Bundesgerichtshof:
Urteil vom 19. April 2001
Aktenzeichen: I ZR 46/99
(BGH: Urteil v. 19.04.2001, Az.: I ZR 46/99)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 19. April 2001 (Aktenzeichen I ZR 46/99) das Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 2. Dezember 1998 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 17. März 1998 wurde zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.
In dem Verfahren geht es um einen Fachanwalt für Steuerrecht, der sich mit einer Rechtsanwältin und einem Rechtsanwalt zu einer Sozietät zusammengeschlossen hat. Die Sozietät verwendet einen Briefkopf, der die Namen der Sozien und die Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" enthält. Am rechten Rand sind die vollen Namen der Sozien aufgelistet, wobei unter dem Namen des Beklagten der Zusatz "Rechtsanwalt Fachanwalt für Steuerrecht" steht. Der Kläger, der als Steuerberater tätig ist, beanstandet die Verwendung der Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" als wettbewerbswidrig, weil der Beklagte lediglich Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht ist.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat den Beklagten jedoch dazu verurteilt, es zu unterlassen, im beruflichen Verkehr die Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" zu führen.
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Er hat festgestellt, dass die Verwendung der Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" nicht gegen das Sachlichkeitsgebot verstößt. Zwar könnte bei einer isolierten Betrachtung der Bezeichnung der Eindruck erweckt werden, dass auch Steuerberater in der Kanzlei tätig sind. Dieser Eindruck wird jedoch durch die Angabe der beruflichen Qualifikationen am rechten Rand des Briefkopfes beseitigt. Das Berufungsgericht hat zudem zu Recht festgestellt, dass der Briefkopf nicht irreführend ist.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts, mit dem die Klage abgewiesen wurde. Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Urteil v. 19.04.2001, Az: I ZR 46/99
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 2. Dezember 1998 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 17. März 1998 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel trägt der Kläger.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Beklagte ist Fachanwalt für Steuerrecht in H. . Er hat sich mit einer Rechtsanwältin und einem Rechtsanwalt zu einer Sozietät zusammengeschlossen. Die Sozietät verwendet einen -nachfolgend verkleinert wiedergegebenen - Briefkopf, der oben in der Mitte die Namen der Sozien und darunter die Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" enthält. Am rechten Rand des Briefkopfes sind - in kleinerer Schrift - die vollen Namen der Sozien aufgelistet, wobei sich unter dem Namen des Beklagten der Zusatz "Rechtsanwalt Fachanwalt für Steuerrecht" und unter den Namen seiner Sozien der Zusatz "Rechtsanwältin" bzw. "Rechtsanwalt" befindet.
Der Kläger, der in H. als Steuerberater tätig ist, hat die Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" als wettbewerbswidrig beanstandet. Der Beklagte erwecke mit ihrem Gebrauch den Eindruck, er besitze neben der Anwalts- auch die Steuerberaterqualifikation. Dies sei irreführend, weil der Beklagte lediglich Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht sei.
Der Kläger hat zuletzt beantragt, den Beklagten unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im beruflichen Verkehr die Bezeichnung "Steuerkanzlei" zu führen, hilfsweise, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die Bezeichnung "Steuerkanzlei" zu führen, weiter hilfsweise, die Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" zu führen.
Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Er hat die Auffassung vertreten, die beanstandete Bezeichnung sei weder irreführend i.S. des § 3 UWG noch verstoße sie gegen § 1 UWG i.V. mit § 43b BRAO, da er -unstreitig - auf sämtlichen steuerlichen Gebieten, insbesondere auch im Bereich der Buchführung und der Erstellung von Bilanzen, tätig sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, im beruflichen Verkehr die Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" zu führen (OLG Celle OLG-Rep 1999, 295).
Mit seiner (zugelassenen) Revision erstrebt der Beklagte weiterhin Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat das hilfsweise geltend gemachte Unterlassungsbegehren, im beruflichen Verkehr die Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" zu führen, für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Der Unterlassungsanspruch des Klägers sei allerdings nicht wegen Irreführung aus § 3 UWG gerechtfertigt. Zwar sei die oben unterhalb der Namen der Sozien plazierte Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" isoliert betrachtet geeignet, bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck zu erwecken, es handele sich um eine Kanzlei, in der neben Rechtsanwälten auch Steuerberater tätig seien. Die sich hieraus ergebende grundsätzliche Eignung zur Irreführung werde jedoch dadurch beseitigt, daß am rechten Rand des Briefkopfes die Kanzleimitglieder und ihre beruflichen Qualifikationen, im Fall des Beklagten "Rechtsanwalt Fachanwalt für Steuerrecht", aufgelistet seien.
Der beanstandete Briefkopf verstoße aber gegen § 1 UWG i.V. mit § 43b BRAO. Nach § 43b BRAO sei dem Rechtsanwalt Werbung - zu der die Gestaltung und Verwendung des Briefkopfes einer Anwaltskanzlei gehörten -nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichte und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet sei. Dieser Rechtsgrundsatz werde in den §§ 6 bis 10 der am 11. März 1997 in Kraft getretenen Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) in zulässiger Weise konkretisiert. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BORA dürften unabhängig von der Angabe von Fachanwaltsbezeichnungen als Teilbereiche der Berufstätigkeit nur Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt werden. Die Tätigkeitsschwerpunkte könnten auch weit gefaßt sein und beispielsweise das Rechtsgebiet "Steuerrecht" bezeichnen. Voraussetzung für ihre Zulässigkeit sei allerdings nach § 7 Abs. 1 Satz 3 BORA, daß der angegebene Interessen- bzw. Tätigkeitsschwerpunkt als solcher bezeichnet sei. Gegen diese Vorschriften habe der Beklagte mit der Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" verstoßen. Denn der Begriff "Anwalts- und Steuerkanzlei" könne aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nur dahin verstanden werden, daß ein Teilbereich der Tätigkeit der Kanzlei auf dem Gebiet des Steuerrechts liege. Die Angabe wäre daher nur mit der ausdrücklichen Bezeichnung als Interessen- oder Tätigkeitsschwerpunkt zulässig gewesen, die jedoch fehle.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden landgerichtlichen Urteils.
1.
Das Berufungsgericht hat dem Beklagten untersagt, im beruflichen Verkehr die Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" zu führen. Darin kommt an sich nicht zum Ausdruck, daß dem Beklagten nur die von dem Kläger allein beanstandete Verwendung der in Rede stehenden Bezeichnung im Briefkopf verboten werden sollte. Dies ergibt sich aber mit hinreichender Deutlichkeit aus den Urteilsgründen zu § 3 UWG. Denn dort wird die Irreführungsgefahr gerade aufgrund der Angaben am rechten Rand des Briefkopfes als beseitigt angesehen.
2.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstößt der Beklagte mit der Gestaltung und Verwendung des beanstandeten Briefkopfes nicht gegen § 1 UWG i.V. mit § 43b BRAO.
a) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz allerdings zu Recht davon ausgegangen, daß die Gestaltung und Verwendung des in Rede stehenden Briefkopfes als Werbung anzusehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.4.1997 -I ZR 219/94, GRUR 1997, 925, 926 = WRP 1997, 1064 -Ausgeschiedener Sozius, m.w.N.). Der Beklagte zielt mit den Angaben im Briefkopf darauf ab, den Verkehr für die Inanspruchnahme seiner Leistungen zu gewinnen; dies gilt auch für die Bezeichnung als "Anwalts- und Steuerkanzlei". Das Berufungsgericht hat weiter zutreffend angenommen, daß § 43b BRAO, der das anwaltliche Werberecht regelt, durch die §§ 6 bis 10 BORA, die die anwaltlichen Berufspflichten im Zusammenhang mit der Werbung betreffen, in zulässiger Weise konkretisiert wird (BGH, Beschl. v. 26.5.1997 -AnwZ (B) 64/96, WRP 1997, 1074; Beschl. v. 26.5.1997 -AnwZ (B) 67/96, GRUR 1997, 765, 766 = WRP 1997, 949). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt jedoch kein Verstoß gegen Vorschriften der Berufsordnung vor.
b) Die Verwendung der Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" verstößt nicht gegen § 7 BORA. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BORA dürfen unabhängig von der Angabe von Fachanwaltsbezeichnungen als Teilbereiche der Berufstätigkeit nur Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt werden; diese sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 BORA jeweils als solche zu bezeichnen. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, die Angabe "Anwalts- und Steuerkanzlei" könne von den angesprochenen Verkehrskreisen nur dahin verstanden werden, daß ein Teilbereich der Tätigkeit in der Kanzlei des Beklagten auf dem Gebiet des Steuerrechts liege. Es hat daraus jedoch zu Unrecht geschlossen, daß diese Angabe deshalb nur mit der ausdrücklichen Bezeichnung als Interessen- oder Tätigkeitsschwerpunkt zulässig sei. Diese Schlußfolgerung beruht auf der unzutreffenden Annahme, § 7 BORA regele auch die Verwendung von Kanzleibezeichnungen.
Der Bundesgerichtshof hat in einer nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen Entscheidung ausgesprochen, daß § 7 BORA nicht die Verwendung von Kanzleibezeichnungen regelt, mit denen -wie im Streitfall - durch die schlagwortartige Angabe von Teilbereichen anwaltlicher Berufsausübung auf die fachliche Ausrichtung der Kanzlei hingewiesen wird (BGH, Beschl. v. 12.2.2001 -AnwZ (B) 11/00, WRP 2001, 537, 538 -Kanzleibezeichnung; vgl. auch Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl., § 7 BO Rdn. 6; Jessnitzer/Blumberg, BRAO, 9. Aufl., § 43b Rdn. 4; Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 1999, Rdn. 596).
Die Vorschrift des § 7 BORA regelt lediglich die Zulässigkeit von Angaben über Teilbereiche der Berufstätigkeit des einzelnen Rechtsanwalts und besagt nichts zur Zulässigkeit von Angaben über die fachliche Ausrichtung der Kanzlei. Die Benennung von Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkten nach § 7 BORA ist -ebenso wie die Befugnis, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen -an die Person des einzelnen Rechtsanwalts gebunden. Die Regelung in § 7 BORA, daß als Teilbereiche der Berufsausübung nur Interessenund/ oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt werden dürfen und daß diese jeweils als solche zu bezeichnen sind, bezieht sich dementsprechend auf die personenbezogene Kennzeichnung fachlicher Spezialisierungen. Sie sagt demgegenüber nichts darüber aus, ob und welche Angaben über die Wahrnehmung von Teilbereichen anwaltlicher Berufsausübung in anderem Zusammenhang und ohne Anknüpfung an eine besondere fachliche Spezialisierung des einzelnen Rechtsanwalts -namentlich in Zusammenhang mit einer Kanzleibezeichnung -Verwendung finden dürfen (vgl. BGH WRP 2001, 537, 538 -Kanzleibezeichnung).
Die Regelungen in § 7 BORA sind auch nicht dahin auszulegen, daß die Angabe von Teilbereichen anwaltlicher Tätigkeit nur und ausschließlich personengebunden erlaubt und die Verwendung von Teilbereichsbezeichnungen ansonsten -also etwa dann, wenn diese kanzleibezogen sind -verboten ist. Die §§ 6 bis 10 BORA schaffen keine abschließende Regelung zulässiger anwaltlicher Werbung. Schon § 6 Abs. 1 BORA und -ihn überlagernd -§ 43b BRAO legen nicht abschließend fest, welche Informationen über die Dienstleistung eines Rechtsanwalts zulässig sind. Deshalb ist erst recht nicht davon auszugehen, daß § 7 BORA den Bereich der Information über die Ausübung von Teilbereichen der Berufstätigkeit auf die Angabe von personengebundenen Kennzeichnungen der fachlichen Spezialisierung beschränkt (vgl. BGH WRP 2001, 537, 538 -Kanzleibezeichnung).
c) Es ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, daß die Angabe "Anwalts- und Steuerkanzlei" gegen andere Bestimmungen der Berufsordnung für Rechtsanwälte verstößt, die die Berufspflichten im Zusammenhang mit der Werbung betreffen. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen § 9 BORA vor. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BORA darf bei beruflicher Zusammenarbeit in einer Sozietät eine Kurzbezeichnung geführt werden; diese darf nach § 9 Abs. 3 BORA im übrigen nur einen auf die gemeinschaftliche Berufsausübung hinweisenden Zusatz enthalten.
Auch die Vorschrift des § 9 BORA regelt indes nicht die Angabe der fachlichen Ausrichtung einer Sozietät durch eine Kanzleibezeichnung; sie betrifft allein die Kennzeichnung des Tatbestands der beruflichen Zusammenarbeit von Rechtsanwälten (BGH WRP 2001, 537, 538 f. -Kanzleibezeichnung; vgl. auch Feuerich/Braun aaO § 9 BO Rdn. 4). Deshalb rechtfertigt auch die Wendung, die Kurzbezeichnung dürfe "nur" einen auf die gemeinschaftliche Berufsausübung hinweisenden Zusatz enthalten, jedenfalls nicht die Annahme, damit werde zugleich die Unzulässigkeit einer die fachliche Ausrichtung der Sozietät betreffenden Kanzleibezeichnung bestimmt, die neben einer Kurzbezeichnung geführt wird.
3. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung zutreffend angenommen, daß der Briefkopf nicht irreführend ist und daher weder gegen das Irreführungsverbot des § 3 UWG noch gegen das Sachlichkeitsgebot der § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA verstößt (zum Verstoß irreführender Werbung gegen das Sachlichkeitsgebot vgl. Feuerich/Braun aaO § 43b Rdn. 22; Henssler/Prütting/Eylmann, BRAO, § 43b Rdn. 9; Kleine-Cosack aaO Rdn. 172 ff.).
a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die oben in der Mitte des Briefkopfes plazierte Angabe "Anwalts- und Steuerkanzlei" isoliert betrachtet geeignet sei, bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, es handele sich um eine Kanzlei, in der neben Rechtsanwälten auch Steuerberater tätig seien. Das wird von der Revision nicht beanstandet und läßt auch keinen Rechtsfehler erkennen.
Der Wortbestandteil "Anwalt" bezeichnet -wenn auch fachsprachlich nicht korrekt, so doch in umgangssprachlich üblicher Weise -den Beruf des Rechtsanwalts. Bereits aus diesem Grunde ist die Annahme naheliegend, ein rechtlich relevanter Teil der angesprochenen Personen werde den nachfolgenden Wortbestandteil "Steuer" gleichfalls auf einen Beruf, nämlich den des Steuerberaters, und nicht etwa auf ein Rechtsgebiet, das Steuerrecht, beziehen. Da es weiten Teilen des rechtsuchenden Publikums nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts zudem bekannt ist, daß es Kanzleien gibt, in denen neben Rechtsanwälten auch Steuerberater tätig sind, widerspricht es jedenfalls nicht der Lebenserfahrung anzunehmen, die Angabe "Anwalts- und Steuerkanzlei" werde von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise dahin verstanden, daß es sich um eine Kanzlei handelt, in der sich Rechtsanwälte und Steuerberater zur gemeinsamen Berufsausübung zusammengeschlossen haben (vgl. BGH, Beschl. v. 30.11.1998 -NotZ 29/98, NJW 1999, 428 zur Bezeichnung "Rechtsanwalts- und Notarkanzlei").
Der Annahme eines dahingehenden Verkehrsverständnisses steht -wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - nicht entgegen, daß der Beklagte als Rechtsanwalt ebenso wie ein Steuerberater zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist (vgl. § 3 Nr. 1 StBerG) und daß die Bezeichnung "Steuerkanzlei" von Steuerberatern nicht geführt werden darf (vgl. § 43 Abs. 4 Satz 2 StBerG und Gehre, Steuerberatungsgesetz, 4. Aufl., § 43 Rdn. 28). Denn die Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes, aus denen sich dies ergibt, sind den angesprochenen Personen im allgemeinen nicht geläufig.
b) Das Berufungsgericht hat des weiteren angenommen, die -bei isolierter Betrachtung der Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" gegebene Eignung zur Irreführung werde dadurch beseitigt, daß am rechten Rand des Briefkopfes die Kanzleimitglieder und ihre beruflichen Qualifikationen, im Fall des Beklagten "Rechtsanwalt Fachanwalt für Steuerrecht", aufgelistet seien. Das wird von der Revisionserwiderung ohne Erfolg angegriffen. Ihr ist nicht darin beizutreten, daß die Einzelbezeichnungen "Rechtsanwalt" und "Fachanwalt für Steuerrecht" unterhalb der Namen der in der gemeinsamen Kanzlei tätigen Rechtsanwälte hinter der im Briefkopf enthaltenen schlaglichtartigen Angabe "Anwalts- und Steuerkanzlei" zurückträten (vgl. auch OLG Dresden WRP 1995, 328 zur alleinigen Verwendung der Bezeichnung "Steuerkanzlei").
Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die oben in der Mitte des Briefkopfes angeordnete und in größerem Druck gehaltene Bezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" dem Durchschnittsleser als erstes ins Auge springe. Dennoch hat es angenommen, daß die Angabe der Kanzleimitglieder und ihrer beruflichen Qualifikationen am rechten Rand des Briefkopfes zur Klarstellung ausreiche. Das Berufungsgericht hat sich dabei von der Erwägung leiten lassen, daß für die Beurteilung der Irreführungsgefahr im vorliegenden Fall -anders als etwa im Fall einer Werbung für einen alltäglichen Konsumartikel mit einer Zeitungsanzeige -nicht auf einen flüchtigen und unkritischen Verbraucher abgestellt werden könne. Hier würden Personen angesprochen, die an einer Beratung in steuerrechtlichen Fragen interessiert seien und insbesondere steuerlich relevante Angelegenheiten einer bestimmten Kanzlei anvertrauen wollten. Dieser Adressatenkreis werde die wenigen und insgesamt noch übersichtlichen Angaben auf dem Briefkopf umfassend zur Kenntnis nehmen und daraus den richtigen Schluß ziehen, daß in dem Kanzleienverbund ein Fachanwalt für Steuerrecht, nicht aber ein Steuerberater tätig sei. Denn es liege nahe, daß bei der Auflistung der beruflichen Qualifikationen ein Steuerberater bereits aus Werbegründen mit angegeben worden wäre. Diese tatrichterliche Würdigung, die vom Revisionsgericht im wesentlichen nur darauf überprüft werden kann, ob sie gegen Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verstößt und ob sie mit der allgemeinen Lebenserfahrung in Einklang steht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Bei der Ermittlung des zur Beurteilung der Irreführungsgefahr maßgeblichen Verkehrsverständnisses hat das Berufungsgericht zutreffend auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher abgestellt. Der Grad seiner Aufmerksamkeit ist abhängig von der jeweiligen Situation und vor allem von der Bedeutung, die die beworbenen Waren oder Dienstleistungen für ihn haben. Die Aufmerksamkeit, die der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher einer Werbung zuwendet, wird beispielsweise bei geringwertigen Gegenständen des täglichen Bedarfs oder beim ersten Durchblättern von Werbebeilagen und Zeitungsanzeigen regelmäßig eher gering, d.h. flüchtig sein, wobei sich die Begriffe "flüchtig" und "verständig" allerdings nicht gegenseitig ausschließen. Handelt es sich demgegenüber um nicht völlig geringwertige Waren oder Dienstleistungen, so wird die Werbung mit entsprechend größerer Aufmerksamkeit wahrgenommen (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.1999 -I ZR 167/97, GRUR 2000, 619, 621 = WRP 2000, 517 -Orient-Teppichmuster).
Die hier in Rede stehenden Dienstleistungen -die Besorgung von Rechtsangelegenheiten und die Hilfeleistung in Steuersachen - sind weder von geringem Wert noch besteht an ihnen ein täglicher Bedarf. Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der an einer Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen interessiert ist, wird eine entsprechende Werbung daher in der Regel nicht nur flüchtig betrachten, sondern sich ihr mit zumindest normaler Aufmerksamkeit zuwenden. Er wird dann zwar auf den ersten Blick die oben in der Mitte des Briefkopfes angeordnete und in größerem Druck gehaltene Angabe "Anwalts- und Steuerkanzlei" wahrnehmen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung wird er sich bei vorhandenem Interesse jedoch auch mit der Angabe der Kanzleimitglieder und ihrer beruflichen Qualifikationen am rechten Rand des Briefkopfes befassen. Aus diesen Angaben wird -jedenfalls bei einem so übersichtlich gestalteten Briefkopf wie hier mit nur drei Rechtsanwälten - hinreichend deutlich, daß mit dem Beklagten nur ein Fachanwalt für Steuerrecht in dem überörtlichen Kanzleienverbund tätig ist, auf den sich die Bezeichnung "Steuerkanzlei" ersichtlich bezieht.
Aus diesem Grund kann auch offenbleiben, ob die Kanzleibezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei" -für sich genommen -deshalb als irreführend anzusehen ist, weil in der aus zwei Kanzleien und drei Rechtsanwälten bestehenden Sozietät nur einer der Rechtsanwälte in nur einer der Kanzleien befugt ist, die Bezeichnung eines Fachanwalts für Steuerrecht zu führen (vgl. Jessnitzer/ Blumberg aaO § 43b Rdn. 4; Kleine-Cosack aaO Rdn. 596). Auch der Gefahr eines dahingehenden Irrtums wirkt der vom Beklagten verwendete Briefkopf hinreichend entgegen, da er in der rechten Randspalte -wie bereits dargelegt ausreichend deutlich zum Ausdruck bringt, daß der Beklagte der einzige Fachanwalt für Steuerrecht in der überörtlichen Sozietät ist.
Die Revisionserwiderung rügt auch ohne Erfolg, das Berufungsgericht hätte zur Feststellung des Verkehrsverständnisses das demoskopische Gutachten einholen müssen, das der Kläger als Beweis für seine Behauptung, ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs entnehme der Bezeichnung "Steuerkanzlei" die Aussage, daß in der Kanzlei ein Steuerberater tätig sei, angeboten habe. Das Berufungsgericht hat ein derartiges Verkehrsverständnis gerade zugrunde gelegt. Im übrigen gehören die Mitglieder des Berufungsgerichts zu dem von der Werbung angesprochenen Personenkreis, so daß sie den Aussagegehalt der beanstandeten Angabe aufgrund eigener Anschauung und Lebenserfahrung grundsätzlich selbst beurteilen können.
III. Danach war auf die Revision des Beklagten das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben. Die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende landgerichtliche Urteil war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
BGH:
Urteil v. 19.04.2001
Az: I ZR 46/99
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