitätskonstanten wird der Zustand des Messgutes ermittelt (vgl. (9) z. B. Sp. 6 Z. 55 ff. -Merkmal F). Aus (9) geht jedoch nicht hervor, dass die Messung vorgenommen wird, bevor der Sensor die Temperatur des Messgutes annimmt, und dass die Messung bei einer vorgegebenen Temperatur erfolgt (Merkmale E.1 und E.2), sodass die Neuheit des Verfahrens gemäß Patentanspruch 13 gegenüber der Lehre der Druckschrift (9) anzuerkennen ist.

Was die Messvorrichtung gemäß Patentanspruch 1 anbelangt, so handelt es sich, wie bereits der Vergleich der Fig. 1a und 1b aus (9) mit der Fig. 1 der Streitpatentschrift zeigt, um gattungsgleiche Messvorrichtungen zum Messen des Zustands von Ölen und Fetten mit jeweils einem auf einen Träger aufgebrachten Sensor zum Messen einer elektrischen Eigenschaft des Messgutes, der über eine oder mehrere elektrische Leitungen mit einer Messelektronik in Verbindung steht, und mit jeweils einem Gehäuse zum Auswerten oder Anzeigen des Messergebnisses (Merkmale 1 bis 3 sowie 4 und 7).

Zwar ergibt sich aus der Beschreibung der Druckschrift (9), dass der dort als Ansatz (11) bezeichnete Trägerteil mit darauf angeordneten elektrischen Leitungen (Merkmal 7.1) den Sensor tragenden Messkopf (12) mit dem die Anzeige tragenden Gehäuse (10) verbindet und dazu dienen soll, Steuerund Auswerteelektronik von dem Messkopf zu trennen (vgl. (9) Fig. 1a i. V. m. Sp. 5 Z. 53 bis 57, Z. 66 bis 68 sowie Sp. 6 Z. 51 bis 54). Jedoch besteht der Ansatz (11) bzw. das Trägerteil aus einem dünnwandigen Rohr aus Edelstahl und nicht, wie im Streitpatent, aus einem nichtmetallischen Werkstoff, sodass jedenfalls das Merkmal 5.2 aus (9) nicht hervorgeht. Die Messvorrichtung gemäß Patentanspruch 1 ist damit auch neu gegenüber der aus (9) bekannten gattungsgemäßen Vorrichtung.

b) Eine Messvorrichtung gemäß Patentanspruch 1 ergibt sich auch nicht in naheliegender Weise aus den Druckschriften (1) und (9).

Aus der Druckschrift (9) sind unter Bezugnahme auf Fig. 2 zwar Ausführungen dahin zu entnehmen, dass der Phasendiskriminator 74 über einen Verstärker 75 das eigentliche Signal für den Messwert an einem Anschluss A5 zur Verfügung stellt (vgl. (9) Sp. 8 Z. 28 bis 32 i. V. m. Fig. 2). Eine Anordnung von Teilen der Messelektronik in Form des Verstärkers 75 am gehäusenahen Ende des Ansatzes

(11) bzw. des Trägerteils (Merkmale 5 und 5.1) ist daraus jedoch nicht zu entnehmen und ergibt sich nach Ansicht des Senats daraus auch nicht in naheliegender Weise, zumal sich die weitere Messelektronik 7 bzw. die Messbrücke 70, die aus einem Ölresonanzkreis 71 und einem Kompensationskreis 72 besteht, entsprechend der schematischen Darstellung der Fig. 2 aus (9) in der Nähe des Messkopfes bzw. Sensors und damit ebenfalls nicht am gehäusenahen Ende des Trägerteils bzw. Ansatzes angeordnet ist. Anregungen oder konkrete Hinweise zur gehäusenahen Anordnung eines Verstärkers auf einem den Sensor und das Gehäuse verbindenden rohrförmigen Ansatz ergeben sich auch nicht aus der Druckschrift (1), ebenso wenig aus den ferner ab liegenden Druckschriften (2) und (8), die entweder keine relevanten Vorrichtungsteile zu gattungsgemäßen Vorrichtungen beschreibt (2), oder in der ohnehin keine Trennung von Sensorbzw. Messkopf und Anzeigevorrichtung über einen Ansatz bzw. ein Trägerteil vorgesehen ist (8).

Nicht herzuleiten ist aus den vorgebrachten Druckschriften auch ein Verfahren gemäß Patentanspruch 13. Insbesondere geht aus den Druckschriften (1) und (9), die jeweils ein Verfahren zum Messen des Zustandes eines Messgutes bestehend aus Ölen und Fetten betreffen (vgl. (1) S. 23 re Sp. vorle Abs., insbes S. 24 li Sp. le Abs.; (9) Bezeichnung), nicht hervor, dass die Messung vorgenommen wird, bevor der Sensor die Temperatur des oftmals über 200 oC heißen Fettes erreicht hat (Merkmal E.1), und dass die Messung bei einer vorgegebenen Temperatur erfolgt (Merkmal E.2). Während die Druckschrift (1) hierzu überhaupt keinen Anhaltspunkt liefert, ist der Druckschrift (9) zum Messvorgang lediglich zu entnehmen, dass der Messkopf, nach Eingabe der Art des zu messenden Öles, in das heiße Öl gegeben wird und der Messwert nach etwa 10 Sekunden Stablilisierungszeit vom Microcontroller übernommen und über das Display angezeigt wird. Eine Anregung oder eine Hinführung zu den Merkmalen E.1 und E.2 ist darin jedoch nicht zu erkennen, ebenso wenig in den ferner liegenden Druckschriften (2) und (8).

c) Die Patentansprüche 1 und 13 in der nunmehr gegenüber der erteilten Fassung eingeschränkten Fassung des Hauptantrags sind daher gewährbar, mit ihnen auch die darauf unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 12 sowie 14 bis 16, die vorteilhafte Ausgestaltungen darstellen.

4. Aufgrund der Rücknahme des Einspruchs bestand kein Anlass, den seitens der Einsprechenden angebotenen Zeugen zu den aus dem Hause der Einsprechenden stammenden Unterlagen (2) bis (7) zu befragen, und damit auch keine Möglichkeit, das diesbezügliche Vorbringen der Einsprechenden von Amts wegen weiterzuverfolgen.

Feuerlein Schwarz-Angele Egerer Langeprö






BPatG:
Beschluss v. 24.01.2011
Az: 15 W (pat) 366/05


Link zum Urteil:
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