Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Dezember 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 187/99
(BPatG: Beschluss v. 13.12.2000, Az.: 29 W (pat) 187/99)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Juli 1998 und vom 15. April 1999 aufgehoben.
Gründe
I.
Die Wortmarke
"DIREKTE DATA MARKETING"
soll für die Dienstleistungen
"Werbung; einschließlich Direktwerbung; Werbeberatung, Werbegestaltung; Media-Schaltungen, nämlich Schaltung von Werbe- und Stellenanzeigen in Druck-, Bild- oder Tonmedien; Marketing, einschließlich Direktmarketing und Telefon-Marketing; Marketingberatung, einschließlich Direktmarketingberatung; Entwicklung von Marketing Konzepten; Marktforschung, Marktanalysen; Öffentlichkeitsarbeit; Unternehmensberatung; betriebswirtschaftliche Beratung; Absatzplanung und Absatzberatung; Sammlung, Erfassung, Verarbeitung, Verwaltung, Vermittlung und Vermietung von Adressen (soweit in Klasse 35); Kunden-Service und Call-Service, nämlich telefonische oder elektronische Beratung von Interessenten über Dienstleistungen anderer (soweit in Klasse 35); Erstellung von wirtschaftlichen Analysen, einschließlich bezüglich des Verbraucherverhaltens; gutachterliche Tätigkeit wirtschaftlicher Art; Organisation und Vermarktung von Datenbanken in wirtschaftlicher Hinsicht; Telekommunikation; einschließlich der Übermittlung von der Daten, Informationen und Nachrichten aller Art, auch in elektronischer Form sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit Telekommunikationsnetzen; Entwicklung, Erstellung, Weiterentwicklung und Wartung (Verbesserung und Aktualisierung) von Computerprogrammen, -programmsystemen, -programmbibliotheken und Datenbanken sowie deren Vermietung und Überlassung in Form von besonderen Vertragsverhältnissen (lizenzweise Überlassung), vorgenannte Dienstleistungen insbesondere für die Adressenverarbeitung; Erstellen von EDV-Systemeanalysen sowie Prüfung von EDV-Systemen; Aufnahme, Erfassung, Übertragung, Speicherung, Verarbeitung und/oder Wiedergabe von Nachrichten, Bildern, Texten, Sprache, Signalen und Daten (soweit in Klasse 42); technische Beratung, gutachterliche Tätigkeit technischer Art, Dienstleistungen eines Ingenieurs und eines Programmierers ; Dienstleistungen eines Datenbankbetreibers; Datenverarbeitung für andere, einschließlich Dienstleistungen eines Rechenzentrums sowie Anlegen und Initialisierung von Datenbanken; Vermietung von EDV-Anlagen; Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sowie Erstellung von technischen Analysen, einschließlich bezüglich des Verbraucherverhalten; technische Anwenderunterstützung und technische Einsatzplanung auf dem Gebiet der Informationstechnologie und anderer computerverwandter Technologien" in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, die Anmeldung wegen eines Freihaltungsbedürfnisses und wegen fehlender Unterscheidungskraft mit der Begründung zurückgewiesen, daß es sich bei der angemeldeten Marke um eine reine Beschreibung der Dienstleistungen handle, die sich in einer Sachangabe erschöpfe. Aus dem Adjektiv "direkt", das "unmittelbar" bedeute, dem ursprünglich aus dem englischen stammenden "data" für "Daten" und dem aus dem Wirtschaftsleben bekannten Fachbegriff "Marketing" zusammengesetzt, sage die Marke aus, daß die Dienstleistungen ein Marketing darstellten oder mit ihm zu tun hätten, auf direkten Weg in Verbindung mit Daten. Das Zeichen werde von den Verkehrskreisen daher als direkte(s), also unmittelbare(s) Marketing verstanden, das mittels (elektronischer) Daten erbracht werde. Daß die Wortfolge wegen der Auslassung von bestimmten oder unbestimmten Artikeln und der fehlenden Abstimmung der einzelnen Bestandteile in Kasus und Numerus sprachwidrig gebildet sei, würden die beteiligten Verkehrskreise aufgrund des sachbeschreibenden Sinngehalts nicht erkennen, nicht zuletzt wegen der deutschen Rechtschreibreform und der üblichen Verwendung eingedeutschter englischsprachiger Begriffe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Ein gegenwärtiges Freihaltungsbedürfnis sei nicht nachgewiesen worden, für ein zukünftiges fehle es bezüglich der Marke in ihrer angemeldeten Form an konkreten Anhaltspunkten. Sie enthalte keine Sachangabe und stelle eine Mixtur englischer und deutscher Begriffe dar, die weder deutschen noch englischen Sprachregeln folge. Wäre "direkte" auf "Marketing" bezogen, müßte es "direktes" heißen, auf "data" bezogen "direct". Der Inhalt der Wortfolge vermittle allenfalls vage Vorstellungen. Es sei nicht klar, was "direktes Datenmarketing" sei oder was "direkte Daten" seien. Und zu irgend einem Bedeutungsgehalt zu gelangen, seine gedankliche Deduktion nötig. Analytische Betrachtung verbiete sich aber bei der Beurteilung absolute Eintragungshindernisse. Das angemeldete Zeichen vermittle den beteiligten Kreisen keine konkrete Vorstellung vom Unternehmensgegenstand.
Die erforderliche Unterscheidungskraft sei schon aufgrund der sprachunüblichen Kombination englischer und deutschsprachiger Begriffe gegeben.
Die Anmelderin beantragt, den angegriffenen Beschluß aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg, da weder ein Freihaltebedürfnis an der angemeldeten Marke besteht noch ihr die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs 2 Nr 2 und 1 MarkenG).
1. Der Senat vermag an der Wortfolge "DIREKTE DATA MARKETING" kein gegenwärtiges oder zukünftiges Freihaltungsbedürfnis für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen festzustellen. Wie eine Internet-Recherche des Senats ergeben hat, wird das auch lexikalisch nirgendwo nachweisbare Zeichen derzeit außer von der Anmelderin selbst in ihrer Firma gegenwärtig nicht benutzt. Unter den Suchbegriffen "DIREKTE DATA" wurde ebenfalls nur ihr Firmenanfang angezeigt, ansonsten waren keine Treffer zu erzielen, die diese Wortfolge zusammenhängend enthalten. Gleiches gilt für "DATA MARKETING", hier erschien nur "DATA MARKETING Service" als firmenmäßiger Hinweis für ein Unternehmen, das für Database-Marketing eine Adressenverwaltung anbietet. Weder die angemeldete Wortfolge als Ganze noch ihre Bestandteile "DIREKTE DATA" oder "DATA MARKETING" stellen Fachbegriffe dar oder existieren in dieser Zusammensetzung überhaupt. (In der EDV-Fachsprache gibt es lediglich den hier irrelevanten Begriff "direct data set" für eine direkt organisierte Datei, vgl IBM "Fachausdrücke der Informationsverarbeitung Wörterbuch und Glossar 2000, S 269.) Die angemeldete Wortfolge kann daher für die beanspruchten Dienstleistungen nicht als Bestimmungsangabe angesehen werden, da es ein(e) "DIREKTE DATA MARKETING" nicht gibt.
Die angemeldete Marke lehnt sich als sprechendes Zeichen zwar nahe an die in der Wirtschaftssprache verwendeten Fachausdrücke für bestimmte Marketingformen an, nämlich an die des "Database-" bzw "Data-Base-Marketing" und des "Direktmarketing", ohne ihnen aber zu entsprechen oder ihre Eigenschaften zu beschreiben. "Data-Base-Marketing" bedeutet, daß im Rahmen von Direktmarketing computergestützte Systeme eingesetzt werden, die Adress- und anderes personenbezogenes Datenmaterial zur Verfügung stellen, um mit dem Adressaten der Marketingaktivitäten einen möglichst individuellen Dialog aufbauen zu können (Vahlens Großes Wirtschafts Lexikon Band 1 A-K 2. Auflage, Stichwort "Data-Base-Marketing"). "Direktmarketing" beschreibt die Gesamtheit aller Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, bestimmten Zielgruppen Waren, Dienstleistungen oder Informationen individuell anzubieten und die Reaktionen auf das Angebot zu erfassen, um daran ansetzend die weitere Zielgruppenbearbeitung möglichst individuell zu gestalten (Vahlens Großes Wirtschafts Lexikon aaO, Stichwort "Direktmarketing"). Obwohl hier entweder konkrete Marketing-Dienstleistungen unmittelbar beansprucht sind oder die im Verzeichnis aufgeführten Dienstleistungen nur solche betreffen, die für ein Marketing unerläßlich sind, hat die Wortfolge für keine dieser Dienstleistungen einen unmittelbar beschreibenden Inhalt. Diese Dienstleistungen werden einem im wirtschaftlichen Bereich fachkundigen Publikum angeboten, das sicher die einzelnen Bestandteile versteht. Gerade im Hinblick auf die Fachkunde werden die beteiligten Verkehrskreise aber erkennen, daß es sich um einen sprachunüblich aus deutschen und englischen Elementen gebildeten Kunstbegriff ohne konkreten Sinn handelt, bei dem nicht nur der vom Kasus unpassende Bestandteil "DIREKTE" stört, sondern auch die fachunübliche Zusammensetzung. Daten sind zwar für ein erfolgreiches Marketing notwendig, es sollen auch die Kundeninteressen unmittelbar (direkt) erfaßt und umgesetzt werden, wozu die beanspruchten Dienstleistungen jedenfalls mittelbar dienen sollen, deren Merkmale aber durch den Begriff "Direkte Data Marketing" nicht ausgedrückt werden. Unabhängig davon, daß das Zeichen von der Markenstelle unzulässigerweise sprachlich "korrigiert" wurde, enthält dementsprechend auch die von ihr angenommene Bedeutung keinen unmittelbar sachbeschreibenden Sinn. Es erscheint schon unklar, wie Marketing mittels Daten "erbracht" werden kann. Gleiches gilt hinsichtlich der im Erstbeschluß enthaltene Definition, "die Dienstleistungen stellten ein Marketing dar/hätten damit zu tun auf direktem Weg in Verbindung mit Daten". Dementsprechend liegen auch keinerlei konkreten Gründe für die Annahme vor, "DIREKTE DATA MARKETING" könnte in dem beanspruchten Bereich für Wettbewerber künftig als sachbeschreibende Angabe benötigt werden.
2. Bei der Prüfung der konkreten Eignung einer Marke, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Dh, jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu überwinden (vgl Begr. z. Reg.Entw., BT-Drucks. 12/6581, 70 = BlfPMZ 1994, Sonderheft 64) (vgl BGH GRUR 2000, 502 ff, 503 "St. Pauli Girl" mwN). Dabei ist davon auszugehen, daß der Verkehr die Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, und er es keiner zergliedernden, analysierenden Betrachtungsweise unterzieht (BGH aaO mwN). Der Senat hat im Rahmen der Beurteilung des Freihaltebedürfnisses keinen für die fraglichen Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt feststellen können. Die Marke mag zwar das betroffene Sachgebiet nach Art einer sprechenden Marke andeuten. Da es sich aber nicht um einen gebräuchlichen Ausdruck der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, der vom Verkehr stets nur als solcher und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird, fehlen im vorliegenden Fall jegliche Anhaltspunkte dafür, daß der Verkehr auf Grund der dargestellten Unkenntnis des Wortes bzw. seiner Mehrdeutigkeit als Sachangabe und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis deuten würde, zumal der Verkehr wegen der Verwendung der weiblichen Form des "direkt" als "DIREKTE" das Zeichen als Hinweis auf ein Unternehmen auffassen wird (vgl zB aus der Versicherungsbranche: "Vereinte", "Württembergische", "Die Continentale").
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BPatG:
Beschluss v. 13.12.2000
Az: 29 W (pat) 187/99
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