Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 28. April 1998
Aktenzeichen: 2 Ws 77/98

(OLG Köln: Beschluss v. 28.04.1998, Az.: 2 Ws 77/98)

In Strafsachen ist die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Beschwerdeverfahren - hier: erfolgreich eingelegte Haftbeschwerde - gemäß § 87 BRAGO durch die nach § 83 BRAGO entstandene Gebühr mitabgegolten. Soweit wegen der zusätzlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren die (Mittel-)Gebühr aus § 83 BRAGO zu erhöhen ist, bestimmt sich die erhöhte Gebühr aus dem Rahmen des § 83 Abs. 1 und nicht des § 83 Abs. 2 BRAGO auch dann, wenn die Beschwerde erst nach einem weiteren Verhandlungstag eingelegt worden ist.

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird wie folgt abgeändert:Nach dem rechtskräftigen Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 2. August 1996 (2 Ws 390/96) werden die dem früheren Angeklagten gemäß § 467 StPO aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 107,64 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20. August 1996 festgesetzt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die hierin entstandenen notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten haben zu 43 % die Staatskasse und zu 57 % der frühere Angeklagte selbst zu tragen. Der Beschwerdewert wird auf 246,79 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Durch Urteil der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Aachen

vom 2. Juli 1996 (dem 7. Verhandlungstag) wurde der bis dahin in

Untersuchungshaft befindliche frühere Angeklagte wegen

Steuerhehlerei in 9 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2

Jahren und 9 Monaten verurteilt. Zugleich wurde Haftfortdauer

angeordnet.

Mit Schriftsatz seines damaligen Verteidigers vom 5. Juli 1996

legte der frühere Angeklagte Haftbeschwerde ein. Auf diese

Beschwerde hin hob der Senat durch Beschluß vom 2. August 1996 (2

Ws 390/96) den Haftbefehl und den Haftfortdauerbeschluß auf. Die

Kosten der Beschwerde und die dem Beschwerdeführer insoweit

entstandenen notwendigen Auslagen wurden der Staatskasse

auferlegt.

Mit Antrag der Rechtsanwälte S., K. und H. (unter Beifügung

einer Prozeßvollmacht und einer Abtretungsvereinbarung an diese

Rechtsanwälte) beantragte der frühere Angeklagte für das

Beschwerdeverfahren die Festsetzung einer "Gebühr gemäß § 83 I

BRAGO" in Höhe von 240,00 DM zuzüglich 15 % Mwst., insgesamt 276,00

DM, gegen die Staatskasse.

In Óbereinstimmung mit der Stellungnahme des Bezirksrevisors bei

dem Landgericht Aachen vom 4. September 1997 hat der Rechtspfleger

durch Beschluß vom 2. Oktober 1997 die für das Beschwerdeverfahren

aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen lediglich

auf 29,21 DM festgesetzt. Dem lag eine Berechnung zugrunde, wonach

aus einer Wahlverteidiger-Mittelgebühr von 440,00 DM für den

Fortsetzungstermin vom 2. Juli 1996 ein Anteil von 185,00 DM (und

damit von 42 %) zu Lasten der Staatskasse für die Tätigkeit des

Verteidigers im Beschwerdeverfahren ausscheidbar sei und hiervon

gemäß § 100 Abs. 1 Satz 2 BRAGO 42 % der auf den Fortsetzungstermin

entfallenden Pflichtverteidigervergütung von 380,00 DM, nämlich

159,60 DM, in Abzug zu bringen seien. Demgemäß sind 25,40 DM

zuzüglich der Mehrwertsteuer in Höhe von 3,81 DM festgesetzt

worden.

Gegen den am 9. Oktober 1997 zugestellten

Kostenfestsetzungsbeschluß ist unter dem 13. Oktober 1997 die am

14. Oktober 1997 eingegangene Erinnerung eingelegt worden. Mit

Verfügung vom 15. Januar 1998 und mit Beschluß vom 21. Januar 1998

haben der Rechtspfleger und die Strafkammer der Erinnerung nicht

abgeholfen.

II.

Die nunmehr als Beschwerde geltende Erinnerung gegen den

Festsetzungsbeschluß vom 2. Oktober 1997 ist zulässig. In der Sache

erweist sich das Rechtsmittel als teilweise begründet. Die für das

Beschwerdeverfahren 2 Ws 390/96 OLG Köln zu erstattenden

notwendigen Auslagen sind auf 107,64 DM (nebst 4 % Zinsen ab

Antragseingang) festzusetzen.

Zutreffend ist - was auch der Ansicht des Beschwerdeführers

entspricht -, daß das Beschwerdeverfahren in Strafsachen keine

besondere Angelegenheit darstellt und daß gemäß § 87 BRAGO die

Tätigkeit des Rechtsanwalts im Beschwerdeverfahren durch eine nach

§ 83 entstandene Gebühr mitabgegolten ist (vgl. Hartmann,

Kostengesetze, 26. Aufl., § 87 BRAGO Rdnr. 7; Madert in

Gerold-Schmidt u.a., BRAGO, 13. Aufl., § 83 Rdnr. 9 und § 87 Rdnr.

3). Demgemäß bestimmt sich der Kostenerstattungsanspruch des

früheren Angeklagten für das Haftbeschwerdeverfahren nicht nach

einer Gebühr für eine einzelne Tätigkeit nach § 91 Nr. 1 BRAGO,

sondern dadurch, daß die Gebühr für die Vorinstanz (hier: aus § 83

BRAGO) wegen der zusätzlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren zu

erhöhen ist und die Staatskasse bei einer erfolgreichen Beschwerde

den Unterschiedsbetrag zwischen der Gesamtvergütung und der Gebühr

ohne Beschwerdeverfahren zu ersetzen hat (LG Krefeld MDR 74, 252

m.Anm. Schmidt = JurBüro 74, 604 m.Anm. Mümmler), mithin die durch

die Erhöhung des Gebührenrahmens entstandenen zusätzlichen Kosten

aus den Gesamtgebühren anteilig auszusondern sind (Fraunholz in

Riedel-Sußbauer, BRAGO, 7. Aufl., §§ 83, 84 Rdnr. 16).

Folglich ist dem mit der Erinnerung in Bezug genommenen

Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 17. September 1997 insoweit

beizupflichten, daß sich durch das Beschwerdeverfahren die

ansonsten gerechtfertigte Mittelgebühr erhöht. Unrichtig ist aber

die sich hieran anschließende Berechnung des geltend gemachten

Betrages von 240,00 DM, in der eine erhöhte Mittelgebühr (für einen

Fortsetzungstermin in Höhe von 620,00 DM) voll angesetzt und

hiervon lediglich wegen des Bestehens einer Pflichtverteidigung die

für die Hauptverhandlung gemäß § 97 BRAGO erhaltene

Pflichtverteidigergebühr (von 380,00 DM) abgezogen wird. Zutreffend

bemerkt hierzu der Bezirksrevisor in der Stellungnahme vom 12.

Januar 1998 zu der Erinnerung, daß bei einer solchen

Berechnungsweise die Landeskasse die in dem (Fortsetzungs-) Termin

entstandenen "Wahlverteidigergebühren" in voller Höhe und nicht nur

den auf das Beschwerdeverfahren entfallenden Gebührenanteil zu

tragen hätte; dem ist zu folgen, denn ohne die Besonderheit des §

100 Abs. 1 Satz 2 BRAGO wäre nach der Berechnungsweise des

Beschwerdeführers für das Beschwerdeverfahren keinerlei Abzug von

der vollen Wahlverteidigergebühr für die Hauptverhandlung

vorzunehmen.

Im Grundsatz ist daher der in dem angefochtenen Beschluß

übernommenen Berechnungsweise des Bezirksrevisors vom 4. September

1997 zu folgen, jedoch mit anderen Ausgangsbeträgen: Zugrunde zu

legen ist nicht eine Mittelgebühr von 440,00 DM gemäß § 83 Abs. 2

Nr. 2 BRAGO für den Fortsetzungstermin, sondern eine - zudem

erhöhte - Gebühr aus § 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO.

Sofern - wie hier - ein Verfahren im ersten Rechtszug

stattgefunden hat, ist es die Gebühr des § 83 Abs. 1 BRAGO (so auch

Madert a.a.O. § 83 Rdnr. 9), durch die nach § 87 BRAGO die gesamte

Tätigkeit des Rechtsanwalts auch über die Hauptverhandlung hinaus,

also einschließlich derjenigen im Beschwerdeverfahren, abgegolten

wird. Der Senat hält es nicht für gerechtfertigt, bei der

Bestimmung der maßgeblichen Gebühr nach § 83 BRAGO an den

Fortsetzungstermin vom 2. Juli 1996 und damit an § 83 Abs. 2 Nr. 2

BRAGO anzuknüpfen. Es kann keinen Unterschied machen, ob die

Verurteilung eines Angeklagten, an die sich eine Haftbeschwerde

anschließt, an einem ersten Verhandlungstag oder in einem

Fortsetzungstermin erfolgt ist (wie es auch kostenmäßig ohne

Bedeutung bleiben muß, ob ansonsten eine Haftbeschwerde während

einer noch laufenden Hauptverhandlung vor oder nach dem ersten oder

nach einem weiteren Verhandlungstag eingelegt wird). Damit muß die

Tätigkeit des Verteidigers für die Haftbeschwerde - die im übrigen

vorliegend auch nicht im Fortsetzungstermin vom 2. Juli 1996,

sondern erst 3 Tage nach dem erstinstanzlichen Abschluß des

Verfahrens eingelegt worden ist - aus derjenigen (Pausch-) Gebühr

mitabgegolten werden, die bei einer Hauptverhandlung im ersten

Rechtszug in jedem Falle anfällt, also nach § 83 Abs. 1 BRAGO. Bei

den (reduzierten) Gebühren nach § 83 Abs. 2 BRAGO handelt es sich

nämlich nur um Zusatzgebühren speziell für die Tätigkeit für jeden

weiteren Verhandlungstag.

Ausgangspunkt der Berechnung des zu erstattenden Betrages ist

somit nicht eine Mittelgebühr gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 2 BRAGO von

440,00 DM, sondern eine Mittelgebühr gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO

von 820,00 DM. Diese ist wegen der zusätzlichen Tätigkeit im

Beschwerdeverfahren angemessen zu erhöhen (LG Krefeld a.a.O.;

Fraunholz a.a.O. §§ 83, 84 Rdnr. 16). Denn wenn auch das

Beschwerdeverfahren keinen eigenen Rechtszug bildet, sondern die

hierin entwickelte Tätigkeit des Rechtsanwalts durch die Gebühren

im Ausgangsverfahren mitabgegolten wird, so rechtfertigt doch diese

Tätigkeit sehr wohl eine Erhöhung dieser Gebühren bei der Bemessung

für die Ausgangsinstanz nach § 12 BRAGO (Madert a.a.O. vor § 83

Rdnr. 13; § 87 Rdnr. 3; Hartmann, § 87 BRAGO Rdnr. 8); die

Haftbeschwerde bestimmt den Umfang der Tätigkeit im Sinne des § 12

Abs. 1 Satz 1 BRAGO zusätzlich mit (Madert a.a.O. § 12 Rdnr. 12 c).

Der Senat hält vorliegend - auch in Ansehung der Begründung der

Haftbeschwerde vom 5. Juli 1996 - eine Erhöhung der Gebühr des § 83

Abs. 1 Nr. 2 BRAGO über die Mittelgebühr hinaus auf 1.000,00 DM für

angemessen.

Demzufolge ergibt sich als die Gebührendifferenz, die für die

Tätigkeit im Beschwerdeverfahren ausscheidbar ist, ein Betrag von

180,00 DM. Dieser Betrag unterscheidet sich von dem dem angeführten

Beschluß zunächst zugrunde gelegten Betrag von 185,00 DM zwar nur

geringfügig. Die entscheidende Abweichung, derentwegen die

Kostenfestsetzung vom 2. Oktober 1997 teilweise abzuändern ist,

ergibt sich nunmehr aber aus der weiteren Berechnung des nach § 100

Abs. 1 Satz 2 BRAGO anzurechnenden Betrages, da der für die

Beschwerdetätigkeit ausscheidbare Betrag von 180,00 DM nur 18 % der

nach § 83 Abs. 1 BRAGO maßgeblichen (erhöhten) Gebühr von 1.000,00

DM darstellt und sich somit entgegen der dem angefochtenen Beschluß

zugrunde gelegten Berechnung des Bezirksrevisors die Prozentzahlen

(dort: 42 %) entsprechend verschieben:

Nach § 97 Abs. 1 Satz 2 BRAGO entfällt der (seitens der

Staatskasse zu erstattende) Anspruch des Rechtsanwalts gegenüber

dem früheren Angeklagten insoweit, als die Staatskasse Gebühren

nach § 97 BRAGO gezahlt hat. Dies betrifft (nunmehr anders als in

der Ausgangsberechnung des Bezirksrevisors vom 4. September 1997),

weil der Senat die Gebühr des § 83 Abs. 1 Nr. 2 und nicht nur die

des § 83 Abs. 2 Nr. 2 BRAGO für maßgeblich hält, nicht die

Pflichtverteidigervergütung für einen Fortsetzungstermin in Höhe

von 380,00 DM, sondern die Gebühr nach §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 83 Abs.

1 Nr. 2 BRAGO in Höhe von 480,00 DM. Hiervon entfällt entsprechend

den obigen Ausführungen ein Anteil von 18 % auf die Tätigkeit in

dem Beschwerdeverfahren. Betragsmäßig sind dies 86,40 DM. Dieser

Betrag ist von der einem Wahlanwalt zustehenden Gebühr in Abzug zu

bringen.

Festzusetzen sind somit statt 180,00 DM (wie bei einem

Wahlverteidiger) nur 93,60 DM. Hinzu kommt die Mehrwertsteuer

(trotz der Mehrwertsteuererhöhung zum 1. April 1998 nur in Höhe von

15 %, weil der maßgebliche Zeitpunkt derjenige der Fälligkeit der

anwaltlichen Vergütung im Verhältnis zwischen dem früheren

Angeklagten und dem Verteidiger in dem Beschwerdeverfahren des

Jahres 1996 ist). 15 % Mehrwertsteuer sind 14,04 DM. Somit ergibt

sich ein festzusetzender Gesamtbetrag von 107,64 DM.

Die Kostenentscheidung für das vorliegende Beschwerdeverfahren

beruht auf §§ 473 Abs. 1 und Abs. 4, 464 d StPO.

Der Beschwerdewert ist festzusetzen, weil sich die Gebühr für

das Beschwerdeverfahren gemäß Nr. 6702 KV nach § 11 Abs. 2 GKG bzw.

nach der Anlage 2 zu § 11 Abs. 2 GKG richtet. Er besteht aus der

Differenz zwischen dem erstinstanzlich angemeldeten und dem in dem

angefochtenen Beschluß festgesetzen Betrag.






OLG Köln:
Beschluss v. 28.04.1998
Az: 2 Ws 77/98


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/00c2d3c08094/OLG-Koeln_Beschluss_vom_28-April-1998_Az_2-Ws-77-98




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share