Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. September 2001
Aktenzeichen: 5 W (pat) 447/00
(BPatG: Beschluss v. 12.09.2001, Az.: 5 W (pat) 447/00)
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners und die der Antragstellerin gegen den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung II - vom 10. Juli 2000 werden zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerdeverfahren werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I Der Antragsgegner ist Inhaber des am 17. März 1997 unter Abzweigung aus der EP 93 91 9774.5 (Anmeldetag: 25. August 1993 mit der Priorität vom 25. August 1992 aus der SE 9202441) mit 10 Schutzansprüchen angemeldeten, am 19. Juni 1997 in die Rolle eingetragenen Gebrauchsmusters 93 21 342. Es betrifft eine "Befestigungsvorrichtung für eine Prothese". Die Schutzdauer ist verlängert.
Der eingetragene Schutzanspruch 1 lautet:
Vorrichtung zum Befestigen einer Prothese, beispielsweise eines künstlichen Beines, an einem Prothesenansatzstück, dadurch gekennzeichnet, daß das Prothesenansatzstück mit einem glatten zylindrischen Stift ausgestattet ist, und daß die Vorrichtung eine Befestigungseinrichtung (1), die einen zylindrischen Kanal (31, 44) enthält, der auf den Stift (2) aufgebracht werden kann, und eine Aussparung mit einer geneigten Unterlegscheibe (3) beinhaltet, die durch Federkraft in solch einer Weise geneigt gehalten wird, daß deren Mittelloch (31), das leicht größer ist als der Durchmesser des Stifts (2), eine Bewegung der Befestigungseinrichtung in der vom Stift weggerichteten Richtung verhindert, sogar wenn die Befestigungseinrichtung (1) um den Stift gedreht wird.
Am 10. Juli 2000 hat der Antragsgegner neue Schutzansprüche 1 bis 3 eingereicht.
Diese Ansprüche lauten:
1. Vorrichtung zum Befestigen eines künstlichen Beins oder einer anderen Prothese an einem Prothesenansatzstück, das mit einem Stift ausgestattet ist, wobei die Vorrichtung eine Befestigungseinrichtung (1) umfaßt, die in einem Gehäuse (4) einen auf den Stift (2) aufbringbaren zylindrischen Kanal (31, 44) enthält und Bewegung der Befestigungseinrichtung in der Richtung von dem Stift (2) weg auch bei Drehen der Befestigungseinrichtung (1) um den Stift (2) verhindert, dadurch gekennzeichnet, daß
der Stift (2) glatt und zylindrisch ist, die Befestigungsvorrichtung eine Aussparung mit einer darin aufgenommenen geneigten Unterlegscheibe (3) aufweist, deren Mittelloch (31) leicht größer ist als der Durchmesser des Stifts (2), und die Befestigungsvorrichtung ferner eine einzelne Berührungsstelle (9) zwischen dem Gehäuse (4) und der Unterlegscheibe (3) umfaßt, auf der sich die Unterlegscheibe (3) ungeachtet der Richtung abstützt, in der die Befestigungseinrichtung (1) auf den Stift (2) gezwungen ist, wobei die Berührungsstelle in der Form einer Gleit- oder Rollfläche (9) geringer Reibung ausgebildet ist, die in einer Senkung (47) in der Befestigungseinrichtung (1) drehbar oder gleitfähig ist und so gegen Drehen zwischen der Unterlegscheibe und der Befestigungsvorrichtung eine geringe Reibung erzeugt, und dadurch, daß
die Befestigungsvorrichtung weiterhin zumindest eine Feder (7, 8) umfaßt, die derart auf die Unterlegscheibe (3) einwirkt, daß die Unterlegscheibe (3) geneigt ist, ihr Mittelloch (31) Bewegung der Befestigungsvorrichtung in der Richtung von dem Stift (2) weg verhindert und ferner die Unterlegscheibe (3) in Berührung mit der Berührungsstelle (9) gehalten ist, wobei Berührpunkte der zumindest einen Feder (7, 8) in Richtung der Unterlegscheibe (3) ebenfalls in der Form einer Gleit- oder Rollfläche geringer Reibung ausgebildet sind.
2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß
auf die Unterlegscheibe (3) zwei Federn (7, 8) einwirken, und die erste Feder (7) auf die Unterlegscheibe hauptsächlich diametral gegenüber der Berührungsstelle (9) einwirkt, um die Unterlegscheibe (3) geneigt zu halten, und die zweite Feder (8) angeordnet ist, um auf die Unterlegscheibe (3) zwischen der Berührungsstelle (9) und der Mitte der Unterlegscheibe (3) mit einer größeren Kraft als die der ersten Feder einzuwirken.
3. Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß
die Befestigungseinrichtung (1) mittels einer Löseeinrichtung (6) lösbar ist, die auf die Unterlegscheibe (3) gegen die Federkraft derart einwirkt, daß die Neigung der Unterlegscheibe (3) abnimmt, und die Löseeinrichtung (6) aus einem Schaft (61) mit einem derart angeordneten konischen Teil (63) besteht, daß bei axialem Versetzen des Schafts (61) die Unterlegscheibe (3) durch den konischen Teil (63) anhebbar ist.
Laut Beschreibung Seite 1/2 liegt der Lehre der angefochtenen Schutzansprüche sinngemäß die Aufgabe zugrunde, eine Befestigungsvorrichtung für ein sicheres Befestigen und einfaches Lösen ohne Werkzeuge von Prothesen anzugeben, die zudem eine bestimmte Drehbewegung und eine stufenlose Verriegelung erlaubt, ohne daß eine Umkehrlose gegen Trennbewegung unter Last und mit Druck zwischen Prothese und Prothesenansatzstück entsteht.
Die Antragstellerin hat am 10. Mai 1999 die Löschung des Gebrauchsmusters beantragt und sich auf § 15 Absatz 1 Nr. 1 GebrMG gestützt.
Zur Begründung hat sie insbesondere folgende Druckschriften genannt:
(1) FR 2 522 743 (mit deutscher Übersetzung)
(2) DE 28 50 561 A1
(3) GB 103 610
(4) Auszug aus dem Katalog der P.C.COX (Newbury) LTD. vom Mai 1982
(5) Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau, 14. Auflage., 1981, S.367, 368.
Sie hat geltend gemacht, der Gegenstand des Gebrauchsmusters beruhe in Anbetracht des von ihr genannten Standes der Technik nicht auf einem erfinderischen Schritt.
Der Antragsgegner hat dem Löschungsantrag widersprochen.
Die Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluß vom 10. Juli 2000 das Gebrauchsmuster gelöscht, soweit es über die Schutzansprüche 1 bis 3 in der am selben Tag vorgelegten Fassung hinausgeht. Außerdem hat sie die Kosten des Löschungsverfahrens zu zwei Fünfteln der Antragstellerin und zu drei Fünfteln dem Antragsgegner auferlegt.
Beide Beteiligten habe hiergegen Beschwerde erhoben, der Antragsgegner beschränkt auf die Kostenentscheidung.
Die Beschwerde der Antragstellerin richtet sich gegen die Teillöschung. Sie stützt sich ergänzend auf die weiteren Druckschriften:
(6) Taschenbuch Feingerätetechnik, Band 1, VEB Verlag Berlin S. 812, 813
(7) Verbindungselemente der Feinwerktechnik, Springer Verlag, 1954, S. 76, 77
(8) H. Lindner, Physik für Ingenieure, F. Vieweg & Sohn Braunschweig, S.75
(10) US 3 244 444
(11) GB 916 419 Sie macht geltend, daß der verteidigte Schutzanspruch 1 gegenüber der ursprünglichen Fassung unzulässig geändert sei und im übrigen der Gegenstand dieses Schutzanspruchs 1 nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe.
Ausgehend vom Gegenstand der Druckschrift (3), der eine Befestigungsvorrichtung für eine Handprothese betreffe, werde dem Fachmann durch die Lehre der Entgegenhaltung (1) der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nahegelegt. Die bei (1) vorgesehenen zwei Berührungsstellen (2 Stifte 12) könne der Fachmann ohne weiteres durch eine einzelne Berührungsstelle ersetzen, da ihm aufgrund seines vorauszusetzenden Fachwissens bekannt sei, daß eine Erhöhung der Klemmkraft nur durch eine Vergrößerung des Hebelarms k, gebildet vom senkrechten Abstand der Mittelachse zum Berührungspunkt des jeweiligen Stifts 12 hin, erfolgen könne (wie sie dies in Figur 2b ihrer Anlage A8 im Schriftsatz vom 16. Juni 2000 dargestellt habe). Eine derartige Vergrößerung führe zu einer Verlagerung der beiden Stifte in Richtung zum Rand der Scheibe hin, die damit im Grenzfall zwangsweise zu einer einzigen Berührungsstelle zusammenfielen. Die Bedeutung der Hebelarme für die Klemmwirkung sei im übrigen z.B. in Bild 35 der Entgegenhaltung (5) erläutert. Das Vorsehen einer Kugel anstelle eines Stiftes sei trivial, das geltend gemachte Verhindern der Umkehrlose sei eine reine Frage der Dimensionierung der Feder und vom Fachmann ohne weiteres anzugeben.
Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Gebrauchsmuster zu löschen.
Der Antragsgegner beantragt, den angefochtenen Beschluß im Kostenpunkt aufzuheben und die Kosten des 1. Rechtszuges der Antragstellerin aufzuerlegen, im übrigen die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen, hilfsweise den Löschungsantrag im Umfang des Schutzanspruchs 1, eingegangen am 24. Juli 2001 und der Schutzansprüche 2 und 3, eingegangen am 10. Juli 2000, zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt noch, die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, der Stand der Technik habe nicht ohne erfinderischen Schritt zum Schutzgegenstand führen können. Die Druckschrift (1) beziehe sich auf eine Verriegelungsvorrichtung für einen Artilleriemörser und nicht auf eine Prothese, so daß der Fachmann diese Schrift gar nicht erst in Betracht ziehe, abgesehen davon, daß dort zwei Berührungsstellen vorgesehen seien und nicht eine einzelne Berührungsstelle wie beim Gegenstand des Schutzanspruchs 1. Lediglich die Druckschrift (3) zeige einen gattungsgemäßen Stand der Technik, von dem auch im Oberbegriff des Schutzanspruchs 1 ausgegangen werde. Dieser lege den Gegenstand des Schutzanspruchs 1 jedoch nicht nahe. Alle übrigen Entgegenhaltungen seien vom Gegenstand des Anspruchs 1 weiter entfernt.
Zur Beschwerde hinsichtlich des Kostenpunkts mache er geltend, daß er am 19. April 1999 zur Registerakte Schutzansprüche nachgereicht habe, die mit den Ansprüchen, die die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts für schutzfähig gehalten habe, nahezu identisch seien. Gleichzeitig habe er mit einem Schreiben an die Antragstellerin zum Ausdruck gebracht, daß er das Gebrauchsmuster nur in dieser geänderten Fassung aufrechterhalten wolle. Damit wäre eine Anwendung des § 93 ZPO zu seinen Gunsten geboten, also die Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen gewesen.
II Die zulässigen Beschwerden beider Beteiligter sind nicht begründet. Dies folgt für die Beschwerde der Antragstellerin daraus, daß der Löschungsantrag nicht begründet ist. Denn der geltend gemachte Löschungsanspruch aus §15 Abs 1 Nr. 1 GebrMG ist nicht gegeben. Die Beschwerde des Antragsgegners bleibt erfolglos, weil zu Recht § 92 und nicht § 93 ZPO der Kostenentscheidung zugrunde gelegt worden ist.
1.) Der in 1. Linie verteidigte Schutzanspruch 1 in der Fassung vom 10. Juli 2000 ist zulässig.
Der Oberbegriff dieses Anspruchs ist im ursprünglichen Anspruch 1 offenbart, der kennzeichnende Teil ebenfalls im Anspruch 1 in Verbindung mit Anspruch 3 sowie der ursprünglichen Beschreibung (Seite 3/4 und Seite 5, Ende des 1. Absatzes).
a) Das insbesondere als nicht offenbart beanstandete Merkmal "daß sich die Unterlegscheibe ungeachtet der Richtung, in der die Befestigungseinrichtung auf den Stift gezwungen ist, auf der Berührungsstelle abstützt", folgt aus dem ursprünglichen Anspruch 3 sowie den Beschreibungsseiten 3 und 4. In dem die Seiten 3 und 4 übergreifenden Absatz der Beschreibung ist unter Bezug auf die Figuren ausgeführt, daß die Unterlegscheibe 3, wenn der Stift 2 eingesetzt ist, mittels Federkraft 7 bzw. 8 in Kontakt zur Kugel 9 gehalten wird. Auf diese Weise entsteht keine Umkehrlose in der Verriegelungsfunktion (Seite 4, Zeile 1 bis 3). Diese würde nämlich entstehen wenn die Unterlegscheibe sich bei eingesetztem Stift von der Kugel zum Deckel hin bewegen würde (Seite 4, Z. 2 - 5). Da das jedoch nicht der Fall ist "stützt sich die Unterlegscheibe ungeachtet der Richtung in der die Befestigungseinrichtung auf den Stift gezwungen ist, auf der Berührungsstelle ab". Die genannte Formulierung im Schutzanspruch 1 ist damit zutreffend und auch als offenbart anzuerkennen.
c) Das weiterhin als nicht offenbart beanstandete Merkmal, nach dem die "Berührungsstelle der zumindest einen Feder in Richtung der Unterlegscheibe ebenfalls in Form einer Gleit- oder Rollfläche geringer Reibung ausgebildet ist", folgt aus der ursprünglichen Beschreibung Seite 5, Ende des 1. Abs. Denn dort heißt es: "Die Berührungspunkte der Federn an der Unterlegscheibe können durch eine Kugel hergestellt werden, eine Lageroberfläche oder auch eine weitere geeignete Ausgestaltung." Dies bedeutet nichts anderes als eine Ausbildung der Berührungsstelle der Feder in Form einer Gleit- oder Rollfläche geringer Reibung.
2.) Der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik unbestritten neu, denn keine der Entgegenhaltungen zeigt alle Merkmale des Anspruchsgegenstands. So beschreibt nur die Druckschrift (3) eine Vorrichtung zum Befestigen einer Prothese an einem Prothesenansatzstück, alle übrigen Druckschriften befassen sich mit anderen Gegenständen. Der Gegenstand der Druckschrift (3) weist keines der kennzeichnen Merkmale auf, wie den Figuren ohne weiteres zu entnehmen ist. Weitere Einzelheiten folgen auch aus den nachfolgenden Ausführungen.
3.) Der Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 beruht auch auf einem erfinderischen Schritt.
Aus (3) ist eine Vorrichtung zum Befestigen einer Prothese (Handprothese) an einem Prothesenansatzstück bekannt (vgl. insbesondere die Figuren 1 und 4). Es ist mit einem Stift (20 in Figur 1 und 4) ausgestattet, wobei die Vorrichtung eine Befestigungseinrichtung umfaßt (Figur 1 Pos. 23 bis 26), die in einem Gehäuse einen auf den Stift aufbringbaren zylindrischen Kanal (Bohrung in Pos. 23) enthält und eine Bewegung der Befestigungsvorrichtung in der Richtung von dem Stift weg auch bei Drehen der Befestigungseinrichtung um den Stift verhindert. Letzteres wird erreicht durch das Eingreifen der Platte 26 in die Ringnut 22 des Stifts 20 unter Mitwirkung der Feder 25, die eine Drehbewegung des Handprothesenteils um den Stift erlaubt, aber keine Längsbewegung in der Richtung vom Stift weg - dies ist erst nach Druck auf die gleitende Platte 26 gegen die Feder 25 möglich, da dadurch der Stift freigegeben wird. Von dieser Ausgestaltung einer Befestigungsvorrichtung gingen keine Anregungen auf den Gegenstand des Schutzanspruchs 1 aus, die den Fachmann - das ist hier ein auf dem Gebiet der Prothesentechnik tätiger Maschinenbauingenieur - auf die Idee hätte bringen können, eine gegen einen Stift geneigte Unterlegscheibe mit Mittelloch zur Aufnahme des Stifts zur Befestigung von Prothese und Prothesenansatzstück heranzuziehen.
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners zieht der vorstehend definierte Durchschnittsfachmann die weiterhin noch genannte Druckschrift (1) heran, wenn er eine Prothesenbefestigungsvorrichtung nach zum Beispiel (3) verbessern will, weil (1) sowohl gemäß Patentanspruch 1 als auch gemäß der Beschreibungseinleitung Seite 1, Zeile 4 bis 14 (Übersetzung Seite 1, 2. Absatz) ganz allgemein als Problem, das dem Gegenstand dieser Druckschrift zugrundeliegt, genannt ist: "die relative Lage von zwei Bauteilen zueinander zu verändern und diese dann zu verriegeln".
Es erübrigt sich jedoch, hierauf näher einzugehen, denn jedenfalls ist dieser Druckschrift keine Anregung für die mit dem Schutzanspruch 1 vorgeschlagene Lösung zu entnehmen.
Aus dieser Druckschrift (1) ist eine Verriegelungsvorrichtung bekannt, mit der ein inneres Bauteil 1 mit einem äußeren Bauteil 2 derart verbunden ist, daß sich die beiden Bauteile einerseits um eine gemeinsame Achse gegeneinander verdrehen können und sich andererseits unabhängig voneinander entlang der gemeinsamen Achse verschieben lassen (Beschreibung S.2 ab Z. 19, (Übersetzung Seite 2 letzter Absatz)). Dazu weist das äußere Bauteil innen eine ringförmige Nut 3 auf, in der ein Ring 4 angeordnet ist, der unter der Wirkung einer Feder 5 unter einem Winkel alpha geneigt gehalten wird. Der innere Durchmesser dieses Ringes ist geringfügig größer als der Durchmesser des inneren Bauteils, um diesem zu ermöglichen, sich frei zu verschieben, wenn der Winkel alpha einen Wert von näherungsweise Null aufweist, und um die Verriegelung dieses inneren Bauteiles sicherzustellen, wenn der Wert des Winkels alpha von der Größenordnung einiger Grad ist. Die Neigung des Rings in seiner Nut wird perfekt durch 2 Stifte 12 festgelegt, die eine kalibrierte Länge aufweisen und symmetrisch in dieser ringförmigen Nut angeordnet sind.
Von diesem Verriegelungsprinzip unterscheidet sich der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 im wesentlichen dadurch, daß bei diesem statt der zwei Berührungsstellen (zwei Stifte 12) nur eine Berührungsstelle vorgesehen ist.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin erhält der Fachmann aus dieser Druckschrift keine Anregungen, von den zwei Stiften abzugehen und dafür nur einen Berührungspunkt vorzusehen. Auf eine solche Ausgestaltung ist an keiner Stelle der Druckschrift (1) ein Hinweis entnehmbar, und die Antragstellerin hat auch keine derartige Stelle benannt. Es ist vielmehr auf Seite 3, Zeile 31 bis 34 (S.3, Z. 7 - 10 des letzten Absatzes der Übersetzung) ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die beiden Stifte zu einer "perfekten Festlegung der Neigung des Rings in seiner ringförmigen Nut" führen, so daß der Fachmann befürchten muß, daß eine Abkehr von diesem Prinzip eine Verschlechterung der Vorrichtung bewirkt.
Zu keinem anderen Ergebnis führt auch der Einwand der Antragstellerin, die Optimierung (Vergrößerung) des jeweiligen Hebelarms k, gebildet vom senkrechten Abstand der Mittelachse zum Berührungspunkt des jeweiligen Stifts 12 hin, wie dies die Antragstellerin in Figur 2b ihrer Anlage A8 im Schriftsatz vom 16. Juni 2000 dargestellt hat, führe zu einer derartigen Verschiebung der beiden Lagerungspunkte 12, daß diese zwangsweise zu einem Punkt zusammenliefen. Die Antragstellerin läßt hierbei unberücksichtigt, daß damit das Prinzip des Gegenstands der Entgegenhaltung (1) verlassen würde, das, wie bereits ausgeführt, eben darin liegt, zwei Lagerungs- (Berührungs-) Stellen als perfekte Ausbildung vorzusehen.
Die weiteren noch genannten Entgegenhaltungen (2),(10) und (11) liegen ferner und konnten ebenfalls nicht zum Gegenstand des Schutzanspruchs 1 führen.
So betrifft (2) eine Bremsvorrichtung für einen hydraulischen oder pneumatischen Arbeitszylinder, die weder vom Aufbau noch von der Funktionsweise her, die vollständig auf das Betriebsmittel Hydraulikflüssigkeit abgestellt ist, dem Fachmann Anregungen für die Befestigung einer Prothese an einem Prothesenansatzstück geben konnte.
Das gleiche gilt auch für den Türstopper nach (10). Es ist schon zu bezweifeln ob der Fachmann diese Druckschrift überhaupt in Betracht zieht, da sie vom Gegenstand her weit entfernt ist. Sollte er sie aber dennoch in Betracht ziehen, so kann sie ihm keine Hinweise auf den Gegenstand des Schutzanspruchs 1 vermitteln.
Es ist in dieser Druckschrift nämlich nicht erwähnt und auch aufgrund der Funktion als Türstopper nicht notwendig, die Befestigungsvorrichtung um den Stift drehbar auszubilden, ohne daß der Stift sich in seiner Längsachse bewegt. Auch ist aus (10) nicht die Anregung abzuleiten, die Berührungsstelle zwischen der dortigen neigbaren Unterlegscheibe 26 und einem Gehäuseteil, das aus einem Vorsprung 28 an einer weiteren Unterlegscheibe 27 besteht, in Form einer Gleit- oder Rollfläche auszubilden, die in einer Senkung in der Befestigungsvorrichtung drehbar oder gleitfähig ist, um so gegen die Drehung zwischen der Scheibe und der Befestigungsvorrichtung eine geringe Reibung zu erzeugen.
Die Druckschrift (11) betrifft die Befestigung eines Hohlzylinders, auf dem sich eine Rolle, zum Beispiel aus Blech oder Papier befindet, mittels zweier konusförmiger Klemmvorrichtungen auf einer Achse (vgl. Figur 1, 2). Auch hier wird der Fachmann keine Anregungen suchen, wenn er eine Prothese an einem Prothesenansatzstück befestigen will, zumal die Vorrichtung nach (11) auch ganz anders aufgebaut ist.
Die weiterhin noch im Verfahren befindlichen Druckschriften (4) bis (8) betreffen Fachbücher, die den Fachmann nicht zu der speziellen Lösung nach Schutzanspruch 1 anregen, da sie jeweils lediglich die Prinzipien der hier in Rede stehenden Verriegelungsarten darstellen, nicht aber die spezielle Ausführungsform nach Schutzanspruch 1.
4.) Die Unteransprüche 2 und 3 sind ebenfalls zulässig.
Anspruch 2 ist den eingetragenen Ansprüchen 4 und 7, sowie der ursprünglichen Beschreibung zu den Figuren entnehmbar.
Anspruch 3 ist in den eingetragenen Ansprüchen 6 und 10 offenbart.
Darüber hinaus beinhalten die Unteransprüche 2 und 3 zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstands des verteidigten Schutzanspruchs 1.
5.) Soweit der Antragsgegner in der angefochtenen Entscheidung mit einem Teil der Kosten der Verfahren vor der Gebrauchsmusterabteilung belastet worden ist, ist dies aus § 17 Abs 4 GebrMG in Verbindung mit § 84 Abs 2 PatG, § 92 Abs 1 ZPO gerechtfertigt. Denn der Antragsgegner ist im Löschungsverfahren teilweise unterlegen.
Vergeblich beruft er sich auf § 93 ZPO. Diese Vorschrift berechtigt nur dann zu einem Absehen von der Beteiligung des Antragsgegners (als dem teilweise Unterliegenden) an der Kostenlast, wenn er den Löschungsantrag insoweit sofort anerkannt und die Antragstellung insoweit nicht veranlaßt hat. Unbeschadet der vom Antragsgegner zur Registerakte eingereichten neuen Schutzansprüche und seiner gleichzeitigen, an die Antragstellerin gerichteten Erklärung vom 19. April 1999, am Gebrauchsmuster nur in dem beschränkten Umfang festzuhalten, hat er nämlich den Löschungsantrag nicht in dem betreffenden beschränkten Umfang sofort anerkannt. Vielmehr ist er dem Antrag mit seinem am 9. August 1999 eingereichten Widerspruch schlechthin - also ohne eine Beschränkung seiner Verteidigung zum Ausdruck zu bringen - entgegengetreten. Erst mit dem am 7. Oktober 1999 eingereichten Schriftsatz, in dem er den Widerspruch begründet, hat er seine Verteidigung im wesentlichen auf den Gegenstand gemäß den Schutzansprüchen vom 19. April 1999 beschränkt. Ein solches (Teil-)Anerkenntnis ist kein "sofortiges" im Sinne des § 93 ZPO.
Die Einreichung beschränkter Schutzansprüche im Vorfeld des Löschungsverfahrens allein reicht nicht aus, im Löschungsverfahren in dem Umfang der erklärten Beschränkung von Verfahrenskosten gemäß § 93 ZPO verschont zu bleiben. Nur wenn mit dem Widerspruch zum Ausdruck gebracht wird, daß das Gebrauchsmuster auch nur in dem Umfang der bereits zur Registerakte eingereichten beschränkten Schutzansprüche verteidigt wird, kann im Regelfall von einer Auferlegung eines Kostenanteils auf den Antragsgegner abgesehen werden (vgl Benkard (9), § 4 Rdn 54; BPatGE 26, 191, 192 f; 22, 126, 128; Goebel, GRUR 1999, 833, 836). Widerspricht er schlechthin, so hält er in vollem Umfang an seinem Schutzrecht fest, mag er nun hierzu befugt sein oder möglicherweise - was dann zu prüfen ist - durch die zur Registerakte abgegebenen Erklärungen in einer Weise gegenüber der Öffentlichkeit gebunden sein, daß er sich wegen eines daraus zu entnehmenden vorweggenommenen Verzichts auf eine weitergehende Verteidigung (vgl BGH GRUR 1998, 910, 913 - Scherbeneis) daran festhalten lassen muß. Erst mit der Beschränkung des Widerspruchs auf den Umfang der bereits zur Registerakte eingereichten neuen Schutzansprüche ist außer Streit, daß der Antragsgegner sich insoweit der Löschung gemäß § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG ohne Sachprüfung unterwirft; die vorherige Einreichung der beschränkten Schutzansprüche behält dann ihre Bedeutung für die in § 93 ZPO vorgesehene weitere Voraussetzung, daß keine Veranlassung zur Stellung des Löschungsantrags gegeben worden ist.
Auch die Tatsache, daß der Antragsgegner in seinem an die Antragstellerin gerichteten Schreiben vom 19. April 1999 erklärt hat, am Gebrauchsmuster nur in dem beschränkten Umfang festzuhalten, vermag nichts daran zu ändern, daß er im Löschungsverfahren mangels eines beschränkten Widerspruchs auch kein Teilanerkenntnis abgegeben hat. Widerspricht der Antragsgegner unbeschränkt, so ist der Widerspruch - unbeschadet der von ihm gegenüber der Antragstellerin zuvor abgegebenen Erklärung über die vorgenommene "Selbstbeschränkung" - für die Kostenfrage nicht unbeachtlich (vgl BPatGE 34, 58, 61).
Die Billigkeit erfordert im vorliegenden Fall keine andere als die im angefochtenen Beschluß ergangene Kostenentscheidung.
6.) Die Entscheidung über die Verfahrenskosten der Beschwerdeinstanz folgt aus § 18 Abs 4 GebrMG in Verbindung mit § 84 Abs 2 PatG, § 97 Abs 1 ZPO unter Berücksichtigung der Billigkeit.
Goebel Klosterhuber Dr. Kraus Pr
BPatG:
Beschluss v. 12.09.2001
Az: 5 W (pat) 447/00
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0078ffc7ac53/BPatG_Beschluss_vom_12-September-2001_Az_5-W-pat-447-00