Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 25. Mai 2005
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 7/05
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 25.05.2005, Az.: VI-U (Kart) 7/05)
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 28. April 2004 verkün-dete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hö-he leistet.
III. Die Beschwer der Beklagten und der Streitwert für das Beru-fungsverfahren werden auf jeweils 23.630,95 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin unterhält das bundesweite Mobilfunknetz .. Aufgrund (Endkunden-) Vertrages vom 3. September 2002 stellte sie der Beklagten insgesamt 180 SIM-Karten zum Betrieb von Mobilfunktelefonen zur Verfügung. Ohne Wissen der Klägerin setzte die Beklagte die SIM-Karten in sog. GSM-Wandler ein. Diese Geräte wandeln Telefonate aus dem Festnetz in Mobilfunkgespräche, damit der Anruf anschließend - ohne das ansonsten übliche Entgelte für die Terminierung (Einspeisung) eines Festnetzgesprächs in das Mobilfunknetz - an den gewünschten Mobilfunkkunden weitergeleitet werden kann.
Nachdem die Klägerin von dieser Kartennutzung Kenntnis erlangt hatte, hat sie unter Hinweis auf ihre Vertragsbedingungen die SIM-Karten der Beklagten gesperrt und das Vertragsverhältnis fristlos gekündigt. Ziffer 5.2 der "Allgemeinen Geschäftsbedingungen für V. .-Mobilfunkdienstleistungen" lautet:
"Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund für V. liegt insbesondere vor, wenn aufgrund äußerer Umstände davon auszugehen ist, dass Mobilfunkdienstleistungen missbräuchlich in Anspruch genommen werden. Liegt ein wichtiger Grund vor, ist V. ferner befugt, die Zugangsberechtigung des Kunden zu V.-Diensten mit sofortiger Wirkung zu sperren."
Ziffer 1.3 Abs. 3 der Leistungsbeschreibung bestimmt in diesem Zusammenhang:
"Unzulässig ist jede Weiterleitung von Verbindungen, insbesondere die Erbringung von Zusammenschaltungsleistungen, über die V.-Karte, sofern die vom Anrufenden ursprünglich gewählte Zielnummer nicht die V.-Nummer des Kunden ist."
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung des Entgelts für die SIM-Karten-Nutzung in der Zeit zwischen dem 22. September bis zum 21. Dezember 2002 in Anspruch. Nachdem die Parteien vorgerichtlich über die Höhe des Vergütungsanspruchs gestritten hatten, hat die Klägerin zunächst einen Betrag von 70.164,82 EUR eingeklagt. Im Verlauf des Rechtsstreits hat sie ihre Forderung auf 23.630,95 EUR reduziert. Diesen Betrag hat die Beklagte in der Klageerwiderung zunächst als berechtigt bezeichnet, im weiteren Gang des Verfahrens den Vergütungsanspruch aber mit dem Argument in Frage gestellt, die Kägerin habe eine zu hohe Minutenanzahl berechnet. Überdies reklamiert die Beklagte ein Leistungsverweigerungsrecht. Sie macht dazu im Wesentlichen geltend, die zur Deaktivierung der SIM-Karten berechtigenden vertraglichen Regelungen der Klägerin verstießen gegen Art. 82 EG, §§ 19, 20 GWB und seien daher gemäß § 134 BGB unwirksam. Für die Regelung in Ziff. 1.3 Abs. 3 der Leistungsbeschreibung der Klägerin gebe es keinen sachlichen Grund. Die Klägerin verfolge durch den Ausschluß der Verwendung der SIM-Karten in GSM-Gateways allein den Zweck, ihre Monopolpreisstrategie für die Terminierung von Gesprächen vom Festnetz in ihr eigenes Mobilfunknetz abzusichern. Ihr Einwand, dass die in Rede stehende Nutzung der SIM-Karten die Integrität des Mobilfunknetzes störe, sei unzutreffend. Bis heute sei es zu keinerlei Netzstörungen gekommen.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat die Höhe der Vergütungsforderung der Klägerin als nicht hinreichend bestritten angesehen und ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten verneint, weil die Klägerin aus Rechtsgründen nicht gehindert sei, die von der Beklagten beabsichtigte Verwendung der SIM-Karten vertraglich auszuschließen.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Berufungsvorbringen im Einzelnen entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Das Landgericht hat mit Recht die Beklagte zur Zahlung von 23.630,95 EUR nebst Zinsen verurteilt und das von der Beklagten geltend gemachte Leistungsverweigerungsrecht abgelehnt. Die dagegen gerichteten Berufungsangriffe sind unbegründet.
A. Die Beklagte schuldet der Klägerin aus der Nutzung der ihr überlassenen SIM-Karten für die Zeit vom 22. September bis zum 21. Dezember 2002 eine Vergütung in Höhe von 23.630,95 EUR (§ 611 Abs. 1 BGB).
Im Ergebnis zutreffend ist das Landgericht dem Einwand der Beklagten, sie habe die Telekommunikationsdienste der Klägerin in einem geringeren als dem abgerechneten Umfang - nämlich lediglich 505.377,76 Minuten statt der in Rechnung gestellten 541.293,83 Minuten - in Anspruch genommen, nicht nachgegangen. Eine Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Verteidigungsvorbringen der Beklagten ist zwar nicht deshalb entbehrlich, weil - wie das Landgericht meint - die Höhe der Klageforderung nicht hinreichend substantiiert bestritten worden sei und sie deshalb im Prozess als unstreitig zu gelten habe. Der Beklagten ist es indes unter den besonderen Umständen des Falles aus Rechtsgründen verwehrt, die Vergütungsforderung der Klägerin in Bezug auf die Anzahl der berechneten Gesprächsminuten in Zweifel zu ziehen. Denn die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung die Klagesumme in Höhe eines Betrages von 23.630,95 EUR ausdrücklich als berechtigt anerkannt und lediglich die darüber hinausgehende Vergütungsforderung mit dem Argument angegriffen, die Klägerin habe einen zu hohen Minutenpreis abgerechnet. Aus dieser Erklärung durfte die Klägerin den Willen der Beklagten ableiten, den noch vorprozessual mit E-Mail vom 19. November 2002 sowie mit den beiden Schreiben vom 15. Januar 2003 (Anlage B 8) geltend gemachten Einwand der unzutreffenden Minutenzahl fallen lassen und das Abrechnungsverhältnis der Parteien in diesem Punkt außer Streit stellen zu wollen. Die Äußerung der Beklagten erschöpfte sich nicht bloß in der Kundgabe einer Rechtsansicht gegenüber dem Gericht (vgl. BGH, NJW 2002, 1041). Sie war vielmehr auch (und vor allem) darauf gerichtet, gegenüber der Klägerin die prozessbefangene Vergütung in Höhe von 23.630,95 EUR streitlos zu stellen. Diese Intention musste sich für die Klägerin umso mehr deshalb aufdrängen, weil die Beklagte in ihrer Klageerwiderung zuvor ausführlich die vorgerichtliche Korrespondenz der Parteien über die Berechtigung der Vergütungsforderung und die in diesem Zusammenhang erhobenen Einwände eines unzutreffenden Minutenpreises sowie einer überhöhten Minutenzahl geschildert hatte. Der an diese Sachdarstellung anschließenden Erklärung der Beklagten, der eingeklagte Zahlungsanspruch sei in Höhe von 23.630,95 EUR berechtigt und werde lediglich wegen des überschießenden Betrages deshalb beanstandet, weil die Klägerin einen zu hohen Minutenpreis berechnet habe, war bei verständiger Würdigung zu entnehmen, dass die vorgerichtlich geäußerte Beanstandung einer überhöhten Minutenzahl aufgegeben und die Vergütungsforderung der Klägerin dementsprechend in Höhe von 23.630,95 EUR außer Streit gestellt werde. Aufgrund dieses deklaratorischen Schuldanerkenntnisses analog § 781 BGB ist die Beklagte mit dem Einwand, die Klägerin habe eine überhöhte Minutenzahl abgerechnet und deshalb weniger als die verlangten 23.630,95 EUR zu beanspruchen, präkludiert (vgl. nur BGH, NJW 2000, 2501, 2502 m.w.N.). Ihr ist in gleicher Weise der - materiellrechtlich ohnehin unzutreffende - Einwand abgeschnitten, der genannte Forderungsbetrag sei mangels Übersendung korrigierter Rechnungen noch nicht zur Zahlung fällig.
Damit ist zugleich dem Vorwurf der Beklagten die Grundlage entzogen, die Klägerin habe ihre Klageforderung nicht hinreichend substantiiert, weil angesichts der Differenz zwischen den abgerechneten und den von ihr (der Beklagten) intern erfassten Gesprächsminuten eine detaillierte Aufschlüsselung der Vergütungsforderung an Hand von Einzelverbindungsnachweisen erforderlich sei.
B. Die Beklagte kann sich gegenüber der Klageforderung nicht auf ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB berufen. Die Klägerin ist - entgegen der Ansicht der Berufung - nicht verpflichtet, die gesperrten SIM-Karten wieder zu aktivieren.
1. Die Klägerin war nach dem Wortlaut von Ziffer 5.2. Satz 3 ihrer "Allgemeinen Geschäftsbedingungen V. .-Dienstleistungen" (Anlage K 3) i.V.m. Abschnitt 1. 3. Absatz 3 der Leistungsbeschreibung (Anlage K 2) berechtigt, die SIM-Karten der Beklagten wegen missbräuchlicher Nutzung zu sperren.
Nach Ziffer 5.2. Satz 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen darf die Klägerin die Zugangsberechtigung zu den - vorliegend in Rede stehenden - V. .-Diensten mit sofortiger Wirkung sperren, wenn der Kunde die ihm zur Verfügung gestellten Dienstleistungen missbräuchlich nutzt. Eine missbräuchliche Nutzung liegt gemäß Abschnitt 1.3. Absatz 3 der genannten Leistungsbeschreibung vor, wenn die SIM-Karte zur Weiterleitung von Verbindungen, insbesondere die Erbringung von Zusammenschaltungsleistungen, genutzt wird, sofern die vom Anrufenden ursprünglich gewählte Zielnummer nicht die V.-Nummer des Kunden ist. Die Beklagte hat von den ihr überlassenen SIM-Karten missbräuchlichen Gebrauch gemacht. Durch den Einsatz in sog. GSM-Wandler hat sie die SIM-Karten zur Weiterleitung von Telefonverbindungen aus dem Festnetz in das Mobilfunknetz der Klägerin benutzt. Diese Verwendung zu Zwecken der Gesprächsweiterleitung war nicht - wie die Beklagte meint - deshalb vertragskonform, weil der Anrufende als Zielnummer stets die V.-Nummer des von ihm gewünschten Gesprächspartners wähle. Abschnitt 1.3. Absatz 3 der Leistungsbeschreibung gestattet die Weiterleitung von Telefonverbindungen mittels SIM-Karten nur dann, wenn die ursprüngliche Zielnummer des Anrufenden die V.-Nummer des SIM-Karten-Kunden - d.h. im Streitfall diejenige der Beklagten - ist. Gerade daran fehlt es.
2. Die genannten Vertragsbestimmungen zur Sperrung missbräuchlich genutzter SIM-Karten sind rechtsgültig. Sie sind weder nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen deutsches oder europäisches Kartellrecht nichtig noch als Formularklausel gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam. Sie verstoßen ebenso wenig gegen § 1 UWG.
a) Das vertraglich vereinbarte Verbot, die im Rahmen eines Endkundenvertrages überlassenen SIM-Karten zur Weiterleitung von fremden Gesprächsverbindungen einzusetzen, verletzt nicht nationales Kartellrecht.
Zwar ist die Klägerin - wie der Senat bereits entschieden hat (Urt. v. 24.3.2004 - VI-U(Kart) 35/03 Umdruck Seite 10/11; vgl. auch: KG, WuW/E DE-R 1274, 1276 - GSM-Gateway; OLG München, Urt. v. 22.4.2004 - U (K) 1582/04 Umdruck Seite 8) - auf dem zur Beurteilung stehenden Angebotsmarkt der Terminierung von Telefongesprächen aus dem Festnetz in ihr eigenes .-Mobilfunknetz marktbeherrschend (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB). Ein Festnetzbetreiber, der - ausgelöst durch einen Anruf seines Kunden - die Zustellung eines Telefonats in das Netz der Klägerin nachfragt, muss nämlich nach den gegenwärtigen Marktverhältnissen zwingend die Dienste der Klägerin in Anspruch nehmen. Die Terminierungsdienstleistungen anderer Mobilfunknetzbetreiber scheiden als Substitutionsmöglichkeit aus, weil diese Netzbetreiber lediglich Telefonate in ihr eigenes Netz vermitteln, aber nicht den vom anrufenden Festnetzteilnehmer gewünschten Gesprächspartner im Mobilfunknetz der Klägerin erreichen können. Dienstleister, die - wie die Beklagte - mit Hilfe eines GSM-Wandlers unter Einsatz von SIM-Karten Festnetzgespräche in das Mobilfunknetz der Klägerin vermitteln, kommen als Bezugsalternative gleichermaßen nicht in Betracht, weil die Klägerin eine derartige Nutzung ihrer SIM-Karten vertraglich verbietet und - sofern ihr eine missbräuchliche Kartenverwendung bekannt wird - durch sofortige Sperrung der betreffenden Karte unterbindet.
Durch die Vertragsregelungen, die den Einsatz von SIM-Karten für die Weiterleitung von Telefongesprächen in das .-Netz untersagen und im Falle der Zuwiderhandlung die umgehende Sperrung der SIM-Karte gestatten, missbraucht die Klägerin indes nicht ihre marktbeherrschende Stellung.
aa) Eine Diskriminierung (§ 20 Abs. 1 2. Alt. GWB) zum Nachteil der Beklagten findet nicht statt.
Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Klägerin einigen ihrer Großkunden die Verwendung sog. Corporate GSM-Gateways gestattet, um Telefongespräche von der eigenen Telekommunikationsanlage an ihre Mitarbeiter in das Mobilfunknetz der Klägerin weiterzuleiten. Es fehlt - wie der Senat bereits entschieden hat (a.a.O. Umdruck Seite 13; ebenso: KG, a.a.O. Seite 1278; OLG München, a.a.O. Umdruck Seite 9) - an der Gleichartigkeit der beiden Unternehmen. Während die genannten Großkunden der Klägerin die Gesprächsweiterleitung in das .-Netz ausschließlich im unternehmensinternen Bereich nutzen, um den eigenen Telefonverkehr zwischen der Festnetzzentrale und den mit einem Mobilfunktelefon ausgestatteten Mitarbeitern abzuwickeln, will die Beklagte als gewerbliche Dienstleisterin fremde Gespräche vom öffentlichen Festnetz in das Mobilfunknetz der Klägerin weiterleiten. Die Beklagte beabsichtigt damit eine gänzlich andere unternehmerische Betätigung als die Großkunden der Klägerin. Während sie selbst die Dienstleistung der Telefonweiterleitung "handeln" will, nutzen die Großkunden die Corporate GSM-Gateways alleine zu betriebseigenen Zwecken.
Eine Diskriminierung lässt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch nicht mit dem Hinweis auf den T.-Tarif "D." rechtfertigen. Wie sich aus den tatbestandlichen Feststellungen des Kammergerichts (a.a.O. Seite 1274) ergibt, liegt diesem Tarif lediglich eine Transitleistung und nicht darüber hinaus auch eine Terminierungsleistung der "D. T. AG" (nachfolgend: D.) zugrunde. Das Kammergericht hat zur Weiterleitung von Telefonaten aus einem Festnetz in ein Mobilfunknetz unter Inanspruchnahme des Tarifs "D." ausgeführt, dass das Festnetz der D. in diesem Fall als Transitnetz eingesetzt werde. Da alle vier GSM-Mobilfunknetzbetreiber an das T.netz angeschlossen seien, könne ihnen ein Telefongespräch aus einem - mit dem T.netz konkurrierenden - Festnetz dadurch zugestellt werden, dass sich der betreffende Festnetzbetreiber ebenfalls an das T.netz anschließen lasse. Das T.netz werde in diesem Fall als Transitnetz zwischen dem vom Anrufenden genutzten Festnetz und dem vom gewünschten Gesprächspartner benutzten Mobilfunknetz verwendet. Mit dem Tarif "D." berechne die D. für diese Art der Anrufweiterleitung ein Entgelt, das sich aus einem geringen Transitkostenanteil und einem hohen Terminierungsentgelt zusammensetze. Der Transitanteil für die Inanspruchnahme des T.netzes stehe der D. zu und unterliege der Preisregulierung nach den Bestimmungen des TKG; das Terminierungsentgelt für die Einspeisung des Gesprächs in das Mobilfunknetz werde vom jeweiligen Netzbetreiber autonom festgesetzt und von der D. an diesen abgeführt. Bei dieser Sachlage ist der Vorwurf der Beklagten, die Klägerin gestatte zwar der T., nicht aber ihr (der Beklagten) selbst die Terminierung von Telefongesprächen aus einem Festnetz in das .-Netz, unberechtigt. Nach der Konzeption des Tarifs "D." wird die Terminierungsleistung nicht von der D., sondern vom jeweiligen Mobilfunknetzbetreiber selbst - vorliegend also von der Klägerin - erbracht und berechnet.
bb) Die streitbefangenen Vertragsklauseln bewirken oder bezwecken ebenso wenig eine sachlich nicht gerechtfertigte, unbillige Wettbewerbsbehinderung der Beklagten (§§ 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 1. Alt. GWB).
Allerdings beeinträchtigt das vertraglich vorgesehene Verbot, die SIM-Karten zur Terminierung von Festnetztelefonaten in das Mobilfunknetz der Klägerin einzusetzen, die wettbewerblichen Betätigungsmöglichkeiten der Beklagten in erheblicher Weise. Die Beklagte wird durch diese Verwendungsbeschränkung an der von ihr angestrebten - und bis zur Kartensperrung auch tatsächlich ausgeübten - wirtschaftlichen Leistung gehindert, für deutsche Festnetzbetreiber Telefonverbindungen in das Mobilfunknetz der Klägerin weiterzuleiten. Diese Wettbewerbsbeschränkung ist indes sachlich gerechtfertigt. Dabei kann es auf sich beruhen, ob die Klägerin eine Anrufweiterleitung unter Einsatz ihrer SIM-Karten schon deshalb vertraglich unterbinden darf, weil hierdurch die Integrität ihres Mobilfunknetzes gefährdet wird (vgl. hierzu Senatsurteil, a.a.O. Umdruck Seite 16 f.). Eine hinreichende Rechtfertigung findet die Verwendungsbeschränkung jedenfalls in der Befugnis der Klägerin, über Art und Umfang ihrer Betätigung am Markt selbst zu entscheiden und fremde Konkurrenz nicht fördern zu müssen (ebenso: KG, a.a.O. Seite 1278; OLG München, a.a.O. Umdruck Seite 11).
Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass es auch einem marktbeherrschenden Unternehmen nicht verwehrt ist, die Art seiner wirtschaftlichen Betätigung selbst zu bestimmen und den Absatz seiner Erzeugnisse nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie er es für wirtschaftlich richtig und vernünftig hält (BGH, WuW/E BGH 2953, 2964 - Gasdurchleitung; WuW/E BGH 2535, 2539/2540 - Lüsterbehangsteine). Darüber hinaus besteht der allgemeine Grundsatz, dass kein Wettbewerber verpflichtet ist, einen Konkurrenten zum eigenen Schaden zu fördern (BGH, WuW/E DE-R 1251, 1253/1254 - Galopprennübertragung; WuW/E BGH 2953, 2964 - Gasdurchleitung; WuW/E BGH 2755, 2759 - Aktionsbeiträge). Dementsprechend können einem Marktbeherrscher nicht solche Maßnahmen abverlangt werden, die für ihn mit der unmittelbaren Gefahr eines Kundenverlustes an den begünstigten Wettbewerber verbunden sind (vgl. BGH, WuW/E BGH 2953, 2964 - Gasdurchleitung). Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist die Klägerin im Entscheidungsfall nicht gehalten, der Beklagten den Einsatz der SIM-Karten zur Terminierung von Telefonaten aus dem Festnetz zu gestatten. Eine derartige Kartenverwendung wäre für die Klägerin mit dem direkten Risiko verbunden, Terminierungskunden an die Beklagte zu verlieren. Derzeit können Festnetzgespräche ausschließlich über die Terminierungsdienste der Klägerin - und zwar entweder zu deren "Inter-Connection-Tarif" für Festnetzbetreiber oder unter Einschaltung des T.-Netzes als Transitnetz zum Tarif "D.", der neben dem Transitentgelt für die D. eine separate Vergütung für die Terminierungsdienste der Klägerin enthält - in das .-Netz zugestellt werden. Infolge dessen ist die Klägerin auf dem Markt für die Terminierung von Festnetzgesprächen in ihr Mobilfunknetz bislang ohne Wettbewerber. Müsste sie hinnehmen, dass die Beklagte die ihr überlassenen SIM-Karten zur Einspeisung von Festnetzanrufen in das .-Netz verwendet, wäre die Klägerin auf dem Terminierungsmarkt nunmehr einem Wettbewerb ausgesetzt und liefe Gefahr, Terminierungskunden an die Beklagte zu verlieren. Zu einem solchen eigenschädigenden Verhalten ist - wie vorstehend dargelegt - auch ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht verpflichtet.
Soweit der Senat in seinem Urteil vom 24. März 2004 (a.a.O. Umdruck Seite 15) diesbezüglich Zweifel geäußert und angenommen hat, der Einsatz der SIM-Karten zu Terminierungszwecken lasse beim Tarif "D." alleine auf Seiten der D. einen Kundenverlust befürchten, während der Klägerin lediglich das im Tarif "D." enthaltene Terminierungsentgelt verloren gehe, hält er daran nicht fest. Jene frühere Beurteilung beruhte maßgeblich auf der - dem damaligen Prozesstoff entsprechenden - Annahme, dass nach dem Geschäftsmodell der Beklagten nur die D. - deren Festnetz als Transitnetz entbehrlich wird - Kunden verliere, während die Klägerin nach wie vor an der Terminierung insofern beteiligt sei, als sie ihr Mobilfunknetz zur Weiterleitung der Telefongespräche zur Verfügung stelle. Der Unterschied zu der bisherigen Handhabung der Gesprächsterminierung bestehe - so hat der Senat weiter ausgeführt - lediglich darin, dass das Festnetztelefonat technisch und preislich auf der Basis eines Gesprächs zwischen zwei Mobilfunkendkunden - und folglich ohne das ansonsten anfallende Terminierungsentgelts - zugestellt werde. Nach dem Sach- und Streitstand des hiesigen Verfahrens kann an diese rechtliche Beurteilung nicht aufrecht erhalten werden. Die von der Beklagten angestrebte Verwendung der SIM-Karten wandelt das an den Mobilfunkkunden der Klägerin weiterzuleitende Festnetztelefonat in ein Mobilfunkgespräch um mit der Folge, dass die bei einem Festnetzanruf an sich erforderliche Terminierungsleistung der Klägerin entfällt. Vor diesem Hintergrund würde eine Freigabe der SIM-Karten für Zwecke der Weiterleitung von Festnetzgesprächen in das .-Netz direkte nachteilige Auswirkungen auf das Terminierungsgeschäft der Klägerin haben. In demselben Umfang, wie die Dienstleistungen der Beklagten in Anspruch genommen werden, werden die Terminierungsdienste der Klägerin entbehrlich. So betrachtet läuft das Geschäftsmodell der Beklagten unmittelbar auf einen Kundenverlust der Klägerin im Terminierungsgeschäft hinaus.
cc) Die Verwendungsbeschränkung der Klägerin widerspricht schließlich nicht § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 GWB. Nach der genannten Vorschrift liegt ein Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter einer gewerblichen Leistung sich weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Netzen zu gewähren, wenn es dem anderen Unternehmen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne Mitbenutzung nicht möglich ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens tätig zu werden. Der Anwendung von § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 GWB steht bereits entgegen, dass die Beklagte nicht auf einem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber der Klägerin, sondern auf demselben Endmarkt - nämlich dem Markt für die Herstellung von Verbindungen zwischen einem Festnetzanschluss zu einem Mobiltelefonkunden der Klägerin - tätig werden will (Senat, a.a.O. Umdruck Seite 11; ebenso: KG, a.a.O. Seite 1277). Dass die Festnetzanrufe beim Einsatz eines GSM-Wandler nicht auf dem herkömmlichen Wege einer Terminierung in das Mobilfunknetz der Klägerin weitergeleitet werden, sondern sie nach Umwandlung in ein Mobilfunkgespräch eingespeist werden, ist - anders als die Berufung meint - ohne Bedeutung. Denn hierdurch wird nicht in Frage gestellt, dass die Beklagte ein Festnetztelefonat in das Mobilfunknetz der Klägerin einspeist. Es kommt hinzu, dass § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 GWB den Marktbeherrscher nur dazu verpflichtet, seine Infrastruktureinrichtungen gegen ein angemessenes Entgelt zu überlassen. Indes ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass diejenige Vergütung, die ein Endkunde für die Nutzung einer SIM-Karte zu entrichten hat und welche die Beklagte im Rahmen des reklamierten Leistungsverweigerungsrechts zu zahlen bereit ist, das angemessene Entgelt für den begehrten Zugang zum Mobilfunknetz der Klägerin im Sinne von § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 GWB abdeckt (ebenso: OLG München, a.a.O. Umdruck Seite 10).
b) Das vertragliche Verbot, mit Hilfe der überlassenen SIM-Karten Festnetzgespräche in das .-Netz einzuspeisen, verstößt in gleicher Weise nicht gegen europäisches Kartellrecht. Die mit den streitbefangenen Vertragsbestimmungen verbundene Wettbewerbsbeeinträchtigung (Art. 82 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) EG) ist nicht missbräuchlich, weil sie durch die Befugnis der Klägerin gedeckt ist, die eigene Vertriebspolitik autonom bestimmen zu können und fremden Wettbewerb nicht zum eigenen Schaden unterstützen zu müssen. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen zum deutschen Kartellrecht verwiesen werden; sie gelten hier gleichermaßen. Aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in Sachen "British Telecommunications" (EuGH Slg 1985, 873, 887) ergibt sich - wie der Senat bereits entschieden hat (a.a.O. Umdruck Seite 18; ebenso: KG, a.a.O. Seite 1279; OLG München, a.a.O. Umdruck Seite 11/12) - nichts Gegenteiliges.
c) Aus den gleichen Erwägungen verstoßen die von der Beklagten beanstandeten Vertragsklausel weder gegen § 307 Abs. 1 und 2 BGB noch gegen § 1 UWG.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Der Senat hat den Streitfall auf der Grundlage der höchstrichterlichen Judikatur entschieden.
Dr. M.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 25.05.2005
Az: VI-U (Kart) 7/05
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