Bundesgerichtshof:
Urteil vom 17. August 2011
Aktenzeichen: I ZR 223/10

(BGH: Urteil v. 17.08.2011, Az.: I ZR 223/10)

Tenor

Die Revision der Beklagten zu 1 und die Anschlussrevision des Klägers gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 1. Dezember 2010 werden zurückgewiesen.

Von den im Revisionsverfahren angefallenen Gerichtskosten und den dort angefallenen außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger 1/6 und die Beklagte zu 1 5/6. Die in der Revisionsinstanz angefallenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt der Kläger. Die Beklagte zu 1 behält ihre außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens auf sich.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger ist der Ende 2008 gegründete GIG - Verband für Gewerbetreibende im Glücksspielwesen e.V. Er nimmt die Beklagte zu 1, die staatliche Lottogesellschaft von Rheinland-Pfalz, und deren Geschäftsführer, den Beklag-1 ten zu 2, wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Teilnahme Minderjähriger an öffentlichen Glücksspielen in Anspruch.

Die Verbandssatzung des Klägers enthält in § 3 folgende Zweckbestimmung:

1. Der Verein fördert insbesondere im Sinne der § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und § 3 UKlaG die gewerblichen oder selbständigen beruflichen Interessen seiner Mitglieder und von Personen, die sich unmittelbar oder mittelbar im Wirtschaftsbereich des Geschicklichkeits-, Gewinn- und Glücksspielwesens einschließlich Lotterien, Ausspielungen und Wetten (der "Vereinsinteressenbereich") betätigen und/oder betätigen wollen, unter Ausschluss von Interessen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind. Insbesondere hat der Verein den Zweck und die Aufgaben, im Vereinsinteressenbereich:

a) den lauteren Wettbewerb in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen und/oder gesetzlichen Vorgaben zu fördern, auf faire gesetzliche Rahmenbedingungen für eine freie Entfaltung verantwortungsvoller unternehmerischer Tätigkeit, insbesondere seiner Mitglieder, hinzuwirken oder solche Rahmenbedingungen gegebenenfalls zu erhalten sowie unverhältnismäßigen staatlichen Maßnahmen und Beschränkungen einer freien und verantwortungsbewussten Ausübung beruflicher und unternehmerischer Grundfreiheitsrechte politisch und rechtlich entgegenzuwirken;

b) das Marktverhalten von Marktteilnehmern zu beobachten und auf die Einhaltung der geltenden gesetzlichen Vorgaben und Bestimmungen hin zu kontrollieren; ...

c) den unlauteren, leistungswidrigen Wettbewerb in allen Erscheinungsformen ... im Zusammenwirken mit Behörden und Gerichten zu bekämpfen; ...

Der Kläger hat behauptet, eine damals 17-jährige Schülerin habe am 4. April 2009 in zwei Lotto-Annahmestellen der Beklagten jeweils unproblematisch ein Rubbellos erwerben können.

Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz noch von Interesse, beantragt, 2 den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens Personen unter 18 Jahren (Minderjährigen) die Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen zu ermöglichen und/oder diese Handlungen durch Dritte zu begehenhilfsweise den Beklagten aufzugeben, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Verbot der Teilnahme von Personen unter 18 Jahren (Minderjährigen) an öffentlichen Glücksspielen sicherzustellen und durchzusetzen.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil sie rechtsmissbräuchlich sei. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht dem Hauptantrag gegen die Beklagte zu 1 beschränkt auf den Verkauf von Rubellosen stattgegeben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte zu 1 ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter. Der Kläger begehrt im Wege der Anschlussrevision, seinem Antrag im Umfang der berufungsgerichtlichen Verurteilung der Beklagten zu 1 auch gegenüber dem Beklagten zu 2 stattzugeben. Die Parteien beantragen jeweils, das gegnerische Rechtsmittel zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat die Klage für zulässig und teilweise begründet gehalten. Dazu hat es ausgeführt:

Der Klageantrag sei hinreichend bestimmt. Der Kläger sei auch klagebefugt nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Ihm gehörten jedenfalls sieben Mitglieder an, die in Rheinland-Pfalz über eine Erlaubnis zur gewerblichen Spielvermittlung 5 verfügten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zudem fest, dass der Kläger nach seiner finanziellen Ausstattung zur Erfüllung seiner satzungsgemäßen Aufgaben in der Lage sei.

Der Kläger handele auch nicht rechtsmissbräuchlich nach § 8 Abs. 4 UWG. Es stehe einem Verband wie einem einzelnen Gewerbetreibenden frei, ob und gegen welche Mitbewerber er Klage erheben wolle. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs komme nur bei sachfremden Erwägungen in Betracht. Nach dem Vorbringen der Beklagten sei aber nicht davon auszugehen, dass der Kläger, der sich nur dagegen wende, dass staatliche Lottogesellschaften gegen das Verbot der Teilnahme Minderjähriger am Glücksspiel verstießen, gleichartige Verstöße seiner Mitglieder planmäßig dulde. Unerheblich sei, ob sich Mitglieder des Klägers in anderer Weise wettbewerbswidrig verhielten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei erwiesen, dass am 4. April 2009 zwei Lottoannahmestellen der Beklagten zu 1 in Rheinland-Pfalz durch Verkauf von Rubbellosen gegen das Verbot der Teilnahme Minderjähriger am Glücksspiel verstoßen hätten. Die Beklagte zu 1 hafte für diese Wettbewerbsverstöße ohne Entlastungsmöglichkeit nach § 8 Abs. 2 UWG. Der Unterlassungsanspruch des Klägers sei aber auf den Verkauf von Rubbellosen beschränkt. Die anderen von der Beklagten zu 1 angebotenen Glücksspiele unterlägen anderen Spielregeln und seien deshalb nicht gleichartig mit Rubbellosen. Umstände, die eine Erstbegehungsgefahr hinsichtlich aller angebotenen Glücksspiele rechtfertigten, habe der Kläger nicht dargelegt.

Gegenüber dem Beklagten zu 2 sei die Klage unbegründet, weil er die im Rahmen der alltäglichen Geschäftstätigkeit der Lottoannahmestellen begangenen Wettbewerbsverstöße nicht gekannt habe und auch nicht habe kennen müssen. 8 Der Hilfsantrag des Klägers sei unbegründet. Es fehle an einem fortdauernden Störungszustand, der den mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Leistungsanspruch rechtfertige.

II. Die Revision, mit der sich die Beklagte zu 1 gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung wendet, hat keinen Erfolg.

1. Die Klage ist - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - zulässig.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die Anforderungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG an die Verbandsklagebefugnis hinsichtlich seiner Mitgliederstruktur erfüllt. Erheblich im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist die Zahl der Mitglieder des Verbands auf dem einschlägigen Markt dann, wenn diese Mitglieder als Unternehmen - bezogen auf den maßgeblichen Markt - in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands ausgeschlossen werden kann. Das kann auch schon bei einer geringen Zahl auf dem betreffenden Markt tätiger Mitglieder anzunehmen sein (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2008 - I ZR 197/06, GRUR 2009, 692 Rn. 12 = WRP 2009, 811 - Sammelmitgliedschaft VI, mwN). Insbesondere dann, wenn - wie im Streitfall - der Marktzutritt rechtlich oder tatsächlich stark beschränkt ist, dürfen nur geringe Anforderungen an die repräsentative Mitgliederzahl gestellt werden. Andernfalls würde die wettbewerbliche Kontrolle marktstarker Unternehmen oder Oligopole unangemessen beschränkt.

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass dem Kläger sieben Mitglieder angehören, die eine Erlaubnis als gewerbliche Spielvermittler in Rheinland-Pfalz erhalten haben. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des hier 11 maßgeblichen Marktes reichen diese Mitglieder aus, um im Freibeweis festzustellen, dass es dem Kläger bei der Rechtsverfolgung nach der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht (vgl. BGH, GRUR 2009, 692 Rn. 12 - Sammelmitgliedschaft VI).

Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob bei der Feststellung der Klagebefugnis zu berücksichtigen ist, dass die übrigen Mitglieder des Klägers eine schlechthin verbotene Glücksspieltätigkeit ausüben könnten, was möglicherweise ihrer Berücksichtigung als Mitbewerber der Beklagten (§ 2 Nr. 3 UWG) oder Unternehmen, die Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG), entgegenstehen würde (ebenfalls offengelassen in BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 - I ZR 59/02, GRUR 2005, 176 = WRP 2005, 94 - Nur bei Lotto).

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass der Kläger nach seiner finanziellen Ausstattung imstande ist, seine satzungsgemäße Aufgabe der Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen.

aa) Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der Angaben des Geschäftsführers des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat angenommen, dass der Kläger zu jener Zeit über liquide Mittel in Höhe von etwa 380.000 € verfügte. Dass diese finanzielle Ausstattung den Kläger in die Lage versetzt, seine satzungsmäßige Aufgabe der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gegen glücksspielrechtliche Bestimmungen tatsächlich wahrzunehmen, kann bei den insoweit üblichen Gegenstandswerten nicht ernsthaft in Frage gestellt werden. Darauf, ob eine rechtsverbindliche Nachschusspflicht der Mitglieder zugunsten des Klägers besteht, kommt es danach nicht mehr an. 16 bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Kläger 23 Wettbewerbsverfahren gleichzeitig geführt hat. Eventuelle Kostenbelastungen aus einem Prozessverlust dieser Verfahren sind weder sofort noch zu einem späteren Zeitpunkt gleichzeitig zu erwarten. Schon deshalb führt die für den Verband bestehende Notwendigkeit, etwaige gegnerische Prozesskostenerstattungsansprüche abdecken zu müssen, nicht dazu, dass er jederzeit liquide Mittel in Höhe des maximalen theoretischen Gesamtkostenrisikos sämtlicher von ihm begonnener und kostenmäßig noch nicht beendeter Gerichtsverfahren vorhalten muss. Eine solche Anforderung würde die Möglichkeit kleinerer Verbände, deren Mitglieder sich beispielsweise aus mittelständischen Unternehmen rekrutieren, zur Prozessführung in sachlich nicht gerechtfertigter Weise einschränken, obwohl solchen Verbänden gerade auf oligopolistischen Märkten eine wichtige Funktion für die Aufrechterhaltung lauteren Wettbewerbs zukommen kann. Das Erfordernis einer am theoretischen Gesamtkostenrisiko ausgerichteten Finanzausstattung könnte zudem die Bildung neuer Verbände behindern und so zu einer Verfestigung bestehender Verbandsstrukturen führen, die letztlich in Widerspruch zu der grundrechtlich verbürgten Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) geraten könnte.

cc) Allerdings reicht es nicht aus, wenn die finanzielle Ausstattung eines Verbands zwar jeweils die Kosten des gerade zu entscheidenden Verfahrens abdeckte, dabei aber gänzlich unberücksichtigt bliebe, dass der Verband gleichzeitig eine Vielzahl anderer Verfahren führt, aus denen sich für ihn Kostenbelastungen ergeben können. Legt der Verband aber eine die Kosten des Streitfalls vielfach übersteigende liquide Finanzausstattung dar und ist nicht bekannt geworden, dass er in der Vergangenheit Zahlungspflichten für Prozesskosten nicht nachgekommen ist, so kann eine unzureichende finanzielle Ausstattung des Verbands grundsätzlich nur angenommen werden, wenn das bei 19 zurückhaltender Betrachtung realistische Kostenrisiko des Verbands seine dafür verfügbaren Mittel spürbar übersteigt.

c) Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Klage nach § 8 Abs. 4 UWG verneint.

aa) Einem nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugten Verband ist es grundsätzlich nicht verwehrt, nur gegen bestimmte Verletzer gerichtlich vorzugehen. Die Entscheidung hierüber steht ebenso in seinem freien Ermessen, wie es dem einzelnen Gewerbetreibenden freisteht, ob und gegen welche Mitbewerber er Klage erheben will. Eine unzumutbare Benachteiligung des (allein) angegriffenen Verletzers gegenüber anderen - etwa deshalb, weil nunmehr er allein die angegriffenen Handlungen unterlassen müsse - ist darin schon deshalb nicht zu sehen, weil es dem Verletzer grundsätzlich offensteht, seinerseits gegen gleichartige Verletzungshandlungen seiner vom Verband nicht angegriffenen Mitbewerber vorzugehen (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1996 - I ZR 7/94, GRUR 1997, 537, 538 = WRP 1997, 721 - Lifting-Creme; Urteil vom 23. Januar 1997 - I ZR 29/94, GRUR 1997, 681, 683 = WRP 1997, 715 - Produktwerbung; Urteil vom 17. September 1998 - I ZR 119/96, GRUR 1999, 515, 516 = WRP 1999, 424 - Bonusmeilen).

bb) Allerdings können besondere Umstände, insbesondere sachfremde Erwägungen, im Einzelfall eine andere Beurteilung nahelegen. Solche besonderen Umstände sind im Streitfall jedoch nicht ersichtlich.

(1) Der Senat hat in der Vergangenheit entschieden, dass es selbst bei identischer Werbung noch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann, wenn ein Verband, der die Frage der Wettbewerbswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens höchstrichterlich klären lassen will, zunächst gegen einen 21 Dritten und nicht gegen ein eigenes Mitglied gerichtlich vorgeht (BGH, GRUR 1997, 537, 538 - Lifting-Creme; GRUR 1997, 681, 683 - Produktwerbung). Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass ein Verband, der auch eindeutige Wettbewerbsverstöße der eigenen Mitglieder nicht verfolgt, stets rechtsmissbräuchlich handelt.

(2) Allerdings kann es als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn ein Verband gegen außenstehende Dritte vorgeht, den unlauteren Wettbewerb durch gleichartige Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder jedoch planmäßig duldet (BGH, GRUR 1997, 681, 683 - Produktwerbung, in diesem Sinne etwa auch Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 8 Rn. 292; MünchKomm.UWG/ Fritzsche, § 8 Rn. 472; Jestaedt in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., § 20 Rn. 25; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 13 Rn. 59). Zwar gibt es grundsätzlich keine Obliegenheit eines Verbands, gegen eigene Mitglieder vorzugehen, auf die sich außenstehende Dritte berufen könnten. Die Prozessführungsbefugnis der Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen findet ihre Rechtfertigung aber darin, dass die Bekämpfung unlauterer Wettbewerbshandlungen nicht nur im Interesse des unmittelbar Betroffenen, sondern auch im öffentlichen Interesse liegt (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1989 - I ZR 56/89, GRUR 1990, 282, 284 = WRP 1990, 364 - Wettbewerbsverein IV; Urteil vom 9. Dezember 1993 - I ZR 276/91, GRUR 1994, 304, 305 = WRP 1994, 181 - Zigarettenwerbung in Jugendzeitschriften).

(3) Bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist es eine Frage der Gesamtumstände des Einzelfalls, ob das dauerhaft selektive Vorgehen eines Verbands ausschließlich gegen Nichtmitglieder als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Dabei lassen sich allerdings bestimmte Fallgruppen bilden. So ist es insbesondere rechtsmissbräuchlich, wenn der Verband mit einem selektiven Vorgehen ausschließlich gegen Nichtmitglieder bezweckt, neue Mitglieder zu 25 werben, denen er nach einem Beitritt Schutz vor Verfolgung verspricht. Ein solcher Fall liegt hier aber schon deswegen nicht vor, weil die vom Kläger angegriffenen staatlichen Lottogesellschaften von der Mitgliedschaft beim Kläger kraft Verbandssatzung ausgeschlossen sind.

Andererseits kann sich eine dauerhafte Beschränkung der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auf Nichtmitglieder für einen Verband aus der Natur der Sache ergeben, wenn sie schon aus seinem - rechtlich unbedenklichen - Verbandszweck folgt. In einem solchen Fall ist ein Rechtsmissbrauch zu verneinen. Unbedenklich wäre es beispielsweise, wenn der satzungsgemäße Zweck eines Verbandes mittelständischer Unternehmen des Hotel- und Gaststättengewerbes auf die Abwehr unlauteren Wettbewerbs durch Großbetriebe dieser Branche gerichtet wäre oder wenn ein Verband forschender Pharmaunternehmen sich seinem Satzungszweck entsprechend gegen unlautere Praktiken der Generikahersteller wendete.

(4) Der Kläger ist ein Verband, bei dem eine dauerhafte Beschränkung der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auf Nichtmitglieder schon aus dem Verbandszweck folgt. Aus § 3 seiner Satzung ergibt sich deutlich, dass er ausschließlich die Förderung der Interessen privater Gewerbetreibender im Glücksspielwesen bezweckt und dazu den lauteren Wettbewerb fördern und das Marktverhalten von Marktteilnehmern beobachten will. Die staatlichen Lottogesellschaften sowie Unternehmen des Glücksspielwesens mit unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligung juristischer Personen des öffentlichen Rechts sind ausdrücklich von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Der Zweck des Klägers ist danach satzungsgemäß darauf ausgerichtet, die Interessen der privaten Glücksspielwirtschaft gegenüber den etablierten staatlichen Anbietern zu schützen. Dann ist es nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er sich - auch dauerhaft - auf 27 die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen der staatlichen Lottogesellschaften beschränkt.

(5) Anders als die Revision meint, kann auch keine Rede davon sein, dass bei einer weiteren Duldung des Verhaltens des Klägers dem unerlaubten Veranstalten von Glücksspielen (§ 284 StGB) Vorschub geleistet würde. Zwischen wettbewerbsrechtlichen Klagen des Klägers gegen staatliche Lottogesellschaften einerseits und möglichen Rechtsverstößen seiner Mitglieder andererseits besteht kein Zusammenhang. Insbesondere werden die Möglichkeiten der Lottogesellschaften, anderer Marktteilnehmer oder der Behörden nicht beeinträchtigt, gegen Rechtsverstöße von Mitgliedern des Klägers vorzugehen.

2. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen Verstoß der Lottoannahmestellen der Beklagten zu 1 gegen das Verbot der Teilnahme Minderjähriger an öffentlichen Glücksspielen durch Verkauf von Rubbellosen in den beiden vom Kläger konkret beanstandeten Fällen festgestellt und die Haftung der Beklagten zu 1 für diese Verstöße bejaht. Die Revision erhebt dagegen auch keine Rügen. Die Revision der Beklagten zu 1 ist somit zurückzuweisen.

III. Die Anschlussrevision, mit der sich der Kläger gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2 wendet, hat ebenfalls keinen Erfolg.

Ein Geschäftsführer haftet für das wettbewerbswidrige Verhalten der Gesellschaft dann, wenn er die Rechtsverletzung entweder selbst veranlasst oder aber gekannt und pflichtwidrig nicht verhindert hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2009 - I ZR 216/06, GRUR 2009, 845 Rn. 47 = WRP 2009, 1001 - Internet-Videorecorder). Diese Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten zu 2 hat der Kläger nicht dargelegt.

Soweit der Kläger dafür, dass Verstöße gegen die Minderjährigenschutzvorschriften des Glücksspielstaatsvertrags für die Beklagte zu 1 ein "dauerhaftes und wiederkehrendes Problem seien", auf Urteile der Landgerichte Köln und Dortmund verweist, betrafen diese nicht die Beklagten, sondern die Westdeutsche Lotterie. Der unter dem Titel "Lottoanbieter lassen Kinder wetten" erschienene Artikel des Nachrichtenmagazins FOCUS aus dem Jahr 2008 verhält sich nicht über die Beklagten. Soweit die Beklagte zu 1 nach einem Urteil des Landgerichts Koblenz vom Januar 2009 in einigen Annahmestellen Automaten aufgestellt hatte, an denen auch Minderjährige Rubbellose ziehen konnten, hat sie diese Automaten schon vor Verkündung dieses Urteils entfernt. Die "Mystery-Shopping-Studie", auf die der Kläger weiter Bezug nimmt und nach der Minderjährige in einer erheblichen Zahl von Fällen auch in Rheinland-Pfalz Lose und Lotteriescheine erwerben konnten, wurde in Form von Testbesuchen zwischen dem 2. und 14. März 2009 durchgeführt. Unabhängig von den seitens der Beklagten gegen diese Studie geltend gemachten Bedenken konnte vom Beklagten zu 2 jedenfalls nicht erwartet werden, schon bis zum 4. April 2009, dem Tag der für den Streitfall maßgeblichen Testbesuche, neue wirksame Maßnahmen zur Gewährleistung des Minderjährigenschutzes an allen Lotterieannahmestellen in Rheinland-Pfalz umzusetzen. Die vom Kläger vorgelegte Mitteilung des Innenministeriums Rheinland-Pfalz vom 12. März 2009, nach der der Beklagten zu 1 ab sofort erlaubt wurde, minderjährige Testkäufer zur Überprüfung des Jugendschutzes in Lotto-Annahmestellen einzusetzen, zeigt aber, dass die Beklagten selbst wirksame Maßnahmen zur Durchsetzung des Verbots der Teilnahme Minderjähriger am öffentlichen Glücksspiel eingeleitet hatten.

Das Berufungsgericht konnte deshalb ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers eine Haftung des Beklagten zu 2 sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch hinsichtlich des Hilfsantrags verneinen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm Pokrant Büscher Kirchhoff Koch Vorinstanzen:

LG Koblenz, Entscheidung vom 02.03.2010 - 4 HKO 121/09 -

OLG Koblenz, Entscheidung vom 01.12.2010 - 9 U 258/10 - 35






BGH:
Urteil v. 17.08.2011
Az: I ZR 223/10


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