Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 27. Juli 2010
Aktenzeichen: I-20 U 37/10
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 27.07.2010, Az.: I-20 U 37/10)
1. Eine GmbH in Gründung (i.G.), der es am Erfordernis eines wirksamen Gesellschaftsvertrages mangelt, ist als eine am Rechtsverkehr teilnehmende BGB-Außengesellschft zu behandeln.
2. Für eine wirksamte Zustellung von Anwalt zu Anwalt nach § 195 ZPO ist neben der Kenntnisnahme der Sendung durch den Empfänger auch dessen Wille, die Sendung als zugestellt entgegenzunehmen, erforderlich. Der Mangel des Empfangswillens kann nicht nach § 189 ZPO geheilt werden.
3. Wird im Tenor der einstweiligen Verfügung direkt auf Anlagen verwiesen, dann sind diese dem Antragsgegner zwingend zusammen mit der einstweiligen Verfügung zuzustellen.
Tenor
Auf Berufung der Antragsgegnerin wird das am 10. Februar 2010 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und die einstweilige Verfügung vom 25. September 2009 unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Gründe
I.
Beide Parteien sind im Bereich der IT-Dienstleistungen tätig, sie bieten ihren Kunden Webhosting und Root-Server an.
Die Antragsgegnerin bewarb in einer bei Google geschalteten Anzeige einen Rootserver "Intel Xeon 3,2 GHZ" für 199,00 Euro / monatlich ohne die Angabe, ob dieser Betrag die Umsatzsteier enthält. Ein in die Anzeige integrierter Link führt zur Internetseite der Antragsgegnerin, auf der weitere Rootserver beworben werden. Auch hier fehlt bei den Preisangaben der Hinweis, ob der Betrag die Umsatzsteuer enthält. Beim Angebot ihrer Webhosting-Leistungen wurden die einzelnen Leistungsmerkmale mit dem Zusatz "unlimitiert" beworben. Eine gesonderte Widerrufsbelehrung für Verbraucher fehlte.
Die Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin mit Anwaltsschreiben vom 4. September 2009 abmahnen. Der Abmahnung war ein Ausdruck der Google-Anzeige sowie der Rubriken "Dezidierte Server" und "Webhosting Info" des Internetauftritts der Antragsgegnerin beigefügt. Auf diese Abmahnung hin meldete sich für die Antragsgegnerin ihre nunmehrige Verfahrensbevollmächtigte und verlangte bezüglich des Unterzeichners der der Abmahnung beigefügten Anwaltsvollmacht den Nachweis der Vertretungsmacht. Eine Unterlassungserklärung hat sie nicht abgegeben.
Auf Antrag der Antragstellerin hat das Landgericht der Antragsgegnerin durch Beschluss vom 25. September 2009 untersagt,
1. gegenüber Verbrauchern für Produkte oder Leistungen, die im Wege des Fernabsatzes beworben oder abgesetzt werden, ohne bei jedem angegebenen Preis anzugeben, ob dieser Preis die Mehrwertsteuer beinhaltet oder nicht, insbesondere wie nach
Server Intel Xeon 3,2 GHZ
3x 500 GB Festplatte Raid 1 + Backup
500 GB Traffic nur 199,00 € / mtl.
www.s...h...com/Rootserver
und
in Anlage AS3 ersichtlich.
2. gegenüber Verbrauchern eine Widerrufsbelehrung bei Vertragen im Wege des Fernabsatzes zu verwenden, die eine Widerrufsbelehrung lediglich im Fließtext der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beinhaltet,
3. Paketausstattungen mit unlimitierten Leistungsmerkmalen, insbesondere "Subdomains: unlimitiert", "IMAP: unlimitiert", "Anzahl Email-Adressen: unlimitiert" und "Autoresponder/Infobots: unlimitiert" zu bewerben, wie insbesondere in Anlage AS4 dargestellt.
Nach Ziffer IV. war dem Beschluss eine Abschrift der Antragsschrift nebst Anlagen beizufügen. Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 7. Oktober 2009 zugestellt worden.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin übermittelte den Beschluss der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 13. August 2009 per Fax, wobei streitig ist, ob die Sendung auch die Anlagen AS3 und AS4 enthielt. Das vorbereitete Empfangsbekenntnis hat die Antragsgegnervertreterin nicht zurückgesandt.
Die Antragstellerin ließ darauf der Antragsgegnerin den Beschluss durch den Gerichtsvollzieher zustellen. Anlagen waren dem Beschluss nicht beigefügt.
Die Antragsgegnerin hat gegen den Beschluss Widerspruch eingelegt, den sie auf die Versäumung der Vollziehungsfrist gestützt hat. Die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher sei unwirksam, da dem Beschluss weder die Antragsschrift noch die Anlagen beigefügt gewesen seien. Die Faxsendung, bei der ebenfalls nur der Beschluss selbst übermittelt worden sei, sei ihrerseits keine wirksame Zustellung gewesen.
Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung durch Urteil bestätigt und zu Begründung ausgeführt, eine Zustellung der Antragsschrift nebst Anlagen habe es nicht bedurft. Durch die entsprechende Auflage in Ziffer IV. seien Antragsschrift und Anlagen nicht zum integrierenden Bestandteil des Tenors geworden. Dies gelte auch für die Anlagen AS3 und AS4, da auf diese zwar im Tenor Bezug genommen werde, aber nur im Rahmen des Insbesondere-Zusatzes. Der die Unterlassungsverpflichtung hinreichend konkret umschreibende Tenor werde durch den Zusatz weder beschränkt noch erweitert.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß begründeten Berufung.
Die Antragsgegnerin trägt vor, die Zustellung der Anlagen sei nicht entbehrlich gewesen, ohne sie seien Inhalt und Umfang des Verbots nicht klar und zweifelsfrei zu erkennen gewesen. Zudem fehle der Antragstellerin die Parteifähigkeit. Bei ihr handele es sich lediglich um eine BGB-Gesellschaft, da es an der für eine GmbH i.G. erforderlichen notariellen Beurkundung des Gesellschaftervertrags fehle.
Die Antragsgegnerin beantragt,
unter Abänderung des am 10.02.2010 verkündeten Urteils des Landgerichtes Düsseldorf, Aktenzeichen 34 O 80/09, die einstweilige Verfügung vom 25.09.2009 aufzuheben und der ihr zugrunde liegende Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Antragstellerin trägt vor, das jetzige Angebot der Antragsgegnerin, zu beweisen, dass ihr per Fax nur der Beschluss übermittelt worden sei, sei verspätet. Im Übrigen seien die vorgelegten Beweise nicht geeignet, eine Zustellung auch der Anlagen AS3 und AS4 in Frage zu stellen. So bestünde schon Zweifel daran, dass der vorgelegte Faxbericht tatsächlich vom richtigen Faxgerät stamme. Die Zustellung der Anlagen sei auch gar nicht erforderlich gewesen, weil die Verfügung bereits aus dem Tenor heraus verständlich gewesen sei. Zudem seien die Anlagen der Antragsgegnerin bereits mit der Abmahnung übersandt worden und folglich bekannt gewesen. So habe die Antragsgegnerin nach Zustellung der Verfügung ihre Website geändert und sie den Vorgaben des Beschlusses angepasst.
II.
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg.
Die Antragstellerin var schon vor ihrer Überführung in die ... Ltd. parteifähig. Selbst wenn es am Erfordernis eines wirksamen Gesellschaftervertrages gefehlt haben sollte, handelte es sich bei der ... GmbH i.G. doch zumindest um eine am Rechtsverkehr teilnehmende BGB-Außengesellschaft; deren Parteifähigkeit wird inzwischen höchstrichterlich bejaht (Zöller-Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. § 50 Rz. 18).
Die einstweilige Verfügung ist gleichwohl aufzuheben, da die Antragstellerin die Vollziehungsfrist versäumt hat. Gemäß § 929 Abs. 2 ZPO ist die einstweilige Verfügung innerhalb eines Monats seit ihrem Erlass zuzustellen. Diese Vollziehungsfrist hat die Antragstellerin versäumt.
Eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt gemäß § 195 ZPO ist nicht erfolgt. Die Übermittlung an die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin genügte den Anforderungen an eine Zustellung nach § 195 ZPO nicht. Voraussetzung für eine Zustellung nach § 195 ZPO ist neben der Kenntnisnahme durch den Empfänger auch dessen Wille, die Sendung als zugestellt entgegenzunehmen (Zöller-Stöber, ZPO, 27. Aufl. § 195 Rz. 11). Der Wille ist vorliegend nicht festzustellen, da die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin das vorbereitete Empfangsbekenntnis nicht zurückgesandt hat. Der Mangel des Empfangswillen kann nach § 189 ZPO nicht geheilt werden (Zöller-Stöber, ZPO, 27. Aufl. § 195 Rz. 11). Von daher kann dahinstehen, ob der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin nur den Beschluss oder auch die Anlagen AS3 und AS4 übermittelt hat.
Die Zustellung des Beschlusses durch den Gerichtsvollzieher gemäß § 192 ZPO ist unwirksam. Dem Beschluss waren weder Antragsschrift noch Anlagen beigefügt. Für eine wirksame Zustellung wäre zumindest eine Beifügung der Anlagen AS3 und AS4 erforderlich gewesen, da die Anlagen integraler Bestandteil des Verbotstenors sind. Wenn die Antragsschrift oder andere Anlagen zum Bestandteil einer einstweiligen Verfügung gemacht sind, wenn insbesondere zur Umschreibung eines Verbots auf sie Bezug genommen wird, müssen die betreffenden Urkunden ebenfalls zugestellt werden (Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rz. 316). Eine unvollständige Zustellung führt in aller Regel zur Unwirksamkeit der Zustellung (OLG Düsseldorf, GRUR 1984, 78, 79 - Vollziehung ohne Anlagen; OLG Frankfurt, OLGZ 1993, 70).
Vorliegend werden die Anlagen AS3 und AS4 im Tenor in Bezug genommen. Sie sind auch integraler Bestandteil der Verfügung, da ohne sie der Inhalt des Verbots nicht klar und zweifelsfrei zu ermitteln ist. Der Inbesondere-Teil hat eine Doppelfunktion. Zum einen verdeutlicht er den allgemeinen Teil, indem er das verbotene Verhalten durch Beispielsfälle umschreibt. Zum anderen bildet er einen Unterfall der Verallgemeinerung, auf den hilfsweise zurückgegriffen werden kann. Auch wenn Inbesondere-Zusätze den Antrag weder einschränken noch erweitern, stellen sie somit doch eine Auslegungshilfe dar (Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 12 UWG Rz. 2.46). Durch das Beispiel der konkreten Verletzungsform wird das Charakteristische der Verletzung erläutert und verdeutlicht (BGH, GRUR 1991, 772, 773 - Anzeigenrubrik I; GRUR 2008, 702 Tz. 26 - Internetversteigerung III).
Der Charakter als Auslegungshilfe wird vor allem bei der Bezugnahme auf die Anlage AS3 deutlich. So ist der Antragsgegnerin die Bewerbung von Produkten mit Preisen, bei denen nicht angegeben wird, ob sie die Umsatzsteuer enthalten, nicht schlechthin, sondern nur gegenüber Verbrauchern untersagt worden. Ob sich eine Werbung nur an Gewerbetreibende oder auch an Verbraucher richtet, kann sich auch aus den Umständen ergeben. Insbesondere bei Angeboten wie beim "Webserver TURBO Managed" für 849 Euro im Monat, Anlage AS3, Bl. 65 d. GA, stellt sich die Frage, ob sich ein solches Angebot nicht naturgemäß nur an Gewerbetreibende richtet. Erst durch Beifügung des konkret angegriffenen Angebots kann die Antragsgegnerin daher die Reichweite des Verbots zuverlässig erkennen.
Es nutzt der Antragstellerin nichts, dass die Anlage der der Antragsgegnerin im Vorfeld übersandten Abmahnung beigefügt waren. Die Zustellung folgt einem formalisierten Verfahren. Eine zugestellte Entscheidung muss grundsätzlich aus sich selbst heraus verständlich sein, bei der Berücksichtigung externer Auslegungshilfen ist äußerste Zurückhaltung geboten. Bei der Abmahnung waren die Anlagen AS3 und AS4 nicht als solche bezeichnet. Dass eine vollständige Identität zu den ihr mit der Abmahnung übersandten Anlagen gegeben war, konnte die Antragsgegnerin bei der Zustellung des Beschlusses zwar ahnen, mit Sicherheit wusste sie es jedoch nicht. Die Umstellung ihres Internetauftritts kann auch Ausdruck ihrer Vorsicht gewesen sein, einen Rückschluss auf eine zuverlässige Kenntnis von der genauen Reichweite der Verfügung erlaubt dies nicht.
Soweit die Antragstellerin auf die von ihr behauptete Übermittlung der Anlagen AS3 und AS4 an die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin abstellt, kann diese Übermittlung nicht in eine unheilbare unwirksame Zustellung und eine wirksame, die unvollständige Zustellung durch den Gerichtsvollzieher komplementierende Kenntniserlangung aufgespalten werden. Die Intention des Gesetzgebers, die Zustellung von Anwalt zu Anwalt vom Willen des Empfängers abhängig zu machen, würde sonst unterlaufen. Im Übrigen hat die Antragstellerin allenfalls die Absendung des Beschlusses mit den Anlagen AS3 und AS4 glaubhaft gemacht. Schon ein Zugang der vollständigen Sendung ist damit jedoch noch nicht belegt, auch bei Faxsendungen liefert die Absendung keinen Anscheinsbeweis für den Zugang (Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 130 Rz. 21). Für eine tatsächliche Kenntnisnahme vom Inhalt der Anlagen seitens der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gilt dies erst recht.
Das Fehlen der Anlage AS3 und AS4 hat die Unwirksamkeit der Zustellung insgesamt zur Folge. Die Zustellung einer Entscheidung ist ein einheitlicher Akt, der nicht sowohl wirksam als auch unwirksam sein kann. Jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - zwischen den einzelnen Teilen einer Verbotsverfügung ein enger sachlicher Zusammenhang besteht ist für eine getrennte Betrachtung der einzelnen Untersagungen kein Raum.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, die Sache ist kraft Gesetzes nicht revisibel, § 542 Abs. 2 ZPO.
Der Streit wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 27.07.2010
Az: I-20 U 37/10
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