Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juli 2007
Aktenzeichen: 26 W (pat) 74/05

(BPatG: Beschluss v. 18.07.2007, Az.: 26 W (pat) 74/05)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 27. März 2003 und 8. März 2005 aufgehoben.

2. Der Widerspruch aus der Marke 2 103 573 wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Marke 398 58 838 Crystalfür die Waren

"33: Alkoholische Getränke, ausgenommen Biere"

ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren

"Konfitüre; Eier, Milch und Milchprodukte, nämlich Butter, Käse, Sahne, Joghurt, Milchpulver für Nahrungszwecke; Speiseöle und -fette; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Kaffee-Ersatzmittel; Brot; Speisesalz; Senf; Essig, Saucen (einschließlich Salatsaucen); Gewürze; Kühleis; Bier; Mineralwasser und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Bier); sämtliche vorgenannten Waren ausgenommen in Kristallglasverpackungen"

am 15. Mai 1997 eingetragenen Marke 2 103 573 cristal.

Die Markeninhaberin hat im Verlauf des Erinnerungsverfahrens mit Schriftsatz vom 30. April 2003 die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Widersprechende hat daraufhin als Anlagen zu ihrem Schriftsatz vom 17. Juli 2003 Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke für Mineralwasser für die Jahre 2000 und 2001 sowie für Speiseeis für die Jahre 2001 und 2002 vorgelegt.

Die Markenstelle hat wegen des Widerspruchs die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Die dagegen gerichtete Erinnerung der Markeninhaberin ist erfolglos geblieben. Zur Begründung hat die Markenstelle im wesentlichen ausgeführt, durch die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen sei eine ernsthafte und funktionsgemäße Benutzung der Widerspruchsmarke in der eingetragenen Form glaubhaft gemacht worden. Zwischen der benutzten Ware "Mineralwasser" und "alkoholischen Getränken" bestehe vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (MarkenR 2001, 204 - EVIAN/REVIAN) zumindest eine mittlere Warenähnlichkeit. Unter den Oberbegriff "alkoholische Getränke" fielen nämlich z. B. auch Weinschorlen, die als solche fertig im Handel angeboten würden. Da diese Getränke zum Teil aus Mineralwasser bestehen könnten, bestehe nicht nur eine entfernte Warenähnlichkeit. Bei der Widerspruchsmarke sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen. Selbst wenn man bei dieser Ausgangslage nur mittlere Anforderungen an den Markenabstand stelle, werde die angegriffene Marke diesen Anforderungen nicht gerecht, weil sich die Marken sowohl in klanglicher und begrifflicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht äußerst nahe kämen bzw. sogar identisch seien.

Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit der Beschwerde, die sie nicht begründet hat. Auch weitere Unterlagen zur ergänzenden Glaubhaftmachung der Benutzung ihrer Marke hat sie nicht vorgelegt.

Sie beantragt, die angegriffenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Auch sie hat sich im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht geäußert.

II Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig. Die fehlerhafte Bezeichnung der Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift vom 11. April 2005 steht der Zulässigkeit nicht entgegen, weil sich aus den bei Beschwerdeeinlegung für den Senat erkennbaren sonstigen Umständen, insbesondere daraus, dass der Rechtsanwalt, der die Beschwerde eingelegt hat, im Verfahren vor der Markenstelle die Markeninhaberin vertreten hat und diese durch die Beschlüsse der Markenstelle beschwert ist, sowie aus dem in der Beschwerdeschrift gestellten Antrag zweifelsfrei entnehmen lässt, dass es sich bei der unrichtigen Angabe der Beschwerdeführerin um eine bloße Falschbezeichnung handelt, und dass die Beschwerde für die durch die Beschlüsse der Markenstelle beschwerte Markeninhaberin eingelegt werden sollte (vgl. BGH BlPMZ 1974, 210).

Die Beschwerde der Markeninhaberin erweist sich auch als begründet. Sie führt schon deshalb zur Aufhebung der angegriffenen Beschlüsse und zur Zurückweisung des Widerspruchs, weil die Widersprechende auf die gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG zulässige Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin ihrer Obliegenheit, die Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren, für die sie eingetragen ist, für die letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch glaubhaft zu machen, nicht nachgekommen ist.

Zwar hat die Widersprechende im Erinnerungsverfahren vor der Markenstelle mit der Aufstellung der Umsätze und der darauf Bezug nehmenden eidesstattlichen Versicherung vom 1. Juli 2003 Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung ihrer Marke vorgelegt, die zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die Markenstelle eine Benutzung der Widerspruchsmarke für Mineralwasser und verschiedene Speiseeis-Sorten für den maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch durch die Markenstelle glaubhaft machen konnten. Die seinerzeit vorgelegte Aufstellung der Umsätze enthält jedoch für Mineralwasser nur Angaben zu Umsätzen in den Jahren 2000 und 2001 und für Speiseeis in den Jahren 2001 und 2002. Diese Angaben sind, jedenfalls was Mineralwasser betrifft, nicht länger geeignet, die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG für den Zeitraum von fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch im Beschwerdeverfahren, also für den Zeitraum von Juli 2002 bis Juli 2007, glaubhaft zu machen.

Der in § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG normierte Zeitraum, für den eine Glaubhaftmachung der Benutzung durch die Inhaberin der älteren Marke zu erfolgen hat, ist einer ständigen Veränderung unterworfen; denn unter der "Entscheidung über den Widerspruch" i. S. d. § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG ist die das jeweilige Verfahren abschließende Entscheidung, also ggf. erst die Beschwerdeentscheidung zu verstehen (BGH GRUR 2000, 510 - Contura). Der Glaubhaftmachungszeitraum ist deshalb nicht auf einen von vornherein genau abgrenzbaren, vergangenen Zeitraum, sondern auf die Zukunft hin bemessen. Damit kann sich eine zunächst erfolgreiche Glaubhaftmachung der Benutzung in späteren Verfahrensabschnitten durch Zeitablauf als unzureichend erweisen, was der Inhaber der Widerspruchsmarke - auch ohne Rüge des Verfahrensgegners und ohne entsprechende Hinweise der entscheidenden Behörden und Gerichte - von sich aus laufend zu berücksichtigen hat (Kliems GRUR 1999, 11, 15; MarkenR 2001, 185, 192 f.). Dieser Obliegenheit ist die Widersprechende, die schon zu Beginn des Jahres 2007 hätte erkennen können, dass die bisher vorgelegten Unterlagen zur weiteren Glaubhaftmachung der Benutzung nicht mehr ausreichen konnten, seither nicht nachgekommen.

In Anbetracht des im Rahmen des Benutzungszwangs herrschenden Beibringungsgrundsatzes war der Senat daran gehindert, die Widersprechende auf die Notwendigkeit der Vorlage weiterer Glaubhaftmachungsunterlagen für den Zeitraum von fünf Jahren vor der Beschwerdeentscheidung über den Widerspruch hinzuweisen. Zwar gelten die Grundsätze der richterlichen Aufklärungspflicht gemäß § 139 ZPO grundsätzlich auch für das markenrechtliche Widerspruchsverfahren. Die richterliche Aufklärungspflicht findet ihre Grenze jedoch dort, wo die dem Gericht ebenfalls auferlegte Neutralitätspflicht verletzt wird, und insoweit insbesondere dort, wo Hinweise die Stärkung der prozessualen Position einer Partei und damit gleichzeitig die Schwächung der Stellung der anderen Partei nach sich ziehen würden (BPatG GRUR 1996, 981 - ESTAVITAL; GRUR 2004, 950, 953 - ACELAT/Acesal). Der Senat war auch nicht gehalten, der Widersprechenden insoweit noch eine Äußerungsfrist zu setzen oder den beabsichtigten Erlass einer Entscheidung vorher anzukündigen (BGH GRUR 1997, 223, 224 - Ceco).

Die in der Umsatzaufstellung für die Jahre 2001 und 2002 ausgewiesenen, mit Speiseeis erzielten Umsätze sind ebenfalls nicht geeignet, eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG für den Zeitraum von fünf Jahren vor der Senatsentscheidung über den Widerspruch glaubhaft zu machen, da die im Jahre 2001 erzielten Umsätze außerhalb des maßgeblichen Zeitraums liegen und nicht feststellbar ist, ob die für das Gesamtjahr 2002 angegebenen Umsätze auch in rechtlich relevantem Umfang im zweiten Halbjahr des Jahres 2002 erzielt wurden.

Aber selbst dann, wenn zu Gunsten der Widersprechenden eine Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke für Speiseeis unterstellt wird, kann der Widerspruch nicht zum Erfolg führen, da die Widerspruchsmarke für diese Spezialware nicht eingetragen ist und auch eine Subsumtion der Ware "Speiseeis" unter einen der Warenbegriffe, für die die Widerspruchsmarke eingetragen wurde, nicht möglich ist. Insbesondere fällt das zum Verzehr bestimmte Speiseeis nicht unter den im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltenen Begriff "Kühleis", weil Kühleis nicht dem menschlichen Verzehr, sondern - wie sich bereits aus dem Begriff selbst ergibt - der Kühlung von Lebensmitteln und Getränken dient und damit gegenüber Speiseeis ein aliud darstellt.

Letztlich sei auch noch, ohne dass es für die Entscheidung hierauf noch ankommt, darauf hingewiesen, dass zwischen Speiseeis und alkoholischen Getränken keine Ähnlichkeit i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht (Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Auflage, S. 282 mi. Sp. unter Hinweis auf BPatG 00, 28 W (pat) 181/99).

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist der Beschwerde der Markeninhaberin stattzugeben, ohne dass es einer Entscheidung der Frage bedarf, ob zwischen den beiderseitigen Marken die Gefahr von Verwechslungen besteht.

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf die Widersprechende besteht keine Veranlassung, weil die im Verfahren vor der Markenstelle vorgelegten Unterlagen zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung zur Glaubhaftmachung einer Benutzung gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG zumindest in zeitlicher Hinsicht noch genügten und damit die Einlegung der Beschwerde seinerzeit nicht gegen prozessuale Sorgfaltenpflichten verstieß.

Dr. Fuchs-Wissemann Richterin Prietzel-Funk hat Urlaub und kann daher nicht unterschreiben.

Dr. Fuchs-Wissemann Reker Bb






BPatG:
Beschluss v. 18.07.2007
Az: 26 W (pat) 74/05


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