Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 12. Februar 2015
Aktenzeichen: 6 U 184/14

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 12.02.2015, Az.: 6 U 184/14)

Eine nach § 11 I 1 Nr. 2 HWG verbotene Werbung mit der Empfehlung einer im Gesundheitswesen tätigen Person liegt auch dann vor, wenn mit dem von einem Apothekerverband verliehenen Preis "Medikament des Jahres" geworben wird.

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 23.07.2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin ist ein Pharmaunternehmen, das insbesondere auf dem Gebiet der nicht verschreibungspflichtigen Präparate gegen Erkältungskrankheiten tätig ist. In der A vom 8.1.2014 bewarb sie das Fertigarzneimittel €Wick MediNait" mit nachfolgender Werbeanzeige (Anlage AS1):

Der Antragsteller, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Durchsetzung der lautere Heilmittelwerbung sowie der Schutz des Wettbewerbs für Heilmittel und verwandte Produkte gehört, ist der Ansicht, die Werbung verstoße gegen § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung vom 24.02.2014 untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wie mit der als Anlage AS1 beigefügten Anzeige, die in der Zeitschrift A am 08.01.2014 veröffentlicht wurde, geschehen, außerhalb der Fachkreise (Angehörige der Heilberufe oder des Heilgewerbes, Einrichtungen die der Gesundheit von Mensch oder Tier dienen oder sonstige Personen, soweit sie mit Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln erlaubterweise Handel treiben oder in Ausübung ihres Berufes anwenden) für das Fertigarzneimittel €Wick MediNait Erkältungssirup für die Nacht€

mit der Aussage

€Erkältungsmedikament des Jahres 2014 - gewählt vom Bundesverband Deutscher Apotheker"

und/oder mit der in dem Siegel des Bundesverbandes Deutscher Apotheker niedergelegten Aussage

€Medikament des Jahres 2014 € Produktgruppe interne Mittel bei grippalen Infekten"

zu werben.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 23.07.2014 bestätigt. Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.07.2014, Az. 2 € 06 O 62/14, aufzuheben und den Verfügungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Es besteht ein Verfügungsgrund. Gründe, die zur Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung nach § 12 II UWG führen könnten, wurden nicht vorgebracht.

2. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Werbung aus §§ 8 I, II Nr. 2, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 I S. 1 Nr. 2 HWG. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Werbeaussagen um Empfehlungen von einer im Gesundheitswesen tätigen Person handelt.

a) Die Werbeverbote des § 11 I HWG stellen Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar. Sie dienen dem Schutz der Verbraucher vor einer unsachlichen Beeinflussung.

b) Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung des § 11 I S. 1 Nr. 2 HWG die Vorgabe des Art. 90 lit. f) der Richtlinie 2001/83/EG vom 06.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel nahezu wortidentisch übernommen. Die Bestimmung lautet:

Die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel darf keine Elemente enthalten, die

f) sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen oder von Personen beziehen, die weder Wissenschaftler noch im Gesundheitswesen tätige Personen sind, die aber aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können;

Mit der Richtlinie 2001/83/EG sollte nicht nur ein Mindeststandard festgelegt werden, sondern es ist eine vollständige Harmonisierung des Bereichs der Arzneimittelwerbung erfolgt (EuGH GRUR 2008, 267, Tz. 39 € Gintec). Die Auslegung hat daher autonom anhand des Wortlauts, des Aufbaus und der Ziele der Richtlinie zu erfolgen (EuGH GRUR 2005, 507 Rn. 30 ff. - Peak Holding). Die Erwägungen des nationalen Gesetzgebers bei der Umsetzung treten demgegenüber zurück.

c) Der Bundesverband der Apotheker gehört zu den im Gesundheitswesen tätigen Personen gemäß Art. 90 lit. f) der Richtlinie, die aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können.

aa) Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf natürliche Personen beschränkt. Eine solche Auslegung verlangen weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Regelung. Eine Anregung zum Arzneimittelverbrauch kann von einer Empfehlung unabhängig davon ausgehen, ob als Gewährspersonen für die Empfehlung eine bestimmt bezeichnete einzelne Person, eine individualisierbare Personengruppe oder sogar nur ganz allgemein die Angehörigen der mit der Behandlung der betreffenden Krankheit befassten Heilberufe benannt werden (BGH GRUR 2012, 1058 Rn. 17 - Euminz). Eine Beschränkung auf natürliche Personen lässt sich insbesondere nicht daraus ableiten, dass in der Aufzählung der Gewährspersonen unter anderem von €Wissenschaftlern€ die Rede ist. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten eine solche Einschränkung nicht. Die Vorschrift will den Gefahren einer Selbstmedikation begegnen, die mit einer Werbung unter Inanspruchnahme einer fachlichen Autorität verbunden sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die fachliche Autorität von einer natürlichen oder juristischen Person ausgeht. Im Gegenteil vermag eine berufsständische Organisation von Angehörigen der Heilberufe eine größere Einflussnahme zu erzeugen als ein dem Publikum namentlich nicht bekannter Wissenschaftler, der, wenn er als solcher in der Werbung erkennbar ist, ohne Zweifel in den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG fiele (Senat, GRUR-RR 2014, 410 Rn. 26 € Ciclopoli m.w.N.). Würde man den Anwendungsbereich auf natürliche Personen beschränken, könnte die Vorschrift leicht umgangen werden, zum Beispiel dadurch, dass einzelne Berufsträger eine GmbH, Partnerschaft, etc. gründen und durch diese die Empfehlung aussprechen lassen. Dies kann nicht der Intention des Gesetzgebers entsprechen.

bb) Aus Sicht des angesprochenen Verkehrs, also des Endverbrauchers, gewährleistet der Bundesverband der Apotheker die fachliche Kompetenz und Unabhängigkeit seiner Mitglieder, worauf der Verbraucher auch vertraut. Die Beklagte räumt ein, dass selbst Verallgemeinerungen wie €die moderne Medizin€ oder €die moderne Pharmazie€ einen ausreichenden Personenbezug aufweisen würden (Bl. 234 d.A.). Wieso für den Bundesverband der Apotheker als berufsständische Vertretung etwas anderes gelten soll, ist nicht ersichtlich. Maßgeblich ist die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise. Diese sehen in dem Verband nicht nur eine Vertretung berufsständischer und wirtschaftlicher Interessen, sondern auch eine Bündelung der Fachkompetenz. Dies können die Mitglieder des Senats, die zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, selbst beurteilen.

cc) Der Vorwurf der Antragsgegnerin, ohne das Erfordernis eines individualpersönlichen Bezugs würde man im Ergebnis auf den weiter gefassten § 11 HWG a.F. zurückgreifen und die europarechtlichen Vorgaben missachten, trifft nicht zu. Weder aus der Richtlinie noch aus der amtlichen Begründung des nationalen Gesetzgebers lässt sich ableiten, dass mit der Neufassung nur persönliche Empfehlungen im Sinne subjektiver Meinungsäußerungen untersagt sein sollen, während bloße €fachliche€ Empfehlungen nunmehr erlaubt sind. Eine Abgrenzung zwischen €persönlichen€ und €fachlichen€ Empfehlungen erscheint schon kaum möglich. Nach § 11 I S. 1 HWG a.F. waren außerdem nicht nur fachliche Empfehlungen, sondern darüber hinausgehend auch Angaben verboten, wonach Arzneimittel fachlich geprüft sind. Insoweit wurde der Tatbestand liberalisiert. Nichts anderes ergibt sich aus der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drucks. 17/9341, S. 2, 70).

d) Die Angabe €Erkältungsmedikament des Jahres 2014 € Gewählt vom Bundesverband Deutscher Apotheker€ und das Siegel des Bundesverbands Deutscher Apotheker mit der Aussage €Medikament des Jahres 2014€ stellen im Kontext der angegriffenen Werbung Empfehlungen im Sinne von Art. 90 lit. f) der Richtlinie dar.

aa) Das Siegel ist mit einem Sternchenhinweis versehen, in dessen Quellenangabe der Begriff €Empfehlung€ ausdrücklich verwendet wird. Dort heißt es:

€*Bundesverband Deutscher Apotheker. Handbuch zur Empfehlungshäufigkeit von OIC-Produkten in der Präparategruppe interne Mittel bei grippalen Infekten, 2014.€

Die von der Werbung angesprochenen Verbraucher gehen aufgrund dieser Angabe davon aus, dass es sich bei dem beworbenen Präparat um das von Apothekern am häufigsten empfohlene Erkältungsarzneimittel handelt. Sie sehen darin nicht allein einen statistischen Hinweis auf das umsatzstärkste Mittel. Sie gehen davon aus, dass der Bundesverband sich die Empfehlung seiner Mitglieder zu Eigen macht.

bb) Auch die Angabe €Erkältungsmedikament des Jahres 2014 € Gewählt vom Bundesverband Deutscher Apotheker€ wird im Sinne einer Empfehlung verstanden. Hierfür ist die ausdrückliche Verwendung des Begriffs €Empfehlung€ nicht erforderlich. Nach der Entscheidung des BGH €Euminz€ reicht es für die Bejahung einer Empfehlung im Sinne des Art. 90 lit. f der RiLi aus, dass die Aussage geeignet ist, bei ihren Adressaten eine den Arzneimittelverbrauch anregende Wirkung zu erzeugen (BGH GRUR 2012, 1058 Rn. 15). Ein Hinweis auf eine fachliche Empfehlung kann auch in verdeckter, das heißt sinngemäßer oder auch nur unterschwelliger und damit für den angesprochenen Verkehr nicht ohne weiteres erkennbarer Form erfolgen (BGH, a.a.O., Rn. 14). Zwar lag der Entscheidung €Euminz€ noch § 11 HWG a.F. zu Grunde. Der BGH hat jedoch ausdrücklich eine richtlinienkonforme Auslegung vorgenommen. Ob eine Einschränkung dahingehend erforderlich ist, dass nicht jegliche positive Darstellung als €Empfehlung€ angesehen werden kann, sondern die Werbeaussage den weitergehenden Rat beinhalten muss, das Präparat zu verwenden (so OLG Köln, GRUR-RR 2013, 269 Rn. 13), braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Denn auch diese Anforderungen sind erfüllt.

cc) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin versteht der Verkehr die Angabe €Erkältungsmedikament des Jahres 2014€ nicht nur als Ergebnis objektiv ermittelter Daten. Die Antragsgegnerin teilt schon nicht mit, welche konkreten Daten insoweit erhoben worden sind. Durch den Begriff €gewählt€ wird dem Verkehr jedenfalls suggeriert, dass sich die erhobenen Daten auf eine subjektive Wertung der Apotheker und nicht nur auf Verkaufszahlen oder dergleichen beziehen. Die Verbraucher gehen davon aus, dass es sich um das von Apothekern am häufigsten empfohlene Medikament handelt.

e) Das Verbot des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG setzt keine von der Werbemaßnahme ausgehende unmittelbare oder zumindest mittelbare Gesundheitsgefährdung voraus. Art. 90 lit. f der Richtlinie und § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG n.F. sind nach ihrem Wortlaut und ihrem Zweck als abstrakte Gefährdungsdelikte einzustufen. Einer verfassungskonformen, namentlich der Berufsausübungsfreiheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragenden Auslegung bedarf es nicht (vgl. Senat, GRUR-RR 2014, 410 Rn. 28 € Ciclopoli m.w.N.).

f) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin führt die hier vertretene Auslegung des § 11 HWG auch nicht einem Normwiderspruch zu § 5a II UWG, aus dem abgeleitet wird, dass bei der Werbung mit Test- oder Umfrageergebnissen die entsprechende Quelle anzugeben ist (BGH GRUR 2010, 248 - Kamerakauf im Internet). Die Wettbewerbswidrigkeit der Werbung resultiert im Streitfall nicht daraus, dass der Deutsche Apothekerverband als Quelle der Umfrage angegeben wird. Sie resultiert daraus, dass sich die angegriffenen Werbeaussagen als Empfehlung einer im Gesundheitswesen tätigen Person darstellen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 12.02.2015
Az: 6 U 184/14


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0087f919b3f3/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_12-Februar-2015_Az_6-U-184-14




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share